Entscheidungsdatum: 29.02.2012
Hat der Bedachte die Schenkungsteuer entrichtet, kann sie auch dann nicht mehr gegenüber dem Schenker festgesetzt werden, wenn die Steuer dem Bedachten aufgrund eines durch unrichtige Angaben erwirkten Änderungsbescheids (teilweise) erstattet und später diesem gegenüber wieder in der ursprünglichen Höhe festgesetzt wird .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schenkte der Bedachten, einer Freundin, im November 2004 einen Betrag in Höhe von 2 Mio. €. Die Bedachte entrichtete die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) dafür gegen sie durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22. April 2005 festgesetzte Schenkungsteuer von 697.655 €.
Auf Vorschlag von B gab die Bedachte einem Steuerberater (S) den Auftrag, die Rückzahlung der Schenkungsteuer zu betreiben. S beantragte demgemäß im September 2006 beim FA, den Steuerbescheid vom 22. April 2005 aufzuheben und die gezahlte Schenkungsteuer auf ein Konto des B als Abtretungsempfänger zu überweisen. Der Antrag wurde wahrheitswidrig damit begründet, dass die Klägerin die Schenkung widerrufen habe, weil die Bedachte mit der Schenkung verbundene Auflagen nicht erfüllt habe. Um dies zu belegen, wurden verschiedene inhaltlich unzutreffende, teilweise rückdatierte und zum Teil von der Klägerin oder mit ihrem Namen unterzeichnete Unterlagen vorgelegt. Dass die Bedachte den geschenkten Betrag an die Klägerin zurückgezahlt habe, wurde nicht vorgetragen. Vielmehr wurde ein Darlehnsvertrag vorgelegt, nach dem die Klägerin der Bedachten den geschenkten Betrag von 2 Mio. € als Darlehen gewährte, das verzinst und ab 15. April 2007 in monatlichen Raten von 14.000 € zurückgezahlt werden sollte.
Das FA nahm daraufhin an, die mit Bescheid vom 22. April 2005 festgesetzte Schenkungsteuer sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) mit Wirkung für die Vergangenheit erloschen. Der Besteuerung unterliege nach § 29 Abs. 2 ErbStG nur der Vorteil der Bedachten aus der Nutzung des ihr überlassenen Geldbetrags. Das FA setzte deshalb die Schenkungsteuer durch Änderungsbescheide vom 27. Februar und 12. März 2007 auf zunächst 56.028 € und dann 42.895 € herab. Die Unterschiedsbeträge zu der ursprünglich festgesetzten Schenkungsteuer überwies das FA auf ein Konto des B.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Änderungsbescheide durch unrichtige Angaben erwirkt worden waren, setzte das FA gegen die Bedachte durch Änderungsbescheid vom 11. Januar 2008 erneut Schenkungsteuer in Höhe von 697.655 € fest. Die Bedachte entrichtete die Steuer nur teilweise.
Das FA setzte nach vorheriger Anhörung gegen die Klägerin für die im November 2004 ausgeführte Schenkung an die Bedachte durch Bescheid vom 3. November 2008 Schenkungsteuer in Höhe von 697.655 € fest. In der Begründung führte das FA bezugnehmend auf § 20 Abs. 1 ErbStG aus, bei Zuwendungen unter Lebenden seien sowohl der Beschenkte als auch der Schenker nach § 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gesamtschuldner. Jeder der Gesamtschuldner schulde die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Inanspruchnahme der Klägerin als Schenkerin sei ermessensfehlerfrei, da die Erhebung der gesamten festgesetzten Schenkungsteuer bei der Bedachten aufgrund der auch der Klägerin bekannten wirtschaftlichen Situation keinen Erfolg verspreche. In der dem Bescheid beigefügten Abrechnung gab das FA an, von der festgesetzten Schenkungsteuer seien bereits 191.465,66 € bezahlt, so dass noch 506.189,34 € zu entrichten seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 1434 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, das FA habe die Schenkungsteuer zu Recht gegenüber der Klägerin festgesetzt, die als Schenkerin nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG neben der Bedachten Gesamtschuldnerin sei. Die Schenkungsteuer sei zwar aufgrund der zunächst erfolgten vollständigen Entrichtung nach § 47 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin erloschen. Die Heraufsetzung der Schenkungsteuer durch den gegenüber der Bedachten ergangenen Bescheid vom 11. Januar 2008 habe aber zum Entstehen eines neuen Steueranspruchs geführt, für den das FA auch die Klägerin als Gesamtschuldnerin durch Schenkungsteuerbescheid habe in Anspruch nehmen können. Die Klägerin könne sich deshalb nicht auf das Erlöschen der ursprünglichen Steuerfestsetzung berufen. Entscheidend sei dabei, dass die Steuerrückzahlungen auf den Änderungsbescheiden vom 27. Februar und 12. März 2007 beruht hätten und deshalb nicht ohne Grund vorgenommen worden seien.
Die Klägerin rügt mit der Revision insbesondere Verletzung von §§ 44 und 47 AO. Die Schenkungsteuer sei ihr gegenüber dadurch endgültig erloschen, dass sie die Bedachte in voller Höhe entrichtet habe. Die Änderungsbescheide vom 27. Februar und 12. März 2007 und die darauf beruhenden Steuererstattungen so wie die erneute Festsetzung von Schenkungsteuer gegen die Bedachte in der ursprünglichen Höhe durch den Bescheid vom 11. Januar 2008 hätten sich ihr, der Klägerin, gegenüber nicht ausgewirkt.
Die Klägerin ist ferner der Ansicht, für die Entscheidung über die Revision sei nicht der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH), sondern dessen VII. Senat zuständig. Es gehe um eine Streitigkeit aus dem allgemeinen Abgabenrecht. Bei dem angefochtenen Steuerbescheid handle es sich der Sache nach um einen Rückforderungsbescheid.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Schenkungsteuerbescheid vom 3. November 2008 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass das FA die Schenkungsteuer gegenüber der Klägerin festsetzen durfte.
1. Für die Entscheidung ist entgegen der Ansicht der Klägerin der II. Senat und nicht der VII. Senat des BFH zuständig. Die Zuständigkeit des II. Senats ergibt sich aus Abschn. A, Sachliche Zuständigkeit der Senate, II. Senat Nr. 3 des Geschäftsverteilungsplans des BFH für das Jahr 2012. Danach ist der II. Senat ebenso wie nach den Geschäftsverteilungsplänen für die Vorjahre für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständig. Maßgebend ist dabei, dass ein Schenkungsteuerbescheid und nicht ein Rückforderungsbescheid im Sinne des Abschn. A, VII. Senat Nr. 5 Buchst. c des Geschäftsverteilungsplans ergangen und angefochten ist.
2. Für die Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber der Klägerin durch den Bescheid vom 3. November 2008 gibt es keine Rechtsgrundlage.
a) Steuerschuldner ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Erwerber, bei einer Schenkung auch der Schenker. Erwerber und Schenker sind nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO Gesamtschuldner, weil sie nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden.
Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch für die übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt für die Aufrechnung und für eine geleistete Sicherheit (§ 44 Abs. 2 Satz 2 AO). Andere Tatsachen wirken gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Das gilt sowohl materiell-rechtlich als auch für Verfahrensvorgänge (Schwarz in Schwarz, AO, § 44 Rz 22).
Entrichtet der Bedachte die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese gemäß § 47 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch mit Wirkung gegenüber dem Schenker und kann daher diesem gegenüber nicht mehr festgesetzt werden (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 44 AO Rz 26; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 44 AO Rz 17; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 44 Rz 55; Schwarz, a.a.O., § 44 Rz 20; Klein/Ratschow, AO, 10. Aufl., § 44 Rz 16; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 44 Rz 18; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der AO vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1975 II R 7/73, BFHE 116, 319, BStBl II 1975, 895).
Wird die Steuer später dem Bedachten oder einem von diesem bestimmten Dritten (Zessionar) zurückgezahlt, etwa weil im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheids aufgehoben (§ 361 Abs. 2 Satz 3 AO, § 69 Abs. 2 Satz 7, Abs. 3 Satz 3 FGO), einem Einspruch oder einer Klage stattgegeben oder aus anderen Gründen ein Änderungsbescheid zugunsten des Bedachten erlassen wird, handelt es sich um Tatsachen, die nicht in der Person des Schenkers eintreten und daher gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO nicht für und gegen diesen wirken. Die durch Zahlung gegenüber dem Schenker erloschene Steuer lebt somit in solchen Fällen diesem gegenüber nicht wieder auf und kann daher ihm gegenüber auch nicht festgesetzt werden (Schwarz, a.a.O., § 44 Rz 20; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der AO vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 7. März 1922 V A 157/21, RFHE 8, 280; a.A. Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. Auflage § 20 Rz 10), und zwar nicht nur, wenn die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist (so aber Boeker, a.a.O., § 44 AO Rz 30; Kruse, a.a.O., § 44 AO Rz 22; Klein/Ratschow, a.a.O., § 44 Rz 16), sondern auch, wenn sie auf einer finanzbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung beruht und daher jedenfalls formell rechtmäßig ist. Entscheidend ist nicht die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Erstattung der Steuer an den Bedachten oder einen von diesem bestimmten Dritten, sondern dass die Erstattung und die dieser zugrunde liegende finanzbehördliche oder gerichtliche Entscheidung keine Tatsachen sind, die in der Person des Schenkers eintreten, und daher ihm gegenüber nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AO keine Wirkung entfalten.
Es führt zu keinem anderen Ergebnis, wenn der Schenker durch sein Verhalten zu der vollständigen oder teilweisen Rückzahlung der Steuer beigetragen hat. Die entscheidenden Tatsachen, nämlich die Rückzahlung der Steuer an den Bedachten oder einen von diesem bestimmten Dritten und der Erlass der der Rückzahlung zugrunde liegenden finanzbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung gegenüber dem Bedachten, treten nämlich auch in diesem Fall nicht in der Person des Schenkers ein. Beruht die Herabsetzung der gegenüber dem Bedachten festgesetzten Steuer auf einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und war der Schenker an dieser Steuerhinterziehung als (Mit-)Täter (§ 25 Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuchs --StGB--), Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfe (§ 27 StGB) beteiligt, werden die berechtigten fiskalischen Interessen dadurch gewahrt, dass der Schenker nach § 71 AO für die verkürzte Steuer haftet.
Für die vom FG vertretene Ansicht, der Erlass eines Änderungsbescheids, durch den die zwischenzeitlich herabgesetzte und teilweise erstattete Schenkungsteuer gegen den Bedachten wieder in der ursprünglichen Höhe festgesetzt wird, führe zur Entstehung eines neuen Steueranspruchs, für den auch der Schenker als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden könne, gibt es keine gesetzliche Grundlage (a.A. Buciek, a.a.O., § 44 Rz 61; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG, Rz 6.1). Die rechtmäßige Festsetzung einer Steuer durch Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO setzt das Bestehen eines Steueranspruchs voraus und führt nicht selbst zum Entstehen eines Steueranspruchs. Ein Steueranspruch entsteht nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, und hängt nicht von einer Steuerfestsetzung ab (BFH-Urteile vom 13. Mai 1987 II R 189/83, BFHE 149, 514, BStBl II 1988, 188, und vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83, BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563, unter 3.c; Schuster in HHSp, § 38 AO Rz 12, § 155 AO Rz 17; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 38 AO Rz 10 f.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 155 AO Rz 14; Koenig, a.a.O., § 38 Rz 32). Die Finanzämter haben keinen Einfluss darauf, ob ein Steuerschuldverhältnis entsteht (BFH-Urteil vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939, unter III.3.b).
b) Das FA durfte demgemäß die Schenkungsteuer nicht gegen die Klägerin festsetzen. Die Steuer war ihr gegenüber durch die vollständige Entrichtung durch die Bedachte erloschen (§ 47 AO). Die gegenüber der Bedachten ergangenen Änderungsbescheide und die teilweise Rückzahlung der Steuer stellen Tatsachen dar, die nicht in der Person der Klägerin eingetreten sind und ihr gegenüber gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO keine Wirkung entfalten.