Entscheidungsdatum: 17.09.2012
1. NV: Auf eine im Jahr 2000 ausgeführte gemischte Schenkung ist weiterhin die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärte Norm des § 19 Abs. 1 ErbStG vom 17. April 1974 i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (ErbStG a.F.) anwendbar .
2. NV: Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das FG im Urteil ohne gesonderte Begründung davon ausgeht, dass ein Schenkungsteuerbescheid, der eine Zuwendung im Jahr 2000 betrifft, in der Zeit ab 1. Januar 2009 weiterhin wirksam ist .
3. NV: Die vom BVerfG angeordnete Weitergeltung des ErbStG a.F. ist für die Gerichte und Behörden nach § 31 BVerfGG verbindlich. Geht das FG von dieser Bindung aus, wird dadurch nicht der Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz verletzt .
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), das Finanzgericht (FG) habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, liegt nicht vor.
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, wesentliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er verpflichtet das Gericht jedoch nicht, sich mit sämtlichen Ausführungen der Beteiligten in den Urteilsgründen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das wesentliche Vorbringen der Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. April 2012 X B 56/11, BFH/NV 2012, 1331). Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist erst dann gegeben, wenn im Einzelfall aus den Urteilsgründen deutlich erkennbar ist, dass das Gericht wesentliche Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. November 1983 2 BvR 399/81, BVerfGE 65, 293; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2008 VIII B 253/05, BFH/NV 2008, 740).
b) Im Streitfall hat das FG im angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf den BVerfG-Beschluss vom 7. November 2006 1 BvL 10/02 (BVerfGE 117, 1) ausführlich begründet, dass auf die im Jahr 2000 ausgeführte gemischte Schenkung weiterhin die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärte Norm des § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 17. April 1974 i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (ErbStG a.F.) anwendbar ist. Das BVerfG hat die Weitergeltung des (damals) geltenden Erbschaftsteuerrechts bis zu einer Neuregelung für erforderlich gehalten, um für die Übergangszeit einen Zustand der Rechtsunsicherheit zu vermeiden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, unter D.II.). Ein Eingehen des FG auf den vom Kläger schriftsätzlich benannten BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09 (BVerfGE 126, 268), in dem das BVerfG den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung von einkommensteuerrechtlichen Vorschriften auf den 1. Januar 2007 verpflichtet hat, war nicht erforderlich. Diese Entscheidung ist für den Streitfall nicht maßgeblich.
Das FG konnte auch ohne gesonderte Begründung im Urteil davon ausgehen, dass die gegen den Kläger ergangenen Schenkungsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 30. August 2001, die Zuwendungen im Jahr 2000 betreffen, in der Zeit ab 1. Januar 2009 weiterhin wirksam sind. Dies ist eine notwendige Folge der vom BVerfG angeordneten Weitergeltung des ErbStG a.F.
c) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg rügen, das FG habe in anderen Fällen den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern dadurch beim Kläger eine Rechtsverletzung eingetreten ist.
2. Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) ist ebenfalls nicht gegeben.
Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz folgt zwar ein Anspruch des Bürgers auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle des angegriffenen Hoheitsaktes (vgl. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 2011 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1). Das FG war aber ebenso wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) an den BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1 und die darin angeordnete Weitergeltung des ErbStG a.F. gebunden. Diese Weitergeltungsregelung ist für die Gerichte und Behörden nach § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht verbindlich. Für die Überprüfung einer solchen Entscheidung durch die Fachgerichte gibt es keine verfahrensrechtliche Handhabe (vgl. BFH-Beschluss vom 24. November 2010 II B 9/10, BFH/NV 2011, 441). Ein ausdrücklicher Hinweis im angefochtenen Urteil auf diese Bindung und die sich daraus ergebende Folge, dass die Einwendungen des Klägers hinsichtlich der Anwendung des ErbStG a.F. nicht beachtlich sind, war entbehrlich.
3. Soweit der Kläger erstmals im Schriftsatz vom 24. Juli 2012 als weiteren Grund für die Zulassung der Revision eine Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO rügt, war zu diesem Zeitpunkt die höchstens dreimonatige Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 FGO bereits abgelaufen. Nach Ablauf der Begründungsfrist können neue Zulassungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden (BFH-Beschluss vom 14. April 2011 X B 142/10, BFH/NV 2011, 1182, m.w.N.).