Entscheidungsdatum: 21.11.2016
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2007 039 419.7
…
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.- Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper und Dr.- Ing. Geier
beschlossen:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
I.
Die Anmelderin hat am 21. August 2007 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Nebenaggregat-Antriebssystem mit variabler Drehzahl für ein Hybridfahrzeug"
eingereicht.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2011 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 K des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, eingegangen am 18. April 2011. Außerdem hat sie den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gestellt. In der Beschwerdebegründung bemängelt sie, dass der Prüfer trotz veränderter Ansprüche die beantragte Anhörung mit der Begründung versagt habe, dass es sich nur um Klarstellungen gehandelt habe.
Vor der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Anmelderin, die mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und ihr Nichterscheinen zum anberaumten Termin angekündigt hat, mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016 unter Fristsetzung von zwei Wochen aufgefordert, die erforderliche Inlandsvertretervollmacht gemäß § 25 PatG für den Vertreter vorzulegen. Auf vorherige telefonische Nachfrage hatte der Vertreter dem juristischen Mitglied des Senats mitgeteilt, dass ihm eine solche nicht vorliege. Sie ist auch nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zwar statthaft, jedoch nicht im Übrigen zulässig. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört bei ausländischen Anmeldern und Beschwerdeführern die Vorlage einer Inlandsvertretervollmacht gemäß § 25 Abs. 1 PatG, die der Vertreter der ausländischen Beschwerdeführerin trotz wiederholter Aufforderung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingereicht hat.
Nach § 25 Abs.1 PatG kann, wer im Inland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat, an einem im Patentgesetz geregelten Verfahren vor dem Patentgericht nur teilnehmen und die Rechte aus einem Patent nur geltend machen, wenn er im Inland einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentgericht bevollmächtigt ist. Die Teilnahme beginnt mit der Vornahme der Verfahrenshandlung, die das betreffende Verfahren in Gang setzt; bei der Beschwerde, die auch zu den Verfahren nach § 25 PatG gehört, ist dies deren Einreichung (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG, 9. Aufl. 2014, § 25 Rdn. 19, 21).
Die ohne entsprechende Vertreterbestellung vorgenommenen Handlungen sind zwar nicht unwirksam, aber mit einem behebbaren Mangel behaftet. Wird der Mangel trotz Aufforderung nicht bis zur Entscheidung über die Beschwerde beseitigt, ist diese als unzulässig zu verwerfen (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O. Rdn. 42 e) m. w. N.; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl. 2016, § 25 Rdn. 48, 30; Busse/Engels a. a. O, § 73 Rdn. 134). Denn es handelt sich um eine zwingende Verfahrensvoraussetzung, die von Amtswegen zu berücksichtigen ist (vgl. BGH PlfPMZ 1969, 246). Der Mangel wird auch nicht durch eine allgemeine Prozessvollmacht behoben, weil diese nicht die Bestellung zum Inlandsvertreter umfasst (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., Rdn. 31).
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin, die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika und keine selbständige Niederlassung im Inland im Sinne von § 21 ZPO geltend gemacht hat, konnte daher am Verfahren nur teilnehmen, wenn sie die Bestellung eines Inlandsvertreters durch Vorlage einer Vollmacht nach § 25 PatG nachgewiesen hätte, was trotz Aufforderung nicht geschehen ist. Auf telefonische Nachfrage hat der Vertreter der Anmelderin erklärt, dass ihm keine solche Vollmacht vorliege. Nach schriftlicher Aufforderung vom 27. Oktober 2016, sie innerhalb von zwei Wochen dem Senat vorzulegen, ist keine entsprechende Vollmachtsurkunde bis zum Ende der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangt.
Im vorliegenden Fall konnte auf die Vorlage auch nicht verzichtet werden, weil hier ein Patentanwalt als Bevollmächtigter aufgetreten ist, der sich nach der vom 23. Senat vertretenen Auffassung (BPatGE 54, 276) auf die Privilegierung des § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG berufen könne, da sie vom Rechtsgedanken her auch auf die Vorlage der Inlandsvertretervollmacht anzuwenden sei. Wie der 20. Senat in einer späteren Entscheidung (BPatGE 55, 57 = GRUR RR 2016, 135 – Antennenanordnung) zu Recht und mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, geht § 25 Abs. 1 PatG als Spezialnorm der allgemeineren Regelung des § 97 Abs. 6 S. 2 PatG vor; deren Rechtsgedanke kann auch nicht herangezogen werden, weil dies im Widerspruch zur gesetzgeberischen Wertung stehen würde. Zum einen bestimmt § 97 PatG gleich in Abs.1 Satz 2, dass § 25 PatG unberührt bleibe. Zum andern ist mit der Änderung von § 25 PatG im Jahre 2001 unterstrichen worden, dass die Inlandsvertretervollmacht eine Bevollmächtigung mit einem besonderen Umfang darstellt; ob er vorliegt, kann nur nach Einreichung einer entsprechenden Urkunde geprüft werden, was dem Gericht von Amts wegen obliegt, da es sich um eine zwingende Verfahrensvoraussetzung handelt (s. o.). Auf die nähere Begründung des 20. Senats (GRUR RR 2016, 135), der sich der Senat in vollem Umfang anschließt, wird verwiesen. Im Übrigen wird auch in der Kommentarliteratur überwiegend vertreten, dass die Privilegierung von Anwälten durch § 97 Abs. 6 Satz 2 PatG nicht auf die Einreichung einer Inlandsvertretervollmacht auszudehnen ist (vgl. Schulte/ Püschel, a. a. O., § 97 Rdn. 5; Schulte/Rudloff-Schäffer a. a. O.; Busse/ Keukenschrijver, a. a. O. § 25 Rdn. 48, 30; Busse/Engels a. a. O, § 73 Rdn. 134; Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl. 2015, § 25 Rdn. 16 a. E.; wohl auch Fitzner/ Lutz/Bodewig, Patentrechtskommentar, 4. Aufl. 2012, § 25 Rdnrn. 19 und 27).
Nach alledem war die Beschwerde nach § 79 Abs. 2 PatG als unzulässig zu verwerfen, da sie mangels eines Nachweises über die Bestellung eines Inlandsvertreters unzulässig war.
Die Beschwerdegebühr ist nicht zurückzuerstatten.
Eine Rückzahlung gemäß § 812 BGB kommt nicht in Betracht, weil die Beschwerdegebühr verfallen ist. Sie ist fristgemäß gezahlt worden, so dass die Beschwerde wirksam eingelegt ist, unabhängig davon, ob die Beschwerdeerklärung rechtzeitig eingegangen und wirksam ist (Benkard/Schäfers/Schwarz, a. a. O. § 80 Rdn. 20).
Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen sieht der Senat keinen hinreichenden Anlass.
Der Entscheidung über die Rückzahlung der Gebühr nach § 80 Abs. 3 PatG steht nicht entgegen, dass mangels Inlandsvertreterbestellung kein entsprechender wirksamer Antrag gestellt worden ist. Denn über die Rückzahlung aus Billigkeitsgründen hat der Senat auch ohne Antrag, nämlich von Amts wegen zu befinden (Benkard/Schäfers/Schwarz, a. a. O. Rdn. 21 m. w. N., Schulte/Püschel, a. a. O. § 80 Rdn.111). Dies gilt auch für unzulässige oder zurückgenommene Beschwerden (vgl. Schulte/Püschel a. a. O. Rdn. 114).
Im vorliegenden Fall sieht der Senat aber nach Würdigung des Ablaufs des amtlichen Verfahrens noch keinen hinreichenden Grund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgesichtspunkten. Auch wenn man hier über die Sachdienlichkeit der Durchführung einer Anhörung unterschiedlicher Meinung sein kann, ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Beantragung durch die Anmelderin die damals geltende Fassung von § 46 PatG den Prüfer berechtigte, die beantragte Anhörung zurückzuweisen, wenn er sie nicht für sachdienlich hielt. Im angegriffenen Beschluss hat der Prüfer begründet, warum er die Sachdienlichkeit verneint hat, nämlich weil er in zwei vorangegangenen Prüfungsbescheiden Stellung genommen hatte und die vorgenommenen Änderungen für nicht erfindungswesentlich gehalten hat. Eine solche Einschätzung der Sachdienlichkeit ist nicht von vornherein als unangemessen einzustufen, zumal der Schriftsatz der Anmelderin vom 24. Januar 2011 dahingehend verstanden werden konnte, dass es sich bei den Änderungen weitgehend um Klarstellungen und Konkretisierungen gehandelt habe.
Unter diesen Umständen liegt nach Auffassung des Senats noch kein solch schwerwiegender Verfahrensverstoß vor, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gebieten würde.