Entscheidungsdatum: 02.12.2013
1. NV: Das FG-Urteil ist wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers aufzuheben, wenn in ihm (antragsgemäß) über den mit der Klage angefochtenen Steuerbescheid und nicht über den während des Klageverfahrens ergangenen und zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheid entschieden wurde und dieser Änderungsbescheid einen neuen Streitpunkt geschaffen hat .
2. NV: Zur Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG .
I. Nachdem der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zunächst für das Streitjahr 2001 keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Der Kläger legte Einspruch ein und gab zugleich seine Steuererklärung ab, woraufhin er vom FA erklärungsgemäß veranlagt wurde. Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheid vom 5. Januar 2005 enthielt den Hinweis, dass sich der Einspruch erledigt habe. Den erneut eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2008 als unbegründet zurück.
Während des anschließenden Klageverfahrens änderte das FA im Zuge einer durchgeführten Steuerfahndungsprüfung den Bescheid vom 5. Januar 2005 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und erhöhte die festgesetzte Steuer in erheblichem Umfang. Das FA ging davon aus, dass dem Kläger erhebliche Kapitaleinkünfte (verdeckte Gewinnausschüttungen) zugeflossen waren, von denen es bislang keine Kenntnis hatte. Gegen den Änderungsbescheid vom 28. April 2010 legte der Kläger Einspruch ein.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 7. November 2012 als unbegründet ab. Die Entscheidung bezieht sich --wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragt-- auf den Bescheid über Einkommensteuer 2001 vom 15. Oktober 2004 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 5. Januar 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2008 und behandelt ausschließlich den Streitpunkt "Verbindlichkeiten gegenüber der …-Genossenschaft". Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde nicht zugelassen.
Der Kläger rügt mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde u.a. die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Das FG habe nicht über den gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheid vom 28. April 2010, sondern über den rechtlich nicht mehr existenten Bescheid vom 5. Januar 2005 entschieden und hierdurch gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO.
1. Das FG hat über den zunächst mit der Klage angefochtenen Steuerbescheid entschieden und nicht über den erst während des Klageverfahrens ergangenen und gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheid vom 28. April 2010. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (BFH-Beschlüsse vom 23. Dezember 2004 XI B 60/03, BFH/NV 2005, 1311; vom 13. Februar 2007 XI B 90/06, BFH/NV 2007, 1154; vom 3. April 2009 III B 125/08, juris; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 68 FGO Rz 98).
2. Soweit in der Rechtsprechung des BFH davon ausgegangen wird, dass das Übersehen der eingetretenen Änderung des Verfahrensgegenstands ausnahmsweise unbeachtlich ist, wenn der Änderungsbescheid keinen neuen Streitpunkt geschaffen hat (BFH-Beschlüsse vom 29. August 2003 II B 70/03, BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944; vom 7. August 2008 I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053; vom 14. August 2009 II B 43/09, BFH/NV 2009, 2012), rechtfertigt dies im vorliegenden Fall keine andere Entscheidung. Denn die gravierende Erhöhung der festgesetzten Steuer aufgrund des nachträglich bekannt gewordenen Lebenssachverhalts will der Kläger, wie der neuerlich von ihm eingelegte Einspruch zeigt, nicht hinnehmen. Da dieser Einspruch indes unzulässig ist (§ 68 Satz 2 FGO; vgl. BFH-Beschluss vom 11. November 2008 V B 2/08, BFH/NV 2009, 401), kann der gebotene Rechtsschutz gegen die Steuererhöhung überhaupt nur noch im vorliegenden Verfahren gewährt werden.
3. Der Senat sieht keinen sachlichen Grund, die Streitsache, wie vom Kläger beantragt, an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung kann der BFH die Rechtssache an einen anderen Senat des FG zurückverweisen (BFH-Urteil vom 25. November 2009 I R 18/08, BFH/NV 2010, 941, m.w.N.). Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht des Betroffenen auf seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus, um eine willkürfreie Ermessensausübung zu gewährleisten. So kommt die Zurückverweisung an einen anderen Senat in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des erkennenden Senats des FG bestehen. Hierfür liegen im Streitfall keine zureichenden Anhaltspunkte vor. Da sich die Frage einer Zurückverweisung generell nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung stellt, kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG nicht allein mit der materiell- oder verfahrensrechtlichen Unrichtigkeit des Urteils begründet werden. Daher reichen weder die im Streitfall aus Sicht des Klägers vom FG rechtsfehlerhaft verneinte betriebliche Veranlassung der geleisteten Schadensersatzzahlungen und der weitergehenden Verbindlichkeit noch die von ihm gerügten --vermeintlichen-- Verfahrensmängel einzeln oder in der Summe aus, um direkt auf eine unsachliche, unfaire, persönliche, willkürliche Einstellung des FG gegenüber dem Kläger schließen zu können.