Entscheidungsdatum: 28.01.2010
1. NV: Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zu Schulzwecken im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt .
2. NV: Strebt ein Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde an, dass der BFH in einem Revisionsverfahren seine bisherige Rechtsprechung ändert und bestimmte Zeit- und Schulabschnitte festlegt, die für die Beurteilung eines in- oder ausländischen Wohnsitzes ausreichen sollen, so muss er auf gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte hinweisen, die in der Rechtsprechung der FG oder in der Literatur vorgetragen werden .
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezog für seinen Sohn (S) Kindergeld. Er teilte der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mit, dass S seit September 2005 in der Türkei zur Schule gehe. Die Familienkasse hob mit Bescheid vom 11. Januar 2006 die Festsetzung von Kindergeld ab Oktober 2005 auf. Sie zahlte auch kein Kindergeld nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl II 1965, 1169). Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die anschließend erhobene Klage weit überwiegend ab. Es gewährte lediglich das sog. Abkommenskindergeld in Höhe von monatlich 5,11 €. Es war der Ansicht, S habe im streitigen Zeitraum keinen inländischen Wohnsitz gehabt. Zwar stehe ihm in der Wohnung des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) jederzeit ein Zimmer zur Verfügung. Wegen der mindestens vierjährigen Dauer des Schulbesuchs in der Türkei seien die festgestellten Aufenthaltszeiten in der inländischen Wohnung jedoch für einen Erhalt des Wohnsitzes in der Bundesrepublik nicht ausreichend. S habe bereits mit Beginn des Auslandsaufenthalts seinen Wohnsitz in die Türkei verlegt, wo er zunächst ein Internat besucht habe.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger in erster Linie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG habe die Klage abgewiesen, weil die Inlandsaufenthalte zu kurz gewesen seien. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe verschiedentlich zur Kindergeldberechtigung bei Auslandsaufenthalten von Kindern zu Schulzwecken Stellung genommen. Er habe festgestellt, dass ein solcher Aufenthalt der Annahme eines Inlandswohnsitzes grundsätzlich nicht entgegenstehe. Es gebe Zeiträume, die akzeptiert worden seien und sich über mehr als vier Jahre erstreckt hätten, andererseits gebe es auch gegenteilige Entscheidungen, in denen ein kürzerer Auslandsaufenthalt zum Verlust des Inlandswohnsitzes geführt habe. Die Frage sei für eine Vielfalt von Auslandsaufenthalten von Schülern und Studenten von Bedeutung. Im angefochtenen Urteil würden Vermutungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht, z.B. der Umstand, dass viele Abiturienten im Ausland studierten, um dann wieder in die Bundesrepublik zurückzukehren. Die Vermutung des FG sei so subjektiv, dass sie einer objektiven Überprüfung nicht zugänglich sei. Insofern liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Den Rechtsuchenden müsse eine klare Grenze bekannt sein, z.B. feste Zeit- oder Schulabschnitte. Die vom BFH aufgestellten Kriterien führten nicht weiter. Der BFH habe Gelegenheit, in einem Revisionsverfahren Abgrenzungskriterien zu entwickeln, die für eine Subsumtion besser geeignet seien.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nicht in Betracht. Der BFH hat bereits mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --AO--) beibehält (z.B. BFH-Urteile vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 967; vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2007 III B 50/07, BFH/NV 2007, 1907). Ob im Einzelfall bei Anwendung dieser Grundsätze davon auszugehen ist, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Inland hat, muss das FG unter Berücksichtigung der Umstände des Falles im Wege der Tatsachenwürdigung beurteilen. An diese Würdigung ist der BFH, sofern keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben werden, nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden und kann sie nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze und gegen Erfahrungssätze hin überprüfen.
2. Der Kläger strebt mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde an, dass der BFH in einem Revisionsverfahren seine bisherige Rechtsprechung ändert und bestimmte Zeit- und Schulabschnitte festlegt, die für die Beurteilung eines in- oder ausländischen Wohnsitzes ausreichen und eine einfache und vorhersehbare Entscheidung in den Fällen ermöglichen sollen, in denen sich ein Kind zu Schul- oder Studienzwecken im Ausland aufhält. Er begehrt die erneute, abweichende Beantwortung bereits vom BFH geklärter Rechtsfragen. Ein entsprechendes Vorbringen führt jedoch nur dann zur Zulassung der Revision, wenn gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte in der Rechtsprechung der FG oder in der Literatur vorgetragen werden, die der BFH noch nicht geprüft hat, oder wenn ein Beteiligter selbst derartige Gesichtspunkte erstmals vorbringt (s. Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 107, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall. Der Wunsch nach einer vereinfachten Anwendung des Wohnsitzbegriffs nach § 8 AO mit Hilfe fester Grenzen rechtfertigt noch nicht die Zulassung der Revision.
3. Soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO), macht er letztlich keinen Verfahrensmangel geltend, sondern die unrichtige Anwendung materiellen Rechts. Eine derartige Rüge führt jedoch nicht zur Revisionszulassung.