Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 27.03.2014


BFH 27.03.2014 - II B 68/13

Kein Akteneinsichtsrecht in Akten, um deren Kenntnisgabe gestritten wird


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
27.03.2014
Aktenzeichen:
II B 68/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Mai 2013, Az: 4 K 4803/09, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Bei einer Klage auf Akteneinsicht umfasst das durch § 78 FGO gewährleistete Akteneinsichtsrecht nur die Akten, die für die Frage eines etwaigen Anspruchs auf Akteneinsicht von Bedeutung sind. Dazu gehören nicht die Akten, um deren Kenntnisgabe gerade gestritten wird .

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Die Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, insbesondere statthaft. Gegen die Verweigerung des durch § 78 FGO gewährten Akteneinsichtsrechts durch das Finanzgericht (FG) ist die Beschwerde nach § 128 Abs. 1 FGO gegeben (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475; vom 17. März 2008 IV B 100, 101/07, BFH/NV 2008, 1177).

3

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht hinsichtlich der von der Akteneinsicht ausgenommenen Akten bzw. Aktenteile kein Akteneinsichtsrecht i.S. des § 78 FGO zu.

4

a) Das Akteneinsichtsrecht nach § 78 FGO betrifft nur die Akten, die Gegenstand des Verfahrens sind (vgl. auch § 71 Abs. 2 FGO). Gegenstand des von der Klägerin geführten Klageverfahrens ist das Begehren, ihr Einsicht in eine dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) vorliegende Anzeige eines Dritten zu gewähren. Bei einer solchen Klage auf Akteneinsicht umfasst das durch § 78 FGO gewährleistete Akteneinsichtsrecht jedoch nur die Akten, die für die Frage eines etwaigen Anspruchs auf Akteneinsicht von Bedeutung sind (so für das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf der Grundlage des mit § 78 FGO im Wesentlichen inhaltsgleichen § 100 der Verwaltungsgerichtsordnung: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Aufl. 2013, § 100 Rz 3). Dazu gehören jedoch nicht die Akten, um deren Kenntnisgabe --wie im Streitfall-- gerade gestritten wird (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Juni 1982  1 C 222/79, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 2954; Posser/Wolff, Kommentar zur VwGO 2. Aufl. 2014, § 100 Rz 9; Kopp/Schenke, a.a.O.).

5

b) Im Streitfall hatte das FA lediglich diejenigen Akten dem FG vorzulegen, die das Akteneinsichtsgesuch der Klägerin bzw. dessen Ablehnung betreffen. Nur auf der Grundlage dieser Aktenteile hat das FG darüber zu entscheiden, ob das FA seine Ablehnungsentscheidung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen hat (dazu z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 30 AO Rz 15, m.w.N.).

6

c) Vorliegend hat das FA dem FG auch den Aktenteil übermittelt, der die von dem Dritten erstattete Anzeige enthält. Vorgänge, die am Verfahren unbeteiligte Dritte betreffen, sind jedoch --soweit möglich-- zu entfernen oder durch andere geeignete Maßnahmen von der Einsichtnahme auszuschließen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. April 2010  1 BvR 3515/08, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 862; vgl. auch BFH-Beschluss vom 25. Juli 1994 X B 333/93, BFHE 174, 491, BStBl II 1994, 802; Stalbold in Beermann/Gosch, FGO § 78 Rz 28; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 78 FGO Rz 19, jeweils m.w.N.). Demgemäß hat der Senat den Aktenteil, in dem sich die von dem Dritten erstattete Anzeige befindet, unmittelbar an das FA zurückgesandt.

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3. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin steht der hier streitigen Entscheidung des FG über das Akteneinsichtsrecht nach § 78 FGO nicht entgegen. Zwar darf ein wegen Befangenheit abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung hat aber der erstinstanzliche Richter über das Ablehnungsgesuch in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2013 entschieden. Ob der erstinstanzliche Richter selbst entgegen der Regelung in § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO als abgelehnter Richter an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausnahmsweise wegen Missbräuchlichkeit oder offenbarer Unzulässigkeit des Gesuchs mitwirken durfte (hierzu die ständige Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes bei Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 51 Rz 71) und ob er das Ablehnungsgesuch zu Recht zurückgewiesen hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.