Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 03.04.2019


BFH 03.04.2019 - III B 80/18

Elektronische Gerichtsakte; Unterschriften der beteiligten Richter und des Protokollführers unter Urteil und Protokoll


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
03.04.2019
Aktenzeichen:
III B 80/18
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2019:B.030419.IIIB80.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Mai 2018, Az: 1 K 432/18, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Der in § 94 FGO i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Protokoll und in § 105 Abs. 1 Satz 2 FGO für das Urteil vorgeschriebenen handschriftlichen Unterzeichnung durch den Richter bzw. den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wird gemäß § 52a Abs. 7 Satz 1 FGO in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung auch dadurch genügt, dass das Protokoll und das Urteil als elektronisches Dokument aufgezeichnet werden und die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.

2. NV: Sind dem Protokoll und dem Urteil Transfervermerke angeheftet, aus denen sich ergibt, dass die in den elektronischen Dokumenten ausgewiesenen verantwortenden Personen (Protokollführer, beteiligte Richter) das jeweilige Dokument vor Absendung mit einer qualifizierten elektronischen Unterschrift versehen haben und weisen die Transfervermerke bei allen Signaturen hinsichtlich der Integrität und der Gültigkeit des Zertifikats die Eintragung "gültig" auf, kann grundsätzlich von der Echtheit der Signatur ausgegangen werden .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 17. Mai 2018  1 K 432/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

2

1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt, mangels formwirksamer Unterschrift unter dem Sitzungsprotokoll sei von einer fehlenden Verkündung des Urteils auszugehen und das angegriffene Urteil sei nicht formwirksam unterschrieben worden, liegen diese Verfahrensmängel nicht vor.

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a) aa) Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 FGO wird das Urteil, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung stattgefunden hat, verkündet. Die Verkündung des Urteils gehört zu den wesentlichen Vorgängen der mündlichen Verhandlung und ist nach § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 7 der Zivilprozessordnung (ZPO) im Protokoll festzustellen. Das Protokoll ist gemäß § 94 FGO i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 ZPO von dem Vorsitzenden und von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben. Sofern das Protokoll keine äußeren Mängel aufweist, die seine Beweiskraft in Frage stellen, erbringt es gemäß § 94 FGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO den Beweis dafür, dass die darin aufgeführten Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung beachtet wurden.

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bb) Nach § 105 Abs. 1 Satz 2 FGO ist das Urteil schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht (§ 105 Abs. 1 Satz 4 FGO).

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cc) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist --wie in § 94 FGO i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Protokoll und in § 105 Abs. 1 Satz 2 FGO für das Urteil der Fall--, genügt dieser Form gemäß § 52a Abs. 7 Satz 1 FGO in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht (Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, Amtsblatt der Europäischen Union 2014 Nr. L 257, 73).

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b) Im Streitfall hat das FG im Laufe des Beschwerdeverfahrens die dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegte Papierakte durch zwei Transfervermerke vom 19. Februar 2019 vervollständigt. Aus dem dem Sitzungsprotokoll vom 17. Mai 2018 angehefteten Transfervermerk ergibt sich, dass dieses am 18. Mai 2018 durch den Verhandlungsführer, A, und am 28. Mai 2018 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wurde.

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Aus dem dem Urteil vom 17. Mai 2018 angehefteten Transfervermerk ergibt sich, dass dieses am 24. Mai 2018 durch A und den B sowie am 25. Mai 2018 durch den C mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wurde.

Die Transfervermerke weisen bei allen Signaturen hinsichtlich der Integrität und der Gültigkeit des Zertifikats die Eintragung "gültig" auf. Der erkennende Senat sieht daher keine Anhaltspunkte dafür, an der Echtheit der Signatur zu zweifeln. Auch die Klägerin hat keine entsprechenden Anhaltspunkte vorgetragen.

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c) Soweit die Klägerin vorträgt, dass ihr im Rahmen der zur Vorbereitung der Nichtzulassungsbeschwerde vom FG gewährten Akteneinsicht nicht die vollständige Akte zugänglich gemacht worden sei, hat sie bereits nicht dargelegt, inwieweit die angegriffene Entscheidung auf einem etwaigen sich hieraus ergebenden Verfahrensmangel beruhen kann.

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2. Der von der Klägerin gerügte Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor.

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a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und --gegebenenfalls-- Beweisergebnissen zu äußern, sowie in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Darüber hinaus gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör, für die Prozessbeteiligten überraschende Entscheidungen zu unterlassen. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten oder nicht bekannten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein entscheidungserheblicher Umstand vom FG erst mit dem Endurteil in das Verfahren eingebracht wird (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 2017 IX B 2/17, BFH/NV 2017, 746, und vom 11. Mai 2017 IX B 23/17, BFH/NV 2017, 1059).

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b) Daran gemessen liegt ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs nicht vor.

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Die Frage der Bewertung der im Rahmen der Betriebsaufgabe entnommenen Grundstücke bildete den zentralen Streitpunkt des Rechtsstreits. Das FG hat im Rahmen des Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) mit Beschluss vom 18. April 2018  1 V 3005/17 bereits deutlich gemacht, dass es im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) das Sachwertverfahren für die sachgerechte Bewertungsmethode hält und die Bodenwerte aus der Bodenwertkarte entnehmen will. Durch den in der Ladung vom 26. April 2018 enthaltenen Hinweis auf die sich aus dem AdV-Beschluss ergebenden Erfolgsaussichten der Klage wurde zudem erkennbar, dass das FG an dieser Auffassung festhalten wollte, zumal die Klägerin ihrerseits von der ihr eingeräumten Möglichkeit, ein privates Sachverständigengutachten vorzulegen, innerhalb der dafür bis 31. März 2018 gewährten Frist keinen Gebrauch gemacht hatte. Die fachkundig vertretene Klägerin musste daher damit rechnen, dass das FG auch im Rahmen des Endurteils bei dieser Wertermittlungsmethode und bei einer eigenen Wertermittlung bleibt. Eines zusätzlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung bedurfte es unter diesen Umständen nicht, da es für die fachkundig vertretenen Beteiligten auch so hinreichend erkennbar wurde, dass die Wertermittlung entsprechend dem Ergebnis des AdV-Verfahrens erfolgen könnte.

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3. Die Revision ist nicht wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht zuzulassen.

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a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Hierbei haben die Beteiligten mitzuwirken (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO). Kommen sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach, vermindert sich die Ermittlungspflicht des FG.

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Stellen Beteiligte, die in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten sind, keine auf eine weitere Sachaufklärung gerichteten Anträge, kommt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG nur in Betracht, wenn sich dem FG eine weitere Aufklärung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 19. September 2013 III B 47/13, BFH/NV 2014, 72). In der Beschwerdebegründung muss deshalb schlüssig dargelegt werden, warum ein im finanzgerichtlichen Verfahren fachkundig vertretener Kläger nicht von sich aus in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat (z.B. Senatsbeschluss vom 28. November 2003 III B 7/03, BFH/NV 2004, 645).

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Da die Verpflichtung zur Sachaufklärung zu den Verfahrensvorschriften gehört, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), muss der Beschwerdeführer auch vortragen, dass die Nichterhebung eines angebotenen oder vom FG von sich aus zu erhebenden Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 1998 V R 68/96, BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 Rz 69 f.).

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b) Dem genügt der klägerische Vortrag nicht. Es wird nicht deutlich, weshalb die Klägerin nicht von sich aus ein Sachverständigengutachten beantragt hat. Auch wird nicht schlüssig dargelegt, woraus sich unter den gegebenen Umständen die Berechtigung der Annahme ergab, dass das FG von sich aus ein Sachverständigengutachten einholen würde, obwohl eine solche Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung weder von den Beteiligten noch vom FG thematisiert wurde. Ebenso wenig wird deutlich, weshalb es der Klägerin nicht möglich gewesen sein soll, die Nichterhebung des Beweises in der mündlichen Verhandlung zu rügen.

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4. Die Revision ist schließlich auch nicht wegen des Fehlens von Urteilsgründen zuzulassen.

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a) Ein Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO liegt nur dann vor, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht, d.h. wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 8. Januar 2014 XI B 120/13, BFH/NV 2014, 686, m.w.N.).

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b) Nach diesen Maßstäben kann im Streitfall von einem Fehlen der Entscheidungsgründe i.S. von § 119 Nr. 6 FGO nicht ausgegangen werden. Die Klägerin rügt, die Entscheidungsgründe ließen nicht deutlich werden, woraus der Senat die eigene Sachkunde ableite. Aus den Entscheidungsgründen wird jedoch hinreichend ersichtlich, dass der Senat von einem einfach gelagerten Bewertungsfall ausging, dass er seine eigene Sachkunde in der Anwendung des Sachwertverfahrens aus zahlreichen gleichgelagerten Fällen ableitete und dass mangels Besonderheiten des Streitfalls und mangels entsprechender Beweisanträge der Beteiligten ein Sachverständigenbeweis nicht notwendig erschien. Da den Beteiligten hierdurch die Möglichkeit eröffnet wurde, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, rügt die Klägerin im Ergebnis allenfalls eine lückenhafte Urteilsbegründung, nicht aber --wie erforderlich-- das Fehlen von Urteilsgründen.

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5. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.