Entscheidungsdatum: 10.05.2012
NV: Legt ein ordnungsgemäß geladener Zeuge, der im zur Beweisaufnahme bestimmten Termin nicht erscheint, ein privatärztliches Attest vor, aus dem sich ergibt, dass er am Verhandlungstag arbeitsunfähig gewesen ist, so stellt dies im Sinne des § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO keine genügende Entschuldigung für sein Ausbleiben im Termin dar .
I. Der Kläger im Verfahren 15 K 3954/10 Kg wandte sich gegen die von der beklagten Familienkasse vorgenommene Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung überzahlten Kindergeldes. Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, wurde zu der vom Finanzgericht (FG) für den 14. November 2011 anberaumten mündlichen Verhandlung als Zeuge geladen, erschien zu diesem Termin jedoch nicht. Am 15. November 2011 ging beim FG ein Telefax vom 14. November 2011 eines beim Beschwerdeführer tätigen Assessors ein, in dem mitgeteilt wurde, dass der Beschwerdeführer wegen einer Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, den Zeugentermin wahrzunehmen. Dem Telefax war ein ärztliches Attest beigefügt, aus dem sich ergibt, dass beim Beschwerdeführer am 7. November 2011 eine seit 4. November 2011 bestehende und voraussichtlich bis 20. November 2011 andauernde Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde.
Mit Beschluss vom 16. November 2011 legte das FG dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben im Termin verursachten Kosten auf und setzte ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 €, ersatzweise Ordnungshaft von drei Tagen fest. Zur Begründung verwies es u.a. darauf, dass dem Beschwerdeführer seine Verhinderung bereits einige Zeit vor dem Termin bekannt gewesen sei, er diese dem Gericht aber erst nach Durchführung des Termins mitgeteilt habe und nun eine Vertagung notwendig geworden sei. Mit ebenfalls am 16. November 2011 ergangenem Beschluss vertagte das FG das Verfahren zum Zwecke der Beweisaufnahme.
Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, seine Termine in der Kanzlei zu überprüfen. Deshalb habe er einen freien Mitarbeiter beauftragt, mit Hilfe des vorliegenden Attestes anstehende Gerichtstermine abzusagen, was auch geschehen sei. Insoweit legte der Beschwerdeführer eine eidesstattliche Versicherung des freien Mitarbeiters vor, wonach versäumt worden sei, die Terminabsagen für den 14. und 15. November 2011 rechtzeitig zu versenden.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt (§ 82 FGO i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Die Festsetzung eines Ordnungsmittels und die Auferlegung der Kosten unterbleiben, wenn der Zeuge sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt (§ 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO wieder aufgehoben (§ 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
a) Der Beschwerdeführer war vom FG ordnungsgemäß zum Termin geladen worden, da ihm die Ladung rechtzeitig und mit dem in § 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 2 ZPO vorgeschriebenen Inhalt übermittelt wurde.
b) Der Beschwerdeführer hat weder vor dem Termin zur Beweisaufnahme noch nachträglich Gründe vorgetragen, die ihn von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden hätten.
Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine genügende Entschuldigung, die ein Ausbleiben im Beweistermin als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt, schwerwiegende Gründe (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juni 2002 III B 162/01, BFH/NV 2002, 1335, m.w.N.). Als derartige Entschuldigungsgründe werden nur äußere Ereignisse anerkannt, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. eine Betriebsstörung von Verkehrsmitteln, eine eigene Erkrankung oder eine schwere Erkrankung eines nächsten Angehörigen. Selbst die Dauererkrankung eines Zeugen vermag sein Ausbleiben jedoch nur dann genügend zu entschuldigen, wenn ihm dadurch ein Erscheinen vor Gericht unzumutbar wird (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Januar 1998 II B 34/97, BFH/NV 1998, 864). Der durch ein privatärztliches Attest belegte Umstand, der Zeuge sei am Verhandlungstag arbeitsunfähig gewesen, genügt dafür nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2005 VIII B 204/05, BFH/NV 2006, 771), denn ein arbeitsunfähiger Zeuge kann gleichwohl verhandlungs- und reisefähig sein. Es obliegt nicht den Gerichten, dem säumigen Zeugen die Reise- und Verhandlungsfähigkeit nachzuweisen. Vielmehr muss sich der Zeuge seinerseits hinreichend entschuldigen.
Da der Beschwerdeführer danach sein Ausbleiben im Termin nur durch eine --insoweit nicht ausreichende-- privatärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit entschuldigt hat, kommt es auf die weiteren Fragen, ob die Bescheinigung noch rechtzeitig oder nur aus nicht zu vertretenden Umständen verspätet vorgelegt wurde, nicht mehr an.
c) Das FG hat die Höhe des Ordnungsgeldes nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen und dabei insbesondere die Bedeutung der Rechtssache, die Bedeutung der Zeugenaussage für die Entscheidung sowie die Schwere der Pflichtverletzung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen zu berücksichtigen (z.B. BFH-Beschluss vom 8. November 2006 VI B 62/06, BFH/NV 2007, 468).
Die Höhe des vom FG festgesetzten Ordnungsgeldes und der ersatzweise angeordneten Ordnungshaft liegt mit 150 € bzw. drei Tagen jeweils im unteren Bereich des in Art. 6 Abs. 1 bzw. Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vorgegebenen Rahmens von 5 € bis 1.000 € bzw. einem Tag bis sechs Wochen. Sie ist angesichts des Umstands, dass das Nichterscheinen des Beschwerdeführers als eines aus der Sicht des FG für die Entscheidung des Verfahrens wesentlichen Zeugen eine Vertagung des Rechtsstreits erforderlich machte, nicht unangemessen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 1335). Auch der Beschwerdeführer hat keine Umstände vorgetragen, die eine Herabsetzung des Ordnungsgeldes rechtfertigen könnten.