Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 30.09.2015


BFH 30.09.2015 - I B 86/15

Einstweiliger Rechtsschutz bei Ablehnung eines Antrags auf Erlass von Säumniszuschlägen


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
30.09.2015
Aktenzeichen:
I B 86/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Köln, 1. Juni 2015, Az: 10 V 506/15, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlass von Säumniszuschlägen kommt als Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes nicht die Aussetzung der Vollziehung, sondern die einstweilige Anordnung in Betracht .

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 1. Juni 2015  10 V 506/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

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I. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ nach vorangegangener Außenprüfung und einer im gerichtlichen Klageverfahren erzielten tatsächlichen Verständigung am 22. November 2013 gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) --einen eingetragenen Verein-- geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre (2000 bis 2008). Die nach erfolglosen Einspruchsverfahren in Bestandskraft erwachsenen Änderungsbescheide weisen auch Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer aus, über die das FA danach verschiedene Abrechnungsbescheide erlassen hat und von denen (nach Stand vom 29. Oktober 2014) noch 822.545,91 € offen sind. Den am 28. Januar 2014 gestellten Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge lehnte das FA ab. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage beim Finanzgericht (FG) Köln, über die dieses noch nicht entschieden hat.

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Der Antragsteller beantragte im Hinblick auf die Säumniszuschläge beim FA die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nach Ablehnung dieses Antrags beantragte er beim FG wiederum AdV, hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Dauer des Hauptsacheverfahrens. Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 1. Juni 2015  10 V 506/15 ab. Gegen den Beschluss richtet sich die --vom FG zugelassene-- Beschwerde des Antragstellers, der das FG nicht abgeholfen hat.

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Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

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1. Den Antrag auf AdV der Säumniszuschläge hat das FG zu Recht als unzulässig abgelehnt. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Der Antrag kann gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Die AdV setzt demnach eine Anfechtungssituation voraus, das heißt einen (vollziehbaren) Verwaltungsakt, den der Steuerpflichtige zumindest mit dem außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruch) angefochten hat (vgl. Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 113), über welchen noch nicht bestandskräftig entschieden ist.

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Eine Anfechtungssituation liegt hier nicht vor. Die Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes (§ 240 der Abgabenordnung --AO--) und können daher als solche nicht Gegenstand einer AdV sein (Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 65; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 69 Rz 105). Soweit in den Änderungsbescheiden des FA konkrete Leistungsgebote in Bezug auf die jeweiligen Säumniszuschläge zu sehen waren, wäre insoweit zwar die Möglichkeit einer AdV in Betracht zu ziehen (vgl. Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 240 Rz 43). Doch sind diese Bescheide inzwischen ebenso in Bestandskraft erwachsen wie die nachfolgenden Abrechnungsbescheide. Und bei der Ablehnung des Erlassantrags (§ 227 AO) hinsichtlich der Säumniszuschläge durch das FA handelt es sich nicht um einen vollziehbaren Verwaltungsakt, der einer AdV zugänglich wäre (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 1970 II B 28/70, BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 92). Für die von der Beschwerde für den Fall der Ablehnung von Billigkeitsanträgen befürwortete "teleologische Extension" des § 69 FGO besteht angesichts der Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813) kein Raum.

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2. Den hilfsweise gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO hat das FG jedenfalls deshalb zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Die pauschale und nicht weiter belegte Behauptung, der Fortbestand des Antragstellers sei wegen Erschöpfung der Liquiditätsreserven gefährdet, reicht dafür nicht aus.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.