Entscheidungsdatum: 27.09.2012
Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus zahlreichen verschieden ausgestatteten, zu unterschiedlichen Zwecken nutzbaren und getrennt vermietbaren Räumlichkeiten und sind die marktgerechten Mieten für die einzelnen Raumeinheiten unterschiedlich hoch, ist für jede nicht vermietete Raumeinheit gesondert zu prüfen, ob der Steuerpflichtige den Leerstand zu vertreten hat .
I. Die Sache befindet sich im II. Rechtszug.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im April 1997 in GbR ein am Rande Berlins gelegenes und im Sachwertverfahren bewertetes Geschäftsgrundstück mit mehreren Gebäuden unterschiedlichen Alters. Darin befanden sich zahlreiche getrennt zu Büro-, Gewerbe- und Lagerzwecken vermietbare Raumeinheiten von unterschiedlicher Größe. Zum Beginn des Jahres 1998 waren neben 59 Kfz-Stellplätzen folgende Einheiten nicht vermietet:
Einheit Nr. 1, 152,83 qm, als Lager verwendbare Kellereinheit im Haus A;
Einheit Nr. 13, 551,06 qm, im ersten Obergeschoss des Hauses A, zur Produktion oder nach Ausbau als Büro nutzbar;
Einheiten Nrn. 18 und 19, 247,33 qm bzw. 312,82 qm, im ersten Obergeschoss des Hauses C;
Einheit Nr. 21, 1 225,91 qm, Haus D, diese Einheit besteht aus acht teilweise unterschiedlich ausgestatteten Untereinheiten im Erdgeschoss und Keller.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Grundsteuer mit Bescheid vom 9. Juni 1998 für 1998 auf 46.981,20 DM fest, nachdem das Grundstück den Klägern auf den 1. Januar 1998 zugerechnet worden war.
Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 8. März 1999, die Grundsteuer für 1998 wegen des Leerstandes der fünf Raumeinheiten gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Grundsteuergesetzes in der im Jahr 1998 geltenden Fassung (GrStG) in Höhe von 19,96 % zu erlassen. Zur Ermittlung dieses Vom-Hundert-Satzes hatten die Kläger die durchschnittliche monatliche Nettomiete der am 1. Januar 1998 vermieteten Räume von 9,68 DM/qm mit der in qm berechneten Gesamtfläche der am Stichtag leerstehenden Räume multipliziert und den so bestimmten Mietausfall den tatsächlich erzielten Mieten hinzugerechnet. Bezogen auf die dabei errechnete Summe machte der Mietausfall 24,95 % aus. Vier Fünftel davon ergaben den beantragten Erlass von 19,96 %. Die tatsächlich erzielten Mieten wiesen eine Bandbreite von 6 bis 14,81 DM/qm auf.
Das FA lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Kläger hätten den Leerstand zu vertreten, da sie zu hohe Mieten verlangt hätten. Bei Ansatz der ortsüblichen Miete von 5 DM/qm für die Lagerräume und 7 DM/qm für die übrigen Räume ergebe sich überdies lediglich eine Minderung des Rohertrags von 13,16 %.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der Bundesfinanzhof hob durch Urteil vom 24. Oktober 2007 II R 4/05 (BFH/NV 2008, 405) das Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Zur Begründung führte er aus, normaler Rohertrag eines bebauten Grundstücks, dessen Wert wie im Streitfall im Sachwertverfahren zu ermitteln sei, sei gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GrStG die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete. Damit sei die Jahresrohmiete gemeint, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt werde. Die übliche Jahresrohmiete zu Beginn des Erlasszeitraums sei somit nicht die für die vermieteten Teile der Baulichkeiten auf dem konkreten Grundstück vereinbarte Durchschnittsmiete. Der üblichen Jahresrohmiete sei der tatsächlich erzielte Rohertrag gegenüber zu stellen. Unterschreite er die übliche Jahresrohmiete um mehr als 20 %, habe der Steuerschuldner einen Anspruch auf Grundsteuererlass in der in § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG vorgesehenen Höhe, sofern weder der Steuerschuldner die Ertragsminderung zu vertreten habe noch der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 5 GrStG erfüllt sei.
Soweit die Ertragsminderung durch einen Leerstand zu Beginn des Erlasszeitraums bedingt sei, habe der Steuerpflichtige sie dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht habe. Auch im Falle eines Überangebots auf dem betreffenden Marktsegment könne dabei vom Steuerpflichtigen nicht verlangt werden, sich stets den unteren Rand der Mietpreisspanne zu eigen zu machen. Es reiche aus, dass die Räumlichkeiten dem Markt zur Verfügung stünden und nachhaltig zu einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses angeboten worden seien. Es könne auch nicht nach typischen oder atypischen, nach strukturell bedingten oder nicht strukturell bedingten, nach vorübergehenden oder nicht vorübergehenden Ertragsminderungen und nach den verschiedenen Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, differenziert werden.
Da das FG die Klage mit der Begründung abgewiesen habe, die geltend gemachte Ertragsminderung sei nicht atypisch, sondern strukturell bedingt, und es überdies das Vertretenmüssen der Ertragsminderung unzutreffend verstanden habe, sei die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache sei nicht spruchreif. Der Erlassantrag müsse erneut geprüft werden. Dabei könne nicht vom Durchschnitt der für die vermieteten Raumeinheiten zu Beginn des Jahres 1998 vereinbarten Mieten ausgegangen werden. Soweit sich auf einem Grundstück Räume oder Raumeinheiten von unterschiedlicher Art und Ausstattung befänden, könne die übliche Jahresrohmiete für die einzelnen Räume oder Raumeinheiten unterschiedlich hoch ausfallen. Dies sei bei der Entscheidung über einen Grundsteuererlass nach § 33 GrStG zu berücksichtigen.
Sollten die nachzuholenden Feststellungen zur üblichen Jahresrohmiete eine Ertragsminderung von nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG rechtserheblichem Ausmaß ergeben, hätten die Kläger diese nur zu vertreten, wenn sie sich nicht nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hätten. Die Kläger hätten dabei die Ertragsminderung nicht bereits deshalb zu vertreten, weil sie ihre Mietforderungen für die zu Beginn des Erlasszeitraums leerstehenden Räumlichkeiten nicht soweit heruntergeschraubt hätten, bis ein Mieter zu finden gewesen sei. Die Vermietungsbemühungen hätten vielmehr lediglich auf eine marktgerechte Miete ausgerichtet sein müssen. Die Inserierung der Mietobjekte unter Angabe einer Preisspanne sei solange kein Indiz dafür, dass die Kläger die Ertragsminderung zu vertreten hätten, wie die untere Preisgrenze die übliche Jahresrohmiete nicht überstiegen habe.
Das FG wies die Klage im II. Rechtszug erneut ab und führte zur Begründung aus, die Kläger hätten den Leerstand insgesamt zu vertreten. Sie hätten zwar die unvermieteten Räumlichkeiten unter Einschaltung eines Maklers in zahlreichen Zeitungsanzeigen zur Vermietung angeboten, dabei aber pauschal eine Mietpreisforderung von mindestens 8 DM/qm monatlich erhoben, obwohl die marktübliche Miete für die Kellerräume (Lagerräume) deutlich niedriger gewesen sei. Ob die Mietpreisforderung für die übrigen unvermieteten Raumeinheiten der Marktmiete entsprochen hat, hat das FG demgemäß nicht geprüft.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, an ihre Vermietungsbemühungen dürften keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Das FG habe den gemäß § 33 Abs. 1 GrStG beantragten Grundsteuererlass daher nicht deshalb versagen dürfen, weil in den Vermietungsanzeigen für die Kellerräume keine gesonderte, niedrigere Miete angegeben worden sei. Sie --die Kläger-- hätten allenfalls den Leerstand der Kellerräume zu vertreten. Dies beeinflusse aber wegen des geringen Anteils dieser Räume an den insgesamt leerstehenden Räumlichkeiten den von ihnen geltend gemachten Erlassanspruch im Ergebnis nicht, wie ihre im Einzelnen dargelegten Berechnungen zeigten. Selbst wenn alle Kellerräume zu einer marktgerechten Miete vermietet gewesen wären, nicht jedoch die übrigen leerstehenden Räume, beliefe sich der Erlassanspruch auf 19,96 % der Grundsteuer.
Ferner machen die Kläger Verfahrensfehler geltend.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 29. März 2001 und die Ablehnungsverfügung vom 27. Juli 1999 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Grundsteuer für 1998 in Höhe von 9.377,44 DM (4.794,61 €) zu erlassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Kläger hätten den Leerstand und somit die Minderung des normalen Rohertrags i.S. des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG insgesamt zu vertreten, weil die in den Zeitungsanzeigen angegebene monatliche Mindestmiete von 8 DM/qm deutlich über der marktüblichen Miete für die Kellerräume gelegen habe.
1. Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus zahlreichen verschieden ausgestatteten, zu unterschiedlichen Zwecken nutzbaren und getrennt vermietbaren Räumlichkeiten und sind die marktgerechten Mieten für die einzelnen Raumeinheiten unterschiedlich hoch, ist § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit so auszulegen, dass für jede nicht vermietete Raumeinheit gesondert zu prüfen ist, ob der Steuerpflichtige den Leerstand zu vertreten hat. Der Steuerpflichtige hat den Leerstand nicht allein deshalb insgesamt zu vertreten, weil in Zeitungsanzeigen, in denen die Raumeinheiten zusammen zur Miete angeboten wurden, eine Mindestmiete angegeben war, die lediglich für einen Teil der Einheiten über der marktüblichen Miete lag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diesen Einheiten lediglich eine flächen- und wertmäßig untergeordnete Bedeutung zukam.
Ergibt die danach im Einzelnen vorzunehmende Prüfung, dass der Steuerpflichtige die Minderung des normalen Rohertrags lediglich für einzelne Raumeinheiten zu vertreten hat, rechtfertigt dies somit für sich genommen nicht die Ablehnung des Grundsteuererlasses. Vielmehr ist in solchen Fällen lediglich die marktübliche Miete für diese Raumeinheiten der für die vermieteten Raumeinheiten tatsächlich erzielten Miete hinzuzurechnen und auf dieser Grundlage festzustellen, in welchem Umfang der tatsächlich erzielte Rohertrag zuzüglich der hinzugerechneten Miete vom normalen Rohertrag abweicht. Ist der normale Rohertrag nach dieser Berechnung um mehr als 20 % gemindert, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Erlass von Grundsteuer nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG. Die Grundsteuer ist dann in Höhe des Prozentsatzes zu erlassen, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung des normalen Rohertrags entspricht.
2. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Den vom FG getroffenen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, in welchem Umfang die Kläger nach diesen Grundsätzen die Minderung des normalen Rohertrags zu vertreten haben. Das FG wird entsprechende Feststellungen nunmehr nachzuholen haben. Ergibt die erneute Prüfung, dass den Klägern dem Grunde nach ein Anspruch auf Erlass von Grundsteuer zusteht, wird das FG ferner den Umfang des Anspruchs zu prüfen haben.
3. Auf die Verfahrensrügen der Kläger kommt es somit nicht mehr an.