Entscheidungsdatum: 25.05.2012
1. NV: Die Anerkennung von Verlusten aus der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts setzt das Bestehen einer Einkünfteerzielungsabsicht voraus .
2. NV: Die für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erforderliche Klärbarkeit der Rechtsfrage liegt nicht vor, wenn das Finanzgericht in der angegriffenen Entscheidung zu der für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage keine Stellung genommen hat, weil es eine Vorfrage so entschieden hat, dass sich die in der Beschwerdeschrift dargelegte Grundsatzfrage nicht mehr stellte. In einem solchen Fall muss der Beschwerdeführer auch die grundsätzliche Bedeutung der Vorfrage darlegen .
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden in den Streitjahren 2005 und 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erklärte in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus einer Leibrente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und aus einer selbständig ausgeübten Rechtsanwaltstätigkeit.
Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 7. Juni 2006 erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den erklärten Verlust aus der Anwaltstätigkeit zwar weitgehend an, erklärte die Festsetzung jedoch insoweit für vorläufig, da die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden könne. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Leibrente wurde der Bescheid nicht für vorläufig erklärt. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 19. September 2007 begehrten die Kläger, die Einkommensteuerfestsetzung hinsichtlich der Besteuerung der BfA-Rente für vorläufig zu erklären. Dies lehnte das FA mit Bescheid vom 26. September 2007 ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit geändertem Einkommensteuerbescheid 2006 vom 12. September 2007 erkannte das FA den erklärten Verlust aus der Anwaltstätigkeit teilweise an. Der Bescheid enthielt sowohl im Hinblick auf die Einkünfteerzielungsabsicht als auch bezüglich der Besteuerung der Leibrente einen Vorläufigkeitsvermerk. Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch begehrten die Kläger die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) und wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
a) Die begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt voraus, dass die Kläger eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellen, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist.
b) Soweit die Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam halten, ob das im Gesetz nicht vorgesehene Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht auf die Tätigkeit eines Rechtsanwalts übertragen werden dürfe, fehlt es bereits an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Denn die Kläger setzen sich mit diesem Vortrag weder mit der im angegriffenen Urteil des FG zitierten einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276) auseinander, wonach auch bei der Einkunftsart "selbständige Arbeit" eine Einkünfteerzielungsabsicht bestehen muss (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392, m.w.N.) noch legen sie dar, weshalb angesichts der bestehenden Rechtsprechung neuerlicher Klärungsbedarf entstanden ist.
c) Soweit die Kläger im Übrigen materielle Fragen aufwerfen, scheitert eine Revisionszulassung daran, dass diese Fragen im Rahmen eines Revisionsverfahrens nicht klärbar wären.
aa) Die Kläger halten im Wesentlichen die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob angesichts der gesetzlichen Verpflichtung des Rechtsanwalts, im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, eine Kanzlei einzurichten und zu unterhalten (§ 27 der Bundesrechtsanwaltsordnung und § 5 der Berufsordnung für Rechtsanwälte), die Grundkosten einer Kanzlei nur bei Erzielung von Umsätzen oder in jedem Fall steuerliche Berücksichtigung finden müssen. Eine umsatzunabhängige steuerliche Berücksichtigung der Kanzleikosten sei insbesondere erforderlich, um den Kläger nicht in seiner Berufsfreiheit zu verletzen. Zudem müsse eine Gleichbehandlung zwischen denjenigen Steuerpflichtigen gewährleistet werden, denen das FA solche Kosten steuermindernd anerkenne, und denen, die nicht gesetzlich verpflichtet seien, solche Kosten zu tragen. Zudem würden auch bei Vermietern Mietverluste bis zu 30 Jahren vom FA akzeptiert werden.
bb) Die Klärbarkeit der Rechtsfrage setzt voraus, dass der Urteilsausspruch auf der Beantwortung der Rechtsfrage beruht, diese also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Urteilsausspruch entfiele (vgl. Senatsbeschluss vom 27. September 2006 III B 148/05, juris, m.w.N.). Es reicht dabei nicht aus, dass nur die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage dargelegt wird, zu der das FG überhaupt keine Stellung genommen hat, weil es eine Vorfrage so entschieden hat, dass sich die in der Beschwerdeschrift dargelegte Grundsatzfrage nicht mehr stellte. In einem solchen Fall muss vielmehr auch die grundsätzliche Bedeutung der Vorfrage dargelegt werden.
cc) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Das FG hat die Abweisung der Klage nicht darauf gestützt, dass trotz bestehender Kanzleipflicht die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen steuerlich nicht anerkannt werden könnten. Vielmehr begründete es die Abweisung der Klage hinsichtlich der Einkommensteuer 2005 mit der verfahrensrechtlichen Erwägung, dass die auf Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks zur Einkünfteerzielungsabsicht gerichtete Verpflichtungsklage unzulässig sei, da der Bescheid insoweit bestandskräftig geworden sei. Die Kläger könnten nur noch geltend machen, dass die für den Vorläufigkeitsvermerk vorausgesetzte Ungewissheit entfallen sei. Insoweit fehle es aber sowohl an einem ablehnenden Bescheid als auch an einer Einspruchsentscheidung.
Hinsichtlich der Einkommensteuer 2006 stützte das FG die Klageabweisung ebenfalls auf verfahrensrechtliche Gründe. Es verneinte nicht die Gewinnerzielungsabsicht, sondern verwies nur darauf, dass das FA spätestens ab 2006 das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht als ungewiss habe ansehen dürfen. Die vorläufige Steuerfestsetzung sei auch hinsichtlich der Höhe der selbständigen Einkünfte nicht zu beanstanden, da der Kläger für die nicht anerkannten Betriebsausgaben die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen nicht nachgewiesen habe. Zur grundsätzlichen Bedeutung dieser vom FG beantworteten (Vor-) Fragen haben die Kläger hingegen nichts dargelegt.
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.
a) Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. BFH-Beschluss vom 31. März 2010 IV B 131/08, BFH/NV 2010, 1487). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, BFH/NV 2011, 981).
b) Die Kläger führen zur Begründung ihrer Divergenzrüge aus, dass sich das FG mit dem angegriffenen Urteil in Gegensatz zu einer Entscheidung des FG Köln vom 20. Februar 2003 10 K 2655/99 (juris) stelle. In der Divergenzentscheidung habe das FG Köln 20 % der geltend gemachten Betriebsausgaben anerkannt, obwohl der Kläger des Urteilsfalls in den betreffenden Jahren keine Einkünfte aus Anwaltstätigkeit erklärt habe.
Mit diesem Vortrag haben die Kläger keinen tragenden und abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen FG-Urteil herausgearbeitet und diesen einem Rechtssatz aus der Divergenzentscheidung gegenübergestellt. Tatsächlich hat das FG --wie oben unter II. 1. c cc ausgeführt-- die Klageabweisung überwiegend auf verfahrensrechtliche Gründe gestützt und hinsichtlich der Höhe des für 2006 vorläufig anerkannten Verlustes --wie in der Divergenzentscheidung-- eine Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs insoweit gebilligt, als bereits die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen nicht nachgewiesen wurde.
3. Schließlich kommt eine Revisionszulassung auch im Hinblick auf die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht in Betracht.
a) Soweit die Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) im Hinblick darauf rügen, dass das FG ihr Vorbringen, die Reduktion der geltend gemachten Verluste sei in den Einkommensteuerbescheiden 2005 und 2006 nicht nachvollziehbar erläutert worden, übergangen habe, ist ein Verfahrensmangel nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt.
aa) Zur schlüssigen Erhebung der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört, dass substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht habe äußern können oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe. Ferner ist auszuführen, dass bei Berücksichtigung des nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs --wie hier-- nur auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte bezieht (Senatsbeschluss vom 8. März 2001 III B 94/00, BFH/NV 2001, 1036).
bb) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Sie setzt sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass sich aus der Sicht des FG die Frage, ob der Einkommensteuerbescheid 2005 rechtmäßig ist, wegen der eingetretenen Bestandskraft als nicht entscheidungserheblich darstellte und somit keiner weiteren Auseinandersetzung bedurfte.
Ferner geht sie auch nicht darauf ein, dass sich das FG hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids 2006 eingehend mit der Höhe der vom FA vorgenommenen Betriebsausgabenkürzungen auseinandergesetzt und diese gebilligt hat. Insoweit hätten die Kläger darauf eingehen müssen, aus welchen Gründen bei Berücksichtigung des nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung des FG möglich gewesen wäre.
b) Auch soweit die Kläger eine Gehörsverletzung im Hinblick darauf rügen, dass das FG ihr Vorbringen übergangen habe, die Einkünfte und insbesondere die Renten hätten sich in den letzten zehn Jahren nicht erhöht, während die zu bestreitenden Ausgaben gestiegen seien, haben sie einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Hinsichtlich der Einkommensteuer 2005 war die Frage für das FG wegen der angenommenen Bestandskraft nicht entscheidungserheblich.
Zur Einkommensteuerfestsetzung für 2006 ist das FG davon ausgegangen, dass das FA zu Recht eine Ungewissheit der Einkünfteerzielungsabsicht angenommen hat. Es stützte sich dabei u.a. darauf, dass der Kläger seit 2002 ausschließlich Verluste erwirtschaftet hat, in 2005 und 2006 nur geringe Einnahmen in Höhe von 546 € bzw. 586 € erzielt hat und aufgrund seiner erarbeiteten Altersversorgung letztlich nicht auf Einkünfte aus der Anwaltstätigkeit angewiesen war. Weshalb das FG unter Berücksichtigung der stagnierenden Einkünfte bzw. Renten sowie der steigenden Kosten der Kläger zu einer anderen Beurteilung der Ungewissheit der Einkünfteerzielungsabsicht gelangen hätte können, haben die Kläger nicht dargelegt. Da die verlustbehaftete Anwaltstätigkeit die Einkommenssituation im Streitjahr 2006 im Ergebnis weiter verschlechtert hat, ist auch nicht ersichtlich, wie sie die anderweitig eingetretenen wirtschaftlichen Nachteile hätte ausgleichen sollen.
c) Soweit die Kläger schließlich rügen, das FG habe ihre Ausführungen zur unterlassenen Vorläufigkeitserklärung der Einkommensteuerfestsetzung hinsichtlich der BfA-Rente nicht berücksichtigt, haben sie bereits nicht substantiiert dargelegt, welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen habe. Das FG hat auf den Seiten 11 f. des Urteils eingehend begründet, warum die bestandskräftige Steuerfestsetzung 2005 hinsichtlich der Besteuerung der BfA-Rente nicht nachträglich für vorläufig erklärt werden musste.