Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.11.2014


BPatG 17.11.2014 - 9 W (pat) 56/08

Patentbeschwerdeverfahren – „Mehrstufiger Verdichter zur Komprimierung von Gasen“ – Unzulässigkeit von reinen Umformulierungen in den Patentansprüchen zum Zwecke der Klarstellung im Einspruchsverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
17.11.2014
Aktenzeichen:
9 W (pat) 56/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 102 97 064

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie die Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dr.-Ing. Baumgart

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prüfung eines Einspruchs das als PCT-Anmeldung (Aktenzeichen PCT/AT02/00218, veröffentlicht als WO 2003/010436 am 6. Februar 2003) am 23. Juli 2002 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

2

„Mehrstufiger Verdichter zur Komprimierung von Gasen“,

3

dessen Erteilung am 7. Dezember 2006 veröffentlicht wurde – das Patentdokument trägt die Nummer DE 102 97 064 B4, eine um den INID-Code (30) betreffend die Unionspriorität aus der Österreichischen Anmeldung A 1159/2001 vom 25. Juli 2001 bereinigte, neue Titelseite wurde als B8-Schrift herausgegeben –, nach Anhörung durch Beschluss vom 8. Juli 2008 widerrufen.

4

Gegen diesen Beschluss – die das Datum 9. September 2008 tragende Beschlussbegründung wurde am 22. September 2008 zugestellt – richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2008, der an diesem Tag auch beim DPMA eingegangen ist.

5

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin, die mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2009 noch eine schriftliche Beschwerdebegründung eingereicht hatte, stellte in der mündlichen Verhandlung den Antrag,

6

den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Juli 2008 aufzuheben und das Patent Nr. 102 97 064 in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:

7

Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2009, mit noch anzupassender Beschreibung, Zeichnungen Figuren wie Patentschrift,

8

hilfsweise Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. November 2014, mit noch anzupassender Beschreibung, Zeichnungen Figuren wie Patentschrift,

9

weiter hilfsweise Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. November 2014, mit noch anzupassender Beschreibung, Zeichnungen Figuren wie Patentschrift,

10

weiter hilfsweise Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 5, bezeichnet mit „Hilfsantrag 6“, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 17. November 2014, mit noch anzupassender Beschreibung, Zeichnungen Figuren wie Patentschrift.

11

Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,

12

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Der Patentanspruch 1 in der erteilten, von der Patentinhaberin hier im Beschwerdeverfahren nicht mehr – anders im Einspruchsverfahren – verteidigten Fassung gemäß DE 102 97 064 B4, an den sich rückbezogene Ansprüche 2 bis 12 anschließen, hat folgenden Wortlaut:

14

1P : „Mehrstufiger Verdichter (1) zur Komprimierung von Gasen mit einem Niederdruckbereich (7) und einem Hochdruckbereich (4), wobei der Hochdruckbereich (4) zumindest einen über eine Kurbelwelle (5) angetriebenen Hubkolbenverdichter (3) aufweist, und der Niederdruckbereich (7) zumindest einen Niederdruckverdichter (6) mit einem rotierenden Verdränger (8) aufweist, der an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist, wobei mindestens ein Schraubenverdichter (20) als Niederdruckverdichter (6) vorgesehen ist und in der Gasführung (10) zwischen dem Hubkolbenverdichter (3) und dem Schraubenverdichter (20) eine Kühlvorrichtung (14) und ein Kondensatabscheider (15) vorgesehen sind.“

15

In der Fassung gemäß Hauptantrag hat der Patentanspruch 1 – an den sich rückbezogene Ansprüche 2 bis 12 anschließen – folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung durch Streichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

16

1H : „Mehrstufiger Verdichter (1) zur Komprimierung von Gasen mit einem Niederdruckbereich (7) und einem Hochdruckbereich (4), wobei der Hochdruckbereich (4) zumindest einen über eine Kurbelwelle (5) angetriebenen Hubkolbenverdichter (3) aufweist, und der Niederdruckbereich (7) zumindest einen Schraubenverdichter (20) als Niederdruckverdichter (6) mit einem rotierenden Verdränger (8) aufweist, der an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist, wobei mindestens ein Schraubenverdichter (20) als Niederdruckverdichter (6) vorgesehen ist und in der Gasführung (10) zwischen dem Hubkolbenverdichter (3) und dem Schraubenverdichter (20) eine Kühlvorrichtung (14) und ein Kondensatabscheider (15) vorgesehen  sind,  dadurch gekennzeichnet, dass der rotierende Verdränger (8) zur Vorverdichtung im Niederdruckbereich an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist.

17

In der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 hat der Patentanspruch 1 – an den sich rückbezogene Ansprüche 2 bis 8 anschließen – folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der Fassung gemäß Hauptantrag durch Unterstreichung hervorgehoben):

18

11 : „Mehrstufiger Verdichter (1) zur Komprimierung von Gasen mit einem Niederdruckbereich (7) und einem Hochdruckbereich (4), wobei der Hochdruckbereich (4) zumindest einen über eine Kurbelwelle (5) angetriebenen Hubkolbenverdichter (3) aufweist, und der Niederdruckbereich (7) zumindest einen Schraubenverdichter (20) als Niederdruckverdichter (6) mit einem rotierenden Verdränger (8) aufweist, wobei in der Gasführung (10) zwischen dem Hubkolbenverdichter (3) und dem Schraubenverdichter (20) eine Kühlvorrichtung (14) und ein Kondensatabscheider (15) vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der rotierende Verdränger (8) des Schraubenverdichters (20) zur Vorverdichtung im Niederdruckbereich direkt an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist oder der Verdränger (8) des Schraubenverdichters (20) zur Vorverdichtung im Niederruckbereich mittels einer die Drehzahl der Kurbelwelle (5) 1:1 übertragenden Kupplungsvorrichtung (18) an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist, so dass der Schraubenverdichter (20) von der Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) angetrieben wird.“

19

In der Fassung gemäß Hilfsantrag 3 hat der Patentanspruch 1 – an den sich rückbezogene Ansprüche 2 bis 6 anschließen – folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 durch Streichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

20

13 : „Mehrstufiger Verdichter (1) zur Komprimierung von Gasen mit einem Niederdruckbereich (7) und einem Hochdruckbereich (4), wobei der Hochdruckbereich (4) zumindest einen über eine Kurbelwelle (5) angetriebenen Hubkolbenverdichter (3) aufweist, und der Niederdruckbereich (7) zumindest einen Schraubenverdichter (20) als Niederdruckverdichter (6) mit einem rotierenden Verdränger (8) aufweist, wobei in der Gasführung (10) zwischen dem Hubkolbenverdichter (3) und dem Schraubenverdichter (20) eine Kühlvorrichtung (14) und ein Kondensatabscheider (15) vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der rotierende Verdränger (8) des Schraubenverdichters (20) zur Vorverdichtung im Niederdruckbereich ohne Zwischenschaltung eines Getriebes direkt an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) geku oppelt ist, so dass der Schraubenverdichter (20) von der Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) angetrieben wird.“

21

In der Fassung gemäß Hilfsantrag 5 hat der Patentanspruch 1 – an den sich zwei rückbezogene Ansprüche 2 und 3 anschließen – folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 durch Streichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

22

15 : „Mehrstufiger Verdichter (1) zur Komprimierung von Gasen mit einem Niederdruckbereich (7) und einem Hochdruckbereich (4), wobei der Hochdruckbereich (4) zumindest einen über eine Kurbelwelle (5) angetriebenen Hubkolbenverdichter (3) aufweist, und der Niederdruckbereich (7) zumindest einen Schraubenverdichter (20) als Niederdruckverdichter (6) mit einem rotierenden Verdränger (8) aufweist, wobei in der Gasführung (10) zwischen dem Hubkolbenverdichter (3) und dem Schraubenverdichter (20) eine Kühlvorrichtung (14) und ein Kondensatabscheider (15) vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der rotierende Verdränger (8) des Schraubenverdichters (20) zur Vorverdichtung im Niederdruckbereich bis maximal 40bar direkt an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist oder der Verdränger (8) des Schraubenverdichters (20) zur Vorverdichtung im Niederruckbereich mittels einer die Drehzahl der Kurbelwelle (5) 1:1 übertragenden Kupplungsvorrichtung (18) an die Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist, so dass der Schraubenverdichter (20) von der Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) angetrieben wird, und dass der Niederdruckverdichter (6) und/oder der Hubkolbenverdichter (3) jeweils mehrere Verdichterstufen (11, 12, 13) aufweisen und dass zwischen der letzten Verdichterstufe im Niederdruckbereich und einer ersten Verdichterstufe im Hochdruckbereich des Hubkolbenverdichters (3) sowie einzelnen Verdichterstufen (11, 12, 13) Regeleinrichtungen (16) vorgesehen sind.“

23

In der mündlichen Verhandlung wurde auf die Streitpatentschrift

24

SP  DE  102 97 064 B4 2006.12.07

25

wie auch auf die den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung wiedergebende Offenlegungsschrift

26

E0 WO  03/010436  A1

27

Bezug genommen.

28

Weiterhin wurden folgende, den Stand der Technik bzw. das Fachwissen dokumentierende Dokumente aus dem Prüfungs- bzw. Einspruchsverfahren angesprochen:

29

D1 DE 199 32 433 A1

30

D2 DE  43 13 573  A1

31

D3 US  4 662 826

32

D4 DE  23 60 403  A1

33

D6 CH  641 877 A5

34

D9 DUBBEL/Taschenbuch für den Maschinenbau, 19te Auflage, P26, P27, R67, R68

35

D11 GB  597 437.

36

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche nach den Hilfsanträgen und wegen weiterer Einzelheiten einschließlich des schriftsätzlichen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten auch im Einspruchsverfahren wird auf die Akte verwiesen.

II.

37

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin, die den Einwand der unzulässigen, weil nach ihrer Auffassung nicht formgerechten Einspruchseinlegung noch im Einspruchsverfahren, hier im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend gemacht hat und sich allein auf eine Verteidigung des Patents im beschränkten Umfang wegen des im Einspruchsverfahren geltend gemachten Widerrufsgrundes fehlender Patentfähigkeit eingelassen hat, hat in der Sache keinen Erfolg.

38

1. Das Patent 102 97 064 betrifft einen mehrstufigen Verdichter zur Komprimierung von Gasen mit einem Niederdruck- und einem Hochdruckbereich.

39

Mehrstufigen Hubkolbenverdichtern wird der Nachteil sehr großer Hubkolben bzw. Zylindervolumina zugeschrieben, soweit die erste Stufe für die Ansaugung im Bereich von atmosphärischem Druck ausgelegt ist, vgl. Abs. 0002.

40

Beim Einsatz unabhängig – mit einer gesonderten Antriebseinheit – von einem nachfolgenden Hubkolbenverdichter angetriebener Verdichter, „z. B. Schraubenverdichter, Rotationsverdichter, usw.“, welche im Niederdruckbereich im Vergleich zu Hubkolbenverdichtern effizienter arbeiten, sollen sich relativ große, teure Mehrstufenverdichter ergeben, vgl. Absatz 0003 in SP (gleichlautend Seite 1 in E0).

41

Laut der Patentschrift ist es Ziel der Erfindung, einen mehrstufigen – insbesondere stationären – Verdichter zu schaffen, der bei kompakter Bauweise und somit kostengünstiger Herstellbarkeit für eine verhältnismäßig hohe Verdichtung geeignet ist, vgl. Abs. 0009.

42

2. Als für die anlagentechnische Konzeption mehrstufiger Verdichter zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Gasverdichteranlagen einschließlich der für den Betrieb notwendigen Antriebs- und pneumatischen Steuertechnik angesprochen, der über einschlägige Kenntnisse der konstruktiven und betriebstechnischen Eigenheiten fachüblicher Verdichtertypen verfügt.

43

3. Nach dem Verständnis dieses Fachmanns, das Maßstab für die Auslegung der Patentansprüche ist, deren Sinngehalt im Lichte der Patentbeschreibung zu bestimmen ist, hat der allgemeine Lösungsansatz, als Niederdruckverdichter zumindest einen Schraubenverdichter vorzusehen und diesen an die Kurbelwelle des für die Verdichtung im Hochdruckbereich ausgelegten Hubkolbenverdichters zu kuppeln, wodurch insoweit u. a. eine eigene Antriebseinheit für den Schraubenverdichter entfallen kann [Absatz 0011], im geltenden Anspruch 1H wie bereits im erteilten Anspruch 1P nach Merkmalen gegliedert wie folgt Niederschlag gefunden:

44

P1 Mehrstufiger Verdichter zur Komprimierung von Gasen

45

P2 mit einem Hochdruckbereich,

46

P3 der Hochdruckbereich weist zumindest einen über eine Kurbelwelle angetriebenen Hubkolbenverdichter auf,

47

P4 mit einem Niederdruckbereich,

48

P5 der Niederdruckbereich weist zumindest einen Niederdruckverdichter auf,

49

P6 der zumindest eine Niederdruckverdichter ist ein Niederdruckverdichter mit einem rotierenden Verdränger

50

P7 der rotierende Verdränger des zumindest einen Niederdruckverdichters ist an die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters gekuppelt

51

P8 als Niederdruckverdichter ist mindestens ein Schraubenverdichter vorgesehen

52

H8.1 zur Vorverdichtung im Niederdruckbereich

53

H8.2 der rotierende Verdränger des Schraubenverdichters ist an die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters gekuppelt

54

P9 in der Gasführung zwischen dem Hubkolbenverdichter und dem Schraubenverdichter sind

55

P10 eine Kühlvorrichtung und

56

P11 ein Kondensatabscheider vorgesehen.

57

Hierbei ist der geltende Anspruch 1H sprachlich um die Angaben der Merkmale H8.1 und H8.2 gegenüber der erteilten Fassung des Anspruchs 1P ergänzt, dessen Gegenstand von den Merkmalen der Gruppe P (P1 bis P11) allein definiert ist.

58

4. Dem Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des geltenden Anspruchs 1H gemäß Hauptantrag war bereits deshalb nicht zu entsprechen, weil die von der Patentinhaberin hierfür vorgelegte Fassung des Patentanspruchs keine Beschränkung des Patents zur Folge hat und daher unzulässig ist.

59

Ein rotierender Verdränger ist bauarttypischer Bestandteil eines Schraubenverdichters, der diesen insoweit von Hubkolbenverdichtern mit zwar rotierender Kurbelwelle, jedoch hin- und herbewegten Verdrängerkörpern – den Hubkolben – unterscheidet. Beide Bauarten sind von daher rotarisch anzutreiben, die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters wie auch der rotierende Verdränger des Schraubenverdichters.

60

Weil der Niederdruckverdichter (Merkmal P5) der Bereitstellung vorverdichteten Mediums zur weiteren Verdichtung im Hubkolbenverdichter dient, wofür eine Gasführung (P9) zwischen dem für eine Verdichtung im Niederdruckbereich ausgelegten Schraubenverdichter (P8) und dem zur weiteren Druckerhöhung im Hochdruckbereich (P2) ausgelegten Hubkolbenverdichter (P3) vorgesehen ist, weist bereits der Anspruch 1P in der erteilten Fassung dem Schraubenverdichter mit seinem rotierenden Verdränger (P6) die Funktion der druckerhöhenden Verdichtung im Niederdruckbereich (P4) zu. Weil jedoch gerade mit dieser Stufe des mehrstufigen Verdichters (P1) das für den Niederdruckbereich (P4) charakteristische Druckniveau in der Gasführung zwischen (genau) „dem“ Schraubenverdichter und dem Hubkolbenverdichter (P9) erzeugt wird – denn das Merkmal P9 benennt den Schraubenverdichter ausdrücklich und schreibt nicht bloß eine Gasführung zwischen dem Niederdruckbereich allgemein und dem Hochdruckbereich vor –, war bereits eine Ausbildung des mehrstufigen Verdichters (P1) Gegenstand des Anspruchs 1P in der erteilten Fassung, bei der der Schraubenverdichter mit seinem rotierenden Verdränger an die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters (3) gekuppelt ist (P7).

61

Die Würdigung des Sachgehalts des in seiner Formulierung durch die ergänzten Angaben H8.1 und H8.2 geänderten Anspruchs 1H gemäß Hauptantrag vermittelt nichts anderes, weil insoweit unverändert dem Schraubenverdichter die Funktion der Vorverdichtung auf das Druckniveau eingangs des Hubkolbenverdichters im Niederdruckbereich (H8.1) zugewiesen wird – unbeachtlich weiterer, dem in der Gasführung dem Hubkolbenverdichter unmittelbar vorgeschalteten Schraubenverdichter ggf. selbst noch vorgelagerten Verdichtern, weil der Niederdruckbereich auch mehr Verdichter als nur den einen Schraubenverdichter aufweisen kann (P5 – „zumindest einen Niederdruckverdichter“).

62

Die vorgenommene Umformulierung mit den Ergänzungen H8.1 und H8.2 mag insoweit der sprachlichen Klarstellung dienen. Hiermit liegt indes keine Beschränkung des Patents vor, weil durch die Änderung der technische Umfang des Anspruchs 1P in der erteilten Fassung nicht vermindert ist, vielmehr haben beide Anspruchsfassungen weiterhin dieselben mehrstufigen Verdichter zum Gegenstand.

63

Reine Umformulierungen zum Zwecke der Klarstellung, ohne dass damit der Anschein eines weiteren Schutzes ausgeräumt wird, sind indes nicht zulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufrechterhaltung des Patents mit einem Anspruch, mit dem nicht zumindest die Möglichkeiten der Auslegung des Patents eingeschränkt wird und Widerrufsgründe ausgeräumt werden können, nicht geltend gemacht werden kann – die Funktion der Gestaltung des Patents ist einzig dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen (vgl. hierzu Benkard, 10. Auflage, § 21 Rdn. 41 mit Hinweis auf BGH-Entscheidung X ZR 93/85 „Düngerstreuer“, Abschnitte 9 und 10, veröffentlicht in BGHZ 103, 262 – 267; so auch Schulte, 9. Auflage, § 21 Rdn. 105 i. V. m. § 59, Rdn. 168).

64

Hierauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich hingewiesen, gleichwohl der Antrag von der Patentinhaberin weiterhin so gestellt wurde.

65

5. Der mehrstufige Verdichter mit den Merkmalen gemäß Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 ist ursprünglich offenbart, die Anspruchsänderungen sind insoweit zulässig. Der Gegenstand dieses Anspruchs beruht indes nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des § 4 PatG.

66

Der geltende Anspruch 11 ist mit seinen Ergänzungen auf alternative Ausbildungen des Gegenstands nach dem Anspruch 1H in der Fassung gemäß Hauptantrag – bzw. nach dem Anspruch 1P in der erteilten Fassung, wie vorstehend im Abschnitt 4 ausgeführt – gerichtet, demnach

67

H8.31 der rotierende Verdränger des Schraubenverdichters entweder direkt an die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters gekuppelt ist,

68

oder demnach

69

H8.41 der rotierende Verdränger des Schraubenverdichters mittels einer die Drehzahl der Kurbelwelle 1:1 übertragenden Kupplungsvor-richtung an die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters gekuppelt ist,

70

wobei der Anspruch 11 noch um die Aussage ergänzt ist:

71

H8.51 „so dass der Schraubenverdichter (20) von der Kurbelwelle (5) des Hubkolbenverdichters (3) angetrieben wird“.

72

Die „direkte“ Ankupplung (H8.31) des rotierenden Verdrängers folgt aus dem erteilten Anspruch 2, während die Ankupplung mittels einer die Drehzahl der Kurbelwelle 1:1 übertragenen Kupplungsvorrichtung (H8.41) aus dem erteilten Anspruch 4 in seinem Rückbezug auf den erteilten Anspruch 3 folgt.

73

Laut der Beschreibung Abs. 0014 kann der Schraubenverdichter durch die „direkte“ Kupplung von Schraubenverdichter und Hubkolbenverdichter – unter der Voraussetzung gleicher Drehzahlen – ohne Zwischenschaltung eines Getriebes „direkt“ von der Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters angetrieben werden. Das Merkmal H8.51 schreibt entsprechend seines Sinngehalts vor, dass der Hubkolbenverdichter derjenige Bestandteil des mehrstufigen Verdichters ist, der von einem für den Betrieb notwendigen Motor angetrieben wird, vgl. Abs. 0026. Die für den Betrieb der gekuppelten Verdichter erforderliche, gesamte Antriebsleistung wird demnach in die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters eingeleitet, der hierfür wie für die zusätzliche Ankupplung eines Antriebsmotors ausgelegt sein muss; der Schraubenverdichter ist hierbei der abhängig angetriebene Verdichter. Die Darstellung der Figur 1 zeigt eine entsprechende Anordnung eines Antriebsmotors am Hubkolbenverdichter (Pos. 2).

74

Während auch eine „direkte“, im Absatz 0014 angesprochene Kupplung der Übertragung von Drehmoment dient, wird im folgenden Abs. 0015 die Ankupplung mittels einer das Drehmoment der Kurbelwelle übertragenden Kupplungsvorrichtung zum Ermöglichen „einer flexiblen Anordnung des Schraubenverdichters in Bezug auf die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters“ als vorteilhaft herausgestellt, wobei für diesen Fall das Vorsehen eines Kettentriebs oder Riementriebs vorgeschlagen wird. Weil die Ausbildung der Alternative H8.41 nach dem Verständnis des Fachmanns von daher eher auf den Ausgleich eines Versatzes der jeweils zu kuppelnden Antriebswellen – die der Fachmann als notwendigen Bestandteil von Hubkolbenkompressoren mit rotierenden Kurbelwellen wie auch von Schraubenkompressoren mit rotatorisch anzutreibenden Verdrängern unmittelbar unterstellt – abzielt, wie diese Variante auch in Figur 2 dargestellt ist, ist die Ausbildung der Alternative H8.31 dagegen auf eine Ankupplung von Verdichtern mit etwa fluchtender Achslage gerichtet, wie so in Figur 1 dargestellt. Hierbei kann auch eine „trennbare Kupplungsvorrichtung“ vorgesehen sein, vgl. Abs. 0016. Insoweit kann dahingestellt bleiben, welche Art von Kupplung oder bauliche Maßnahme der Fachmann dem Begriff „Kuppeln“ oder „Ankuppeln“ in der Antriebstechnik gedanklich zuordnet, solange diese antriebstechnische Maßnahme dazu führt, dass der Schraubenverdichter (mittelbar) „an den Antrieb des Hubkolbenverdichters … gekoppelt“ ist, vgl. Abs. 0026.

75

Die Ergänzung H8.51 umschreibt hierbei für beide Varianten demnach nicht bloß die technische Wirkung einer Kupplung bzw. Kupplungsvorrichtung, dass eine Drehmomentübertragung zwischen den gekuppelten Verdichtern durch deren Kopplung stattfindet, sondern definiert über die Richtung des Leistungs-/Drehmomentflusses die gesamte Anordnung auch hinsichtlich des Ortes der Einleitung des insgesamt notwendigen Drehmoments näher – die eine Ausführung gemäß der Merkmale H8.31 und H8.41 darstellende Figur 2 zeigt ebenfalls einen den Hubkolbenverdichter (unmittelbar) antreibenden Motor (Pos.2).

76

Die Aufnahme einer jeden dieser beiden alternativen, auch ursprünglich offenbarten Merkmalskombinationen H8.31/H8.51 bzw. H8.41/H8.51 führt auch zu einer Beschränkung des Patents innerhalb des vorgegebenen Schutzbereichs, weil diese Merkmalskombinationen bei einer stationären Verbundanlage voraussetzen, dass der Schraubenkompressor und der Hubkolbenkompressor für dieselben Betriebsdrehzahlen ausgelegt bzw. ausgewählt sein müssen und der Schraubenverdichter hierbei der abhängig angetriebene Verdichter und der Hubkolbenverdichter der das hierfür notwendige Drehmoment durchleitende, d. h. angetriebener und antreibender Verdichter sein muss.

77

Die der Zulässigkeit des Anspruchs 1H gemäß Hauptantrag entgegenstehenden, im geltenden Anspruch 11 weiterhin enthaltenen Klarstellungen ohne beschränkende Wirkung sind im Rahmen einer beschränkten Verteidigung dagegen zulässig, vgl. hierzu die oben am Ende des Abschnitts 4 angeführte Kommentarstellen.

78

5.1 Die Zulässigkeit der geltenden Anspruchsfassung auch im Übrigen unterstellt, ergibt sich jedoch ein mehrstufiger Verdichter mit allen Merkmalen der Gruppe P sowie der Ergänzungen H8.1 und H8.2 – d. h. entsprechend dem Hauptantrag – bereits in der Ausführungsalternative entsprechend den ergänzten Merkmalen H8.3 und H8.5 gemäß Hilfsantrag 1, die für den Aufbau des mehrstufigen Verdichters eine „direkte“ Kupplung des Schraubenverdichters an die diesen antreibende Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters vorschreibt, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Die Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 11 wurde dagegen nicht bestritten und ist auch gegeben, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

79

So beschreibt die nach Überzeugung des Senats nächstkommende D2 eine Kompressor-Verbundanlage zur Erzeugung von hochkomprimierter Luft, bestehend aus einem Schraubenkompressor und einem diesen zur nachfolgenden Höherverdichtung des durch den Schraubenkompressor vorkomprimierten Gases nachgeschalteten, mehrstufigen Kolbenkompressor. Im Gasführungsweg zwischen dem Schraubenkompressor und dem Kolbenkompressor ist ein Kühler und ein Abscheider für Kondensat vorgesehen sein, vgl. Spalte 2, Zeilen 22 bis 35 i. V. m. der Figur in D2. Der Fachmann unterstellt der Bauweise des benannten Kolbenkompressors unmittelbar eine Kurbelwelle als fachübliches Konstruktionselement. Dieses allg. Fachwissen, das bereits das angegriffene Patent voraussetzt, ist im Übrigen durch das Lehrbuch D9, P27, Bild 1a belegt. Nach dem Verständnis des Fachmanns, das das Patent selbst voraussetzt, ist ein rotierender Verdränger ebenfalls wesentlicher konstruktiver Bestandteil eines Schraubenkompressors (vgl. D9 a. a. O), wobei mit dieser Verdichterbauart bei entsprechender Auslegung Drücke im Niederdruckbereich bis max. 40 bar erzielbar sind, wie durch die D9 (vgl. P27, Tabelle 1) als fachüblicher Kenntnisstand belegt. Kolbenkompressoren ermöglichen dagegen eine Verdichtung auf höhere, dem Hochdruckbereich zuzuordnende Druckwerte, vgl. hierzu auch D2, Spalte 1, Zeilen 10 bis 16, und werden bei dem in der D2 beschriebenen Aufbau auch hierfür eingesetzt, vgl. Spalte 2, Zeilen 39 bis 45.

80

Mithin offenbart die D2 einen die Merkmale P2 bis P6 und P9 bis 11 sowie P8 und H8.1 aufweisenden, im Sinne des Merkmals P1 mehrstufig ausgeführten Verdichter. Über den betriebsnotwendigen Antrieb der Kompressoren schweigt sich die D2 indes aus, mithin gehen aus der D2 u. a. die Merkmale P7 bzw. H8.2 – und mit diesem die Merkmale H8.31 und H8.51 – nicht hervor.

81

Für die Konzeption des Antriebs derart hinsichtlich der Gasführung zu Verbundanlagen zusammengestellter Verdichter wird sich der Fachmann von ihm bekannten Vorbildern leiten lassen, wie es ihm die D1 bietet.

82

In dieser Druckschrift sind mögliche Antriebsvarianten für den Fall einer Zusammenstellung unterschiedlicher, rotatorisch anzutreibender Verdichter zu einem mehrstufigen Verdichter beschrieben. Auch dort wird die „serielle“ Verschaltung von Verdichtern wie den angeführten Bauarten Hubkolbenkompressor und Rotationskompressor mit dem hierfür benannten Beispiel Schraubenkompressor als fachüblich bezeichnet, vgl. Spalte 1, Zeilen 11 bis 26. Weil die „serielle“ Verschaltung von den hinsichtlich der zu erfüllenden Anforderungen zusammenzustellenden Verdichtern dem Erreichen der erforderlichen Druckhöhe dient, schließt der Fachmann bei den Aussagen a. a. O. auch die Variante der Zusammenstellung eines den Niederdruckbereich abdeckenden Schraubenkompressors und eines den Hochdruckbereich abdeckenden Hubkolbenkompressors ein. In der D1 ist zwar im Speziellen auf die ergänzende, serielle Vorschaltung eines Kreiselverdichters zu Aufladungszwecken – mit einem Kreiselverdichter ist keine Druckerhöhung zu höheren Drücken wie mit einem Schraubenverdichter erzielbar – beispielhaft für den Fall der Gasführung unmittelbar auf einen Hubkolbenkompressor abgestellt, vgl. Spalte 2, Zeilen 55 bis 63. Jedoch wird diese Anordnung, bei der der Kreiselverdichter vom Antriebsmotor des Kolbenkompressor abhängig angetrieben wird – vgl. Spalte 2, Zeilen 63 bis 67 i. V. m. den Figuren 1 bis 3 – auch für den Fall einer Verschaltung mit weiteren „seriell“ geschalteten Kompressoren vorgeschlagen, vgl. Spalte 4, Zeilen 55 bis 62 i. V. m. Anspruch 7 mit dem Bezug auf die Figur 6. Der Darstellung dieser Figur 6 entnimmt der Fachmann unmittelbar den gemeinsamen Antrieb der in ihrer Gasführung seriell geschalteten Verdichtern 4 durch einen gemeinsamen Antriebsmotor 5.

83

Die angesprochene Möglichkeit, in ihrer Gasführung seriell geschaltete Verdichter unterschiedlicher Bauarten wie Schraubenkompressoren und Hubkolbenkompressoren gemeinsam anzutreiben, wobei der Fachmann gedanklich unmittelbar deren mechanische Kopplung durch Kupplung der jeweils anzutreibenden Elemente wie Kurbelwellen bzw. Verdränger einschließt, ist dem den antriebstechnischen Aufbau konzipierenden Fachmann daher als Auswahlalternative zum Einzelantrieb präsent, die in der D1 Spalte 4, Zeilen 23 bis 26 (vgl. auch Figuren 3, 5 und 6) als solche auch angesprochen ist.

84

Die Ausführung der Ankupplung wird der Fachmann hierbei in Abhängigkeit von den konstruktiven Gegebenheiten des Einzelfalls im Rahmen seiner fachnotorischen Fähigkeiten bzw. Kenntnisse der Antriebstechnik vornehmen, wobei ihm auch hierfür unmittelbar verwertbare Vorbilder zur Verfügung stehen:

85

So ist in der Druckschrift D11 die Zusammenstellung eines der Verdichtung im Niederdruckbereich dienenden Verdichters mit einem rotierenden Verdränger -  dort eines Flügelzellenverdichters („rotary compressor of the sliding vane type“) – mit einem selbst mehrstufig ausgeführten Hubkolbenkompressor („multi-cylinder reciprocating pump“, vgl. auch Figur 3) beschrieben, vgl. Seite 1, Zeilen 31 bis 51. Gemäß dem Vorschlag Seite 1, Zeilen 52 bis 56 bzw. des Anspruchs 2 dort wird in dem Aufbau gemäß Figur 1 eine mögliche Antriebsvariante („may be driven“) für den gekoppelten Antrieb zweier rotatorisch anzutreibender Verdichter gesehen, bei dem die Antriebswellen und somit die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters entsprechend Merkmal P7 – darüber hinaus direkt entsprechend diesem Teil des Merkmals H8.31 – an den rotierenden Verdränger des Niederdruckverdichters gekuppelt ist.

86

Ein ohne weiteres übertragbares Vorbild für die antriebstechnische Ankupplung - i. S. d. Merkmals H8.31 – der Kurbelwelle einer Hubkolben-Verdrängermaschine an eine von diesem i. S. d. Merkmals H8.51 angetriebene Schrauben-Verdrängermaschine bietet die D3, die eine solche Anordnung für den Aufbau einer mehrstufigen Vakuum-Pumpe beschreibt, vgl. Spalte 2, Zeilen 22 bis 33 und 46 bis 51 i. V. m. den Figuren 1 und 2. Bei der in Figur 1 gezeigten Anordnung sind die fluchtenden Wellen 11 und 25 der Verdrängermaschinen mittels einer Kupplung 26 insoweit auch i. S. d. Merkmals H8.2 „direkt“ gekuppelt, als dort auch die Überbrückung von Wellenversatz mit einer Kupplungsvorrichtung (Zahnräder 69 und 70) entsprechend der Alternative nach Merkmal H8.41 beschrieben und gezeigt ist, vgl. Spalte 4, Zeilen 64 bis 66 i. V. m. Figur 6. Weil sich Vakuum-Pumpen dieser Bauarten von ansonsten mechanisch gleichartig aufgebauten Verdichtern lediglich hinsichtlich der unterschiedlichen Drücke und Volumenströme unterscheiden – vgl. hierzu D9, S. P26, Abschnitt 3.1, die die „Bauarten von Verdichtern und Vakuumpumpen“ auch gemeinsam behandelt –, wird der Fachmann daher jedoch auch die in der D3 vorgestellte antriebstechnische Konzeption als ohne weiteres auswählbare Alternative für den Antrieb eines solchermaßen zusammenzustellenden mehrstufigen Verdichters, d. h. für eine Druckerhöhung bis in den Hochdruckbereich in Betracht ziehen.

87

Dass sich mit schraubenförmigen Verdrängern ausgebildete Verdichter insoweit nicht von bauartähnlichen Pumpen unterscheiden, und derartige Verdrängermaschinen im Verbund gleichermaßen antreibende wie auch getriebene Verdichterstufe bilden können, mit jeweils dem Verdränger durch die Antriebsmaschine aufgeprägtem, antreibendem Drehmoment, belegt hierbei die D4, die den Aufbau von im Verbund betreibbaren Schraubenkompressoren betrifft: Bei der in Figur 5 dargestellten Kupplung zweier Schraubenkompressoren sind jeweils die Verdränger 1 bzw. 10 über die Wellen zur Drehmomentaufnahme bzw. -leitung gekuppelt, vgl. auch Seite 11, vorletzter Absatz i. V. m. Seite 8, zweiter und letzter Absatz.

88

Angesichts dieser Vorbilder wird der Fachmann für die antriebstechnische Konzeption einer mehrstufig durch die gasführende Verschaltung eines Schraubenkompressors mit einem Hubkolbenkompressor auszuführenden Verbundanlage wie aus D2 bekannt – und in D1 angesprochen, vgl. a. a. O. – unter den aus D1 bekannten Alternativen Einzelantrieb und gemeinsamer Antrieb eine einfache Auswahlentscheidung nach technisch wirtschaftlichen Kriterien treffen und demzufolge auch einen Aufbau als technisch ohne weiteres realisierbar vorschlagen, bei dem der Schraubenkompressor, d. h. dessen rotierender Verdränger direkt mit der Kurbelwelle des antreibenden, weil selbst angetriebenen Hubkolbenkompressors verbunden ist, wie durch D3 bzw. D11 nahegelegt. Aufgrund der unmittelbaren Erkenntnis, dass sich für diese Zusammenstellung nur hinsichtlich der Lieferkapazität (Zwischendruck und Volumenstrom) kombinationsfähige Verdichter eignen -  was bereits Voraussetzung für den Betrieb des aus D2 bekannten Verdichters ist – , wird der Fachmann hierfür auch nur Verdichter mit gleicher Drehzahl als Voraussetzung für den direkt gekuppelten Betrieb in Betracht ziehen, entsprechend der gleichsam aus D11, D3 oder D4 bekannten Vorbilder.

89

Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin sind auch keine Hinderungsgründe erkennbar, die den Fachmann angesichts der Vorbilder hätten abhalten können, einen mehrstufigen Verdichter gemäß Anspruch 11 zu konzipieren, zumal sich dieser in der Beschreibung des prinzipiellen Aufbaus einer solchen Verbundanlage erschöpft, die der Fachmann bei der Auslegung eines Anlagenkonzepts nach hergebrachten Regeln des Ingenieurswesens in Erwartung des Erfolgs durch bloße, zwangsläufig zu treffende Auswahlentscheidung unter gleichwirkenden, bekannten antriebstechnischen Maßnahmen treffen wird. So beinhaltet der geltende Anspruch auch keine Merkmale, die der Überwindung etwaiger technischer Schwierigkeiten dienen, die bisher der vorgeschlagenen Lösung u. U. hätten entgegenstehen können. Es bedurfte hierbei lediglich einer auf den konkreten Anwendungsfall bezogenen Ermessensanwendung im Rahmen des routinemäßigen, fachmännischen Handelns. Dabei sind gerade nicht „nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden Fachgebietes, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen“ (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2001 – X ZB 67/10 Installiereinrichtung II, veröffentlicht in GRUR 4 /2012, 378 – 380).

90

Soweit die Patentinhaberin meint, der Fachmann hätte Einzelantriebe bevorzugt und den Antrieb des Schraubenverdichters unter Vermittlung des Hubkolbenverdichters deshalb nicht in Betracht gezogen, weil diese Variante des abhängigen Antriebs nur durch die eine Vakuum-Pumpeinrichtung betreffende D3 im angezogenen Stand der Technik nachgewiesen sei, war diesem Vorbringen nicht zu folgen. Es gibt nämlich keinen Rechtssatz, dass nur die Lösungsalternative, die der Fachmann voraussichtlich zunächst ausprobieren würde, naheliegend sei (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – X ZR 25/95, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, BGH 1994 bis 1998, 445 – Zerstäubervorrichtung; vom 26. Juli 2001 – X ZR 93/95, Mitt. 2002, 16 – Filtereinheit). Kommen für den Fachmann Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein (vgl. BGH, Urteil vom 6 Mai 2003 – X ZR 113/00 [Flachantenne], juris Rn. 47).

91

Da bereits aufgrund der vom geltenden Anspruch 11 umfassten Alternative entsprechend der Merkmale H8.31 mit H8.51 kein gewährbarer Anspruch vorlag, kommt es auf andere benannte Kombination des Merkmals H8.41 mit dem Merkmal H8.51 nicht an.

92

6. Der mehrstufige Verdichter mit den Merkmalen gemäß Anspruch 13 gemäß Hilfsantrag 3 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des § 4 PatG.

93

In diesem Anspruch 13 ist das gegenüber dem Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 wie folgt geänderte – hervorgehoben durch Unterstreichung – Merkmal enthalten:

94

H8.33 der rotierende Verdränger des Schraubenverdichters ist ohne Zwischenschaltung eines Getriebes direkt an die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters gekoppelt.

95

Das Merkmal H8.41 des Anspruchs 11 gemäß Hilfsantrag 1 ist in dem geltenden Anspruch 13 dagegen entfallen.

96

Die Zulässigkeit der geltenden Anspruchsfassung auch im Übrigen unterstellt, ergibt sich jedoch ein mehrstufiger Verdichter mit allen Merkmalen der Gruppe P sowie der Ergänzungen H8.1 und H8.2 – d. h. entsprechend dem Hauptantrag – in der Ausführungsalternative entsprechend Kombination der Merkmalen H8.31 und H8.51 gemäß Hilfsantrag 1, die für den Aufbau des mehrstufigen Verdichters eine „direkte“ Kupplung des Schraubenverdichters an die diesen antreibende Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters nunmehr entsprechend Merkmal H8.33 vorschreibt, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

97

Denn der das Merkmal H8.31 aus dem Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag ergänzende Zusatz „ohne Zwischenschaltung eines Getriebes“ schließt lediglich die dort noch enthaltene Alternative der Ankupplung mittels einer Kupplungsvorrichtung in Form eines Getriebes aus, ohne dass die der mittelbaren „Kopplung“ – vgl. hierzu Abs. 26, Satz 2 im Hinblick auf die geltende Fassung des Merkmals H8.33 – des Schraubenverdichters mit einem Antrieb über die Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters dienende Kupplung für die „direkte“ Ankupplung hierüber näher definiert wird.

98

Auf vorstehende Ausführungen am Ende des Abschnitts 5 zur Beschränkung durch Aufnahme der Merkmalskombination gemäß den Merkmalen H8.31 und H8.51 wird hingewiesen, wie auf vorstehende, sinngemäß geltenden Ausführungen im Abschnitt 5.1 zu der dieser Alternative fehlenden zugrundeliegenden erfinderischen Tätigkeit zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug genommen wird.

99

Weil demnach die Ankopplung eines Schraubenverdichters an die Antriebsmaschine unter Vermittlung einer den Verdränger des Schraubenverdichters „direkt“ mit der Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters verbindenden Kupplung – was die Anordnung eines Getriebes insoweit bereits ausschließt – vom Fachmann zum Antrieb eines mit diesen Bauarten zusammengestellten mehrstufigen Verdichters wie aus D2 bekannt im Verbund als mögliches Antriebskonzept entsprechend den Vorbildern im zu berücksichtigenden Stand der Technik hierfür unmittelbar, nämlich im Rahmen einer einfachen Auswahlentscheidung vorgeschlagen werden konnte, lag die Auffindung des mehrstufigen Verdichters mit den Merkmalen des geltenden Anspruchs 13 nahe.

100

7. Der mehrstufige Verdichter mit den Merkmalen gemäß Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 5 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des § 4 PatG.

101

In diesem Anspruch 15 ist der mehrstufige Verdichter zunächst durch alle Merkmale der Gruppe P sowie der Ergänzungen H8.1 und H8.2 – d. h. entsprechend dem Hauptantrag – in der Ausführungsalternative entsprechend der Kombination der Merkmale H8.31 und H8.51 gemäß Hilfsantrag 1 näher definiert, die für den Aufbau des mehrstufigen Verdichters eine „direkte“ Kupplung des Schraubenverdichters an die diesen antreibende Kurbelwelle des Hubkolbenverdichters vorschreibt. Insoweit gelten vorstehende Ausführungen zur fehlenden Patentfähigkeit des zunächst durch diese Merkmale definierten mehrstufigen Verdichters in seiner alternativen Ausführungsform mit direkt angekuppeltem und angetriebenem Verdränger des Schraubenverdichters sinngemäß.

102

Das Merkmal H8.1 des Anspruch 1H gemäß Hauptantrag ist im geltenden Anspruch 15 wie folgt ergänzt:

103

H8.15 zur Vorverdichtung im Niederdruckbereich bis maximal 40bar.

104

Das geänderte Merkmal H8.15 besagt hierbei im Zusammenhang mit dem Merkmal P8, dass der Schraubenverdichter für diesen Niederdruckbereich ausgelegt sein muss, was auch aus Abs. 0011 der Patentbeschreibung folgt.

105

Darüber hinaus schreibt der Anspruch 15 dem beanspruchten mehrstufigen Verdichter noch Ausbildungen gemäß folgenden Merkmalen vor:

106

H125 der Niederdruckverdichter und/oder der Hubkolbenverdichter weisen jeweils mehrere Verdichterstufen auf,

107

H135 zwischen der letzten Verdichterstufe im Niederdruckbereich und einer ersten Verdichterstufe im Hochdruckbereich des Hubkolbenverdichters sowie einzelnen Verdichterstufen sind Regeleinrichtungen vorgesehen.

108

Das wiederum Alternativen („und/oder“) betreffende Merkmal H125 folgt aus einer Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 9 und 10 in ihrem Rückbezug auf den erteilten Anspruch 1.

109

Das Merkmal H135 ist dem Absatz 0027 der Patentbeschreibung entnommen und betrifft eine bereits mit dem erteilten Anspruch 12 angesprochene weitere Ausgestaltung des Gegenstands nach dem erteilten Anspruch 1. Die Art der Regeleinrichtungen ist nicht näher bestimmt; laut der Beschreibung Abs. 0027 soll es sich um „beliebige“ Regeleinrichtungen handeln. Eine Auslegung im Sinne der im Absatz 0028 beispielhaft beschriebenen Anordnung eines verstellbaren Ventils 16 zur Beeinflussung der Massenströme zwischen den einzelnen Verdichterstufen ist insoweit nicht zwingend, vielmehr handelt es sich bei jeder zur gezielten Beeinflussung der Gasführung zwischen den Verdichterstufen dienenden Anordnung um eine Regeleinrichtung im Sinne des Merkmals 135.

110

Die Zulässigkeit der geltenden Anspruchsfassung auch im Übrigen unterstellt, ergibt sich jedoch ein mehrstufiger Verdichter mit allen Merkmalen der Gruppe P sowie der Ergänzungen H8.1 und H8.2 – d. h. entsprechend dem Hauptantrag – in der Ausführungsalternative entsprechend der Kombination der Merkmalen H8.31 und H8.51 gemäß Hilfsantrag 1, der für die mit dem geltenden Anspruch 15 beanspruchte Ausführungsvariante darüber hinaus mit einem zur Erzeugung von maximal 40bar Niederdruck ausgelegten Schraubenverdichter entsprechend Merkmal H8.15 und mit einem mehrstufig ausgelegten Hubkolbenverdichter entsprechend Merkmal H125 zusammengestellt ist, diese ergänzt um Regeleinrichtungen in einer Anordnung gemäß Merkmal H135, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

111

Die Verwendung eines einem Schraubenkompressor nachgeschalteten, mehrstufigen Hubkolbenverdichters – entsprechend Merkmal H125 – als Hochdruckkompressor im Verbund schlägt bereits die D2 vor, vgl. Spalte 2, Zeilen 23 bis 27.

112

Die Auswahl richtet sich nach dem jeweiligen Anwendungsfall, wobei die D2 exemplarisch zwar eine Druckerhöhung von nur 15bar im Niederdruckbereich vorschlägt, vgl. Spalte 2, Zeilen 42 bis 45. Da Schraubenverdichter gemäß D9 - vgl. S. P29, Tabelle 1 – jedoch üblicherweise für Druckerhöhungen bis 40bar geeignet sind, wird der Fachmann den Schraubenverdichter im Verbund bei Bedarf hierfür auch entsprechend auswählen bzw. den Antrieb und die Gasführung auf einen entsprechenden Zwischendruck („Niederdruck“) auslegen.

113

In der Druckschrift D2 ist die dort als fachüblich unterstellte Vorgehensweise angesprochen, dass bei derart stationär im Verbund betriebenen mehrstufigen Verdichtern der Schraubenkompressor vor dem Abstellen der Verdichteranlage für eine bestimmte Dauer „bei reduziertem Enddruck“ mit atmosphärischer Luft betrieben wird, vgl. Spalte 1, Zeilen 43 bis 55. Nach dem Verständnis des Fachmanns setzt diese Maßnahme die Anordnung eines Ventils in der Gasführung zwischen dem Schraubenverdichter und dem Hubkolbenverdichter voraus, um einen entsprechenden Teillastbetrieb realisieren zu können. Der Fachmann wird daher eine solche Regeleinrichtung im Sinne des Merkmals H135 bei Bedarf hierfür entweder unabhängig von der antriebstechnischen Konzeption des im Verbund betriebenen, mehrstufigen Verdichters vorsehen, oder gerade insbesondere bei antriebstechnisch gekuppelt betriebenen Verdichtern vorsehen, weil eine getrennte Anpassung der Massenströme bei diesem Aufbau über eine Drehzahlvariation hierbei nicht mehr möglich ist.

114

Auch die D11 beschreibt und zeigt einen mehrstufigen – dort zweistufigen – Hubkolbenkompressor, vgl. Seite 1, Zeilen 88 bis 99 i. V. m. Figur 3. Bei Bedarf für ein entsprechend hohes (End-)Druckniveau wird der Fachmann daher nicht nur diesem Vorbild folgend solch einen Kompressor im Verbund entsprechend Merkmal H125 vorsehen, sondern auch übliche Regeleinrichtungen in dessen Gasführungen anordnen. So schlägt die D11 bereits die Anordnung von Luftspeichern („air accumulators19“) eingangsseitig der ersten Stufe des Hubkolbenverdichters im Bereich der Gaszuführung 8 vom vorgeordneten Niederdruckverdichter (…dort in Form eines Flügelzellenverdichters) vor – vgl. Pos. 19 oben in Figur 3, ebenso im Gasführungsweg zur zweiten Stufe dieses Hubkolbenverdichters, vgl. Pos. 19 unten in der Figur 3 i. V. m. der Beschreibung Seite 1, Zeilen 92 bis 101. Hierbei handelt es sich insoweit um bedarfsweise vom Fachmann vorzusehende Maßnahmen zur Beeinflussung der Gasführung, die Regeleinrichtungen im Sinne des Merkmals H13 bilden, weil diese eingangsseitige Regeleinrichtung zwischen der letzten Verdichterstufe im Niederdruckbereich und der ersten Verdichterstufe im Hochdruckbereich des Hubkolbenverdichters angeordnet ist bzw. eine weitere derartige Regeleinrichtung zwischen den Verdichterstufen des Hubkolbenverdichters angeordnet ist.

115

Mithin kommt auch den ergänzten Merkmalen H8.15, H125 und H135 beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 15 keine patentbegründende Bedeutung zu.

116

8. Da weder mit dem Hauptantrag noch einem der Hilfsanträge ein gewährbarer Patentanspruch 1 vorlag, fallen auch die rückbezogenen Unteransprüche, da den Anträgen der Beschwerdeführerin insoweit nicht als Ganzen stattzugeben war. Im Übrigen ist weder ersichtlich noch geltend gemacht, dass die jeweiligen Weiterbildungen zu einer anderen Beurteilung führen könnten.