Entscheidungsdatum: 21.10.2013
1. NV: Es kan dahinstehen, ob § 149 ZPO (Verfahrensaussetzung wegen Ermittlungen in einem Strafverfahren) im finanzgerichtlichen Verfahren neben § 74 FGO überhaupt anwendbar ist. § 149 ZPO stellt die Aussetzung jedenfalls in das Ermessen des Tatgerichts, so dass die schlüssige Rüge der zu Unrecht unterbliebenen Verfahrensaussetzung den substantiierten Vortrag voraussetzt, dass das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist.
2. NV: Es ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass die (Über-)Länge eines Verfahrens den materiellen Steueranspruch nicht beeinflusst und auch die Vorschriften über die Ablaufhemmung von Verjährungsfristen nicht außer Kraft setzt.
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn die Beschwerde genügt nicht den sich aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ergebenden Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen.
1. Rechtsgrundsätzliche Bedeutung
Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam halten, ob der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz zum Tragen kommt und dem Wortlaut des § 171 Abs. 3a der Abgabenordnung vorgeht, wenn sich der Rechtsstreit aufgrund von Rechtsbehelfen sehr lange bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids hinzieht, genügt ihr Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen (dazu im Einzelnen z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. März 2010 X B 10/10, BFH/NV 2012, 953; vom 13. Juni 2013 III B 156/12, BFH/NV 2013, 1420). Es fehlt insbesondere an der Auseinandersetzung mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung. Danach ist geklärt, dass sich die (Über-)Länge eines Verfahrens auf den materiellen Steueranspruch nicht auswirkt. Es kommt weder zur Verwirkung desselben noch werden die Vorschriften über die Ablaufhemmung von Verjährungsfristen außer Kraft gesetzt (BFH-Urteile vom 21. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518; vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179). Der Hinweis in der Beschwerdeschrift auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 (BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76), 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 (BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86) führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese befassen sich allein mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, denen der Gesetzgeber beim Erlass rückwirkender Steuerrechtsnormen genügen muss.
2. Richterablehnung
Die Darlegungen in der Beschwerdeschrift, die sich mit der Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht (FG) befassen, lassen eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) oder Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht erkennen.
a) Der Beschluss des FG, mit dem der Befangenheitsantrag zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde anfechtbar und unterliegt somit auch nicht der Beurteilung der Revision (§ 124 Abs. 2 FGO), weshalb auch eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden kann. Geltend gemacht werden können nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund liegt daher nur vor, wenn die Ablehnung ein Verfahrensgrundrecht verletzt (Anspruch auf rechtliches Gehör oder den gesetzlichen Richter). Das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter greift jedoch nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich war (BFH-Beschluss vom 8. Juli 2013 III B 149/12, BFH/NV 2013, 1602, m.w.N.).
Die Kläger tragen im Streitfall nichts vor, was auf Willkür schließen lässt.
b) Was die Kläger mit der Rüge einer Verletzung des § 47 der Zivilprozessordnung (ZPO) genau meinen, hat sich dem Senat nicht erschlossen. Über den Befangenheitsantrag hat das FG mit Beschluss ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters entschieden.
c) Auch die Behauptung der Kläger, die vom Vorsitzenden Richter am FG abgegebene dienstliche Erklärung sei unrichtig, dies begründe erneut ein Befangenheitsgesuch, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das FG hat den Befangenheitsantrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen, weil der Antrag erst mehrere Tage nach der bereits im Verhandlungstermin erfolgten Urteilsverkündung (§ 104 Abs. 1 FGO) gestellt wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November 2011 IV B 60/11, BFH/NV 2012, 426, m.w.N., zu Ablehnungsgesuchen nach Instanzbeendigung). Damit setzen sich die Kläger nicht auseinander.
3. Fehlende Prozessvollmacht
Die Rüge, dass Rechtsanwältin X und Rechtsanwalt Y Erklärungen abgegeben hätten, ohne bevollmächtigt zu sein, ist unschlüssig. Aus dem Vortrag der Kläger ist nicht erkennbar, dass das FG einen Verfahrensfehler begangen haben könnte. Rechtsanwältin X, in deren Begleitung die Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, gehört zum Personenkreis des § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO. Dass das FG Zweifel an der Bevollmächtigung haben und deswegen auf einer Vorlage der Vollmacht bestehen musste (vgl. § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO; dazu z.B. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 62 FGO Rz 53 f.), wird in der Beschwerdeschrift nicht ausgeführt. Dasselbe gilt in Bezug auf Rechtsanwalt Y.
4. Unterbliebene Vollziehung des Beweisbeschlusses
a) Die Rüge, der Beweisbeschluss vom 2. Oktober 2012 sei nicht vollständig vollzogen worden, ist unschlüssig. Denn das Gericht hat den Beweisbeschluss in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf den Zeugen A aufgehoben. Dazu war das FG befugt (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 82 Rz 6; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 82 FGO Rz 30, m.w.N.). Ob das Gericht aufgrund anderer verfahrensrechtlicher Vorschriften (z.B. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) zur Vernehmung des besagten Zeugen verpflichtet gewesen sein könnte, ist in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen.
b) Die beanstandete Nichtvernehmung des Zeugen A kann die Revisionszulassung nicht rechtfertigen. Das Urteil ist kumulativ auf zwei Gründe gestützt. Das FG ging zum einen davon aus, dass sich die Kläger die von ihrem früheren Steuerberater vorgenommene Ausbuchung des streitigen Gebäudeteils und die von diesem angefertigte, von den Klägern eigenhändig unterschriebene Steuererklärung, in der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt wurden, mit der Folge rechtlich zurechnen lassen müssen, dass von deren Entnahmewillen auszugehen sei. Zum anderen war das FG aufgrund durchgeführter Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die Entnahmebuchung zwischen dem früheren Steuerberater und den Klägern positiv abgesprochen war, diese also ihren Entnahmewillen frei gebildet und geäußert hatten.
Ist ein FG-Urteil in dieser Art kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich das Entscheidungsergebnis trägt, dann muss hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 28, m.w.N.). Im Hinblick auf den ersten Begründungsansatz haben die Kläger aber keine Zulassungsgründe dargetan, insbesondere keinen Verfahrensmangel geltend gemacht.
Ob der erste Begründungsansatz materiell-rechtlich trägt, ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich unerheblich.
5. Unterbliebene Verfahrensaussetzung
a) Gemäß § 149 Abs. 1 ZPO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist. Die Rüge der Kläger, das FG habe fehlerhaft ihren hierauf gestützten Aussetzungsantrag zurückgewiesen, ist nicht schlüssig erhoben.
b) Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob § 149 ZPO über § 155 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren überhaupt anwendbar ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 1998 I B 39/98, BFH/NV 1998, 1506; vom 30. Juni 2004 VI S 1/03 (PKH), BFH/NV 2004, 1541). Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, wird in der Beschwerdeschrift nicht mit einem substantiierten Tatsachenvortrag erkennbar gemacht, dass das von § 149 ZPO eingeräumte tatrichterliche Ermessen (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17. November 2009 VI ZB 58/08, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2010, 423; Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 30. Aufl., § 149 Rz 2) im Streitfall fehlerhaft betätigt worden ist (zum Abwägungsvorgang im Einzelnen vgl. BGH-Beschluss in NJW-RR 2010, 423).
c) Sollte das weitere Vorbringen der Kläger dahin zu verstehen sein, dass die Aussetzung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gemäß § 149 Abs. 1 ZPO beantragt wird, so muss diesem Begehren der Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil der BFH bei seiner Entscheidung über die Revisionszulassung wie auch bei einer etwaigen Revisionsentscheidung grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Das Strafverfahren soll nach Ansicht der Kläger zu neuen bzw. besseren tatsächlichen Erkenntnissen (Hintergründe der Ausbuchung eines Gebäudeteils; Würdigung diesbezüglicher Zeugenaussagen) führen. Diese kann der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO aber nicht berücksichtigen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 74 FGO Rz 4; Thürmer in HHSp, § 74 FGO Rz 15, m.w.N.).
6. Bewertung der Entnahme
Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) im Hinblick auf den Wert des entnommenen Grundstücksteils ist nicht ordnungsgemäß gerügt worden.
Die Kläger machen insoweit geltend, dass das Gericht auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen die Tatsachen zur zutreffenden Bewertung der Entnahme hätte ermitteln müssen. In einem solchen Fall setzt die schlüssige Rüge u.a. den substantiierten Vortrag darüber voraus, aus welchen --genau bezeichneten-- Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des --ggf. auch unrichtigen-- materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und warum ein fachkundig vertretener Kläger nicht von sich aus entsprechende Anträge gestellt hat (vgl. § 295 ZPO i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschlüsse vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332; vom 13. Dezember 2001 II B 46/00, BFH/NV 2002, 654, und vom 19. Januar 2006 VIII B 84/05, BFH/NV 2006, 803).
In der Beschwerdebegründungsschrift konnte der Senat keine Antwort auf die durchaus naheliegende Frage finden, warum die fachkundig vertretenen Kläger nicht von sich aus das Problem der Entnahmebewertung aufgegriffen haben. Gerade die dort wiedergegebene Aussage des Zeugen B, wonach der Entnahmewert "traumhaft" gewesen sei, lässt die Passivität der Klägerseite unverständlich erscheinen.