Entscheidungsdatum: 26.06.2012
NV: Für die Frage, ob ein Feststellungsbeteiligter zu dem Klageverfahren eines anderen Feststellungsbeteiligten nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen ist, kommt es (nur) darauf an, dass das Klageverfahren ein Rechtsverhältnis betrifft, das auch gegenüber diesem Dritten nur einheitlich festgestellt werden kann, und dass der Dritte (abstrakt) klagebefugt ist, selbst aber kein Klageverfahren (mehr) betreibt. Unerheblich ist, aus welchen Gründen der selbst klagebefugte Dritte kein eigenes Klageverfahren (mehr) betreibt, d.h. ob er selbst überhaupt keine Klage erhoben hat oder ob ein eigenes Klageverfahren durch Klagerücknahme oder durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet wurde.
I. Die Beigeladene und Beschwerdeführerin zu 1. (Beigeladene) gründete unter dem Namen K-Bau eine nicht im Handelsregister eingetragene Einzelfirma und schloss im Mai 19… mit dem Beigeladenen und Beschwerdeführer zu 2. (Beigeladener) und dem Kläger einen Vertrag über die Errichtung einer Innengesellschaft (stille Gesellschaft). Gegenstand der Unternehmung war der Erwerb bestimmter Grundstücke, deren Erschließung, Bebauung und Verkauf. Am Gewinn und Verlust der Gesellschaft sowie an den stillen Reserven bei Auflösung waren die Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt. Die noch im Jahr 19… erworbenen Grundstücke wurden in der Folgezeit bis 1981 vermarktet. Einige Parzellen wurden für Angehörige der Gesellschafter bebaut und von diesen erworben.
Nach einer Außenprüfung bei der Beigeladenen kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu dem Ergebnis, Baukosten und Grundstückskaufpreise für Bauvorhaben von Angehörigen der Gesellschafter seien zu niedrig ausgewiesen worden. In Höhe der Verbilligung ging das FA von Entnahmen der Gesellschafter aus, die es ihnen --abweichend von der vertraglich vereinbarten Gewinnverteilung (1/3)-- personenbezogen zurechnete.
Gegen die entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre (1980 und 1981) legten die Beigeladenen fristgemäß Einspruch ein. Zu diesem Einspruchsverfahren zog das FA den Kläger gemäß § 360 der Abgabenordnung hinzu.
Nach nur teilweise erfolgreichem Einspruchsverfahren erhoben sowohl der Kläger als auch die Beigeladenen Klage. In einem Erörterungstermin verständigten sich die Beigeladenen mit dem FA und erklärten den Rechtsstreit im Hinblick auf die zugesagten Änderungsbescheide für in der Hauptsache erledigt. Zwischen dem Kläger und dem FA kam es nicht zu einer entsprechenden Verständigung. Unter dem 12. März 2004 erließ das FA gegenüber den Beigeladenen die absprachegemäß geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre; gegenüber dem Kläger erließ es unter dem 7. April 2004 inhaltsgleiche Bescheide.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers mit Urteil vom 26. Oktober 2004 5 K 447/94 ab. Seine Klagebefugnis sei im Hinblick auf die Hinzuziehung im Einspruchsverfahren auf den von den (seinerzeit noch nicht) Beigeladenen vorgegebenen Verfahrens- bzw. Streitgegenstand beschränkt gewesen. Eine Überprüfung des ausschließlich dem nur akzessorisch geschützten Kläger zugerechneten Mehrgewinns sei ebenso wie die Berücksichtigung von Rückstellungen bzw. Verlusten in der Sonderbilanz des Klägers ausgeschlossen. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der (seinerzeit noch nicht) Beigeladenen sowie des FA sei außerdem das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für eine Klage gegen die geänderten Feststellungsbescheide entfallen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers auf und verwies die Sache an das FG zurück, da dieses den Umfang der Klagebefugnis des Klägers verkannt habe (Beschluss vom 7. Februar 2007 IV B 210/04, BFH/NV 2007, 869).
Im nunmehr zweiten Rechtsgang lud das FG mit dem angegriffenen Beschluss vom 1. August 2011 die Beigeladenen zum Klageverfahren des Klägers notwendig bei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
Sie beantragen sinngemäß, den Beiladungsbeschluss des FG vom 1. August 2011 aufzuheben.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das FG hat die Beigeladenen zu Recht zum Klageverfahren des Klägers beigeladen.
1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind Dritte, die an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Danach liegen die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung vor. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger u.a. gegen die Höhe der zuletzt mit Bescheid vom 12. März bzw. 7. April 2004 festgestellten gewerblichen Einkünfte der Gesellschaft und deren Verteilung auf die einzelnen Gesellschafter. Die entsprechenden Feststellungen können jedoch nur gegenüber allen Gesellschaftern einheitlich ergehen. Da die Beigeladenen insoweit nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO auch selbst klagebefugt sind, selbst aber kein Klageverfahren (mehr) betreiben (vgl. dazu II.2.), waren sie zu dem Klageverfahren des Klägers nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen.
2. Der Beiladung steht nicht entgegen, dass die eigenen Klageverfahren der Beigeladenen durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beigeladenen und des FA beendet wurden. Denn insoweit wurde über das streitige Rechtsverhältnis gerade nicht gegenüber allen zu beteiligenden Dritten (d.h. hier: auch gegenüber dem Kläger) einheitlich entschieden.
Für die Frage, ob ein Feststellungsbeteiligter zu dem Klageverfahren eines anderen Feststellungsbeteiligten nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen ist, kommt es (nur) darauf an, dass das Klageverfahren ein Rechtsverhältnis betrifft, das auch gegenüber diesem Dritten nur einheitlich festgestellt werden kann, und dass der Dritte (abstrakt) klagebefugt ist, selbst aber kein Klageverfahren (mehr) betreibt. Unerheblich ist, aus welchen Gründen der selbst klagebefugte Dritte kein eigenes Klageverfahren (mehr) betreibt, d.h. ob er selbst überhaupt keine Klage erhoben hat oder ob ein eigenes Klageverfahren durch Klagerücknahme oder --wie hier-- durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet wurde. Ohne Bedeutung ist auch, ob der Beizuladende an seiner Beiladung bzw. an dem Klageverfahren, zu dem er beigeladen wird, noch interessiert ist.
3. Der Beiladungsbeschluss ist auch verfahrensfehlerfrei ergangen. Das FG hat den Beigeladenen vor Erlass des Beiladungsbeschlusses mit Schreiben vom 5. Juli 2011 rechtliches Gehör zu der beabsichtigten Beiladung gewährt. Auch der behauptete Verstoß gegen § 60 Abs. 4 FGO ist nicht gegeben. Denn der Stand der Sache und der Grund der Beiladung ergaben sich u.a. aus dem angegriffenen Beiladungsbeschluss. In diesem hat das FG --unter Angabe auch der entsprechenden Fundstelle-- darauf hingewiesen, dass der BFH das --auch dem Bevollmächtigten der Beigeladenen zugestellte-- FG-Urteil vom 26. Oktober 2004 5 K 447/94 durch den Beschluss in BFH/NV 2007, 869 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückverwiesen hat. Abgesehen davon führt allein das Fehlen der Angaben zum Stand der Sache in einem Beiladungsbeschluss nicht zu dessen Aufhebung (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Mai 1995 IV B 126/94, BFH/NV 1996, 49).
4. Der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beiladungsbeschlusses steht auch nicht entgegen, dass die Beigeladenen zum Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren des Klägers gegen das FG-Urteil vom 26. Oktober 2004 nicht beigeladen wurden. Dies folgt schon daraus, dass § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO dem BFH lediglich die Möglichkeit eröffnet, eine notwendige Beiladung im Revisionsverfahren, nicht auch im Beschwerdeverfahren nachzuholen (z.B. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2011 IV B 101/10, BFH/NV 2012, 598). Es bestand auch im Übrigen keine Verpflichtung, die Beigeladenen von dem Beschwerdeverfahren des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG vom 26. Oktober 2004 zu unterrichten. Denn bei Erlass des Urteils waren die Beigeladenen keine Beteiligten des Klageverfahrens (mehr).
Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, inwieweit die Kenntnis der Beigeladenen vom Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren des Klägers für die Rechtmäßigkeit des hier angegriffenen Beiladungsbeschlusses von Bedeutung sein könnte. Gegenstand jenes Beschwerdeverfahrens war allein die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG vom 26. Oktober 2004, soweit dieses die Klage des Klägers abgewiesen hatte. Insoweit betraf das Verfahren allein die Frage der (vermeintlichen) Begrenzung der Klagebefugnis des Klägers.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Von einer Kostenentscheidung ist lediglich dann abzusehen, wenn über einen Beiladungsbeschluss im Beschwerdeverfahren im Sinne des Beschwerdeführers entschieden wird. Für ein erfolgloses Beschwerdeverfahren ist jedoch eine Kostenentscheidung zu treffen (z.B. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 1997 IV B 147/96, BFH/NV 1998, 345).