Entscheidungsdatum: 01.08.2014
1. NV: Für die fristwahrende Wirkung ist es ausreichend, wenn sich aus den Umständen entnehmen lässt, wer die Klage erhebt und gegen wen sie sich richtet.
2. NV: Die unzutreffende Angabe des gesetzlichen Vertreters einer eindeutig als Klägerin bezeichneten juristischen Person kann bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung korrigiert werden.
I. Das Hessische Finanzgericht (FG) hat mit Urteil vom 20. Juni 2013 4 K 1770/11 die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht (private limited company by shares), als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin habe bei Klageerhebung ihre gesetzliche Vertreterin unzutreffend angegeben.
Die Klageerhebung erfolgte für die namentlich bezeichnete Klägerin "vertreten durch die Geschäftsführerin Frau A. B.". Im Verwaltungsverfahren hatte die Klägerin noch angegeben, dass C. B. ihre Geschäftsführerin und gesetzliche Vertreterin sei. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung verlangte das FG die Vorlage eines Nachweises der Bestellung von A. B. zur Geschäftsführerin der Klägerin. Die Klägerin beantragte daraufhin eine Änderung des Rubrums dahingehend, dass C. B. Geschäftsführerin der Klägerin ist. Im Zuge der mündlichen Verhandlung stellte sich heraus, dass A. B. die Schwester des Ehemannes von C. B. ist. Das FG hat daraufhin die Klage als unzulässig abgewiesen, da der gesetzliche Vertreter der Klägerin innerhalb der Klagefrist nicht richtig bezeichnet worden und eine spätere Berichtigung unzulässig sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde der Revision und macht Verfahrensmängel sowie eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geltend.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung des FG nach § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 96 FGO).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH stellt es einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird. In einem solchen Fall wird der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, und vom 16. April 2007 VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345, jeweils m.w.N.).
2. Im Streitfall hat das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin selbst war trotz der namentlich falschen Angabe ihrer gesetzlichen Vertreterin richtig bezeichnet und unzweifelhaft identifizierbar gewesen. Die namentliche Richtigstellung der Geschäftsführerin der Klägerin ist bis zur Entscheidung des Gerichts erfolgt.
a) Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Kläger bezeichnen. Strittig ist, ob bei einer namentlich bezeichneten juristischen Person neben der Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift (vgl. BFH-Beschluss vom 18. August 2011 V B 44/10, BFH/NV 2011, 2084, m.w.N.) auch die (zusätzliche) namentliche Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist (bejahend Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 65 FGO Rz 42; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz 7; Pahlke in Schwarz, FGO § 65 Rz 12, 27; a.A. Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 65 Rz 35).
b) Im Streitfall kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob die Zulässigkeit einer Klage von der Angabe des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person abhängig ist. Denn selbst wenn die Klage nicht in allen Punkten den in § 65 Abs. 1 FGO genannten Voraussetzungen entspricht, führt dies nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit. Aus § 65 Abs. 2 FGO, wonach der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung der Klage innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern hat, ergibt sich vielmehr, dass nicht sämtliche in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Angaben schon in der Klageschrift enthalten sein müssen. Sie können vielmehr im Laufe des Verfahrens nachgereicht werden. Sie müssen aber, soweit sie echte Sachurteilsvoraussetzungen sind, dem Gericht spätestens im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegen. Insbesondere für die fristwahrende Wirkung der Klage ist es hingegen ausreichend, wenn sich aus den Umständen entnehmen lässt, wer die Klage erhebt und gegen wen sie sich richtet. Für § 82 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, auf den die Fassung des § 65 FGO zurückgeht (vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte die Nachweise im BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2084), ist dies in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. z.B. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 1999 1 C 24/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 382; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 20. Aufl., § 82 Rz 4, m.w.N.). Der Senat schließt sich dem an (ebenso Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 65 Rz 9 ff.).
Im hier zu entscheidenden Fall war innerhalb der Klagefrist des § 47 FGO trotz der namentlich falschen Angabe ihrer gesetzlichen Vertreterin die Klägerin richtig bezeichnet und unzweifelhaft identifizierbar gewesen. Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2013 hat die Klägerin die Korrektur des Aktivrubrums angezeigt und zum Beleg für die Organstellung von C. B. einen Handelsregisterauszug vorgelegt, in dem diese als "director" bezeichnet wird. Damit ergab sich spätestens zu diesem Zeitpunkt mit ausreichender Klarheit, dass C. B. zur Geschäftsführerin der Klägerin bestellt war und damit gesetzliche Vertreterin der Klägerin ist.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.