Entscheidungsdatum: 31.10.2013
NV: Die fehlerhafte Beurteilung von Vorschriften der AO, die die Zulässigkeit des außergerichtlichen Vorverfahrens betreffen, führen nicht zu Verfahrensmängeln im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Die auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
1. Die Familienkasse … der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 2.2 der Anlage 2) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit … – Familienkasse eingetreten (s. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.A.).
2. a) Der BFH sieht in ständiger Rechtsprechung Fragen des Verwaltungsverfahrensrechts und des materiellen Verwaltungsrechts im Zusammenhang mit Einsprüchen, die die Verwaltungsbehörde als unzulässig verworfen hat, als materiell-rechtliche Fragen an. Der BFH hat dementsprechend entschieden, es werde schon dem Grunde nach kein Verfahrensmangel dargelegt, wenn sich der Steuerpflichtige darauf berufe, die Behörde habe zu Unrecht nach Versäumung der Einspruchsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und das Finanzgericht (FG) die Entscheidung der Behörde in seinem Urteil bestätigt. Die Rüge eines materiell-rechtlichen Fehlers rechtfertigt die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht (BFH-Beschluss vom 24. November 2009 X B 142/08, BFH/NV 2010, 456, m.w.N.).
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat die Klägerin in ihrer Beschwerde lediglich die materiell-rechtliche Rüge erhoben, dass die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) und in Folge das FG das Einwerfen von Belegen fehlerhaft nicht als Einspruchseinreichung i.S. des § 357 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) gewertet und auch zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 AO verweigert habe. Dies rechtfertigt die Revisionszulassung grundsätzlich aber nicht.
c) Zwar ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revision u.a. auch dann zuzulassen, wenn das FG-Urteil unter einem so schwerwiegenden Rechtsfehler leidet, dass sein Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 456), doch lässt sich den Ausführungen der Klägerin nicht entnehmen, dass dem FG im Streitfall ein derartig gravierender Fehler unterlaufen ist.
Die Rügen der Klägerin sind schon nicht schlüssig erhoben. Wenn in der Beschwerdeschrift von Belegen und Unterlagen die Rede ist, die innerhalb der Einspruchsfrist in den Briefkasten der Familienkasse eingeworfen worden sein sollen und die als Einspruchseinlegung zu werten seien, dann geht aus diesem Vortrag nicht hervor, dass die sich aus § 357 Abs. 1 AO ergebenden Anforderungen an die Einspruchseinlegung im Streitfall tatsächlich erfüllt waren. Dazu hätte ausgeführt werden müssen, um welche Belege und Unterlagen es sich genau handelte. Ferner wäre vorzutragen gewesen, dass die Schriftstücke ausreichend erkennen ließen, dass von einer bestimmten Person, nämlich der Klägerin, gegen einen bestimmten Verwaltungsakt Einspruch eingelegt werden soll. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Familienkasse aus ihrer Sicht die "kommentarlos" eingereichten Schulbescheinigungen schon deswegen nicht als Einspruchseinlegung verstehen musste, weil sie nach den unstreitigen Feststellungen des FG einen gar nicht im Streit stehenden Zeitraum betrafen.
Das Vorbringen der Klägerin zur Wiedereinsetzung ist ebenfalls nicht schlüssig. Es lässt keinen Rechtsfehler, geschweige denn einen gravierenden erkennen. Es fehlen substantiierte Darlegungen zum tatsächlichen Geschehensablauf und dem fehlenden Verschulden. Daher kann der Senat anhand des Beschwerdevorbringens nicht prüfen, ob die Wiedereinsetzungsentscheidung der Familienkasse im Ergebnis zutreffend ist oder nicht. Außerdem wird in der Beschwerdeschrift nicht darauf eingegangen, ob überhaupt die formellen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung (§ 110 Abs. 2 AO, hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2004 VI B 101/01, juris, m.w.N.) im Streitfall erfüllt waren. Daran bestehen nach Aktenlage größte Zweifel.
3. Soweit an der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach die fehlerhafte Beurteilung von Vorschriften der AO, die die Zulässigkeit des außergerichtlichen Vorverfahrens betreffen, nicht zu Verfahrensmängeln i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führt, Kritik geübt wird (zur Gegenauffassung Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 77 und 80, m.w.N.), ändert dies am gefundenen Ergebnis nichts. Denn die Klägerin hat Fehler, die nach dieser Auffassung als Verfahrensmängel zu qualifizieren wären, nicht schlüssig dargelegt (siehe oben unter 2.c der Gründe dieses Beschlusses).
4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.