Entscheidungsdatum: 13.01.2010
1. NV: Wird die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, der Beschwerdeführer sei zu einer Tatsachenfeststellung des FG nicht angehört werden, muss er u.a. darlegen, was er zu der Feststellung entgegnet hätte und dass das FG-Urteil unter Berücksichtigung dieses Vorbringens möglicherweise anders ausgefallen wäre .
2. NV: Falls keine gegenteiligen Anhaltspunkte ersichtlich sind, ist davon auszugehen, dass das FG auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat .
3. NV: Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts oder bei der Beweiswürdigung ermöglichen die Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nur dann, wenn das FG-Urteil objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist .
I. Streitpunkt ist, ob Gehaltszahlungen an einen angestellten Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu beurteilen sind.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine im Mai 1995 gegründete GmbH, an der in den Streitjahren 1996 und 1997 zu je 20 % V, dessen Ehefrau M und deren Sohn S als Gesellschafter beteiligt waren. Die restlichen 40 % der Geschäftsanteile hielt die T-GmbH, an der wiederum V und M (zu je 45 %) sowie S (zu 10 %) beteiligt waren. Geschäftsführer der Klägerin war S. Ihr Unternehmensgegenstand war laut Gesellschaftsvertrag der Handel mit Lebensmitteln, sowie deren Transport.
V war seit 1976 bei der T-GmbH angestellt. Dieses Anstellungsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag zum 30. Juni 1995 bei Zahlung einer Abfindung von 180.000 DM an V beendet; die gegenüber V erteilte Pensionszusage wurde von der T-GmbH fortgeführt. Zum 1. Juli 1995 stellte die Klägerin V als Außendienstmitarbeiter sowohl im Einkauf als auch im Verkauf ein. Nach einer im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Ergänzungsvereinbarung vom 2. Juli 1995 sollten sich die Aktivitäten des V auch auf "sämtliche Transport- und Logistikleistungen ... einschließlich … und Aquise im In- und Ausland" erstrecken. Mit Vertrag vom 30. Juni 1997 wurde das Anstellungsverhältnis des V bei der Klägerin aufgehoben; V wurde am Folgetag wieder bei der T-GmbH angestellt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beurteilte nach einer Außenprüfung die in den Streitjahren von der Klägerin an V geleisteten Gehaltszahlungen von 80.115,40 DM (1996) und 81.786,14 DM (1997) als vGA und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide. Seiner Auffassung nach sei V in den Streitjahren tatsächlich nicht in nennenswertem Umfang für die Klägerin, sondern weiterhin für die T-GmbH tätig gewesen. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG) München hat sie mit Urteil vom 30. April 2009 6 K 4406/06 als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil, weil dieses ihrer Auffassung nach greifbar gesetzwidrig sei und weil dem FG Verfahrensmängel unterlaufen seien.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
1. Soweit die Klägerin der Sache nach Verfahrensmängel des FG rügt, führt das nicht zur Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
a) Für die Rüge, das FG habe der Klägerin unter Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO keine Gelegenheit zur Stellungnahme dazu eingeräumt, dass die S-AG erst am 20. Juni 1997 registriert worden sein solle, gilt das schon deshalb, weil die Klägerin nichts dazu vorgebracht hat, was sie zu diesem Umstand entgegnet hätte und dass das FG-Urteil unter Berücksichtigung dieser Entgegnung möglicherweise anders ausgefallen wäre oder warum ihr ein solcher Vortrag nicht möglich gewesen ist. Ausführungen dazu sind jedoch zur Darlegung der Kausalität der Gehörsverletzung für die angefochtene Entscheidung erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 7. August 2008 I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 14, jeweils m.w.N.).
b) Des Weiteren bezieht sich die Klägerin auf die Argumentation des FG, V und die T-GmbH hätten das Anstellungsverhältnis des V einvernehmlich und unter Nichteinhaltung der Kündigungsfristen beendet. Sie leitet daraus ab, das FG habe insoweit den klaren Akteninhalt missachtet. Aus den vom FG beigezogenen Akten des Parallelverfahrens der T-GmbH gegen das FA ergebe sich nämlich, dass die T-GmbH gegenüber V zunächst die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1995 ausgesprochen habe und dass sich die Beteiligten sodann vergleichsweise auf eine vorgezogene Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung geeinigt hätten; ein solcher Vorgang sei auch unter Fremden durchaus üblich.
Ein Verstoß des FG gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist indes nicht zu ersehen. Dass das FG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Kenntnis genommen und berücksichtigt hat, lässt sich daraus ersehen, dass es ausdrücklich auf die aus seiner Sicht nicht gegebene Stichhaltigkeit des Kündigungsgrundes eingeht. Auch ändert die der Vertragsaufhebung vorangegangene Kündigungserklärung nichts an der Tatsache der einvernehmlichen vorzeitigen Vertragsaufhebung. Im Übrigen ergibt sich aus dem Umstand, dass das FG in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die gleichgerichteten Interessen der T-GmbH und der Klägerin hingewiesen hat, dass es den formalen Vertragserklärungen der Beteiligten im Rahmen der Beweiswürdigung kein entscheidendes Gewicht beigemessen hat.
c) Ähnliches gilt in Bezug auf die Rüge, das FG habe sich, soweit es mit der Fortführung der Pensionszusage argumentiert habe, nicht damit befasst, dass --wie ebenfalls aus dem Parallelverfahren bekannt-- die T-GmbH und V schon 1984 schriftlich die Unauflösbarkeit der Pensionszusage auch im Falle der Kündigung vereinbart hätten. Mangels hinreichender gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass das FG auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684, 685, m.w.N.; vom 12. März 2003 X R 17/99, BFH/NV 2003, 1031, m.w.N.). Die ohnehin nur einen Nebenaspekt betreffende Argumentation des FG verliert auch unter Berücksichtigung der Vereinbarung aus dem Jahr 1984 nicht ihre Grundlage.
2. Ohne Erfolg bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde auch, soweit sie auf den Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) wegen "greifbarer Gesetzwidrigkeit" des FG-Urteils gestützt wird. Zwar können in Ausnahmefällen schwerwiegende Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts die Zulassung der Revision ermöglichen; dieser Grundsatz greift aber nur dann ein, wenn das Urteil des FG objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2007 I B 12/06, BFH/NV 2007, 1679, m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht.
a) Die Klägerin vermisst in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils eine Begründung dafür, den Aufwendungen der Klägerin für den Versuch, mittels einer neuen Verpackungsart … Aufträge zu aquirieren, den Betriebsausgabencharakter abzusprechen und sie stattdessen als vGA zu behandeln. Daraus leitet sie ab, das FG sei mit vorgefasster Meinung an den Streitfall herangegangen.
Damit geht die Klägerin indes an der rechtlichen Argumentation des FG vorbei. Dieses hat den streitbefangenen Aufwendungen nicht grundsätzlich den Betriebsausgabencharakter abgesprochen. Vielmehr ist es aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aquisitionsbemühungen des V nicht dem Betätigungsfeld der Klägerin, sondern jenem der T-GmbH zuzuordnen gewesen seien. Nur aus diesem Grund hat es die diesbezüglichen Aufwendungen der Klägerin als vGA behandelt.
b) Die Rüge, das FG habe das Schreiben der Fa. X vom 19. November 1995 falsch gewürdigt und damit seine Voreingenommenheit offenbart, ist nicht nachvollziehbar. Die Klägerin stellt die Richtigkeit der Feststellung des FG nicht in Abrede, dem Schreiben sei kein Anhalt für Aktivitäten der Klägerin im Bereich des Ein- und Verkaufs von … zu entnehmen. Soweit die Klägerin die Würdigung des Schreibens in Zusammenhang mit der Erbringung von Transportleistungen durch die Klägerin vermisst, bestand dazu kein erkennbarer Anlass, weil das FG weder die Erbringung von Transportleistungen durch die Klägerin, noch die Befassung des V mit diesen in Zweifel gezogen hat.
c) Dass das FG bei seinen Ausführungen zur Plausibilität des Kündigungsgrundes den Umsatzrückgang der T-GmbH in den Jahren 1995 und 1996 von 13 Mio. DM auf 11 Mio. DM im Unterschied zur Klägerin als nicht gravierend eingeschätzt hat und dass es in diesem Zusammenhang auch die positive Umsatzentwicklung im Jahr 1997 erwähnt hat, mag argumentativ nicht über jeden Zweifel erhaben sein. Der daraus von der Klägerin abgeleitete Vorwurf der Voreingenommenheit des FG ist jedoch ohne jede Substanz.
d) Da die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensrügen aus den zu II.1. ausgeführten Gründen ohne Erfolg bleiben, sind diese Beanstandungen auch nicht geeignet, eine "greifbare Gesetzwidrigkeit" des FG-Urteils zu begründen.
e) Auch in einer Gesamtschau aller von der Klägerin herangezogenen Gründe vermag der Senat einen objektiven Anhalt für die von der Klägerin angenommene Voreingenommenheit des FG nicht zu erkennen. Vielmehr ist die Vorinstanz im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt.