Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.08.2010


BPatG 19.08.2010 - 9 W (pat) 339/05

Patenteinspruchsverfahren - Nichterhebung der Gerichtskosten für Rechtsbeschwerdeverfahren - Verletzung des rechtlichen Gehörs im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
19.08.2010
Aktenzeichen:
9 W (pat) 339/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Einspruchssache

betreffend das Patent 100 66 168

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Pontzen sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Reinhardt und Dr.-Ing. Höchst

beschlossen:

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Die Verfahrensbeteiligten tragen ihre durch die Rechtsbeschwerde veranlassten Kosten selbst.

Gründe

I.

1

Die Erteilung des Patents 100 66 168 mit der Bezeichnung "Dichtungsanordnung für ein Kraftfahrzeug und Verfahren zur Montage eines Führungs- und Dichtungsprofils an einem Rahmen" wurde am 2. Dezember 2004 veröffentlicht. Am 2. März 2005 ging ein mit Gründen versehener Einspruch der anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden ein mit dem Antrag,

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das Patent zu widerrufen und hilfsweise zu einer mündlichen Anhörung zu laden.

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Mit Schriftsatz vom 22. März 2007 hat die Patentinhaberin geltend gemacht, sie könne die Identität der Einsprechenden auch unter Zuhilfenahme einer Wirtschaftsdatenbank nicht ermitteln. Auch habe sie keine Kenntnis davon, ob die Vertreter der Einsprechenden eine Vollmacht zur Akte gereicht hätten, aus der hervorgehe, welche natürliche Person die Einsprechende gesetzlich vertrete. Auf den weiteren Hinweis des Gerichts in der Parallelsache 9 W (pat) 345/05, dass eine lückenlose Kette für die Bevollmächtigung auch den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen ist, haben die anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden weitere Unterlagen vorgelegt, aus denen sich eine Bevollmächtigung ergeben sollte.

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Daraufhin hat der Senat den Einspruch im schriftlichen Verfahren als unzulässig verworfen mit der Begründung, den Vertretern der Einsprechenden sei der Nachweis ihrer Bevollmächtigung nicht gelungen, denn sie hätten keinen Nachweis darüber erbringen können, dass die Personen, die die Vollmachtsurkunde unterzeichnet haben, selbst hierzu bevollmächtigt gewesen seien. Nach § 79 Abs. 2 PatG habe diese Entscheidung auch ohne mündliche Verhandlung ergehen können.

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Gegen diesen Beschluss vom 5. August 2008 hat die Einsprechende die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eingelegt mit der Begründung, ihr sei das rechtliche Gehör versagt worden, weil der Senat die von ihr beantragte Anhörung nach § 59 Abs. 3 PatG nicht durchgeführt habe.

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Mit Beschluss vom 17. Dezember 2009 hat der Bundesgerichtshof der Rechtsbeschwerde stattgegeben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Patentgericht zurückverwiesen. Auch wenn das Patentgericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen habe, sei deren Einlegung gegen Beschlüsse des Patentgerichts im (erstinstanzlichen) Einspruchsverfahren gemäß § 147 Abs. 3 Satz 5 PatG statthaft und zulässig, wobei die Vollmacht der Vertreter im Rechtsbeschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung des § 88 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen sei. Mit der Berufung auf die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs habe die Einsprechende einen Verfahrensmangel nach § 100 Abs. 3 PatG gerügt, deren Rüge die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffne. Wegen der unterbliebenen Anhörung sei die Einsprechende in ihrem rechtlichen Gehör verletzt worden. Denn die Auslegung der Regelung des § 59 Abs. 3 Satz 1 PatG in der seit dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung ergebe, dass das Patentgericht auf den Antrag der Einsprechenden eine Anhörung durchzuführen gehabt habe; hingegen sei § 79 Abs. 2 Satz 2 PatG im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren nur mit der Maßgabe anwendbar, dass eine förmliche mündliche Verhandlung für die Entscheidung über die Zulässigkeit entbehrlich sei, nicht aber die in § 59 Abs. 3 Satz 1 PatG zwingend vorgesehene Anhörung. Mit der befristeten Übertragung des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens auf das Patentgericht habe der Gesetzgeber lediglich die Zuständigkeit verlagert; im Übrigen sollte es aber bei den zuvor schon geltenden Regeln über das Einspruchsverfahren vor dem Patentamt verbleiben, wobei allerdings mit Wirkung vom 1. Juli 2006 eine Änderung des § 59 Abs. 3 PatG eingetreten sei, nach welcher ein Anhörung zwingend vorgeschrieben sei, wenn ein Beteiligter dies beantragt habe. Da die Einsprechende wirksam einen solchen Antrag auf mündliche Anhörung gestellt habe und das Patentgericht diese nicht durchgeführt habe, sei das rechtliche Gehör nicht in dem gebotenen Umfang gewährt worden, was möglicherweise zu einer für die Einsprechende günstigere Entscheidung hätte führen können.

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Daraufhin hat der Senat die Beteiligten zu einer Anhörung hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit geladen. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2010 hat die Einsprechende erklärt, dass „der ... hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung“ zurückgezogen werde. Den Termin hat sie nicht wahrgenommen und sich auch im Übrigen nicht geäußert.

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Die Patentinhaberin beantragt,

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den Einspruch als unzulässig zu verwerfen,

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hilfsweise das Patent aufrecht zu erhalten.

II.

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1. Der Einspruch ist als unzulässig zu verwerfen, weil nach wie vor nicht dargetan ist, dass vertretungsberechtigte Personen der Einsprechenden die anwaltlichen Vertreter zur Einlegung des Einspruchs bevollmächtigt haben. Dies hat der Senat im Beschluss vom 5. August 2008 ausführlich dargelegt, weshalb darauf verwiesen wird, nachdem die Beteiligten auch keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen haben. Gegen die Auffassung des Senats spricht auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, zumal darin ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass im dortigen Rechtsbeschwerdeverfahren die Frage der wirksamen Vertretung wegen der entsprechenden Anwendung von § 88 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen gewesen sei.

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Nachdem im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vor dem Beschwerdesenat des Patentgerichts nach Rüge durch die Patentinhaberin eine lückenlose Kette für eine wirksame Bevollmächtigung der anwaltlichen Vertreter der Einsprechenden nach wie vor nicht nachgewiesen ist, musste der Einspruch als unzulässig verworfen werden.

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2. Durch den Zurückverweisungsbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2009 ist dem Senat auch die Verhandlung und Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens übertragen worden.

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a. Für die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gilt § 109 PatG. § 109 Abs. 1 Satz 1 PatG geht davon aus, dass im Regelfall jeder Beteiligte die bei ihm durch das Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. etwa Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. 2008, § 109 Rn. 16; BPatG 8 W (pat) 46/99 Beschluss v. 03.02.2004, veröffentlicht in juris Das Rechtsportal). Da besondere Umstände, die unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit eine abweichende Kostenverteilung gebieten würden - etwa grob sorgfaltswidrige Vorgehensweise eines Verfahrensbeteiligten -, weder dargetan noch sonst ersichtlich sind, bleibt es hier hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten beim allgemeinen Grundsatz (so auch BPatG 8 W (pat) 46/99 Beschl. v. 3. Februar 2004, veröffentlicht in juris Das Rechtsportal).

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b. Allerdings trifft § 109 PatG seinem Wortlaut nach lediglich eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten. Anders als etwa § 80 Abs. 1 Satz 1 PatG und § 62 Abs. 1 Satz 1 PatG werden in § 109 Abs. 1 PatG die Gerichtskosten nicht erwähnt. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass auch über die durch die Rechtsbeschwerde entstandenen Gerichtskosten eine Entscheidung getroffen werden kann. Zwingend vorgeschrieben ist allerdings eine Kostenentscheidung unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 GKG, der die hinsichtlich der Gerichtskosten bestehende Lücke des § 109 PatG ausfüllt.

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§ 21 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 GKG bestimmt nämlich, dass Kosten nicht erhoben werden, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären und dass das Gericht diese Entscheidung trifft. Wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 GKG vorliegen, ist eine ausdrückliche Kostenentscheidung von Amts wegen zwingend erforderlich (Schulte, a. a. O, § 109 Rn. 11). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

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Zwar rechtfertigt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Instanzgericht eine Nichterhebung der Gerichtskosten. Es muss sich vielmehr um ein erkennbares Versehen oder einen offensichtlichen Verstoß gegen eindeutige Rechtsvorschriften handeln, der offen zutage tritt (vgl. etwa Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage, § 21 GKG Rn. 8 ff.; BFH X E 11/09 Beschluss v. 19.10.2009, veröffentlicht in juris Das Rechtsportal). Hierunter fallen etwa auch Verstöße gegen die Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) oder eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (vgl. Hartmann, a. a. O., Rn. 16, 30, 31).

18

Der Bundesgerichtshof hat vorliegend die Sache wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Senat aufgehoben und zurückverwiesen. Er hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vor dem Bundespatentgericht die Vorschrift des § 59 Abs. 3 PatG zu beachten sei, wonach auf Antrag eine Anhörung durchzuführen sei. Nach dieser rechtlichen Beurteilung, an die der Senat gebunden ist (§ 108 Abs. 2 PatG), liegt somit eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 Abs. 1 GKG vor, die für die Rechtsbeschwerde und die damit verbundenen Gerichtskosten kausal geworden ist. Die Anordnung der Nichterhebung der Gerichtskosten für die Rechtsbeschwerde ist daher nach dieser Vorschrift zwingend geboten.