Entscheidungsdatum: 07.09.2017
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung P 41 08 333.4
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. September 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper und Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Geier
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prü-fungsstelle für Klasse B60G des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 15. März 2016 aufgehoben.
- auszugsweise -
I.
Der Anmelder und Antragsteller hat am 14. März 1991 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Fahrzeug mit Fahrwerk“
(als Zusatzanmeldung zur Patentanmeldung P 40 29 288.6) eingereicht ... Mit Beschluss vom 11. August 2014 hat die Prüfungsstelle für Klasse B60G die Zusatzanmeldung zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Anmelder den zur Weiterführung des Verfahrens erforderlichen Antrag nicht gestellt habe. Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 29. August 2014, eingegangen am 2. September 2014, Beschwerde eingelegt sowie Wiedereinsetzung ... beantragt und seine Anträge begründet.
Mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 hat der Senat (Az. 9 W (pat) 7/15) ... den Beschluss der Prüfungsstelle vom 11. August 2014 aufgehoben.
In Fortführung des Erteilungsverfahrens hat die Prüfungsstelle für Klasse B60G den Anmelder mit Schreiben vom 11. Februar 2016 aufgefordert, sein Rechtsschutzinteresse an der Weiterverfolgung seiner Anmeldung darzulegen; denn seit deren Einreichung am 14. März 1991 seien 25 Jahre vergangen, so dass die maximal mögliche Patentlaufzeit um fünf Jahre überschritten sei. Hierauf hat der Anmelder mit Schreiben vom 22. Februar 2016, eingegangen am 24. Februar 2016, geantwortet. Mit Beschluss vom 15. März 2016 hat die Prüfungsstelle die Anmeldung gemäß § 48 Patentgesetz mit der Begründung zurückgewiesen, die Prüfung des Rechtsschutzinteresses von Amts wegen habe ergeben, dass eine offensichtlich nicht schutzwürdige Rechtsverfolgung vorliege; denn Schadensersatzansprüche verjährten bereits nach drei Jahren. Der Anmelder habe auch keine Unterlagen eingereicht, aus der sich die Hemmung der gesetzlichen Verjährungsfrist solcher Ansprüche ergeben könnten.
Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schreiben vom 31. März 2016, eingegangen am 6. April 2016, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig Antrag auf Weiterbehandlung gestellt. Mit Schriftsatz vom 19. April 2016 hat die Prüfungsstelle die Beschwerde dem Bundespatentgericht vorgelegt mit dem Zusatz, dass der Beschwerde nicht abgeholfen werde.
Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß unter anderem,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B60G vom 15. März 2016 aufzuheben und das Prüfungsverfahren fortzusetzen,
eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
In seiner Beschwerdebegründung hat er vorgetragen, dass er sein Rechtsschutzinteresse bereits vor der Prüfungsstelle hinreichend begründet habe. Der Gegenstand der offengelegten Patentanmeldung werde durch Dritte benutzt, weshalb es bereits unter anderem zu Verhandlungen über Lizenzverträge, Nutzung und Entschädigungen gekommen sei. Die Auffassung der Prüfungsstelle, seine möglichen Schadensersatzansprüche bei unterstellter Patenterteilung seien verjährt, treffe nicht zu. Vielmehr trete eine Verjährung gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 PatG erst ein Jahr nach Patenterteilung ein.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die vom Antragsteller am 6. April 2016 eingelegte Beschwerde wegen Zurückweisung seiner Zusatzanmeldung ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Zahlung einer Beschwerdegebühr war wegen der Freistellung gemäß § 2 Abs. 1 PatKostG i V. m. Nr. 401 200 des dazugehörigen Gebührenverzeichnisses nicht erforderlich.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Begründung des Beschlusses, mit der die Anmeldung zurückgewiesen worden ist, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Die Prüfungsstelle hat ihre Entscheidung auf ein mangelndes Rechtsschutzinteresse des Anmelders gestützt. Da grundsätzlich für jede Patentanmeldung ein Rechtsschutzinteresse besteht, kann es nur ganz ausnahmsweise verneint werden, auch nicht bei Zeitablauf des Patents (Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl. 2017, § 34, Rdn. 23). Vielmehr muss objektiv feststellbar sein, dass offensichtlich ist, dass keinerlei wie auch immer geartetes Interesse an einer Patenterteilung bestehen kann (Schulte/Moufang a. a. O. m. w. N.). Bei einer solchen Feststellung ist jedoch Zurückhaltung geboten. Die Prüfungsstelle sah sich zu ihrer Einschätzung deshalb veranlasst, weil über die maximale Patentlaufzeit hinaus weitere fünf Jahre verstrichen und darum mögliche Schadensersatzansprüche verjährt seien, da sie gemäß § 195 BGB nach drei Jahren verjährten; unter diesen Umständen müsse ein Rechtsschutzinteresse verneint werden, denn es liege dann eine offensichtlich nicht schutzwürdige Rechtsverfolgung vor.
Bei dieser Beurteilung hat die Prüfungsstelle bereits übersehen, dass die Verjährungsregelung des § 195 BGB nach der ausdrücklichen gesetzlichen Präzisierung in § 33 Abs. 3 S. 1 PatG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Verjährung frühestens ein Jahr nach der Erteilung des Patents eintritt. Da im vorliegenden Fall noch kein erteiltes Patent vorliegt, kann keine Verjährung eingetreten sein.
Darüber hinaus erscheint es reichlich vermessen, wenn die Prüfungsstelle ohne weiteres eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung annimmt, ohne auf die vom Anmelder geltend gemachten Gesichtspunkte einzugehen. Wenn Kontakte zu Drittbenutzern der Erfindung bestehen, liegt es nahe, dass Ansprüche gegen sie nur auf der Grundlage eines erteilten Patentes geltend gemacht werden können. Insbesondere bei Zeitablauf des Patentes berührt es das Rechtsschutzinteresse des Anmelders nicht, wenn er die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen von der endgültigen Entscheidung über die Patentfähigkeit abhängig machen will (vgl. Schulte/Moufang a. a. O. m. w. N.).
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte der Senat absehen, da dem Beschwerdeantrag in der Hauptsache entsprochen worden ist.