Entscheidungsdatum: 29.11.2010
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 058 014.6-22
…
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 29. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Pontzen sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Dipl.-Ing Bülskämper und Paetzold
beschlossen:
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 64 C 1/06 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2009 ist unwirksam.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die Anmelderin hat am 1. Dezember 2004 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Strukturbauteil, Verfahren zum Herstellen eines Strukturbauteils und Verwendung eines Strukturbauteils für eine Flugzeugschale"
eingereicht. Am 24. Juni 2009 erhielt sie eine Ausfertigung eines Beschlusses der Prüfungsstelle für Klasse B 64 C 1/06 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2009, laut dem die Anmeldung zurückgewiesen wurde.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2010 wurde die Anmelderin auf den Umstand hingewiesen und zur Stellungnahme hierzu aufgefordert, dass weder der in der Amtsakte enthaltene handschriftlich abgefasste "Beschluss" noch dessen in der Akte befindliche Abschrift unterzeichnet seien, so dass nur von einem Beschlussentwurf ausgegangen werden könne. Hierauf hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 19. Januar 2010 geantwortet mit dem Vorschlag, die Akte an die Prüfungsstelle zurückzuverweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die in zulässiger Weise erhobene Beschwerde führt zu der Feststellung, dass der angefochtene "Beschluss" unwirksam ist. Seine Unwirksamkeit ist darin begründet, dass er von dem ihn erlassenden Beamten der Patentabteilung nicht unterschrieben, sondern lediglich mit einer handschriftlichen Namenswiedergabe versehen ist.
1. Beschlüsse der Prüfungsstelle sind nach § 47 Abs. 1 S. 1 PatG schriftlich auszufertigen und den Beteiligten zuzustellen. Auch wenn es in der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt ist, gehört zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses die Unterschrift des an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträgers (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., 2008, § 47 Rn. 9; Schäfers in: Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, § 47 Rdn. 5). Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob ein nicht zu verkündender Beschluss zu seiner Wirksamkeit der Unterschrift aller bedarf, die ihn gefasst haben, stellt sich hier nicht, da nur eine Person an dem Beschluss beteiligt war und unstreitig zumindest eine Unterschrift vorhanden sein muss; denn nur eine eigenhändige Unterschrift unter dem Text eines Beschlusses kann dessen Herkunft verbürgen, was für die Sicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr erforderlich ist (vgl. BGH Bl.f.PMZ 1995, 68 - Spinnmaschine). Daher muss auch unter dem Beschluss einer Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes wenigstens eine Unterschrift vorhanden sein (vgl. BGH BlPMZ a. a. O.).
2. Im vorliegenden Fall erfüllt der angefochtene "Beschluss" dieses Erfordernis nicht. Zwar trägt er am Ende eine handschriftliche Namenswiedergabe, womöglich sogar von dem Prüfer, der den davor stehenden Text ebenfalls handschriftlich verfasst hat. Dies reicht jedoch nicht zu einer hinreichenden Zuordnung wie bei einer individuellen Original-Unterschrift des Prüfers. Ob mit dem Namenszug eine Unterschrift vorliegt, richtet sich nach dem äußeren Erscheinungsbild, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (BGH NJW 2005, 3775). Dies ist hier nicht der Fall, da die Originalunterschrift von dem hier geleisteten Namenszug eindeutig abweicht, wie ein Vergleich mit den Unterschriften des Prüfers auf Bl. 43, 64, 71 und 107 der Amtsakte ergibt. Mutmaßungen darüber, warum der in der Akte befindliche Originalbeschluss handschriftlich verfasst und abschließend in gleicher Schrift den Namenszug des Prüfers enthält, erübrigen sich, da ein solcher Namenszug die eigenhändige Unterschrift nicht ersetzen kann. Dies ergibt sich zwangsläufig aus der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, wonach selbst eine Paraphe, die der eigenhändigen Unterschrift von ihrem individualisierenden Charakter eindeutig näher steht, nicht dem Unterschriftserfordernis genügt, was zur Folge hat, dass es sich hier wie bei einem paraphierten Schriftstück lediglich um einen Beschlussentwurf handelt (vgl. BPatG Bl.f.PMZ 2006, 415 - Paraphe -; vgl. für das zivilprozessuale Beschlussverfahren Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 329 Rn. 9 f. m. w. N.). Weil hier der Beschluss im schriftlichen Verfahren zustande kommen sollte und somit nicht schon vor seiner schriftlichen Herausgabe im Wege der Verkündung existent und wirksam werden konnte, ist überhaupt kein wirksamer Beschluss vorhanden. Allerdings steht dies der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Denn mit der Ausfertigung und Zustellung an die Beteiligte ist mindestens der äußere Anschein eines dem Patentamt zurechenbaren Aktes entstanden. Wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, ist es schon deshalb geboten, in einem solchen Fall den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, die auf diese Weise in Erscheinung getretene Entscheidung zu beseitigen (BGH a. a. O.; BVerfG NJW 1985, 788).
3. Die fehlende Unterschrift kann auch nicht mit der Wirkung nachgeholt werden, dass dadurch ein der sachlichen Prüfung im laufenden Beschwerdeverfahren zugänglicher Beschluss zustande kommen würde. Da die Nachholung einer fehlenden Beschlussunterschrift lediglich mit Wirkung für die Zukunft möglich ist (vgl. BGH NJW 1998, 609 f.; Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 329 Rn. 4), müsste der nachträglich unterschriebene Beschluss erneut zugestellt werden, und er würde eine neue Beschwerdefrist in Kraft setzen (vgl. BPatGE 41, 44 f.; Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 27 a. E.; a. A. Busse, a. a. O., § 47 Rn. 33). Die vorliegende Beschwerde würde sich demnach weiterhin gegen den ursprünglichen, ohne Unterschrift ergangenen "Beschluss" richten und wäre nicht anders zu beurteilen.
4. Somit bleibt es dabei, dass der angefochtene "Beschluss" der Prüfungsstelle unwirksam ist. Diese Rechtsfolge muss auf die Beschwerde der Antragstellerin ausdrücklich festgestellt werden, um auf diese Weise den durch die Zustellung entstandenen äußeren Anschein eines wirksamen Beschlusses zu beseitigen (siehe auch Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 27 a. E.).
Die Prüfungsstelle des Patentamtes wird nunmehr über die Anmeldung zu entscheiden haben.
5. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen.