Entscheidungsdatum: 26.02.2014
NV: Bei unterjähriger Veräußerung des einzigen Grundstücks einer grundstücksverwaltenden GmbH kommt mangels ausschließlicher Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Betracht. Bemühungen um den Erwerb eines neuen Grundstücks zur Fortsetzung der Grundstücksverwaltung sind nicht als Grundstücksverwaltung anzusehen.
I. Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr 2007 die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes 2002 (GewStG 2002) zustand.
Der Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer GmbH i.L., war die Verwaltung von Grundstücken. Im Streitjahr gehörte zu ihrem Betriebsvermögen das Grundstück B-Strasse in C. Über weiteren Grundbesitz verfügte sie nicht. Die Klägerin erzielte aus der Grundstücksverwaltung Erlöse in Höhe von 141.058,69 €. Zudem erwirtschaftete sie sonstige Erlöse von 18,67 €, Zinserträge in Höhe von 428,18 € sowie weitere Zinsen in Höhe von 2.486,46 €, die mit Finanzierungsvorgängen im Zusammenhang standen, die über sogenannte Swap-Geschäfte abgesichert waren. Am 30. November 2007 schied das Grundstück B-Strasse veräußerungsbedingt aus dem Betriebsvermögen der Klägerin aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte der Klägerin die zunächst erklärungsgemäß gewährte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 im Umfang von 420.808 € und setzte u.a. den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr entsprechend fest. Die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung lägen nicht vor. Da die Klägerin ihren Grundbesitz unterjährig veräußert habe, habe sie nicht während des gesamten Erhebungszeitraums eigenen Grundbesitz verwaltet.
Das gegen den Änderungsbescheid geführte Einspruchsverfahren blieb ebenso erfolglos wie die anschließende Klage vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12. Dezember 2012 12 K 12280/11, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1420).
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 im Streitjahr nicht zusteht.
1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG 2002 bezeichneten Beträge. Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung nach Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.
2. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ist im Streitfall eine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 aufgrund der unterjährigen Veräußerung des einzigen Grundstücks der Klägerin nicht zu gewähren.
a) Soweit § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fordert, ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass der Begriff der Ausschließlichkeit gleichermaßen qualitativ, quantitativ wie zeitlich zu verstehen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 I R 1/10, BFH/NV 2011, 841, m.w.N.; zustimmend Blümich/ Gosch, § 9 GewStG Rz 76; kritisch Jesse, Finanz-Rundschau 2004, 1085, 1093; Schlegel, Neue Wirtschaftsbriefe 2012, 4223, 4225). Zwar ist nicht erforderlich, dass die Grundstücksverwaltung während des gesamten Erhebungszeitraums bestanden hat. Sie kann auch vorzeitig enden. Solange aber das Unternehmen --wie im Streitfall-- während des Erhebungszeitraums überhaupt tätig ist, muss seine Haupttätigkeit durchgängig in der schlichten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bestehen, um begünstigt zu sein (Senatsurteil vom 20. Januar 1982 I R 201/78, BFHE 135, 327, BStBl II 1982, 477). Dies folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer (Senatsurteil vom 29. März 1973 I R 199/72, BFHE 109, 138, BStBl II 1973, 563). Die erweiterte Kürzung kann daher nicht gewährt werden, wenn das letzte Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und nicht mehr ausschließlich Grundbesitz verwaltet wird (Senatsurteile in BFH/NV 2011, 841; vom 19. Dezember 2007 I R 46/07, BFH/NV 2008, 930; Senatsbeschlüsse vom 14. April 2000 I B 104/99, BFH/NV 2000, 1497; vom 12. Juli 1999 I B 5/99, BFH/NV 2000, 79; Senatsurteil in BFHE 135, 327, BStBl II 1982, 477). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiterhin fest.
b) Im Streitfall war der Klägerin die erweiterte Kürzung zu versagen, weil sie seit dem Übergang ihres einzigen Grundstücks auf die Käuferin am 30. November 2007 --und damit vor Ablauf des Erhebungszeitraums (§ 14 Satz 2 GewStG 2002)-- keinen eigenen Grundbesitz mehr genutzt hat, aber weiterhin werbend tätig blieb. Soweit sie noch eigenes Kapitalvermögen in Form von Forderungen gegenüber ihren Gesellschaftern verwaltete, erfolgte dies nicht mehr (unschädlich) zeitlich neben, sondern nach der Grundstücksnutzung. Eine nur "technisch" bedingte Ausnahme liegt hier ersichtlich nicht vor (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. August 2004 I R 89/03, BFHE 207, 40, BStBl II 2004, 1080).
c) Darauf, ob es tatsächlich ihre Absicht war, neuen Grundbesitz zu erwerben, und sie im Erhebungszeitraum bereits diesbezügliche Maßnahmen unternommen hat, kommt es nicht an. Das Bestreben, wieder eine Grundstücksnutzung aufzunehmen, ist der Grundstücksnutzung nicht gleichzustellen.
Die nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 erforderliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes grenzt die Vermögensverwaltung auf der einen Seite von gewerblichen Tätigkeiten ab. Auf der anderen Seite erfordert der Wortlaut aber ausdrücklich, dass während des gesamten Erhebungszeitraums eine "Nutzung" des Grundstücks --im Sinne einer Fruchtziehung (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 I B 148/07, BFH/NV 2008, 542)-- erfolgt. Eine solche Fruchtziehung aus eigenem Grundbesitz nahm die Klägerin aber seit dem Verlust des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung 2002) nicht mehr vor. Die Maßnahmen zur Vorbereitung oder Anbahnung eines (erneuten) Grundstückserwerbs stellten noch keine Grundstücksnutzung, also auch keine "Verwaltung und Nutzung" in diesem Sinne dar. Hierüber können auch der Gesellschaftszweck und die Absicht, neuen Grundbesitz zur eigenen Nutzung zu erwerben (vgl. bereits Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. April 1967 VI R 285/66, BFHE 89, 215, BStBl III 1967, 616), nicht hinweghelfen.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus Sinn und Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002, Kapitalgesellschaften, die (systembedingt) nur kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind, Personenunternehmen gleichzustellen. Die Vorschrift macht die --verfassungsrechtlich nicht unbedingt gebotene-- Begünstigung von engen tatbestandlichen Erfordernissen abhängig. Sind diese nicht vollen Umfangs erfüllt, ist sie nicht zu gewähren (Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 I R 67/09, BFHE 232, 194, BStBl II 2011, 367). Der Gesetzgeber ist grundsätzlich darin frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Begünstigung, wie hier der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags, zu gelangen (vgl. Senatsurteil in BFHE 207, 40, BStBl II 2004, 1080, m.w.N.). Eine Erweiterung der Kürzungsvorschrift gegen ihren ausdrücklichen Wortlaut kommt daher nicht in Betracht.
Von dem Ausschließlichkeitserfordernis sind auch keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten (Senatsurteil in BFHE 207, 40, BStBl II 2004, 1080). Unabhängig davon lagen im Streitfall die tatbestandlichen Voraussetzungen während eines Monats des Erhebungszeitraums nicht vor, was weder absolut noch relativ als geringfügig anzusehen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.