Entscheidungsdatum: 06.07.2011
1. NV: Was der Empfänger genau vortragen muss, um die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu erschüttern, ist weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Insofern kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an .
2. NV: Pauschale Hinweise auf immer wieder vorkommende Briefkastenverwechselungen am Kanzleisitz des Prozessbevollmächtigten oder Bombenfunde am Sitz des Zustellers genügen nicht, um Zweifel an der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu begründen .
3. NV: Eine Divergenz wird nicht dargelegt, wenn der Kläger lediglich seine eigene Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie Rechtsansicht anstelle der des FG setzt .
4. NV: In der Nichtgewährung eines Schriftsatznachlasses liegt keine Gehörsverletzung, wenn der Kläger sich bei der Darlegung, was er bei ausreichendem rechtlichen Gehör noch vorgetragen hätte, ausschließlich auf eine Wiederholung bereits in der mündlichen Verhandlung getätigter Ausführungen beschränkt .
I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung von Rechtsanwalt G für ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 30. September 2010 16 K 128/10.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) wies den gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die drei Töchter der Klägerin gerichteten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2010 zurück. Mit Schriftsatz vom 22. April 2010 erhob die Klägerin hiergegen Klage. Die per Telefax übermittelte Klageschrift ging am selben Tag --am 22. April 2010-- beim FG ein. Die Familienkasse wies in ihrer Klageerwiderung darauf hin, dass die Klage verfristet sei, da die Einspruchsentscheidung am 16. März 2010 zur Post aufgegeben worden sei und daher als am 19. März 2010 (Freitag) bekanntgegeben gelte. Im Verfahren berief sich die Klägerin u.a. auf den Eingangsstempel "22. März 2010" ihres Prozessbevollmächtigten und immer wieder vorkommende Verwechslungen der Briefkästen an dessen Kanzleisitz. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass der Bescheid erst später von der Familienkasse zur Post aufgegeben worden sei.
Das FG wies die Klage mit noch am Sitzungstag verkündetem Urteil wegen Versäumung der Klagefrist durch Prozessurteil ab. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung war es insbesondere davon überzeugt, dass die Einspruchsentscheidung der Familienkasse am 16. März 2010 erstellt und tatsächlich zur Post gegeben worden war. Das FG hatte weiter auch keine Zweifel an dem Zugang der Entscheidung beim Prozessbevollmächtigten innerhalb der Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO).
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) sowie wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
II. Der Antrag auf PKH und Beiordnung eines Prozessvertreters ist unbegründet und wird abgelehnt.
1. Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2. Die von der Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg. Die Zulassungsgründe sind entweder schon nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt oder liegen jedenfalls nicht vor.
a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die Darlegung des Zulassungsgrundes des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen. Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist. Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklungen sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2008 II B 74/08, BFH/NV 2009, 125, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht.
aa) Die Klägerin sieht es als klärungsbedürftig an, inwieweit die "Fiktion" des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO tatsächlich greifen könne, wenn weder die Erstellung des Bescheides noch dessen Aufgabe zur Post konkret bewiesen worden sei. In diesem Zusammenhang sei zu klären, inwiefern ein substantiiertes Bestreiten bzw. Beweisen erforderlich sei, um das Datum der Erstellung des Bescheides und das Datum der Aufgabe zur Post wirksam zu bestreiten. Hieran schließe sich die Frage an, inwiefern ein substantiiertes Bestreiten bzw. Beweisen hinsichtlich des Briefzugangs zumutbar sei, wenn der Posteingang mit Posteingangsstempel versehen werde und der Prozessbevollmächtigte die tägliche Leerung des Briefkastens, insbesondere auch für den fiktiven Zeitpunkt bzw. den nachfolgenden Tag darstelle und auch andere plausible --von der Familienkasse nicht bestrittene-- Zugangshindernisse anführe.
bb) Es ist jedoch geklärt, dass die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht anwendbar ist, wenn der Tag der Aufgabe des Verwaltungsakts nicht feststeht (BFH-Urteil vom 22. Mai 2002 VIII R 53/00, BFH/NV 2002, 1417), und dass der Tag der Bescheidaufgabe sich nicht zwingend aus dem Bescheiddatum ergibt (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365). Es ist ebenfalls geklärt, dass, wenn der Steuerpflichtige nicht den Zugang eines Verwaltungsakts überhaupt bestreitet, sondern lediglich behauptet, diesen nicht innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO erhalten zu haben, er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren hat, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen (z.B. BFH-Urteil vom 27. November 2002 X R 17/01, BFH/NV 2003, 586). In diesem Zusammenhang ist weiter geklärt, dass zur Begründung von Zweifeln am Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist ein abweichender Eingangsvermerk allein nicht ausreicht (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115, m.w.N.). Schließlich ist geklärt, dass das FG den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Vorbringens des Steuerpflichtigen über den Zugang des Bescheides aufzuklären und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 FGO) gegeneinander abzuwägen hat (BFH-Beschluss vom 20. August 1992 VI B 99/91, BFH/NV 1993, 75). Mit der vorgenannten Rechtsprechung hat sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt und nicht dargelegt, aus welchen Gründen die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen noch klärungsbedürftig sein sollen.
cc) Was der Empfänger genau vortragen muss, um die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu erschüttern, ist --entgegen der Ansicht der Klägerin-- weder klärungsbedürftig noch in einem Revisionsverfahren klärungsfähig, weil es insofern immer um die --dem FG als Tatsacheninstanz vorbehaltene-- Würdigung des konkreten Einzelfalles geht.
b) Auch die Divergenzrüge genügt weder den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, noch kann sie in der Sache Erfolg haben.
aa) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den vorgeblichen Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (BFH-Beschluss vom 19. Februar 2008 VIII B 49/07, BFH/NV 2008, 1158). Dabei reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1158).
bb) Im Streitfall ist die Klägerin der Ansicht, es seien "mindestens zwei Divergenzen" zur BFH-Rechtsprechung festzustellen.
(1) Eine Divergenz sieht sie zunächst darin, dass das FG aufgrund der --näher wiedergegebenen-- BFH-Rechtsprechung in ihrem Fall nicht zu dem Ergebnis habe gelangen dürfen, dass die vom 16. März 2010 datierende Einspruchsentscheidung tatsächlich auch am 16. März 2010 zur Post aufgegeben worden sei.
Damit legt sie aber keine Abweichung der Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, sondern setzt vielmehr ihre eigene Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie Rechtsansicht anstelle der des FG und rügt nach Art einer Revisionsbegründung dessen (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung. Hiermit kann jedoch die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1115, m.w.N.).
Soweit die Klägerin zur weiteren Begründung in diesem Zusammenhang insbesondere ausführt, nach dem BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1982 VIII R 77/79 (BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229) sei auch eine Behörde zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet, liegt bereits kein vergleichbarer Sachverhalt vor. In dem dort entschiedenen Fall ging es um die Ausgangskontrolle der Behörde bei Erledigung eines fristwahrenden Schriftsatzes und konkret um die Frage, ob der Behörde Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist gewährt werden konnte. Dies ist mit der hier relevanten Frage nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts jedoch von vornherein nicht vergleichbar. Soweit der von der Klägerin ebenfalls angeführte BFH-Beschluss vom 3. Juli 2009 IX B 18/09 (juris) in einem dem Streitfall vergleichbaren Fall ebenfalls einleitend ausführt, auch eine Behörde sei zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet, ist eine Divergenz ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. So führt der IX. Senat in seinem Beschluss weiter aus, dass, wenn es an einem Absendevermerk der Poststelle fehle, das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung beurteilen müsse, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen halte oder nicht. Nichts anderes hat das FG aber im vorliegenden Fall getan und dabei als Ergebnis seiner Würdigung den 16. März 2010 als Datum der Aufgabe der Post festgestellt. Somit liegt auch keine Abweichung von den BFH-Urteilen in BFH/NV 2002, 1417, und in BFH/NV 2001, 1365 vor, denn das FG hat weder allein aus dem Datum der Einspruchsentscheidung auf den Postaufgabetag geschlossen, noch ohne Feststellung des Postaufgabetags die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO angewandt.
Soweit die Klägerin der Ansicht ist, das FG habe in ihrem Fall nicht zu der Überzeugung gelangen dürfen, dass die Einspruchsentscheidung am 16. März 2010 versandt worden sei, da der diesbezügliche Vortrag der Familienkasse lediglich allgemein und gerade nicht konkret gewesen sei, rügt sie mithin keine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen, sondern wendet sich gegen die --ihrer Ansicht nach-- unzutreffende Anwendung der Rechtsgrundsätze in ihrem Fall.
(2) Die weitere Divergenz sieht die Klägerin darin, dass das FG die Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten zum Zugang der Einspruchsentscheidung erst am 22. März 2010 für zu unsubstantiiert gehalten habe und sich damit in Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH gesetzt habe. Letztlich setzt die Klägerin jedoch auch insoweit lediglich ihre eigene Rechtsansicht anstelle der des FG, um in der Art einer Revisionsbegründung dessen (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung zu rügen.
Es liegen insoweit auch keine Anhaltspunkte für einen sog. schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler vor, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO führen kann. Dies würde voraussetzen, dass das angefochtene Urteil des FG an offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern im Sinne einer willkürlichen Entscheidung leidet. Dazu reicht eine (vermeintlich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheit des Einzelfalles nicht aus (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799).
Bestreitet der Empfänger nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt, sondern den Erhalt innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, so hat er --wie die Klägerin selbst ausführt-- sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen. Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische --Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post-- ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Es genügt danach nicht schon ein einfaches Bestreiten, um die gesetzliche Vermutung über den Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks zu entkräften. Es müssen vielmehr Zweifel berechtigt sein, sei es nach den Umständen des Falles, sei es nach dem schlüssigen oder jedenfalls vernünftig begründeten Vorbringen des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 586).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG ausgegangen. Es hat den Sachverhalt zu seiner Überzeugung aufgeklärt und die tatsächlichen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO gegeneinander abgewogen und ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin die gesetzliche Dreitagesvermutung nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht erschüttert habe.
Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass es die pauschalen Hinweise auf immer wieder vorkommende Briefkastenverwechslungen am Kanzleisitz des Prozessbevollmächtigten oder Bombenfunde am Sitz des Zustellers als nicht zur Begründung von Zweifeln ausreichendes einfaches Bestreiten gewertet und auch den abweichenden Eingangsvermerk ihres Prozessbevollmächtigten als nicht ausreichend angesehen hat (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389). Soweit die Klägerin erstmals im Beschwerdeverfahren auf die "täglichen Briefkastenleerungen" in der Zeit vom 17. bis 20. März 2010 hinweist, handelt es sich zudem um einen neuen Vortrag, der vom BFH nicht berücksichtigt werden kann.
Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das FG bei seiner Würdigung zum Nachteil der Klägerin berücksichtigt hat, dass der Prozessbevollmächtigte im Hinblick auf die von ihm behaupteten häufigeren Unregelmäßigkeiten keine erkennbare Beweisvorsorge (hierzu vgl. BFH-Beschluss vom 16. Mai 2007 V B 169/06, BFH/NV 2007, 1454) getroffen hatte und dem Gericht z.B. schon nicht die Person benennen konnte, die in der fraglichen Zeit den Posteingang bearbeitete.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das FG an die Substantiierungspflicht der Klägerin zu hohe Anforderungen gestellt hat. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO generell einen Streit über den genauen Zeitpunkt des Zugangs eines Bescheides weitgehend ausschließen wollte, geht die Rechtsprechung vielmehr davon aus, dass eine Obliegenheit zur Beweisvorsorge besteht, wenn der Adressat einen atypisch langen Postlauf anhand des Poststempels oder des Bescheiddatums erkennen konnte (z.B. BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2010 VIII B 123/10, BFH/NV 2011, 410). Sollte es --wie von der Klägerin behauptet-- zugetroffen haben, dass die Einspruchsentscheidung ihrem Prozessbevollmächtigten tatsächlich erst am 22. März 2010 zugegangen ist, hätte es angesichts des Bescheiddatums vom 16. März 2010 daher insbesondere nahegelegen, den betreffenden Briefumschlag aufzubewahren und vorzulegen.
c) Die Revision ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
(1) Die Rüge, das FG habe durch die Nichtgewährung eines Schriftsatznachlasses ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt, geht fehl.
Eine Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör erfordert nicht nur, dass der Beschwerdeführer darlegt, was er bei (ausreichender) Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte, sondern auch, inwieweit dieser Vortrag zu einer für ihn günstigeren Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2010 I B 190/09, BFH/NV 2011, 291, m.w.N.). Zwar führt die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift aus, was sie im Falle der Gewährung der beantragten Frist noch hätte vortragen wollen. Dabei wiederholt sie indes ausschließlich die Ausführungen, die ihr Prozessbevollmächtigter nach eigenem Bekunden bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgebracht hatte. Da die Klägerin in einem nachgereichten Schriftsatz mithin keine neuen Aspekte vorgebracht hätte, ist nicht ersichtlich, inwiefern in der Nichtgewährung der beantragten Schriftsatzfrist eine Gehörsverletzung liegen soll. Dementsprechend fehlen auch Ausführungen der Klägerin dazu, inwieweit das Urteil des FG hierdurch hätte anders ausfallen können.
Darüber hinaus war der Klägerin seit längerem bekannt, dass die Familienkasse von der Verfristung ihrer Klage ausging und sich für die Fristberechnung auf die Postaufgabe der Einspruchsentscheidung am 16. März 2010 berief. Damit lagen die Voraussetzungen für das Nachreichen eines Schriftsatzes gemäß § 155 FGO i.V.m. § 283 ZPO auch nicht vor. Denn die Ablehnung einer in der mündlichen Verhandlung beantragten Schriftsatzfrist verletzt nur dann den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des anderen Beteiligten nicht eingehen kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist (BFH-Beschluss vom 18. März 2008 XI S 30/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1184, m.w.N.).
(2) Auch soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, weil es den --die Grundlage seiner Entscheidung bildenden-- Sachverhalt nicht von Amts wegen unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich aufgeklärt habe, genügt die Rüge nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des FG mit der Begründung geltend gemacht, das FG habe --auch ohne entsprechenden Beweisantritt-- von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, muss der Beschwerdeführer u.a. nicht nur substantiiert vortragen, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären und welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, sondern auch, warum er --jedenfalls sofern er, wie im Streitfall die Klägerin, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war-- nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich hätte aufdrängen müssen (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2005 X B 86/05, BFH/NV 2006, 118). Dies hat die Klägerin nicht getan.
Soweit sie in diesem Zusammenhang der Auffassung ist, ihr einfaches Bestreiten der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post am 16. März 2010 mit Nichtwissen sei ausreichend gewesen, übersieht sie, dass das FG ihren Zweifeln durchaus nachgegangen ist und sich durch formlose "informatorische" Befragung des Vertreters der Familienkasse ein Bild über den dortigen Ablauf der Erstellung und Hingabe von Verwaltungsakten zur Post verschafft hat. Es wäre der Klägerin insoweit zuzumuten gewesen, sich mit der Darstellung des Beklagtenvertreters auseinanderzusetzen und greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die möglicherweise gegen dessen Sachdarstellung sprachen - insbesondere durch Aufbewahrung und Vorlage des Briefumschlags mit einem späteren Datum als dem 16. März 2010. Wenn die Klägerin nun erstmals im Beschwerdeverfahren rügt, das FG hätte nicht das Verfahren zur Postabholung im Allgemeinen, sondern den individuellen Postlauf der Einspruchsentscheidung ermitteln müssen, so fehlt der Vortrag, welche Beweismittel zur Klärung dieser Frage zur Verfügung gestanden haben und weshalb ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung nicht von sich aus einen entsprechenden konkreten Beweisantrag gestellt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1454).
(3) Auch soweit die Klägerin --ohne weitere Ausführungen-- rügt, das FG habe erstmals in seinen Entscheidungsgründen mitgeteilt, dass es ihre Ausführungen zu dem Zugang außerhalb der Drei-Tages-Frist für zu unsubstantiiert halte, hat sie keinen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
(4) Schließlich ist die Entscheidung des FG auch nicht deshalb verfahrensfehlerhaft, weil dieses --wie die Klägerin letztlich meint-- durch Prozess- anstatt durch Sachurteil entschieden hat. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gegeben, wenn das FG zu Unrecht ein Prozessurteil erlässt und dadurch auch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2002 VI B 114/01, BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306, und vom 16. April 2007 VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345). Ein solcher Verfahrensmangel ist im Streitfall jedoch nicht festzustellen, da die Entscheidung des FG, die Klage wegen Versäumung der einmonatigen Klagefrist nach § 47 Abs. 1 FGO als unzulässig abzuweisen, --wie ausgeführt-- nicht zu beanstanden ist.
3. Kommt danach die Bewilligung von PKH nicht in Betracht, ist auch der Antrag der Klägerin abzulehnen, ihr gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 ZPO Rechtsanwalt G als Prozessvertreter beizuordnen.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis).