Entscheidungsdatum: 14.03.2011
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 103 14 643
…
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Pontzen sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dipl.-Ing. Reinhardt
beschlossen:
Das Patent wird beschränkt aufrecht erhalten mit folgenden Unterlagen:
● neue Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2011,
● neue Beschreibung S 2/13 bis 6/13, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2011,
● Zeichnungen Figuren 1 bis 6 gemäß Patentschrift.
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat nach Prüfung das am 1. April 2003 angemeldete Patent mit der Bezeichnung
„Druckluftaufbereitungseinrichtung für Kraftfahrzeug-Druckluftanlagen“
erteilt. Gegen das Patent richtet sich der Einspruch der K… GmbH. Die Einsprechende hält den Streitgegenstand ge- mäß Patentanspruch 1 für nicht patentfähig.
Zu den Unteransprüchen macht sie innerhalb der Einspruchsfrist lediglich pauschal geltend, diese seien auf Patentanspruch 1 rückbezogen und von diesem abhängig. Daher sei das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.
In das Verfahren sind folgende Druckschriften eingeführt:
D 1 WO 03/008249 A2 (incl. Übersetzung DE 602 06 176 T2)
D 2 EP 0 689 117 A2
D 3 DE 100 38 266 A1 (in Abs. [0005] der Streitpatentschrift dargestellt)
D 4 DE 195 44 621 C1 (in Abs. [0002] der Streitpatentschrift dargestellt)
D 5 DE 195 15 895 A1 (in Abs. [0003] der Streitpatentschrift dargestellt).
Die Patentinhaberin widerspricht dem Einspruchsvorbringen. Darin vermißt sie Ausführungen zu den abhängigen Patentansprüchen 2 bis 10. Unter Hinweis auf die Entscheidung „Informationsübermittlungsverfahren II“ (BGH, GRUR 2007, 862) unterstreicht sie, dass die abhängigen Patentansprüche patentfähig seien und die Aufrechterhaltung des Patents zumindest in eingeschränktem Umfang rechtfertigen könnten. Das Streitpatent verteidigt sie gemäß Hauptantrag in der erteilten Fassung und in beschränktem Umfang gemäß Hilfsantrag. Die gemäß Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen der Patentansprüche erachtet sie für zulässig. Gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik sei die Druckluftaufbereitungseinrichtung in ihrer jeweils verteidigten Fassung neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent aufrecht zu erhalten (Hauptantrag),
hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit folgenden Unterlagen:
● neue Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2011,
● neue Beschreibung S 2/13 bis 6/13, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2011,
● Zeichnungen Figuren 1 bis 6 gemäß Patentschrift (Hilfsantrag).
Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
Nach ihrer Meinung ist auch die Druckluftaufbereitungseinrichtung gemäß dem Hilfsantrag nicht patentfähig gegenüber dem Stand der Technik. Dazu verweist sie auf die in der Streitpatentschrift genannte DE 195 15 895 A1 (D 5), welche das Beanspruchte in Verbindung mit der Druckluftaufbereitungseinrichtung gemäß WO 03/008249 A2 (D 1) für einen Fachmann ohne Weiteres nahelege. Im Übrigen erachtet sie ein detailliertes Eingehen auf die Unteransprüche innerhalb der Einspruchsfrist für nicht erforderlich, um die Zulässigkeit des Einspruchs herzustellen.
Die geltenden Patentansprüche 1 lauten jeweils wie folgt:
Hauptantrag:
Auf diesen Patentanspruch 1 sind Patentansprüche 2 bis 10 rückbezogen.
Hilfsantrag :
Auf diesen Patentanspruch 1 sind Patentansprüche 2 bis 9 rückbezogen.
Im Prüfungsverfahren vor der Patenterteilung sind noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
DE 198 34 705 C2, DE 196 38 226 C1, DE 41 11 023 C2, DE 101 25 204 A1.
II.
1. Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.
2. Zulässigkeit
Der Einspruch ist zulässig. Dies stellt die Patentinhaberin auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht in Frage. Allerdings merkt sie an, obwohl der Antrag der Einsprechenden auf den vollständigen Widerruf gerichtet sei, fehle ein inhaltlicher Vortrag zu den Unteransprüchen 2 bis 10 des Streitpatents völlig. Mit dem Hilfsantrag werde nun eine Einrichtung verteidigt, welche durch die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 8 definiert sei. Wegen der fehlenden Einspruchsbegründung zum Patentanspruch 8 sei das Patentgericht nicht in der Lage, das Vorliegen eines Widerrufsgrundes aufgrund des Einspruchs zu prüfen.
Nach Überzeugung des Senats ist eine derartige Sachlage im Patentgesetz geregelt und steht insbesondere der Zulässigkeit des Einspruchs nicht entgegen.
a) Welche Anforderungen an die Darlegung einer Einspruchsbegründung zu stellen sind, betrifft die Zulässigkeit des Einspruchs. Nach § 59 Abs. 1 Satz 3 PatG ist die Bezugnahme auf einen der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe erforderlich und nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG sind die Tatsachen im Einzelnen anzugeben, die den Einspruch rechtfertigen. Dieser Tatsachenvortrag genügt nach gefestigter Rechtsprechung den gesetzlichen Erfordernissen, wenn er die für die Beurteilung der Patentfähigkeit maßgebenden Umstände so vollständig darlegt, dass die Patentinhaberin und die Patentabteilung bzw. das Bundespatentgericht dazu abschließend Stellung nehmen können. Die Zulässigkeit eines Einspruchs ist auch dann gegeben, wenn er sich bei mehreren angefochtenen Ansprüchen hinsichtlich des Widerrufsgrunds und des substantiierten Tatsachenvortrags nur mit einem Hauptanspruch auseinander setzt, vgl. BGH, „Automatisches Fahrzeuggetriebe“ GRUR 2003, 695-696 m. w. N. Weitere Zulässigkeitserfordernisse bestimmt § 59 PatG nicht.
b) Wenn ein derart zulässiger Einspruch vorliegt, eröffnet § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG der Patentinhaberin die Möglichkeit, das Patent in beschränktem Umfang zu verteidigen. Dass dies die Zulässigkeit des Einspruchs nachträglich in Frage stellen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und wird auch wohl von der Patentinhaberin so nicht angenommen. Die Einsprechende ist auch nach Ablauf der Einspruchsfrist weiter am Verfahren beteiligt und hat Gelegenheit erhalten, sich zu dem hilfsweise beschränkten Patentbegehren zu äußern.
Abgesehen von dem vorliegenden Fall läge eine Einspruchsbegründung zu einer geänderten Anspruchsfassung dann nicht vor, wenn beispielsweise ein Einspruch zum Zeitpunkt eines Antrages auf beschränkte Aufrechterhaltung zurückgenommen wäre. Trotzdem ist in § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG geregelt, das Einspruchsverfahren (ohne die Einsprechende) fortzusetzen. In diesem Fall ist der Antrag der Patentinhaberin auf beschränkte Aufrechterhaltung des Patents durch die Patentabteilung bzw. das Bundespatentgericht vollumfänglich, insbesondere ohne Beschränkung auf die gesetzlichen oder die im Einspruchsverfahren geltend gemachten Widerrufsgründe, zu prüfen und zu bescheiden, vgl. BGH, „Polymermasse“ in GRUR 1998, 901-904. Die zur Prüfung ggf. erforderlichen Ermittlungen der Patentabteilung bzw. des Bundespatentgerichts sind durch den Untersuchungsgrundsatz legitimiert, der im Einspruchsverfahren ohne Rücksicht auf den Vortrag des Einsprechenden gilt, vgl. BGH, „Aluminium-Trihydroxid" in GRUR 1995, 333-337.
3. Patentfähigkeit
Der Einspruch hat teilweise Erfolg, weil er zu einer beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents geführt hat.
Als patentrechtlich zu definierenden Durchschnittsfachmann legt der Senat seiner nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau zugrunde. Dieser Durchschnittsfachmann ist bei einem Fahrzeughersteller oder -zulieferer mit der Entwicklung von Druckluftaufbereitungsanlagen für Fahrzeuge befasst und verfügt über mehre Jahre Berufserfahrung.
4. Zum Hauptantrag
Eine Druckluftaufbereitungseinrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 ergibt sich für den eingangs definierten Durchschnittsfachmann in Kenntnis des Standes der Technik gemäß D 5 und D 1 ohne erfinderische Tätigkeit.
Laut Abs. [0001] und [0003] der Streitpatentschrift ist eine Druckluftaufbereitungseinrichtung 10.1 (für Kraftfahrzeug-Druckluftanlagen) mit allen im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen aus der D 5 bekannt. Dem hat die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen. Neben einem Druckregler 26 und einem Lufttrockner 18 mit jeweils zugehörigen Ventilen sowie einem Mehrkreisschutzventil mit Überströmventilen 40.1 bis 40.5 ist gemäß D 5 eine elektronische Steuereinheit 57 zum Steuern der Ventile der Druckluftaufbereitungseinrichtung 10.1 vorgesehen, vgl. insb. Sp. 4 Z. 45 bis 67 i. V. m. Fig. 1. Außerdem verfügt die gattungsgemäße Druckluftaufbereitungseinrichtung noch über eine Ausgangsleitung 17.5, die zu einem Vorratsbehälter 37.5 für einen Luftfederkreis des Kraftfahrzeuges führt, vgl. insb. Sp. 5 Z. 14 bis 23. Über die Ausgangsleitung 17.5 wird der Luftfederkreis lediglich versorgt und abgesichert, jedoch nicht gesteuert. Die Steuerung des Luftfederkreises und die dazu erforderlichen Ventile sind demnach an einen anderen Ort und/oder in einem anderen Bauteil des Kraftfahrzeuges angeordnet. Auch dies bestreitet die Patentinhaberin nicht.
Wenn der eingangs definierte Durchschnittsfachmann mit der Aufgabe betraut wird, den baulichen Aufwand dieser bekannten Druckluftanlage eines Kraftfahrzeuges zu überprüfen und ggf. zu reduzieren, wird er sich zunächst im einschlägigen Stand der Technik nach entsprechenden Vorschlägen umsehen. Dabei kann er die D 1 nicht übersehen, denn diese Druckschrift setzt sich mit der bauaufwändigen dezentralen Anordnung verschiedener Bauteile und Steuereinrichtungen der Druckluftanlage eines Kraftfahrzeuges auseinander. Als besonders nachteilig wird in der Beschreibungseinleitung herausgestellt, dass sich bei einer dezentralen Architektur (Anordnung) von Bauteilen, beispielsweise einer Parkbremse, einer Luftfederanlage oder verschiedener anderer Nebeneinrichtungen, vermehrt elektrische Kontaktprobleme und/oder Undichtigkeiten der jeweiligen Druckluftleitungen ergeben können, vgl. insb. S. 3 Abs. 5 und 6. Zur Abwendung dieser Nachteile wird insbesondere eine Integration der Steuerung der Luftfederanlage eines Kraftfahrzeuges in die Steuerung 10 der Druckluftaufbereitungseinrichtung vorgeschlagen, vgl. insb. Anspruch 1. Ausdrücklich erfolgt die Steuerung der Luftfederanlage direkt durch die Druckluftaufbereitungseinrichtung und nicht durch eine spezifische funktionelle Einheit, die auf mehreren Stellen des Fahrzeugs auseinandergezogen ist, vgl. insb. S. 4 letzter Abs. bis S. 5 Abs. 1. Für den Fachmann liegt der Kerngedanke dieser Druckschrift somit auf der Hand: Bislang an verschiedenen Orten des Fahrzeuges verteilte Bauteile und deren Steuereinrichtungen sollen zusammengefasst und vorhandene Steuerungsintelligenz gemeinsam genutzt werden. Dieser „Zentralisierungsgedanke“ umfasst ausdrücklich sowohl die elektropneumatischen Steuerventile für die Luftfederanlage als auch die Steuereinrichtung selbst. Denn die entsprechenden Steuerventile sollen an das Gehäuse der Druckluftaufbereitungseinrichtung angeflanscht und von deren Steuereinheit 10 mitbetätigt werden, vgl. insb. S. 5 Z. 6 bis 11 und Z. 22 bis 25 i. V. m. Fig. 3. Die für eine Steuerung der Luftfederanlage notwendige Information über den Ist-Zustand der Luftfedern bzw. die Höhe des Fahrzeugaufbaus erhält die Steuereinheit 10 durch einen Höhensensor 34 der Luftfederungsanlage, mit dem die Steuereinheit 10 entweder direkt über eine Informationsleitung 35 oder über einen Informationsbus (Vielfachleitung 30) verbunden ist, vgl. insb. S. 12 Z. 21 bis 26 sowie S. 15 Z. 24 bis S. 16 Z. 8.
Indem der Durchschnittsfachmann die elektronische Steuereinheit 57 der Druckluftaufbereitungsanlage 10.1 auch zum Steuern von Ventilen des Luftfederkreises V ausbildet, gelangt er zum Gegenstand des Streitpatents. Dies erfordert lediglich die naheliegende Anwendung des aus der D 1 bekannten Zentralisierungsgedankens auf die gattungsgemäße Druckluftaufbereitungseinrichtung. Einer erfinderische Tätigkeit bedurfte es dazu nicht.
Die Patentinhaberin wendet dagegen ein, in Fig. 3 zeige die D 1 mit dem Elektroventil 27 eine Ventilkonfiguration, die ein Ablassen der Luft nicht ermögliche. Dies sei bei einer Luftfederungsanlage jedoch zwingend erforderlich. Daraus folgert sie, müsse eine Niveauregeleinheit oder eine entsprechende Steuereinheit der Luftfederungsanlage außerhalb der Druckluftaufbereitungseinrichtung vorgesehen werden. Von dieser Auffassung konnte sie den Senat allerdings nicht überzeugen. Denn die in Rede stehende Darstellung gemäß Fig. 3 erläutert nur beispielhaft, welche verschiedenen Bauteile die Module 13 bis 18 enthalten können, vgl. insb. S. 11 Z. 10 bis 16. Im Falle einer Parkbremse kann dies ein Elektroventil 27 sein, vgl. insb. S. 13 Z. 28 bis S. 14 Z. 6. Zur elektrischen Ventilansteuerung kann auch ein Relais in dem jeweiligen Modul enthalten sein, vgl. insb. S. 15 Z. 6 bis 9. Im Gegensatz zur Auffassung der Patentinhaberin sind diese Beispiele für den Fachmann jedoch nicht offenbarungsbeschränkend hinsichtlich des maßgeblichen Zentralisierungsgedankens der D 1. Denn diese Druckschrift weist den Fachmann ausdrücklich darauf hin, dass mit dem einen oder mehreren, an die Druckluftaufbereitungseinrichtung angeflanschten Modul 13 bis 18 nicht nur eine Versorgung/Speisung, sondern die Steuerung des pneumatischen Aufhängungssystems erfolgen soll, vgl. insb. S. 15 Z. 24 bis 26. Zu einer Steuerung gehört funktionsnotwendig aber nicht nur das Befüllen eines Luftfederbalges, sondern auch dessen Entlüftung. Am Beispiel einer Liftachse ist in der D 1 auf das Absenken, also das Entlüften einer Luftfeder zudem hingewiesen, vgl. insb. S. 16 Z. 18 bis 22.
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ist die Druckluftaufbereitungseinrichtung gemäß Patentanspruch 1 nicht patentfähig.
Mit ihr fallen die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10.
5. Zum Hilfsantrag
a) Die vorgenommenen Änderungen betreffen im Wesentlichen den Patentanspruch 1 und daraus folgende Anpassungen; sie sind unbestritten zulässig. In den geltenden Patentanspruch 1 sind zusätzlich die im erteilten Patentanspruch 8 enthaltenen Merkmale der streitpatentgemäßen Druckluftaufbereitungseinrichtung aufgenommen worden, wonach ein Vorsteuerventil vorgesehen ist, das einerseits Ventile des Druckreglers und/oder Ventile des Lufttrockners und/oder Ventile des Mehrkreisschutzventils und andererseits mindestens ein Ventil der Luftfederanlage steuert. Ursprünglich offenbart sind dies Merkmale auf S. 12, Anspruch 8 der Anmeldungsunterlagen.
b) Eine derart definierte Druckluftaufbereitungseinrichtung ist zweifellos gewerblich anwendbar und auch neu, weil eine Druckluftaufbereitungseinrichtung mit sämtlichen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik unbestritten nicht bekannt ist. Insbesondere zeigt der in Betracht zu ziehende Stand der Technik kein Vorsteuerventil, mit dem mehr als ein Ventil bzw. Ventilbetätigungsmittel gesteuert wird.
Die Druckluft-Versorgungseinrichtung gemäß D 5 verwendet Vorsteuerventile 44.1 bis 44.5 zur Schaltung der pneumatischen Ventilbetätigungsmittel 41
bis 66. Übereinstimmend mit der Beschreibung zeigen die Schaltpläne eindeutig, dass jedes Vorsteuerventil 44.1 bis 44.5 jeweils ein einziges Ventilbetätigungsmittel 41 bzw. 28 steuert und nicht mehrere. Die nunmehr beanspruchte Mehrfunktionalität eines Vorsteuerventils ist in der D 5 nicht offenbart.
Gleiches gilt für die Druckluftaufbereitungseinrichtung gemäß D 4, bei welcher
Magnetventile 38 bis 38´´´ zur Be- und Entlüftung des jeweiligen Rückraumes der Überströmventile 30 bis 30´´´ eines Mehrkreisschutzventils 3 zumindest in einer vorsteuerventilähnlichen Weise offenbart sind, vgl. insb. Sp. 2 Z. 9 bis 20 sowie Sp. 3 Z. 3 bis 9 i. V. m. vorstehender Fig. 3. Auch dabei ist jedem Überströmventil 30 bis 30´´´ ein einziges separates Magnetventile 38 bis 38´´´ zugeordnet, eine Mehrfunktionalität im streitpatentgemäßen Sinn folglich nicht offenbart.
Bei der Druckluftversorgungseinrichtung gemäß der im Prüfungsverfahren berücksichtigten DE 198 34 705 C2 aus dem Hause der Einsprechenden ist ein Vorsteuerventil 7 zur pneumatischen Steuerung eines Energiespar-Kompressors 1 vorgesehen, vgl. insb. Abs. [30] i. V. m. nachstehender Fig. 1. Auch dieses Vorsteuerventil 7 steuert nur ein einziges Überströmventil 11.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckluftaufbereitungseinrichtungen zeigen Vorsteuerventile unbestritten nicht.
D 1, D 2 und die im Prüfungsverfahren berücksichtigte Druckschrift DE 196 38 226 A1 offenbaren jeweils eine Druckluftbeschaffungsanlage mit einem Druckregler, einem Mehrkreisschutzventil und ggf. einem Lufttrockner, die gemeinsam mit einer Steuerelektronik in einem Gehäuse integriert sind, vgl. insb. die jeweiligen Figuren.
DE 41 11 023 C2 beschreibt keine Druckluftaufbereitungseinrichtung, sondern ein elektronisches Steuersystem für ein Fahrzeug, vgl. insb. Anspruch 1. D 3 befasst sich mit einem Verfahren zum Auffüllen einer Luftfeder mit dem Ziel, nur trockene Luft zum Auffüllen zu verwenden, vgl. insb. Abs. [0004] und Anspruch 1. In DE 101 25 204 A1 wird ein niveaugeregeltes Federungssystem derart weitergebildet, dass die Niveauregelung auch nach dem Abstellen eines Fahrzeuges aktivierbar ist, vgl. insb. Abs. [0006] und Anspruch 1.
c) Die Druckluftaufbereitungseinrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 des Hilfsantrags beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn sie ist durch den zu berücksichtigenden Stand der Technik weder angeregt noch ergibt sie sich daraus für den eingangs definierten Durchschnittsfachmann in selbstverständlicher Weise.
Den nächstkommenden Stand der Technik stellt zweifelsohne die D 5 in der Zusammenschau mit der D 1 dar, wie in Abschnitt 4 (zum Hauptantrag) ausführlich erläutert worden ist. Die erklärte Absicht der D 5 ist es, eine Druckluftversorgungseinrichtung zu schaffen, die an unterschiedliche Fahrzeug-Druckluftanlagen oder veränderte Betriebsbedingungen durch bloße Änderung der Software anpassbar ist, vgl. insb. Sp. 2 Z. 3 bis 8 sowie Sp. 7 Z. 63 bis Sp. 8 Z. 4. Entsprechend dieser Absicht ist die Hardware konfiguriert, beispielsweise wie in den vorstehenden Schaltplänen Figuren 1 und 2 gezeigt. Dabei ist für den Fachmann klar ersichtlich, dass die Zuordnung jeweils eines Vorsteuerventils 44.1 bis 44.5 zu jeweils einem Betätigungsventil für die Überström- bzw. Sicherheitsventile die hardwaremäßige Voraussetzung dafür ist, ein Maximum an unterschiedlichen Funktionalitäten rein programmtechnisch (z. B. durch Softwareupgrade) zu ändern. Jegliche gemeinsame Ansteuerung von Betätigungsventilen durch ein einziges Vorsteuerventil würde die technischen Variationsmöglichkeiten der Druckluftversorgungseinrichtung durch eine bloße Programmänderung einschränken und daher der Absicht der D 5 entgegenstehen. Aus diesem Grund kann die D 5 nicht sozusagen das Gegenteil ihrer erklärten Absicht nahelegen und zu einem Vorsteuerventil anregen, das einerseits Ventile des Druckreglers und/oder Ventile des Lufttrockners und/oder Ventile des Mehrkreisschutzventils und andererseits mindestens ein Ventil der Luftfederanlage steuert. Die gegenteilige Auffassung der Einsprechenden ist daher offensichtlich von der Kenntnis des beanspruchten Gegenstandes geprägt und konnte den Senat nicht überzeugen.
Die Berücksichtigung der übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen führt nicht näher zu dem Beanspruchten, auch nicht in Zusammenschau mit den vorstehend erläuterten Druckschriften D 5 und D 1. Denn aus ihrer jeweiligen Offenbarung geht eine Mehrfachnutzung eines Vorsteuerventils nicht hervor, vgl. insb. die Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 4. Folgerichtig kann sich dieses Merkmal für einen Fachmann somit nicht durch eine beliebige Zusammenschau einzelner oder mehrerer Entgegenhaltungen quasi aus dem Nichts einstellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass und/oder wodurch sich das in Rede stehende Merkmal für den Fachmann ohne Weiteres ergeben könnte. Einen entsprechenden Nachweis hat auch die fachkundige Einsprechende nicht erbracht.
Mithin ist die Druckluftversorgungseinrichtung des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag patentfähig.
Gleiches gilt für die in den geltenden, rückbezogenen Patentansprüchen 2 bis 9 enthaltenen Weiterbildungen dieser Druckluftversorgungseinrichtung.
6. Zu ihrem Hinweis auf die Entscheidung BGH „Informationsübermittlungsverfahren II“ in GRUR 2007, S. 862 hat die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung erläuternd ausgeführt, der Entscheidung sei zu entnehmen, das Bundespatentgericht dürfe das Patent grundsätzlich nur insoweit widerrufen, als die Widerrufsgründe reichen. Wenn sie also keinen Antrag stelle, folgert sie, müsse das Bundespatentgericht die Reichweite der Widerrufsgründe von sich aus feststellen und das Patent im ggf. verbleibenden Umfang beschränkt aufrechterhalten. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
a) Zunächst liegt ein solcher Fall hier nicht vor, denn die Patentinhaberin hat Anträge gestellt und zumindest hilfsweise beantragt, das Patent in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten. Diese Anträge sind maßgeblich und rechtfertigen grundsätzlich den Widerruf des Patents, wenn sich auch nur der Gegenstand eines Patentanspruchs aus dem vom Patentinhaber verteidigten Anspruchssatz als nicht patentfähig erweist, BGH „Elektrisches Speicherheizgerät“ in GRUR 1997, 120, 122.
b) § 34 Abs. 3 Nummer 3 fordert in einer Anmeldung zwingend die Formulierung mindestens eines Anspruchs, in dem angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Darauf aufbauend hat sich für das nachfolgende Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren eine Rechtsprechung gefestigt, die postuliert, es sei weder die Sache des Deutschen Patent- und Markenamts noch des Bundespatentgerichts zugunsten des Anmelders aus seinen Unterlagen einen patentfähigen Gegenstand gleichsam „herauszusuchen“, BGH „Elektrisches Speicherheizgerät“ a. a. O. Die in dieser Entscheidung vertretene Rechtsauffassung des BGH wird in der zitierten Entscheidung „Informationsübermittlungsverfahren II“ ausdrücklich fortgeführt, vgl. Leitsatz.
c) In der Begründung zu „Informationsübermittlungsverfahren II“ ist unter Hinweis auf das möglicherweise Fehlen eines Antrags der Patentinhaberin ausgeführt, daraus könne bei Vorliegen von zwei oder mehreren selbstständigen Ansprüchen, von denen sich einer als nicht rechtsbeständig erweist nicht geschlossen werden, die Patentinhaberin sei nicht (hilfsweise) auch mit der Aufrechterhaltung im Umfang eines weiteren selbstständigen Anspruchs einverstanden. Damit in Einklang steht zunächst die Senatspraxis, das Patent in seiner erteilten Fassung zur Prüfung zu stellen, falls die Patentinhaberin im Einspruchsverfahren keinen Antrag stellt. Außerdem betreffen diese Ausführungen ersichtlich nur ein Patent mit mehr als einem selbstständigen Anspruch. Für eine Ausweitung dieser Auffassung auf nicht selbstständige Ansprüche, wie es die Patentinhaberin offenbar verstanden wissen möchte, liefert die in Rede stehende Entscheidung daher keinen Grund. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Dispositionsbefugnis der Patentinhaberin für das Patent eingeschränkt werden soll, welche die ständige BGH-Rechtsprechung beispielsweise in „Elektrisches Speicherheizgerät“ a. a. O., „Verschlussvorrichtung für Gießpfannen“ in GRUR 1989, 103-105, oder „Skistockteller“ vom 22. Mai 1989, Az.: X ZB 6/88 (Juris) ausdrücklich bestätigt hat. Gegen die Annahme, der BGH wolle mit „Informationsübermittlungsverfahren II“ seine bisherige Haltung zur Dispositionsbefugnis der Patentinhaberin aufgeben, kann gelten, dass in den Gründen keinerlei Auseinandersetzung mit dieser bisherigen Rechtsprechung erfolgt ist.
d) Letztlich spricht auch ein pragmatischer Grund gegen die Vermutung der Patentinhaberin, es könne möglicherweise Sache der Patentabteilung oder des Bundespatentgerichts sein, im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren einen gegenüber dem Stand der Technik ggf. bestandsfähigen Rest des Patents festzustellen, bevor über das Patent entschieden wird. Denn bei einer Anzahl von n Patentansprüchen bestehen rein rechnerisch 2 n-1 Kombinationsmöglichkeiten der Patentansprüche untereinander. Bei 10 Patentansprüchen wie im vorliegenden Fall ergeben sich folglich 512 verschiedene Kombinationen. Sollte die Auffassung der Patentinhaberin durchgreifen, wäre bei diesen 512 Anspruchskombinationen die ggf. nicht vorhandene Patentfähigkeit zu begründen, bevor ein Widerruf erfolgen könnte. Dies würde die vorhandenen personellen Ressourcen der Patentbehörde und des Patentgerichts weit überfordern und die Rechtsprechung auf Jahre blockieren.