Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.11.2014


BPatG 13.11.2014 - 9 W (pat) 25/13

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Erlöschen des Patents


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
13.11.2014
Aktenzeichen:
9 W (pat) 25/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Großformat-Bogenoffsetdruckmaschine

Hat der Einsprechende im Zeitpunkt der fristgerecht eingelegten Beschwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung nicht gewusst und nicht wissen können, dass das angegriffene Patent vorher erloschen ist, und hat er kein Rechtsschutzinteresse an dem rückwirkenden Widerruf des Patents, so ist ihm die Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen zu erstatten.

Tenor

In der Einspruchsbeschwerdesache

betreffend das Patent 100 55 275

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. November 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dr.-Ing. Baumgart

beschlossen:

Das Einspruchsverfahren ist in der Hauptsache erledigt. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Gegen das am 8. November 2000 angemeldete Patent 100 55 276 mit der Bezeichnung „Großformat-Bogenoffsetdruckmaschine“, dessen Erteilung am 24. Dezember 2009 veröffentlicht wurde, hat die vormalige Einsprechende am 24. März 2010 schriftlich mit Begründung Einspruch erhoben. In der Anhörung im Einspruchsverfahren am 22. November 2012 hat die Patentabteilung 1.27 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) nach Beratung beschlossen und verkündet, dass das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten werde. Die schriftliche Begründung mit der der Überschrift „Beschluss“ ist von den bei der Anhörung anwesenden Mitgliedern der Patentabteilung am 17. bzw. 21. Mai 2013 mit einer gültigen Signatur versehen worden.

2

Gegen diesen Beschluss richtet sich die per Fax am 13. Juni 2013 eingegangene Beschwerde der jetzigen Einsprechenden, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge der insolvent gewordenen ursprünglichen Einsprechenden in das Verfahren nachgerückt ist. Sie hat „auf den Beschluss vom 13.05.2013 (hier eingegangen am 25.05.2013)“ mit folgenden Worten beantragt, „den genannten Beschluss aufzuheben und die Patenterteilung in der erteilten Fassung zu beschließen“.

3

Mit Schriftsatz vom 7. August 2013 hat der Rechtspfleger des Senats die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Patent durch Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen sei, und um Mitteilung gebeten, ob die Einsprechende ihre Beschwerde weiterverfolge; daraufhin hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 19. August 2013 erklärt, dass sie kein weiteres Rechtsschutzinteresse in dieser Sache geltend mache. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 4. September 2013 hat sie um Prüfung gebeten, ob die Gebühr für die Beschwerde, die erst nach Ablauf des Schutzrechts erhoben worden sei, zurückgezahlt werden könne, da die Aufgabe des Schutzrechts von ihr nicht erkannt worden sei.

4

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

5

1. Das Streitpatent ist gemäß der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG a. F. - sie galt bis zum 31. März 2014 - am 1. Juni 2013 wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen, nachdem die Patentinhaberin sie auch innerhalb der sechsmonatigen Nachfrist (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 PatKostG) bis zum 1. Juni 2013 nicht entrichtet hat. Nach dem Erlöschen besteht kein Interesse der Allgemeinheit mehr an einem Widerruf des Patents für die vorausgegangene Laufzeit. Denn das öffentliche Interesse ist lediglich darauf gerichtet, das Patentregister von zu Unrecht erteilten Patenten freizuhalten und damit die Öffentlichkeit zu schützen (vgl. BPatG GRUR 2010, 363 f. – Radauswuchtmaschine). Allerdings ist ein gegen ein Patent erhobener Einspruch weiterzuverfolgen, wenn der Einsprechende ein Rechtsschutzinteresse daran hat (vgl. BGH GRUR 2008, 279 Rn. 13 – Kornfeinung; GRUR 2012, 1071 Rn. 8 – Sondensystem). In der vorliegenden Einspruchssache hat der Einsprechende kein eigenes Rechtsschutzbedürfnis für einen rückwirkenden Widerruf geltend gemacht und ein solches ist auch nicht erkennbar. In einer solchen Situation ist das Einspruchsverfahren als erledigt zu erklären. Dies ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH GRUR 2012, 1071 - Sondensystem). Zwar lag dieser Entscheidung der Fall zugrunde, dass der Patentinhaber nach dem Verzicht auf das Patent zusätzlich gegenüber dem Einsprechenden erklärt hat, gegen diesen aus dem Patent auch für die Vergangenheit keine Ansprüche geltend zu machen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshof ist damit aber das Rechtsschutzbedürfnis des Einsprechenden, der nach der Freistellungserklärung nicht mehr mit einer Inanspruchnahme aus dem Patent rechnen müsse, für die Weiterverfolgung des Einspruchs entfallen (vgl. BGH a. a. O., S. 1072). Erklärt der Einsprechende im vorliegenden Fall von sich aus, dass er kein Rechtsschutzinteresse an der Fortsetzung des Einspruchsverfahrens habe, bedarf es keiner (zusätzlichen) Verzichtserklärung der Patentinhaberin mehr.

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Damit erledigt sich auch das Einspruchsbeschwerdeverfahren.

7

2. Zum förmlichen Abschluss des Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahrens und zur Klarstellung der Sach- und Rechtslage im Interesse der Verfahrensbeteiligten sowie Dritter ist die Erledigung des Einspruchsbeschwerdeverfahrens durch einen der förmlichen Rechtskraft fähigen Beschluss auszusprechen (vgl. dazu BGH a. a. O. - Sondensystem).

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3. Der sinngemäßen Anregung der Einsprechenden, ihr die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten, war stattzugeben.

9

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt nach § 80 Abs. 3 PatG in Betracht, wenn Billigkeitsgründe vorliegen, die das Einbehalten der Gebühr als ungerechtfertigt erscheinen lassen. Die Billigkeitsgründe können auf einer fehlerhaften Sachbehandlung durch das DPMA, auf dem Verhalten der Beteiligten oder auf sonstigen Gründen beruhen (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl. 2014, § 80 Rn. 112).

10

Solche sonstigen Gründe liegen hier vor.

11

Die Einsprechende hat die Begründung des am 22. November 2012 verkündeten Beschlusses erst eine Woche vor Ablauf des Patents, nämlich am 25. Mai 2013, erhalten, so dass gemäß § 73 Abs. 2 S. 1 PatG die Beschwerdefrist am 23. Juni 2013 ablief. Bis dahin konnte die Einsprechende jedoch nicht erkennen, ob die zur Aufrechterhaltung des Patents erforderliche Jahresgebühr (nach)gezahlt wurde oder nicht. Ein entsprechender Vermerk über deren Nichtzahlung ist lt. Angabe im Registerauszug am 19. September 2013 veröffentlicht worden. Der Rechtspfleger des Senats hat die Einsprechende über das Erlöschen mit Schriftsatz vom 7. August 2013 informiert. Von anderer Seite, etwa von der Patentinhaberin selbst, hat sie das Erlöschen des Patents auch nicht früher erfahren. Um ihr Rechtsmittel auf Überprüfung des Patents und die Herbeiführung einer ihr günstigeren Entscheidung, die sie vor Verletzungsklagen der Patentinhaberin wegen möglicher zukünftiger Verwendung der patentierten Erfindung schützen würde, nicht zu verlieren, war die Einsprechende aus ihrer Sicht gezwungen, die Beschwerde einzulegen, obwohl dies bei Einlegung objektiv nicht erforderlich gewesen war.

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Der Informationsmangel war auch kausal für die Beschwerdeeinlegung. Zwar kann mit einer Beschwerde des Einsprechenden nach Patentverzicht noch ein weitergehender Erfolg erzielt werden. Bei einem Widerruf des Patents werden nicht nur Ansprüche wegen zukünftiger Verletzungshandlungen ausgeschlossen, sondern auch wegen in der Vergangenheit liegender. Dies hat die Einsprechende aber ersichtlich nicht angestrebt. Denn sonst hätte sie auf Nachfrage nicht die Erklärung, dass sie insofern kein Rechtsschutzinteresse geltend mache, abgegeben, was zur Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache geführt hat.

13

Dem steht nicht entgegen, dass die Einsprechende in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 13. Juni 2013 wörtlich beantragt hat, „den genannten Beschluss aufzuheben und die Patenterteilung in der erteilten Fassung zu beschließen“. Ein derartiger Antrag der unterlegenen Einsprechenden ist angesichts der vollumfänglichen Aufrechterhaltung durch die Patentabteilung offensichtlich verfehlt. Er kann aber ohne weiteres als Antrag dahingehend ausgelegt werden, „das Patent in vollem Umfang zu widerrufen“. Denn nur bei einem angestrebten Widerruf wäre die Einlegung der Beschwerde erforderlich gewesen, zu der die Einsprechende in ihrem Beschwerdeschriftsatz auch eine Begründung angekündigt hatte.

14

In dieser Situation erfordert es die Billigkeit, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Der Einsprechenden kann es nicht zugemutet werden, Kosten für ein Rechtsmittelverfahren zu tragen, welches den erstrebten Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, weil dieser bereits vorher - ohne ihr Wissen - mit Erlöschen des Patents eingetreten ist.

15

Die Besserstellung der Einsprechenden im vorliegenden Fall ist auch gerechtfertigt gegenüber einem Einsprechenden, dessen Beschwerde ein Patent betrifft, welches möglicherweise nur kurz nach Ablauf der Beschwerdefrist wegen Nichtzahlung der Verlängerungsgebühr erlischt. Denn hier muss der Beschwerdeführer auch nach Ablauf der Beschwerdefrist damit rechnen, dass die Jahresgebühr noch entrichtet wird, womit sein Widerrufsantrag im Verfahren bleibt. Unterbleibt hingegen die Verlängerung oder verzichtet gar der Patentinhaber vorzeitig auf das Patent (was zum sofortigen Erlöschen führt), so muss der Einsprechende dieses Risiko tragen, weil insoweit dem Patentinhaber die Möglichkeit entsprechender Verfahrenserklärungen nicht entzogen werden darf.

16

Im vorliegenden Fall ergeben sich diese Gestaltungsmöglichkeiten der Patentinhaberin nicht mehr bzw. hat sie diese bereits unwiderruflich ausgeübt, so dass der später gestellte Widerrufsantrag jedenfalls für die Zukunft zum Scheitern verurteilt war.

17

Ob darüber hinaus die Beschwerdegebühr aus weiteren Gründen zurückzuerstatten gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Allerdings hätte auch der Umstand, dass die Begründung des am 21.November 2012 verkündeten Beschlusses der Patentabteilung erst nach fünf Monaten mit allen Unterschriften versehen bzw. signiert worden und damit der Beschluss mit einem Verfahrensmangel behaftet ist (vgl. dazu zuletzt BPatG GRUR 2014, 913 ff. ), die Zurückverweisung der Sache an die Patentabteilung gemäß § 79 Abs. 3 PatG rechtfertigen können, wobei dann auch zwangsläufig die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen gewesen wäre.