Entscheidungsdatum: 25.04.2018
Die Steuerbefreiung für Zugmaschinen nach § 3 Nr. 8 Buchst. a KraftStG setzt nur voraus, dass die Zugmaschine ausschließlich für einen Schaustellerbetrieb oder einen Betrieb nach Schaustellerart verwendet wird. Es ist nicht erforderlich, dass der Halter der Zugmaschine ein Reisegewerbe i.S. der §§ 55 ff. der GewO ausübt .
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 21. Juli 2016 6 K 586/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein, der ein Reisetheater betreibt. Er beantragte am 7. Mai 2015 die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) für die Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen ... Der Aufforderung, eine Reisegewerbekarte vorzulegen, kam der Kläger unter Verweis darauf, dass er als gemeinnütziger Verein kein Gewerbe betreibe, nicht nach.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) setzte mit Bescheid vom 3. Juli 2015 die Kfz-Steuer auf 375 € jährlich fest und lehnte damit den Antrag auf Steuerbefreiung ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 21. März 2016).
Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Dabei entschied es gemäß § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch den zum Berichterstatter bestellten Richter ohne mündliche Verhandlung.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben, den Kfz-Steuerbescheid vom 3. Juli 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. März 2016 zu ändern und die Kfz-Steuer auf 0 € herabzusetzen.
Das HZA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass dem Kläger die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 8 Buchst. a KraftStG mangels Vorliegens eines gewerblichen Schaustellerbetriebes nicht gewährt werden kann. Da der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt der Kfz-Steuer das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Von der Kfz-Steuer befreit ist nach § 3 Nr. 8 Buchst. a KraftStG das Halten von Zugmaschinen, solange sie ausschließlich für den Betrieb eines Schaustellergewerbes verwendet werden.
2. Entgegen der Auffassung des FG setzt der Steuerbefreiungstatbestand nicht voraus, dass der Halter des Fahrzeuges ein Schaustellergewerbe betreibt.
a) § 3 Nr. 8 Buchst. a KraftStG erfordert lediglich, dass die Zugmaschine für den Betrieb eines Schaustellergewerbes verwendet wird. Dies ist nicht dahin zu verstehen, dass ausschließlich Reisegewerbebetriebe i.S. der §§ 55 ff. der Gewerbeordnung in den Genuss der steuerlichen Begünstigung kommen sollen.
Dies ergibt sich bereits aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Die Steuerbefreiung wurde durch das Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 19. Dezember 1960 (BGBl I 1960, 1005) als § 2 Nr. 7 KraftStG eingeführt. Sie begünstigte in dieser Ursprungsfassung das Halten von Zugmaschinen, "solange sie ausschließlich von Schaustellern verwendet werden" und galt mit diesem Wortlaut als § 3 Nr. 8 KraftStG unverändert fort. Den im Streitfall anwendbaren Wortlaut erhielt die Vorschrift durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436). Grund hierfür war eine Anpassung an geänderte gewerberechtliche Vorschriften, nach denen auch eine juristische Person als Schausteller im Reisegewerbe tätig werden konnte. Der Befreiungstatbestand sollte daher nicht mehr an die Person, sondern an den Betrieb des Schaustellergewerbes anknüpfen (BRDrucks 418/85). Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber weiterhin die schaustellerische Tätigkeit fördern wollte und auf die gewerberechtlichen Vorschriften nur deshalb zurückgriff, um diese Tätigkeiten in ihren typischerweise vorkommenden Fallkonstellationen näher zu beschreiben. Dagegen lässt sich weder den Gesetzesmaterialien zur Ursprungsfassung der Steuerbegünstigung (BTDrucks 03/2178, S. 1) noch zur geänderten Fassung (BRDrucks 418/85) entnehmen, dass es dem Gesetzgeber darum ging, die ausschließliche Verwendung von Zugmaschinen im Bereich der schaustellerischen Tätigkeit nur gegenüber gewerblich tätigen Haltern zu privilegieren.
b) Für eine entsprechende Auslegung spricht auch der systematische Zusammenhang zwischen § 3 Nr. 8 Buchst. a und b KraftStG. Denn auch hinsichtlich letztgenannter Vorschrift hat der Bundesfinanzhof (BFH) maßgeblich auf die Zweckbestimmung und die Verwendung des Fahrzeugs und nicht auf die steuer- oder gewerberechtliche Qualifikation des Halters abgestellt (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2015 II R 33/13, BFH/NV 2016, 245, Rz 13 f.).
Demgegenüber überzeugt die vom FG gezogene Parallele zu der in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a und d des Umsatzsteuergesetzes getroffenen Unterscheidung zwischen Theatern, Konzerten und Museen einerseits sowie Zirkusvorführungen und Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller andererseits nicht. Denn zum einen hat der BFH bereits entschieden, dass die Vorschriften über Kfz-Steuerbefreiungen grundsätzlich aus sich selbst heraus auszulegen und anzuwenden sind (BFH-Urteil vom 22. September 1992 VII R 45/92, BFHE 169, 478, BStBl II 1993, 200, Rz 6). Zum anderen stehen die Steuerermäßigungen des Umsatzsteuerrechts und die Steuerbefreiungen des Kfz-Steuerrechts in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen und dienen nicht den gleichen Zwecken.
c) Auch der Sinn und Zweck der Regelung spricht dafür, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass die ausschließliche Verwendung der Zugmaschine für Zwecke eines schaustellerischen Betriebs begünstigt werden soll. Grund der Befreiung von der Kfz-Steuer ist es zum einen, dass die begünstigten Kfz von Festplatz zu Festplatz fahren und die Straßen deshalb nur wenig in Anspruch nehmen, weil sie während der Veranstaltungen unbenutzt am Festplatz stehen gelassen werden (FG Düsseldorf, Urteil vom 28. Februar 1961 VI d 5/59, Entscheidungen der Finanzgerichte 1961, 459). Zum anderen soll das Gewerbe nach Schaustellerart und damit mittelbar auch das soziale Brauchtum der Regionen gefördert werden (25. Subventionsbericht der Bundesregierung, BTDrucks 18/5940, S. 338). Danach mögen die gewerblichen Schaustellerbetriebe zwar die primär Begünstigten der Regelung sein, der gesetzliche Förderungszweck grenzt aber auch andere Steuerpflichtige nicht aus, die das Fahrzeug in gleicher Weise ausschließlich in einem Betrieb nach Schaustellerart verwenden.
d) Entgegen der Auffassung des FG besteht auch kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Ausnahmevorschriften im Kfz-Steuerrecht stets oder jedenfalls grundsätzlich "eng", also nicht wie jede andere Vorschrift nach den allgemeinen Auslegungsregeln gemäß Wortlaut, systematischem Zusammenhang, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck auszulegen sind (BFH-Urteile vom 16. November 2004 VII R 15/04, BFH/NV 2005, 918, Rz 15, und vom 12. Juni 2012 II R 40/11, BFHE 238, 281, BStBl II 2012, 797, Rz 11). Vielmehr sind, wenn der Wortlaut Zweifel lässt, auch Befreiungsvorschriften unter sinnvoller Würdigung des mit der Ausnahmebestimmung verfolgten Zweckes anzuwenden (BFH-Urteil vom 12. Mai 1965 II 59/62 U, BFHE 82, 492, BStBl III 1965, 425, unter II.1.; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3 Rz 7).
3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das FG hat lediglich festgestellt, dass der Kläger ein Reisetheater betreibt und die Zugmaschine zur Beförderung der Theaterausrüstung und des Theaterzeltes verwendet. Nähere Feststellungen dazu, ob dieses Reisetheater --wie vom Kläger behauptet-- nach Art eines Schaustellerbetriebes oder eines Zirkusses durchgeführt wird und ob die Zugmaschine ausschließlich für diesen Betrieb verwendet wird, fehlen und sind daher im zweiten Rechtsgang nachzuholen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
4. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob dem FG die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Denn führt die Revision --wie im Streitfall-- aus materiellen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, muss nicht mehr darüber entschieden werden, ob außerdem Verfahrensfehler vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85, BStBl II 2010, 700, Rz 11; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 256).
Der Senat weist jedoch zur Klarstellung auf seine neuere Rechtsprechung zu § 94a Satz 1 FGO hin. Danach hat das FG zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör die Beteiligten darauf hinzuweisen, dass es im vereinfachten Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden will, und ihnen den Zeitpunkt mitzuteilen, bis zu dem sie ihr Vorbringen in den Prozess einführen können (Senatsbeschluss vom 6. Juni 2016 III B 92/15, BFHE 253, 315, BStBl II 2016, 844).
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.