Entscheidungsdatum: 06.12.2016
NV: Der Widerruf der Einverständniserklärung zur Entscheidung durch den Vorsitzenden bzw. den zum Berichterstatter bestellten Richter anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3, 4 FGO) ist ausgeschlossen, wenn sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich nicht wesentlich geändert hat (vgl. BFH-Rechtsprechung) .
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 19. Januar 2016 7 K 1825/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter des im Juni 1991 geborenen Sohnes M.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2014 lehnte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) den Antrag der Klägerin auf Kindergeld für M gegenüber dem Ehemann der Klägerin ab. Den Einspruch der Eheleute, der ausschließlich von der Klägerin unterzeichnet war, wies die Familienkasse als Einspruch des Ehemanns als unbegründet zurück, da M in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten (Einspruchsentscheidung vom 5. August 2014). Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin --auch im eigenen Namen-- Kindergeld für M für den Zeitraum Januar 2014 bis August 2014. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 trennte das Finanzgericht (FG) das Verfahren der Klägerin vom übrigen Verfahren ab und führte es unter gesondertem Aktenzeichen fort. Die Klage der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das FG wies die Klage mit Prozessurteil vom 19. Januar 2016 7 K 1825/15 ab, weil sowohl der Bescheid als auch die Einspruchsentscheidung ausschließlich gegenüber dem Ehemann der Klägerin ergangen seien und es somit an einer Beschwer der Klägerin fehle.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Re-vision wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
II. Die Beschwerde ist --bei erheblichen Bedenken gegen ihre Zulässigkeit (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO)-- jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
1. Soweit die Klägerin vorträgt, das FG habe die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, statt zur Sache zu entscheiden, rügt sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO). Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor; das FG hat die Klage zu Recht durch Prozessurteil abgewiesen, da die Klägerin nicht gemäß § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt war.
a) Eine auf den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes gerichtete Klage (Verpflichtungsklage) ist, soweit --wie hier-- gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn die Klägerin geltend macht, durch die Ablehnung eines Verwaltungsaktes in ihren Rechten verletzt zu sein (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, BFH/NV 2013, 1920, Rz 18). Daran fehlt es im Streitfall, da der Ablehnungsbescheid nebst Einspruchsentscheidung ausschließlich gegenüber dem Ehemann der Klägerin ergangen ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2002 XI S 1/02 (PKH), nicht veröffentlicht, unter II.5., m.w.N.; vom 5. Januar 2012 III B 42/11, BFH/NV 2012, 978, Rz 8 ff., zur Anfechtungsklage; vom 8. Juli 2013 III B 149/12, BFH/NV 2013, 1602, Rz 5 ff., zur Anfechtungsklage; vgl. auch Siegers in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 350 AO Rz 69, 114). Ein lediglich wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Prozesses genügt für eine Klagebefugnis nicht (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 978, Rz 11, m.w.N.).
b) Eine abweichende Beurteilung folgt auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, ihre Beschwer beruhe auf der unterlassenen Verbescheidung des von ihr gestellten Antrags auf Kindergeld für M. Denn auch in diesem Fall hätte das FG die Klage --mangels Vorverfahrens, vgl. § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO-- durch Prozessurteil als unzulässig abweisen müssen. Die Beschwerde wäre somit jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2013 I B 174/12, BFH/NV 2014, 665, Rz 2), weil das FG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
2. Mit dem Vorbringen, das FG habe den Widerruf der Einverständniserklärung der Klägerin mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden bzw. den zum Berichterstatter bestellten Richter anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3, 4 FGO) zu Unrecht als unbeachtlich angesehen, rügt die Klägerin die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts (§ 119 Nr. 1 FGO). Diese Rüge geht jedoch fehl.
a) Zwar hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 11. Juni 2015 und vom 6. Dezember 2015 mitgeteilt, mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden bzw. den zum Berichterstatter bestellten Richter anstelle des Senats nicht einverstanden zu sein; sie hatte aber bereits mit Schriftsätzen vom 5. Oktober 2014, vom 22. November 2014, vom 2. Januar 2015, vom 12. Februar 2015 und vom 3. April 2015 wiederholt ihr Einverständnis i.S. des § 79a Abs. 3, 4 FGO erklärt.
b) Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob der Widerruf einer dahingehenden Einverständniserklärung überhaupt zulässig ist. Der Widerruf ist nach der Rechtsprechung des BFH jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich nicht wesentlich geändert hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 2016 X B 79/15, BFH/NV 2016, 763, Rz 17, m.w.N., und vom 10. Februar 2011 II S 39/10 (PKH), BFHE 232, 310, BStBl II 2011, 657, Rz 9, m.w.N.). Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche wesentliche Änderung der Prozesslage ersichtlich. Die Berichterstatterin hatte mit Schreiben vom 2. Juni 2015 lediglich eine die Erfolgsaussichten der Klage in Frage stellende Rechtsmeinung geäußert und die Klägerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 zur Darlegung ihrer Beschwer aufgefordert.
c) Der Senat kann weiterhin offenlassen, ob das Einverständnis nur die nächste anstehende oder eine solche vorbereitende (Sach-)Entscheidung des Einzelrichters umfasst oder bis zur Endentscheidung reicht (Letzteres wohl die h.M. im Schrifttum, vgl. z.B. Stalbold in Beermann/Gosch, FGO § 79a Rz 61; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 79a Rz 26; Thürmer in HHSp, § 79a FGO Rz 117; einschränkend Pahlke in Schwarz, FGO § 79a Rz 23). Denn nach der Rechtsprechung des BFH wirken jedenfalls die vor der Trennung eines anhängigen Klageverfahrens vorgenommenen Prozesshandlungen fort und bleiben wirksam (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 1993 XI R 23-24/92, BFHE 170, 308, BStBl II 1993, 514, unter II., m.w.N.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.