Entscheidungsdatum: 10.05.2010
NV: Eine Rechtsprechungsdivergenz kann --wenn sich das FG ausdrücklich auf Rechtsprechung des BFH bezogen hat-- nicht mit dem Hinweis auf abweichende strafgerichtliche Entscheidungen dargelegt werden, die ausdrücklich schon Gegenstand der einschlägigen (und anderslautenden) BFH-Entscheidung waren.
I. Streitig ist, ob die Änderung einer Steuerfestsetzung innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgt ist.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte im Streitjahr 1998 sowohl einen Wohnsitz in der Schweiz als auch im Inland (Wohnungsmietvertrag vom 17. April 1998). Die Einkommensteuererklärung des Streitjahres wurde unter Mitwirkung eines Steuerberaters --Steuerberater X-- erstellt; dazu hatte X gegenüber dem Kläger die Rechtsansicht vertreten, dass für den Kläger eine doppelte unbeschränkte Steuerpflicht bestehe, die inländische Steuerpflicht sich aber auf die inländischen Einkünfte beschränke und die übrigen Welteinkünfte in der Schweiz zu besteuern seien. Die Deklaration des Klägers (vom 3. Juli 2000) bezog sich auf die im Zeitraum ab dem 1. August bis zum 31. Dezember des Streitjahres im Inland erzielten Einkünfte.
Die Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres erfolgte auf dieser Grundlage, wobei der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) allerdings im Rahmen eines Progressionsvorbehalts ausländische Einkünfte in einer geschätzten Höhe berücksichtigt hatte (Bescheid vom 24. August 2001). Nachdem im Zuge einer zunächst nicht das Streitjahr betreffenden Außenprüfung weitere --bisher nicht berücksichtigte-- inländische und ausländische Einkünfte des Klägers bekannt geworden waren, kam es in 2005 zu einer Ausweitung der Prüfung für das Streitjahr; nach dem Abschluss der Prüfung änderte das FA die Festsetzung mit Bescheid vom 21. September 2006 unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO). Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wurde eingestellt: den Kläger treffe kein Verschulden an der durch die unzutreffende Deklaration eingetretenen Steuerverkürzung. Die Klage gegen den Änderungsbescheid blieb erfolglos (Sächsisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 19. August 2009 2 K 213/09).
Der Kläger macht mit seiner Beschwerde geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Alternative 2 FGO) liegen nicht vor.
1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) sind nicht erfüllt.
a) Das FG ist in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die Festsetzungsfrist wegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung des Steuerberaters, der eine Auskunft zu einer Rechtsfrage erteilt und auf dieser Grundlage die Steuererklärung des Klägers vorbereitet hat, verlängert gewesen sei. Das FG hat sich dabei auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01 (BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385) gestützt, das als Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S. des § 378 AO auch denjenigen ansieht, der die Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen wahrnimmt (im dortigen Streitfall: der Gewinn des Steuerpflichtigen war grob fahrlässig unzutreffend ermittelt und vom Finanzamt bei der Steuerveranlagung zugrunde gelegt worden). In diesem Urteil ist darüber hinaus unter Hinweis auf strafgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, dass die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Beraters wachse, je weitgehender sich der Steuerpflichtige durch Aufgabenübertragung auf den Berater straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich entlaste. Im Übrigen sei die (dortige) Vorinstanz zu Recht nicht der in der Revision angeführten Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit gefolgt, die den eine Steuererklärung vorbereitenden Steuerberater nicht als tauglichen Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung ansehe.
Eine Rechtsprechungsdivergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann auf dieser Grundlage nicht mit dem Hinweis auf abweichende strafgerichtliche Entscheidungen dargelegt werden, die ausdrücklich schon Gegenstand der einschlägigen (und anderslautenden) BFH-Entscheidung waren.
b) Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken (Senat für Bußgeldsachen) hat in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2008 1 Ss 140/08 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2009, 321) entschieden, dass ein Steuerberater mangels eigener Angaben gegenüber dem Finanzamt den Tatbestand des § 378 AO nicht erfülle, wenn er die Steuererklärung seines Mandanten lediglich vorbereitet hat und diese dann vom Steuerpflichtigen unterzeichnet und beim Finanzamt eingereicht wird. In diesem Beschluss des OLG Zweibrücken ist ausgeführt, dass "der als herrschend zu bezeichnenden Rechtsprechung" anderer Strafgerichte zu folgen sei; die gegenteilige Auffassung des BFH überzeuge nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die BFH-Entscheidung nicht unmittelbar die Ahndung einer Tat und Festsetzung einer Geldbuße zum Gegenstand gehabt habe, sondern die Frage der Tatbestandsverwirklichung nur von indirekter Bedeutung für eine weitere Rechtsfrage (Festsetzungsfrist) gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof (BGH) nach § 121 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) lägen damit nicht vor.
Zwar kann der Kläger insoweit geltend machen, dass das angefochtene Urteil des FG in seinem entscheidungstragenden Rechtssatz von einem ebenfalls entscheidungstragenden Rechtssatz dieses strafgerichtlichen Beschlusses abweicht. Ein Bedarf für eine (nochmalige) Entscheidung des BFH zur Herstellung einer einheitlichen Rechtsprechung besteht auch insoweit aber nicht.
Denn im Streitfall besteht die Konstellation, dass in der strafgerichtlichen Rechtsprechung (jedenfalls einzelne Gerichte) der Auffassung des BFH ausdrücklich nicht folgen, sondern die vom BFH abgelehnte strafgerichtliche Rechtsauffassung (weiterhin) aufrechterhalten. Gerichtsverfassungsrechtlich besteht damit keine Möglichkeit, zu einer (klärenden) Entscheidung des BGH (für den Bereich der Strafsachen) zu kommen (Hinweis auf § 121 Abs. 2 GVG). Eine Entscheidung des BFH kann in dieser Konstellation eine einheitliche (rechtswegübergreifende) Rechtsprechung nicht begründen.
Darüber hinaus lässt der Beschluss des OLG Zweibrücken in DStRE 2009, 321 erkennen, dass nach der dortigen Einschätzung ein Unterschied für die Beantwortung der in Rede stehenden Rechtsfrage darin bestehen könnte, ob es unmittelbar um die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung einer Tat geht, oder ob die Frage nur von indirekter Bedeutung für eine weitere Rechtsfrage ist (s. insoweit auch Drescher, SteuerConsultant 2009, Heft 7, S. 29, 30). Außerdem hat der BFH in seinem Urteil in BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385 in besonderer Weise darauf abgestellt, dass die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Beraters wachse, je weitgehender sich der Steuerpflichtige durch Aufgabenübertragung auf den Berater straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich entlastet. Auch unter diesen Aspekten lässt sich eine einheitliche Rechtsprechung durch eine (weitere) Entscheidung des BFH nicht herstellen.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (Grundsatzrevision), da ein Klärungsbedürfnis für die Rechtsfrage angesichts des zeitnahen und in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht angegriffenen BFH-Urteils in BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385 durch eine weitere Entscheidung des BFH nicht besteht.