Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 24.01.2012


BFH 24.01.2012 - I B 101/11

Verfassungsmäßigkeit des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens; Verzicht auf mündliche Verhandlung


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
24.01.2012
Aktenzeichen:
I B 101/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Nürnberg, 24. Mai 2011, Az: 1 K 443/10, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 37 Abs 2a KStG 2002 vom 16.05.2003

Leitsätze

1. NV: Ein Verzicht auf mündliche Verhandlung wird nicht stets gegenstandslos, wenn das FG eine mündliche Verhandlung anberaumt (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 10. März 2011 VI B 147/10, BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556).

2. NV: Die Fragen, ob

a) der in 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. geregelte Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in zehn gleichen Jahresbeträgen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG verstößt,

b) § 37 Abs. 5 Satz 6 KStG 2002 n.F. insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als ein Körperschaftsteuerguthaben bis 1000 € in einem Betrag, während in allen übrigen Fällen der Anspruch in zehn gleichen Jahresbeträgen ausbezahlt wird,

c) der Bescheid über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. anfechtbar ist, wenn hierdurch eine sofortige Auszahlung des im Bescheid festgesetzten Anspruchs auf Auszahlung begehrt wird,

sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

1. a) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, obwohl es im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr von einem Verzicht der Klägerin auf mündliche Verhandlung hätte ausgehen dürfen. Sie habe zwar vorbehaltlos auf mündliche Verhandlung verzichtet. Nachdem das FG einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und später wieder aufgehoben habe, sei die Verzichtserklärung gegenstandslos geworden (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. März 2011 VI B 147/10, BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556). Das FG habe dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt.

3

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat den Ausführungen im BFH-Beschluss in BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556 folgen könnte (vgl. die gegenteiligen Ausführungen im BFH-Beschluss vom 24. August 1998 XI B 126/97, BFH/NV 1999, 332, und im Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 I B 39/03, BFH/NV 2004, 350; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 90 Rz 15). Denn unter den Gegebenheiten des Streitfalls hat das FG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt, indem es ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Beide Beteiligten hatten mit Schriftsätzen vom 15. Juni 2010 bzw. 28. Mai 2010 vorbehaltslos auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO). Das FG hatte zwar auf den 22. Februar 2011 zur mündlichen Verhandlung geladen und diesen Termin später wieder abgesetzt. Die Klägerin hat jedoch am 11. April 2011 erneut auf mündliche Verhandlung verzichtet. Diese Erklärung wurde zwar im Verfahren 1 K 326/11 abgegeben, bevor dieses mit dem vorliegenden Verfahren 1 K 443/10 verbunden wurde. Da in beiden Verfahren aber um die gleiche Frage gestritten wurde, nämlich darum, ob die Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) --KStG 2002 n.F.-- in zehn gleichen Jahresbeträgen verfassungsgemäß ist, konnte und musste das FG davon ausgehen, dass der Verzicht für das verbundene Verfahren fortgelten sollte.

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2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu.

5

a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der in § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. geregelte Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in zehn gleichen Jahresbeträgen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG verstößt, ist nicht klärungsbedürftig. Es unterliegt keinem Zweifel, dass beide Grundrechtsverletzungen nicht vorliegen. Wie der Senat mit Urteil vom 8. November 2006 I R 69, 70/05 (BFHE 215, 491, BStBl II 2007, 662) entschieden hat, ist § 37 Abs. 2a KStG 2002 i.d.F. des Steuervergünstigungsabbaugesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen Art. 14 GG. Da § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F., der diese Vorschrift abgelöst hat, gegenüber § 37 Abs. 2a KStG i.d.F. des Steuervergünstigungsabbaugesetzes eher vorteilhaft ist, kann er ebenfalls aus den im Senatsurteil in BFHE 215, 491, BStBl II 2007, 662 genannten Gründen nicht gegen Art. 14 GG verstoßen. Die Klägerin hat keine Gesichtspunkte dargetan, die der Senat in seiner damaligen Entscheidung nicht bedacht hat.

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b) Ebenso wenig ist klärungsbedürftig, ob § 37 Abs. 5 Satz 6 KStG i.d.F. durch das Steuerbürokratieabbaugesetz vom 20. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2850) insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als ein Körperschaftsteuerguthaben bis 1.000 € in einem Betrag, während in allen übrigen Fällen der Anspruch in zehn gleichen Jahresbeträgen ausbezahlt wird. Diese Differenzierung ist --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt.

7

c) Ebenso wenig ist die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Bescheid über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. anfechtbar ist, wenn hierdurch eine sofortige Auszahlung des im Bescheid festgesetzten Anspruchs auf Auszahlung begehrt wird bzw. ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt. Da das Gesetz bestimmt, dass das Guthaben in zehn gleichen Jahresbeträgen auszuzahlen ist und die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens unstreitig ein Verwaltungsakt ist, sind Rechtsstreitigkeiten, die allein die einzelnen Ratenzahlungen betreffen, über verfassungsrechtliche Bedenken hinaus kaum denkbar. Da es sich überdies um eine Übergangsvorschrift zum Anrechnungsverfahren handelt, ist ein Allgemeininteresse an der Klärung dieser Frage nicht ersichtlich.