Entscheidungsdatum: 21.07.2010
NV: Ein einheitlicher Warenkredit, der über mehrere Jahre einen Mindestsaldo aufweist, ist keine Dauerschuld, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der jeweiligen Erhöhung der Darlehensschuld, den einzelnen Warengeschäften und deren Abwicklung besteht .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Gegenstand ihres Geschäftsbetriebs sind der Import und Export von X-Produkten. Importiert werden Partien von unterschiedlicher Größe, die zum Verkauf an die Endkunden jeweils in eine Vielzahl kleinerer Partien aufgeteilt werden. Über das Jahr verteilt ergeben sich auf diese Weise mehrere tausend Verkaufsakte, wobei die einzelnen Warenpartien in der Regel kurzfristig, d.h. innerhalb weniger Wochen, höchstens aber über einen Zeitraum von einigen Monaten umgeschlagen werden. Die Warenimporte und der Weiterverkauf an die Endkunden erfolgen ausschließlich auf US-$-Basis.
Ihr Umlaufvermögen finanzierte die Klägerin seit 1992 nahezu ausschließlich durch US-$-Kontokorrentkredite. Sie hatte zu diesem Zweck bereits 1995 mit vier Banken Kreditverträge geschlossen, die über Zeiträume von bis zu zwölf Monaten liefen und nach Ablauf entweder prolongiert oder durch Verträge mit entsprechendem Inhalt ersetzt wurden. Drei der Banken hatten der Klägerin eine Kreditlinie in Höhe von jeweils 7 Mio. DM, die vierte Bank eine Kreditlinie in Höhe von 5 Mio. DM eingeräumt.
In allen Verträgen wurde ausdrücklich auf einen mit der Klägerin am 19. Juni 1995 geschlossenen Sicherheiten-Poolvertrag verwiesen. Dieser Poolvertrag wiederum nahm Bezug auf die vier eingeräumten Kreditlinien und stellte zunächst fest, dass die Kreditgewährung durch jede der Banken gesondert und unter Ausschluss der gesamtschuldnerischen Haftung erfolge. Sodann wurde festgelegt, dass die von der Klägerin gestellten Sicherheiten in einen Sicherheiten-Pool eingebracht würden. Eine der Banken, der hierfür eine Vergütung zugesprochen wurde, wurde als Poolführerin bestimmt. Weiterhin wurde vereinbart, dass die Pool-Sicherheiten zur Besicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Banken, ihrer Niederlassungen und Tochtergesellschaften dienen sollten. Über die Frage, ob und wann Verwertungsmaßnahmen einzuleiten und durchzuführen seien, sollten die vier Banken gegebenenfalls einstimmig entscheiden. Die Aufteilung der Verwertungserlöse sollte entsprechend den valutierten Krediten erfolgen. Des Weiteren wurden in dem Vertrag die jeweils treuhänderische Verwaltung der Sicherheiten, Auskunftsansprüche, Unterrichtungspflichten u.ä. geregelt.
Die Klägerin nahm die ihr gewährten Kredite sowohl als US-$-Kontokorrentkredite als auch als US-$-Eurokredite in Anspruch. Sie unterhielt bei jeder der vier Banken ein US-$-Kontokorrentkonto, über das die Wareneinkäufe (wechselnd) finanziert wurden. Die Rückzahlung der Kredite erfolgte in der Weise, dass die Kunden der Klägerin den für die von ihnen erworbenen Waren jeweils geschuldeten Kaufpreis durch Zahlung auf eines der vier US-$-Kontokorrentkonten beglichen; dies war nicht notwendig das Konto, über das der Einkauf des betreffenden Warenbestandes finanziert worden war. Die Klägerin war zu dieser Rückführung der Kredite verpflichtet.
Ferner nahm die Klägerin in den Streitjahren US-$-Eurokredite auf. Die US-$-Eurokredite wurden zur Minderung der Schuldensalden auf den US-$-Kontokorrentkonten verwendet. Die im Streitjahr 1998 vorgenommenen Tilgungen der US-$-Eurokredite für Zeiträume von jeweils 3 bis 6 Wochen wurden wiederum durch entsprechend höhere Inanspruchnahme der Kredite auf den US-$-Kontokorrentkonten ermöglicht.
Der Gesamtsaldo aller Kredite war während der Streitjahre (1997 und 1998) zu keinem Zeitpunkt geringer als 8 Mio. DM.
In ihren Gewerbesteuer-Erklärungen für die Streitjahre war die Klägerin der Auffassung, die US-$-Kontokorrentkredite seien in Höhe von sog. Mindestkrediten Dauerschulden; dies gelte aber nicht für die US-$-Eurokredite, weil deren Saldo zwischenzeitlich ausgeglichen gewesen sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte zunächst dieser Auffassung und erließ entsprechende Bescheide über den (einheitlichen) Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer vom 6. September 1999 (für 1997) und vom 31. Januar 2000 (für 1998), jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung).
Im Anschluss an eine Außenprüfung war das FA der Ansicht, auch die US-$-Eurokredite seien Dauerschulden, und erließ entsprechend geänderte Bescheide vom 26. Februar 2004.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im Rahmen des Klageverfahrens vertrat die Klägerin nunmehr die Auffassung, sowohl die US-$-Kontokorrentkredite als auch die US-$-Eurokredite seien keine Dauerschulden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung seines in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 945 veröffentlichten Urteils führt das FG im Wesentlichen aus, sämtliche US-$-Kontokorrentkredite sowie alle US-$-Eurokredite seien als eine einzige Schuld anzusehen. Dieser Kredit habe dazu gedient, die objektive Wirtschaftskraft des Gewerbebetriebs der Klägerin über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu verstärken. Die Inanspruchnahme der auf die jeweiligen Wareneinkäufe bezogenen Kredite ginge ebenso wie ihre Tilgung durch die Warenerlöse in dem Gesamtkredit der vier Banken auf, ohne dass es möglich gewesen wäre, einen Konnex zwischen der Aufnahme der einzelnen Kredite und ihrer jeweiligen Tilgung herzustellen. Die Bewegungen durch Wareneinkäufe und Warenverkäufe hätten lediglich den Bereich jenseits einer Grenze von 8 Mio. DM betroffen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß,
den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1997 vom 26. Februar 2004 dahin gehend zu ändern, dass die US-$-Kontokorrentkredite und die US-$-
Eurokredite nicht dem Gewerbekapital und die Entgelte für diese Kredite nicht dem Gewerbeertrag hinzugerechnet werden, sowie
den Gewerbesteuermessbescheid für 1998 vom 26. Februar 2004 dahin gehend zu ändern, dass die Entgelte für die US-$-Kontokorrentkredite und für die US-$-Eurokredite nicht dem Gewerbeertrag hinzugerechnet werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (vgl. § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die US-$-Kontokorrentkredite und die US-$-Eurokredite sind als einheitlicher Gesamtkredit anzusehen. Dieser begründet --entgegen der Auffassung des FG und des FA-- keine Dauerschuld.
1. a) Nach § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (u.a.) die Hälfte der bei seiner Ermittlung abgezogenen Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Derartige Verbindlichkeiten sind nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG in der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Gewerbebetriebs hinzuzurechnen. § 12 GewStG ist mit Wirkung vom Erhebungszeitraum 1998 an ersatzlos entfallen, so dass diese Bestimmung für das Streitjahr 1998 nicht (mehr) gilt.
b) aa) Eine Schuld dient nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt. Nicht der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals dienen andererseits trotz einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen stehen und in der nach Art des jeweiligen Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Kredite, die ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und die aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen sind (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2009 IV R 48/07, BFHE 228, 408, unter II.3.b der Gründe, m.w.N.).
bb) Diese Grundsätze gelten auch bei Kontokorrentschulden (BFH-Urteil vom 3. August 1993 VIII R 40/92, BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, unter 3.b der Gründe, m.w.N.). Danach sind Kontokorrentschulden im Allgemeinen laufende Schulden, es sei denn, aus dem Geschäftsverhältnis der Beteiligten muss geschlossen werden, dass trotz der äußeren Form des Kontokorrentverkehrs ein bestimmter Mindestkredit dem Unternehmen dauernd gewidmet werden soll (BFH-Urteile vom 8. Februar 1984 I R 15/80, BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379, unter II.1.c der Gründe; vom 3. Juli 1997 IV R 2/97, BFHE 184, 104, BStBl II 1997, 742, unter 1. der Gründe).
cc) Dies gilt aber --entsprechend den allgemeinen Grundsätzen-- dann nicht, wenn Kontokorrentschulden bei nachweisbarer Beziehung zu den laufenden Geschäften nicht als Dauerschulden anzusehen sind (BFH-Urteil in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, unter 3.b der Gründe, m.w.N.; für Schulden mit wechselndem Bestand: BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 I R 73/03, BFHE 211, 43, BStBl II 2006, 134, unter II.4. der Gründe).
Bei Warenkrediten muss hierfür ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kreditgewährungen, den einzelnen Warengeschäften und deren Abwicklung bestehen (BFH-Urteil in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, unter 4.a der Gründe, m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn vereinbart und nachprüfbar sichergestellt ist, dass der sich aus der Abwicklung des einzelnen Geschäfts ergebende Erlös zur Abwicklung des einzelnen Kreditgeschäfts verwendet wird und damit der freien Verfügung des Schuldners entzogen ist (BFH-Urteil vom 19. August 1998 XI R 9/97, BFHE 186, 447, BStBl II 1999, 33, unter II.3. der Gründe, m.w.N.).
c) Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 GewStG vorliegen, muss grundsätzlich jedes einzelne Schuldverhältnis für sich beurteilt werden. Die Zusammenfassung mehrerer Schuldverhältnisse ist nicht schon deshalb möglich, weil sie ohne einander nicht denkbar sind. Mehrere Verbindlichkeiten sind nur ausnahmsweise als eine einheitliche Schuld zu werten, nämlich dann, wenn die einzelnen Schuldverhältnisse wirtschaftlich zusammenhängen und es dem Zweck des § 8 Nr. 1 GewStG --die objektive Wirtschaftskraft des Gewerbebetriebs zu erfassen-- widerspräche, diesen Zusammenhang unberücksichtigt zu lassen. So können Verbindlichkeiten auch gegenüber verschiedenen Kreditgebern als eine Schuld i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG zu beurteilen sein, wenn sie wirtschaftlich eng zusammenhängen und durch Vereinbarungen zwischen den Kreditgebern und zwischen ihnen und dem Kreditnehmer derart miteinander verknüpft sind, dass gerade die Verknüpfung dem Kreditnehmer die längerfristige Nutzung von Kreditmitteln sichert (BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 55/05, BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655, unter II.3.a bb der Gründe, m.w.N.).
2. Das FG hat ausgehend von den Rechtsgrundsätzen unter II.1.c den Sachverhalt in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) dahin gehend gewürdigt, dass die US-$-Kontokorrentkredite und die US-$-Eurokredite insgesamt als einheitliche Schuld anzusehen sind. Hiervon gehen auch die Beteiligten inzwischen übereinstimmend aus.
3. Dieser einheitliche Kredit ist --entgegen der Auffassung des FG und des FA-- keine Dauerschuld.
a) Zwar unterschritt an keinem Tag im Streitzeitraum der Gesamtsaldo der einheitlichen Schuld den Betrag von 8 Mio. DM.
b) Allerdings war im Streitfall der erforderliche enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Kredit und dem einzelnen Warengeschäft gegeben.
aa) Bei der Aufnahme des Kredits --also der jeweiligen Erhöhung der Schuld-- bestand dieser Zusammenhang, weil die Klägerin die Wareneinkäufe über eines der US-$-Kontokorrentkonten finanzierte.
bb) Dieser Zusammenhang blieb bis zur Abwicklung bestehen.
Die Betrachtung der US-$-Kontokorrentverbindlichkeiten und der US-$-Eurokredite als einheitliche Schuld (vgl. oben zu II.2.) schließt es aus, im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlichen Zusammenhangs nunmehr wiederum auf den einzelnen Kredit abzustellen und für maßgeblich zu erachten, dass die Erlöse nicht notwendig auf dasselbe Konto geflossen sind, über das der jeweilige Wareneinkauf finanziert worden ist. Vielmehr sind alle Konten zusammenzurechnen.
Im Streitfall sind sämtliche Erlöse aus den finanzierten Warenverkäufen auf jeweils eines der US-$-Kontokorrentkonten von den Erwerbern unmittelbar überwiesen worden. Sie dienten damit jeweils der Rückführung der Gesamtschuld. Die Klägerin war zu dieser Rückzahlung verpflichtet. Hinzu kommt im anhängigen Verfahren die Besonderheit, dass der Gesamtkredit in US-$ geführt worden ist, weil sowohl die Wareneinkäufe als auch die Warenverkäufe in dieser Währung abgewickelt worden sind. Dies spricht hier zusätzlich für den erforderlichen Zusammenhang.