Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.07.2014


BPatG 23.07.2014 - 9 W (pat) 23/08

Patentbeschwerdeverfahren – „Axiallüfter“ – zur Auslegung der Patentansprüche – unzulässige Erweiterung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
23.07.2014
Aktenzeichen:
9 W (pat) 23/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent DE 103 06 144

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dr.-Ing. Baumgart

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung des Einspruchs das am 14. Februar 2003 – unter Inanspruchnahme der Unionspriorität der japanischen Anmeldung 2002/38580 vom 15. Februar 2002 – angemeldete Patent mit der Bezeichnung

2

„Axiallüfter“,

3

dessen Erteilung am 29. Juni 2006 veröffentlicht wurde, nach Anhörung durch Beschluss vom 28. November 2007 widerrufen.

4

Gegen diesen beim DPMA am 26. Februar 2008 abgesandten und am 27. Februar 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 25. März 2008 – an diesem Tag beim DPMA auch per Fax eingegangen.

5

Lt. der Beschlussbegründung des DPMA war der innerhalb der Einspruchsfrist zunächst auf den Widerrufsgrund mangelnder Patentfähigkeit allein gerichtete Einspruch in zulässiger Weise erhoben worden und auch dahingehend erfolgreich, weil der Gegenstand des erteilten, einzigen Patentanspruchs nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit sei. Zudem hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand des erteilten, einzigen Patentanspruchs nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe – ausweislich der Beschlussbegründung hat die Einsprechende diesen Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung in der Anhörung am 28. November 2007 ergänzend geltend gemacht.

6

In der mündlichen Verhandlung stellte die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin den Antrag,

7

den Beschluss der Patentabteilung vom 28. November 2007 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Patent mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. August 2010 (beschränkt) aufrecht zu erhalten, weiter hilfsweise das Patent mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. August 2010 (beschränkt) aufrecht zu erhalten, weiter hilfsweise das Patent mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. August 2010 (beschränkt) aufrecht zu erhalten.

8

Des Weiteren regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an zu der Frage:

9

„Wenn der Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung dahingehend unklar ist, dass er aufgrund widersprüchlicher Angaben bei der Würdigung des Standes der Technik zwei gegensätzliche Auslegungen zulässt, von denen der Anmelder sich im Prüfungsverfahren durch Klarstellung in den Patentansprüchen auf eine Auslegung festgelegt hat, darf dann im Einspruchsbeschwerdeverfahren die andere Auslegung zugrunde gelegt werden und dann das Patent, gestützt auf § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG, wegen unzulässiger Erweiterung widerrufen werden, wenn der Einspruchsgrund der fehlenden Ausführbarkeit gem. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens in der 1. Instanz vor dem Deutschen Patent- und Markenamt war?“

10

Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin, stellte den Antrag,

11

die Beschwerde zurückzuweisen.

12

Hierfür hat sich die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung weiterhin auf den Widerrufsgrund unzulässiger Erweiterung berufen. Schriftsätzlich hatte sie auch noch wie im Einspruchsverfahren den Widerrufsgrund fehlender Patentfähigkeit geltend gemacht und darüber hinaus zu einer nach ihrer Auffassung „fehlenden Ausführbarkeit von Anspruch 1“ ausgeführt, demnach „einige Merkmale so unklar formuliert sind, dass der Fachmann nicht feststellen kann, wann er in den Schutzbereich des Anspruchs fällt und wann nicht“.

13

Der (einzige) Anspruch 1 des angegriffenen Patents lautet in der Fassung gemäß DE 103 06 144 B4:

14

„1. Axiallüfter mit einer Mehrzahl von Lüfterschaufeln, die in Umfangsrichtung in vorgegebenen Abständen angeordnet sind, wobei jede Lüfterschaufel im peripher umlaufenden Bereich eine Außenkante sowie bezogen auf die Drehrichtung des Lüfters eine Vorlauf- und eine Nachlaufkante aufweist und wobei die Außenkante im Bereich der Nachlaufkante einen umgeformten Teil aufweist, der durch Biegen der Außenkante in Gegenstromrichtung gebildet ist, so dass ein der Außenkante benachbarter Bereich der Schaufel mit einem radial weiter innen liegenden Bereich der Schaufel einen Winkel von 5˚-30˚ bildet und dazwischen ein Streifen (R) mit fließendem Übergang liegt, der sich durchgehend längs einer Linie (C) erstreckt, die von einer axialen Stelle α der Außenkante zu einer radialen Stelle β der Hinterkante verläuft, wobei α zwischen 0,8 bis 0,2 A sowie β zwischen 0,5 bis 0,1 B liegt, wenn mit A die Sehnenlänge zwischen Hinterkante und Vorderkante der Schaufel und mit B die radiale Erstreckung der Schaufel bezeichnet wird.“

15

In der mündlichen Verhandlung wurde u. a. auf die den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung wiedergebende Offenlegungsschrift

16

A1: DE 103 06 144 A1,

17

hierzu die entsprechenden Priounterlagen

18

P1: JP 2002-038580,

19

weiter die im Prüfungs- und Einspruchsverfahren berücksichtigten Druckschriften

20

D1: DE 34 12 916 A1 und D2: JP – A-4-86399 (Abstract), ergänzt im Beschwerdeverfahren durch die D2a: DE 41 24 891 A1 gleichen Inhalts,

21

sowie die Streitpatentschrift

22

SP: DE 103 06 144 B4

23

Bezug genommen, darüber hinaus auf die Prüfungsbescheide und schriftsätzlichen Erwiderungen der Patentinhaberin im Prüfungsverfahren hierauf.

24

Wegen des Wortlauts der Ansprüche nach den Hilfsanträgen und wegen weiterer Einzelheiten einschließlich des schriftsätzlichen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten auch im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren wird auf die Akte verwiesen.

II.

25

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, was auch nicht bestritten wurde. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass der patentgemäß beanspruchte Gegenstand Inhalt der ursprünglichen Anmeldung war. Der bereits im Einspruchsverfahren geltend gemachte Widerrufsgrund unzulässiger Erweiterung im Sinne des § 21 (1) Nr. 4 PatG erweist sich als durchgreifend.

26

1. Das erteilte Patent – wie auch die Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung – betrifft einen Axiallüfter mit umlaufenden Lüfterschaufeln zur Erzeugung einer Flüssigkeitsströmung, wenn das die Lüfterschaufeln tragende Nabenelement gedreht wird. Erfindungswesentlich in Kombination soll eine spezielle Ausgestaltung der Schaufelspitzen sein, der eine Verbesserung des Wirkungsgrades zugeschrieben wird.

27

Als für die Konstruktion derartiger Axiallüfter zuständiger Fachmann ist ein auf dem Gebiet der Lüftertechnik tätiger Maschinenbauingenieur angesprochen, der über erweitertes theoretisches Wissen im Bereich der Strömungsmechanik bzw. technischen Strömungslehre verfügt.

28

Das Verständnis des Fachmanns ist gleichermaßen Maßstab für die Auslegung der Patentansprüche, deren Sinngehalt im Lichte der Patentbeschreibung zu bestimmen ist, wie für die Ermittlung des Offenbarungsgehalts der Unterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung. Bei der Beurteilung des Inhalts der Anmeldung haftet der Fachmann zwar nicht am Wortlaut der Beschreibung oder der etwaigen Unvollkommenheit einer Zeichnung. Er orientiert sich vielmehr an dem Sinn, der ihm aus der Gesamtheit der Unterlagen vermittelt wird. Bei der Auslegung wird sich der Fachmann daher auch von der Aufgabe, den geschilderten Vor- und Nachteilen, der behaupteten Wirkungen und dem angestrebten Zweck und auch dem ihm bekannten oder in der Anmeldung mitgeteilte Stand der Technik leiten lassen. Allerdings ist der Gegenstand der Anmeldung wie des Patents objektiv zu bestimmen, es kommt nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Anmelders bzw. Patentinhabers an. Für eine Auslegung ist dann kein Raum, wenn die Aussagen in der Anmeldung bzw. dem Patent nach Wortlaut und Zweck eindeutig sind – eine eindeutige Offenbarung kann nicht abweichend interpretiert werden.

29

Allerdings gehört zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung im Zusammenhang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, nicht hingegen einer weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann.

30

Von daher liegt eine unzulässige Erweiterung dann vor, wenn der Gegenstand des Patents für den Fachmann in der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennbar ist.

31

1.1 Zum Gegenstand des Patents

32

Mit dem erteilten Anspruch 1 ist ein Axiallüfter unter Schutz gestellt, bei dem jede Lüfterschaufel

33

A) im peripher umlaufenden Bereich eine Außenkante sowie bezogen auf die Drehrichtung des Lüfters eine Vorlauf- und eine Nachlaufkante aufweist,

34

B) wobei die Außenkante im Bereich der Nachlaufkante einen umgeformten Teil aufweist,

35

C) der umgeformte Teil ist hierbei durch Biegen der Außenkante in Gegenstromrichtung gebildet,

36

D) so dass ein der Außenkante benachbarter Bereich der Schaufel mit einem radial weiter innen liegenden Bereich der Schaufel einen Winkel von 5˚-30˚ bildet und dazwischen ein Streifen (R) mit fließendem Übergang liegt, der sich durchgehend längs einer Linie (C) erstreckt, die von einer axialen Stelle α der Außenkante zu einer radialen Stelle β der Hinterkante verläuft.

37

Dem Fachmann erschließt sich aus dem Anspruchswortlaut, d. h. dem Merkmal A noch unmittelbar, dass die Vorlaufkante, d. h. die in Drehrichtung vorauseilende Kante (im Absatz 0019 der SP auch vordere Kantenseite bezeichnet) einer zum Zwecke der Erzeugung der Luftströmung gebogenen bzw. schräg gegenüber der Nabe ausgerichteten Lüfterschaufel der Saugseite zugewandt ist, während die Nachlaufkante (a. a. O. der SP auch rückwärtige Kantenseite bezeichnet) der Druckseite zugewandt ist. Bei der Außenkante handelt es sich insoweit um die die jeweilige Lüfterschaufel radial auswärts in ihrer Längenerstreckung begrenzende Kante, die den Außendurchmesser des Axiallüfters maßgeblich bestimmt.

38

Prinzipbedingt ist die Richtung der von einem Axiallüfter erzeugten, axial gerichteten Luftströmung, bei der Luftmassen von der Saugseite zur Druckseite hin gefördert werden, durch die Drehrichtung und Schaufelstellung bzw. Wölbung vorbestimmt.

39

Der Ausdruck „Gegenstromrichtung“ im Merkmal C legt dem Fachmann bereits von der Begrifflichkeit her und somit dem ersten Anschein nach ein Verständnis nahe, dass die Aufbiegung des umgeformten Teils zur Saugseite – entgegen der Strömungsrichtung – hin gerichtet sein soll.

40

Die Beimessung dieses Sinngehalts bei der Bestimmung des durch den geltenden Anspruch Beanspruchten steht auch im Einklang mit der Beschreibung: Diese verweist den Fachmann im Absatz 0020 – und nur an dieser Stelle – allein auf die Figuren 2 und 3, demnach der gebogene Abschnitt, „wie in Fig. 2 und Fig. 3 gezeigt, durch Biegen der Schaufel in Gegenstromrichtung entlang der Linie C […] ausgebildet“ ist (Unterstreichungen hinzugefügt). Weil die Außenkante entsprechend Merkmal C im Bereich der Nachlaufkante einen umgeformten Bereich aufweisen soll, schließt der Fachmann unmittelbar, dass es sich bei der in der Figur 2 links dargestellten Körperkante um die Nachlaufkante (Hinterkante) handelt. Hierbei unterstellt der Fachmann der Figur 2 aufgrund des eingetragenen Drehrichtungspfeils und im Zusammenhang mit der Figur 3 zwangsläufig die Darstellung in einer Draufsicht auf einen Lüfterflügel bei Betrachtung in Richtung der Druckseite von der Saugseite her. Denn der Fachmann ist bei der Deutung der Darstellung der zur Bestimmung der Biegerichtung hinreichenden Figur 3 – nur diese zeigt in einer Schnittdarstellung eine Richtung der Abbiegung – auf die durch die Pfeile an der Schnittebenenhilfslinie III-III ausreichend und eindeutig vorgegebene Blickrichtung gebunden. In Übereinstimmung mit dieser Vorgabe zeigt die Figur 3 dem Fachmann plausibel dann eine Biegung „in Gegenstromrichtung“ entsprechend einer Abbiegung aus der Zeichnungsebene der Figur 2 zum Betrachter hin nach vorne - also zur Saugseite – heraus, wenn auch die Vorderkante der Lüfterschaufel dem Betrachter zugewandt ist und die Hinterkante demgegenüber zurücksteht.

Abbildung

41

Figur 2 aus SP

42

(bereinigt, Kantenbezeichnung ergänzt)

Abbildung

43

< Druckseite Saugseite >

44

Figur 3 aus SP

45

(Richtungsangaben ergänzt)

46

Diese Erkenntnis zum Bedeutungsgehalt des Merkmals C steht auch im Einklang mit den Angaben im Absatz 0002 der Beschreibung, demnach die Gegenstromrichtung eines den Wirkungsgrad verschlechternden „Rückstroms“ von der Druck- zur Saugseite, also entgegen der Förderrichtung weist.

47

Mithin ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 vom Fachmann aus den eine Ausführungsform der Erfindung betreffenden Angaben in der Patentschrift bereits nach Wortlaut und Zweck eindeutig, d. h. widerspruchsfrei identifizierbar als ein Axiallüfter, bei dem ein Abschnitt der Lüfterschaufel im Bereich der durch die Nachlauf- und Außenkante begrenzten Schaufelspitze zur Saugseite des Axiallüfters hin gebogen ist.

48

1.2 Zum Offenbarungsgehalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung im Vergleich

49

Aufgrund des Inhalts der Anmeldungsunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung musste der Fachmann zu einer anderen Erkenntnis hinsichtlich der Ausrichtung der Biegung der Schaufelspitze beim Anmeldungsgegenstand gelangen. Im Prüfungsverfahren wurden nicht nur die ursprüngliche Beschreibung des Ausführungsbeispiels und die ursprüngliche Darstellung der Figur 2 geändert, sondern nach den Vorgaben der Patentinhaberin auch ein vollständig überarbeiteter Einleitungsteil der Beschreibung (Absätze 0001 bis 0005 in der A1 und SP) der Patenterteilung zugrunde gelegt.

50

In der bezogenen, anmeldungsgemäßen Figur 2 sind die – für die Umsetzung der Darstellung in Figur 3 zur Bestimmung der als erfindungswesentlich herausgestellten Biegerichtung maßgeblichen – Richtungspfeile an der Schnittlinie III-III entgegen der in der patentgemäßen Figur 2 dargestellten Richtung eingetragen. Diese weisen in der zusammen mit den Anmeldungsunterlagen eingereichten Figur 2 - die insoweit mit der in den Prioritätsunterlagen gemäß P1 enthaltenen Figur 2 übereinstimmt – jedoch zur rückwärtigen bzw. hinteren Kante (Nachlaufkante) hin, während in der korrespondierenden Figur 2 des Patents die Pfeile zur Vorderkante (Vorlaufkante) der Lüfterschaufel weisen. Die ursprüngliche zeichnerische Darstellung der Figur 3 entspricht unverändert der in der Patentschrift in Bezug genommenen Figur 3.

Abbildung

51

Figur 2 aus A1 (bereinigt)

Abbildung

52

Figur 2 aus P1

53

Für die Bedeutung der im Absatz 0016 der A1 – wortidentisch mit dem vorstehend in Bezug genommenen Absatz 0019 der SP – verwendeten Begriffe „vordere“ bzw. „rückwärtige Kantenseite“ konnte zwanglos das gleiche Verständnis durch den Fachmann zur Bestimmung der Drehrichtung der in Figur 2 ohne Drehrichtungspfeil dargestellten Schaufel vorausgesetzt werden.

54

Zur Ermittlung der prinzipbedingt von der Schaufelausrichtung bzw. - wölbung bei vorgegebener Drehrichtung abhängigen Biegerichtung der Schaufelspitze bei einem anmeldungsgemäßen Axiallüfter als dessen wesentliches Erfindungsmerkmal war der Fachmann indes ebenfalls auf die Beschreibung und die Darstellungen der darin in Bezug genommenen Figuren angewiesen.

55

Der dem Absatz 0020 in der SP korrespondierende Absatz 0017 in der A1 ist insoweit ähnlich formuliert: „Der gebogene Abschnitt 2a ist, wie in Fig. 2 und 3 gezeigt, durch Biegen der Schaufel entlang der Linie C […] mit einer glatten Rundung R lüfteraufwärts ausgebildet“ (Unterstreichung hinzugefügt). Der in den Anmeldungsunterlagen verwendete Ausdruck „lüfteraufwärts“ ist allerdings weder ein belegter Fachausdruck, noch kann der Fachmann aus den Wortbestandteilen auf die gewollte Biegerichtung zurückschließen – anders als bei dem im Patent verwendeten Ausdruck „in Gegenstromrichtung“, der weder in diesem Absatz noch an anderer Stelle der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung enthalten ist. Auch die Darstellungen in den bezogenen Figuren 2 und 3 können keinen Beitrag zur Bestimmung des Sinngehalts des Ausdrucks „lüfteraufwärts“ durch den Fachmann leisten; die durch die eingezeichnete Biegelinie als solche ausgewiesene „rückwärtige Kantenseite“ (vgl. Abs. 0016 in der A1) kann aus der Zeichnungsebene hervorstehen oder gegenüber dieser zurückstehen.

56

Die in sich widersprüchlichen Angaben im Absatz 0002 der A1, demnach die ja bestimmungsgemäß durch einen Axiallüfter hindurch geführte Flüssigkeit einerseits „lüfteraufwärts“ strömt, andererseits den Wirkungsgrad herabsetzen soll, helfen dem Fachmann bei der Bestimmung der Bedeutung des Ausdrucks „lüfteraufwärts“ von daher nicht weiter. Denn die Verdrängung eines Fluids von der Saug- zur Druckseite ist Zweckbestimmung eines Axiallüfters und nicht dessen Problem, eine entsprechende Strömung ist bei dessen Drehung gerade zu erzielen und nicht zu vermeiden.

57

Der Fachmann musste daher zur näheren Bestimmung des Anmeldungsgegenstandes auf den in der Anmeldung mitgeteilten Stand der Technik nach D2 zurückgreifen. Diese Druckschrift soll nach den Angaben in den Absätzen 0002 bis 0004 der A1 einen Axiallüfter mit „dreieckigen Radialbauelementen“ an den Lüfterschaufeln offenbaren. Diese „Radialbauelemente“ sollen dort durch „lüfteraufwärts“ gerichtetes Biegen eines Teils der Lüfterschaufelspitze gebildet sein und dort bereits zur Beeinflussung der Flüssigkeitsströmung im Sinne einer Verbesserung des Lüfterwirkungsgrades ausgestaltet sein.

58

Die Überprüfung der D2 (in Gestalt des Abstracts, vgl. auch Figur 1 in D2a) durch den Fachmann ergibt wegen der eindeutigen zeichnerischen Darstellung und Bezugnahme in der korrespondierenden, unmissverständlichen Beschreibung dort, dass den gezeigten dreieckigen Radialbauelemente 15 („centrifugal component element 15“) die Beeinflussung einer den Wirkungsgrad verringernden Rückströmung („back flow“) zugeschrieben ist. Auf die Richtung des demgegenüber vorwärts durch den Lüfter geführten Fluids schließt der Fachmann dort unmittelbar aus der Eintragung der Drehrichtung und der in der perspektivischen Darstellung erkennbaren Ausrichtung der Lüfterschaufeln, deren Vorderkanten wiederum zwangsläufig die Saugseite definieren. Somit weisen dort nicht nur die jeweils das besagte Radialbauelement 15 aufweisenden Hinterkanten der Lüfterschaufeln eindeutig zur Druckseite hin. Insbesondere sind somit dort auch die die Strömung im Sinne einer Wirkungsgradverbesserung verbessernden Radialbauelemente 15 zur Druckseite hin und somit in Förderrichtung des Fluids ausgerichtet.

Abbildung

59

Inhalt der D2

60

Aus Vorstehendem folgt, dass der Fachmann dem in der Anmeldung zur Umschreibung der Biegerichtung verwendeten Ausdruck „lüfteraufwärts“ zwangsläufig den Sinn einer Biegung des maßgeblichen Teils der Lüfterschaufeln in Strömungsrichtung zur Druckseite hin – und nicht zur Saugseite hin – unterstellt.

61

Diese Auslegung musste dem Fachmann wiederum auch im Hinblick auf die lt. der Beschreibung den Sachverhalt in der Anmeldung verdeutlichenden Figuren 2 und 3 plausibel erscheinen. Denn so wie bei dem Lüfter gemäß der Darstellung in D2 die in Drehrichtung vordere Kantenseite auch gleichsam der Saugseite zugewandt ist, zeigt die Figur 3 bei der gleichen Annahme dieser Ausrichtung der Lüfterschaufeln für die Darstellung in Figur 2 der Anmeldungsunterlagen – bei Beachtung der durch die die Figur 2 vorgegebene Blickrichtung auf die Schnittebene III–III – eine Biegung des zur Strömungsbeeinflussung vorgesehenen, abgebogenen Abschnitts 15 in Strömungsrichtung zur Druckseite hin.

62

Weil die D2 einen Lüfter mit zwei durchgehenden, von der Hinterkante der Lüfterschaufel ausgehenden Biegelinien zeigt, wobei neben dem Radialbauelement 15 zwar noch ein entgegen der Strömungsrichtung ausgerichteter Hilfsabschnitt („auxiliary member 14“) vorgesehen ist, dem die D2 allerdings gerade keine strömungsbeeinflussende Wirkung beimisst, musste der Fachmann den Erfindungsgedanken beim Anmeldungsgegenstand zwangsläufig darin sehen, eine Lüfterschaufel mit nur einem einzigen und entlang nur einer einzigen Biegelinie in Strömungsrichtung „lüfteraufwärts“ randseitig abgebogenen Teil (mit in der Anmeldung noch näher definierten Abmessungen) zu versehen, wie dies auch im Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung gemäß A1 (ähnlich Merkmal D beim erteilten Anspruch 1) Niederschlag gefunden hat.

63

Diese Auslegung entspricht auch im Übrigen dem Sinn, die dem Fachmann aus der Gesamtheit der Unterlagen vermittelt wird. So konnte der Fachmann entsprechend dem angegebenen Zweck bzw. der zugeschriebenen Wirkung die Erfolgserwartung haben, dass auch bei einem nur einfach in Strömungsrichtung „lüfteraufwärts“ i. S. d. D2 abgebogenen Teil der Lüfterschaufel die Flüssigkeitsströmung an der rückwärtigen Kantenseite der Schaufelspitze verbessert wird (vgl. Absätze 0005 und 0027 in A1).

64

2. Zur Zulässigkeit des geltenden Patentanspruchs 1

65

Aus vorstehenden Ausführungen zum Inhalt der ursprünglichen Unterlagen und zum Gegenstand des Patents gemäß geltendem Anspruch 1 folgt, dass dessen Gegenstand hinsichtlich der Biegerichtung der Schaufelspitze geändert wurde. Hierdurch wurde eine Erfindung, nämlich ein Axiallüfter mit einer in Strömungsrichtung des geförderten Fluids gebogenen Schaufelspitze, durch eine andere Erfindung, nämlich einen Axiallüfter mit einer entgegen der Strömungsrichtung des geförderten Fluids gebogenen Schaufelspitze ersetzt. Die patentgemäße Ausführung eines Axiallüfters konnte der Fachmann hierbei der ursprünglichen Offenbarung auch nicht als mögliche Ausgestaltung entnehmen. Aufgrund der vorstehend aufgezeigten Änderungen wird mit dem Patent erstmals ein Gegenstand definiert, der nicht Inhalt der ursprünglichen Anmeldung war.

66

Soweit die Patentinhaberin meint, im Prüfungsverfahren sei eine offensichtliche Unrichtigkeit berichtigt worden, verkennt sie, dass ein technischer Sachverhalt nur dann berichtigungsfähig ist, wenn der Fehler für den Fachmann klar erkennbar ist und sich ihm seine Richtigstellung aus dem Gesamtinhalt der Offenbarung ohne Weiteres aufdrängt. Hierfür hätte indes die Berichtigung derart offensichtlich sein müssen, dass sofort erkennbar ist, dass nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen ist. Im vorliegenden Fall war jedoch ein Fehler nicht offensichtlich erkennbar, vielmehr ist der Patentgegenstand das Ergebnis weitergehender Erkenntnisse, zu der der Fachmann nur durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen konnte. Denn die bloße Klarstellung missverständlicher Angaben zum Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung (Abs. 0002 der A1 bzw. 0002 der SP) der hier zugrundeliegenden Anmeldungsunterlagen ändert nichts am Offenbarungsgehalt des vom Fachmann im vorliegenden Fall für die Bestimmung des Inhalts der Anmeldung zwingend zu berücksichtigenden Standes der Technik gemäß D2. Im Übrigen darf eine Berichtigung einer Anmeldung keinen Inhalt geben, den sie für einen Fachmann am Anmeldetag nicht hatte. Gerade auch die Änderung der Figur 2 im Verlauf des aktenkundigen Gangs des Prüfungsverfahrens belegt (vgl. Schriftsatz vom 21. November 2005), dass die Patentinhaberin dem ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstand nachträglich eine entgegengesetzte Ausrichtung der Biegung der Schaufelspitze zu schreiben wollte. So hatte sie einer anmeldungsgemäß ausgeführten Lüfterschaufel aus subjektiver Sicht zunächst selbst eine Ausführung der Biegung in Strömungsrichtung – entsprechend dem objektiv ermittelten Inhalt wie vorstehend ausgeführt – als gewollt unterstellt (vgl. Schriftsatz vom 25. Juni 2004), wie diese auch beim im Prüfungsverfahren zunächst entgegengehaltenen Stand der Technik gemäß D1 (vgl. dort Figur 3, die einen zur Druckseite mit seiner Hinterkante 13 ausgerichteten Lüfterflügel zeigt) in ähnlicher Weise verwirklicht ist.

67

3. Zum Gegenstand der Hilfsanträge 1 bis 3

68

Die zur hilfsweisen Verteidigung des Patents vorgelegten Anspruchsfassungen enthalten jeweils das unzulässig erweiternde Merkmal C, demnach der umgeformte Teil durch Biegen der Außenkante in Gegenstromrichtung gebildet sein soll. Somit gelten vorstehende Ausführungen zur Zulässigkeit des einen ähnlichen Gegenstand definierenden Anspruchs 1 in der erteilten Fassung sinngemäß. Der Widerrufsgrund unzulässiger Erweiterung im Sinne des § 21 (1) Nr. 4 PatG erweist sich auch insoweit als durchgreifend.

69

4. Da mit keinem der Hilfsanträge ein gewährbarer Patentanspruch 1 vorlag bzw. vorgelegt wurde, teilen die jeweils rückbezogenen Unteransprüche dessen Schicksal, da den Anträgen der Beschwerdeführerin insoweit nicht als Ganzes stattzugeben war.

70

5. Die von der Beschwerdeführerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde zur von ihr aufgeworfenen Fragestellung war nicht veranlasst.

71

Weder war der Widerrufsgrund unzureichender Offenbarung für die Ausführung der Erfindung durch den Fachmann gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG – soweit von der Beschwerdegegnerin in diesem Sinne noch schriftsätzlich im Beschwerdeverfahren geltend gemacht – Gegenstand der mündlichen Verhandlung noch für die Begründung zu berücksichtigen. Auch war kein Raum für eine Feststellung, dass die Angaben in der Patentanmeldung zwei gegensätzliche Auslegungen zulassen. Im Übrigen hat die Auslegung des Patents und die Ermittlung des Inhalts der Anmeldungsunterlagen nach objektiven Kriterien zu erfolgen und orientiert sich nicht nach einer subjektiv empfundenen Festlegung des Anmelders bzw. Patentinhabers.

72

Gesichtspunkte, die eine Zulassung der Rechtsbeschwerde im vorliegenden, die Rechtsprechungspraxis zur Ermittlung des Inhalts einer Anmeldung und zur Auslegung eines Patents berücksichtigenden Fall aus Gründen der Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheinen lassen könnten, hat weder der Gang der Verhandlung noch das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten im Einzelnen erkennen lassen.