Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.03.2012


BPatG 22.03.2012 - 8 W (pat) 4/11

Einspruchsverfahren – Anhörung im Prüfungsverfahren – keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
22.03.2012
Aktenzeichen:
8 W (pat) 4/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 198 32 288.7-14

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Zehendner sowie die Richter Dr. agr. Huber, Kätker undDipl.-Ing. Rippel

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 21 K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Mai 2007 aufgehoben und das Patent 198 32 288 erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselementes

Anmeldetag: 17. Juli 1998

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 - 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2012,

Beschreibung, Spalten 1 - 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2012,

Zeichnungen, Figuren 1 - 3 gemäß Offenlegungsschrift.

Gründe

1

I.    

2

Die Patentanmeldung 198 32 288.7-14 ist am 31. Oktober 2003 beim Patentamt angemeldet und nach zwei negativ gehaltenen Prüfungsbescheiden von dessen Prüfungsstelle für Klasse B 21 K mit Beschluss vom 21. Mai 2007 zurückgewiesen worden, weil der Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der EP 210 268 B1 (D1) nicht patentfähig sei.

3

Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin am 3. September 2007 Beschwerde eingelegt.

4

Sie hat in der mündlichen Verhandlung neu gefasste Patentansprüche 1 bis 3 sowie angepasste Beschreibungsunterlagen eingereicht.

5

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, die von der Prüfungsstelle entgegengehaltenen Druckschrift nach der D1 liege schon deshalb weiter ab vom anmeldungsgemäßen Verfahren, weil sie bereits kein Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselements zum gasdichten Verbinden von Abgasleitungen aufzeige. Insbesondere sei der Druckschrift 1 allenfalls ein einziger Gesenkschmiedevorgang, jedoch kein zweistufiger Schmiedevorgang mit einer dazwischen stattfindenden Drehbearbeitung zu entnehmen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei nach Auffassung der Beschwerdeführerin geboten, weil die Prüfungsstelle trotz mehrfachen Antrags keine Anhörung durchgeführt habe.

6

Die Anmelderin stellt den Antrag,

7

den angefochtenen Beschluss aufzuheben

8

und das Patent mit der Bezeichnung „Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselementes“ und mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

9

Ansprüche 1 - 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

10

Beschreibung Spalten 1 - 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

11

Zeichnung Fig. 1 - 3 gemäß Offenlegungsschrift.

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Weiter regt sie an, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

13

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

14

„Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselements zum gasdichten Verbinden von Abgasleitungen, insbesondere eines Abgaskrümmers mit einem nachfolgenden Abgasrohr, mit einem Flanschteil (1) mit einer ersten Gasdurchtrittsöffnung (3), welche einen ersten freien Querschnitt (a) aufweist, und einem mit dem Flanschteil (1) verbundenen Rohrstutzen (2) mit einer zweiten, an die erste Gasdurchtrittsöffnung (3) anschließenden Gasdurchtrittsöffnung (4), deren freier Querschnitt (b) sich in Gasdurchtrittsrichtung (1) ändert, dadurch gekennzeichnet,

15

dass der Flanschteil (1) mit einem den Rohrstutzen (2) bildenden Rohransatz als einstückiges Schmiedeteil hergestellt wird, dass der Rohransatz (2) anschließend auf den gewünschten freien Querschnitt verformt wird und dass eine anschließend auf den gewünschten freien Querschnitt (b) des Rohransatzes (2) zu verformende Vorform des einstückigen Verbindungselementes durch Drehbearbeitung mit einheitlichem freiem Querschnitt aus einer geschmiedeten Rohform hergestellt wird.“

16

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 und 3 wird auf die Akten Bezug genommen.

17

Im Prüfungsverfahren ist ferner noch die Druckschrift DE 196 42 692 C2 in Betracht gezogen worden.

II.

18

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

19

Sie ist in der Sache auch begründet, denn der Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.

20

2. Der Anmeldungsgegenstand betrifft nach seinem geltenden Anspruch 1 ein Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselementes zum gasdichten Verbinden von Abgasleitungen, insbesondere eines Abgaskrümmers mit einem nachfolgenden Abgasrohr, mit einem Flanschteil und einer ersten Gasdurchtrittsöffnung, welche einen ersten freien Querschnitt aufweist, und einem mit dem Flanschteil verbundenen Rohrstutzen mit einer zweiten, an die erste Gasdurchtrittsöffnung anschließenden Gasdurchtrittsöffnung, deren freier Querschnitt sich in Gasdurchtrittsrichtung ändert.

21

Bei herkömmlichen Verfahren zur Herstellung derartiger Verbindungselemente werde nach den Ausführungen im Absatz [0002] der geltenden Beschreibungseinleitung der Flanschteil als Schmiedeteil gefertigt und der Rohrstutzen aus einem Rohrstück hergestellt. Das Rohrstück könne durch Kaltverformung den gewünschten Querschnittsverlauf mit einem geringeren freien Öffnungsquerschnitt auf der Anschlussseite zum Flanschteil und einem größeren Öffnungsquerschnitt an seinem freien Ende erhalten. Flanschteil und Rohrstutzen werden dann miteinander verschweißt, indem eine umlaufende Schweißnaht im äußeren Übergangsbereich zwischen Flanschteil und Rohrstutzen eingebracht werde. Nachteilig sei bei dem bekannten Verfahren nach den Ausführungen im Absatz [0004] der geltenden Beschreibungseinleitung, dass die Schweißnaht aufgrund der Aufweitung des Rohrstutzens schlecht anzubringen sei. Weiterhin bergen Schweißnähte Qualitäts- und Korrosionsgefahren, so dass daher Festigkeitsprobleme im Übergangsbereich zwischen Rohrstutzen und Flanschteil auftreten könnten.

22

Die Aufgabe der Patentanmeldung besteht gemäß Spalte 1, Zeilen 50 bis 54 der geltenden Beschreibungsunterlagen darin, ein Verfahren der eingangs genannten Art so weiterzubilden, dass diese Nachteile nicht auftreten. Insbesondere soll die Festigkeit des damit hergestellten Verbindungselementes verbessert werden.

23

Die Lösung dieser Aufgabe soll durch die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 erfolgen, dessen Merkmale sich folgendermaßen gliedern lassen:

24

1 Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselements zum gasdichten Verbinden von Abgasleitungen,

25

1.1 insbesondere eines Abgaskrümmers mit einem nachfolgenden Abgasrohr;

26

1.2 das Verbindungselement hat einen Flanschteil (1);

27

1.3 der Flanschteil (1) hat eine erste Gasdurchtrittsöffnung (3);

28

1.4 die Gasdurchtrittsöffnung (3) weist einen ersten freien Querschnitt (a) auf;

29

1.5 das Verbindungselement hat einen mit dem Flanschteil (1) verbundenen Rohrstutzen (2);

30

1.6 der Rohrstutzen (2) weist eine zweite, an die erste Gasdurchtrittsöffnung (3) anschließende Gasdurchtrittsöffnung (4) auf,

31

1.7 der freie Querschnitt (b) der Gasdurchtrittsöffnung (4) ändert sich in Gasdurchtrittsrichtung (I),

32

- Oberbegriff -

33

2 der Flanschteil (1) wird mit einem den Rohrstutzen (2) bildenden Rohransatz als einstückiges Schmiedeteil hergestellt;

34

3 der Rohransatz (2) wird anschließend auf den gewünschten freien Querschnitt verformt;

35

4 eine anschließend auf den gewünschten freien Querschnitt (b) des Rohransatzes (2) zu verformende Vorform des einstückigen Verbindungselementes wird durch Drehbearbeitung mit einheitlichem freiem Querschnitt aus einer geschmiedeten Rohform hergestellt.

36

- Kennzeichen -

37

Der Anmeldungsgegenstand betrifft nach seinem geltenden Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselements zum gasdichten Verbinden von Abgasleitungen.

38

Während in den Merkmalen 1.2 bis 1.7 Einzelheiten zur gegenständlichen Ausgestaltung der herzustellenden Abgasleitung beschrieben sind, enthalten die Merkmale 2 bis 4 die notwendigen Verfahrensschritte zur Herstellung des Verbindungselements. Demnach wird nach Merkmal 2 zunächst der Flanschteil des anmeldungsgemäßen Verbindungselements mit einem den Rohrstutzen bildenden Rohransatz als einstückiges Schmiedeteil hergestellt und bildet somit eine geschmiedete Rohform. Bevor in einem weiteren (spanlosen) Umformvorgang nach Merkmal 3 des geltenden Patentanspruchs 1 der Rohransatz auf den gewünschten freien Querschnitt verformt wird, erfolgt nach Merkmal 4 das Herstellen der zu verformenden Vorform derart, dass der Rohransatz der geschmiedeten Rohform des einstückigen Verbindungselementes durch Drehbearbeitung mit einheitlichem freiem Querschnitt hergestellt wird.

39

Demzufolge erschließt sich dem Fachmann, einem Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der spanlosen und spanabhebenden Umformtechnik, eine dreistufige Bearbeitung:

40

o Herstellen einer geschmiedeten Rohform mit einem Flanschteil und mit einem den Rohrstutzen bildenden Rohransatz als einstückiges Schmiedeteil;

41

o Herstellen einer Vorform mit einheitlichem freiem Querschnitt durch Drehbearbeitung aus der geschmiedeten Rohform;

42

o Anschließendes Verformen des Rohransatzes der Vorform auf den gewünschten freien Querschnitt.

43

3. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 sind zulässig.

44

Der geltende Patentanspruch 1 enthält die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3.

45

Die geltenden Patentansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 und 5.

46

4. Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselementes zum gasdichten Verbinden von Abgasleitungen nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist patentfähig.

47

4.1. Die Neuheit des anmeldungsgemäßen Verfahrens nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegeben, wie die Ausführungen unter 4.2 zeigen.

48

4.2. Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

49

Die D1 zeigt Rohre und Rohranschlussstücke sowie Übergangsstücke, also allgemein Verbindungselemente zum dichten Verbinden von Leitungen. Es handelt sich bei den bekannten Verbindungselementen um einstückige Gesenkschmiedebauteile, welche nach den Ausführungen in Spalte 5, Zeilen 24 bis 25 den A.N.S.I.B 16.9 und USA-Normen für Druckrohre entsprechen, also auch für Gasleitungen zum gasdichten Verbinden von Leitungen geeignet sind. Daher offenbart die D1 zwar auch ein Verfahren zur Herstellung eines Verbindungselements zum gasdichten Verbinden von Gasleitungen, nicht jedoch von Abgasleitungen gemäß dem Merkmal 1 des geltenden Patentanspruchs 1.

50

Nach Figur 11b haben die bekannten, auch für Gasleitungen geeigneten Verbindungselemente einen Flanschteil (38) mit einer ersten (Gas-) Durchtrittsöffnung (411), welche einen ersten freien Querschnitt an der oberen Stirnseite aufweist. An der anderen Seite des bekannten Verbindungselements ist ein rohrförmiger Stutzen (beispielsweise 5, 25, 35) vorgesehen mit einer entsprechend dem Wortlaut des Anmeldungsgegenstandes „zweiten, an die erste (Gas-)Durchtrittsöffnung (411) anschließenden (Gas-)Durchtrittsöffnung“, deren freier Querschnitt sich ersichtlich (beispielsweise Figur 11b) in Durchtrittsrichtung ändert.

51

Somit sind die Merkmale 1.2 bis 1.6 des geltenden Patentanspruchs 1 aus der D1 bekannt.

52

Gemäß den Ausführungen in Spalte 1, Zeilen 17 bis 23 der D1 ist bereits erkannt worden, dass herkömmlich geschweißte Verbindungselemente viele Schwachstellen und Korrosionsstellen aufweisen, die dazu führen, dass das Verbindungselement nicht überall die gleiche Festigkeit aufweist. Aus diesem Grund schlägt die D1 vor, das Verbindungselement in einem Stück durch Schmieden herzustellen und zwar vorzugsweise durch Gesenkschmieden (beispielsweise Sp. 1, Zeile 57, oder Patentanspruch 1 oder 3), wobei gemäß den Ausführungen in Spalte 1, Zeilen 57 bis 65 der Druckschrift 1 noch eine Endbearbeitung zur Oberflächenverbesserung stattfinden kann. Anders als beim streitpatentgemäßen Verfahren nach Patentanspruch 1 gibt die D1 jedoch keinerlei Hinweise darauf, wie der Schmiedevorgang im Einzelnen durchzuführen ist. Insbesondere gibt es in der D1 keinen Hinweis auf das Merkmal 2 des anmeldungsgemäßen Verfahrens, wonach der gewünschte freie Querschnitt des herzustellenden Verbindungselementes erst nach dem Herstellen einer Schmiedevorform hergestellt wird. Weiterhin gibt es in der Druckschrift 1 auch keinerlei Hinweise auf eine Drehbearbeitung und demzufolge erst recht keine Hinweise auf eine Drehbearbeitung, die nach Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 des anmeldungsgemäßen Verfahrens vor dem abschließenden Umformen des Rohransatzes nach Merkmal 3 des geltenden Patentanspruchs 1 durchgeführt werden soll. Denn unter der in Druckschrift 1 angesprochenen abschließenden Finishbearbeitung ist gemäß fachgerechter Auslegung allenfalls eine Oberflächenbehandlung, z. B ein Poliervorgang, zu verstehen.

53

Die D2 zeigt ein mehrteiliges Abgasrohr (1), bestehend aus einem miteinander verbundenen Innen- (4) und Außenrohr (3), die über einen separaten Flanschring (17) mit weiterführenden Bauteilen verbindbar sind. In Spalte 3, Zeilen 30 - 40 ist beschrieben, dass das bekannte Abgasrohr (1) durch ein Innen-Hochdruck-Umformverfahren herstellbar ist. Das bekannte mehrteilige Abgasrohr hat als Verbindungselement einen Flanschteil (17), der eine erste Gasdurchtrittsöffnung (6) mit einem ersten freien Querschnitt aufweist. Weiterhin hat das bekannte mehrteilige Abgasrohr einen mit dem Flanschteil verbundenen bzw. verbindbaren Rohrstutzen (9, 10) der eine, an die erste Gasdurchtrittsöffnung (6) anschließende, zweite Gasdurchtrittsöffnung aufweist, wobei sich, gemäß der Darstellung in Figur 1 der D2, der freie Querschnitt der Gasdurchtrittsöffnung in Gasdurchtrittsrichtung ersichtlich ändert. Somit können alle Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Patentanspruchs 1 aus der D2 als bekannt angesehen werden. Jedoch gibt die D2 keinerlei Hinweise auf die Merkmale 2 bis 4 des geltenden Patentanspruchs 1. Denn das zweiteilige Rohrstück des bekannten, mehrteilige Abgasrohrs ist durch Innen-Hochdruck-Umformen und somit durch ein völlig anders Verfahren hergestellt als das anmeldungsgemäße einteilige Abgasrohr, das durch einen mehrstufigen Schmiedevorgang sowie einen zwischengeschalteten Drehvorgang hergestellt ist. Hinsichtlich der Herstellung des Falschteiles sind der D2 keine Hinweise zu entnehmen.

54

Ausgehend von der D2 mag der Fachmann durch die Lehre der D1 zwar angeregt werden, den Flanschring (17) der D2 durch ein Schmiedeverfahren herzustellen. Sein Fachwissen mag ihn darüber hinaus auch dazu anregen, das Schmiedeverfahren möglicherweise auch mehrstufig durchzuführen. Hinweise auf eine zwischengeschaltete Drehbearbeitung enthält er jedoch weder aus der Druckschrift 1 noch aus der D2. Vielmehr zieht der Fachmann eine zusätzliche Drehbearbeitung schon deshalb nicht in Betracht, weil ihm bereits aus Druckschrift 1 bekannt ist, dass Verbindungselemente vollkommen spanlos und zwar nur durch Schmieden herstellbar sind.

55

Der Fachmann, der stets bestrebt ist, Kosten zu minimieren, zieht daher eine mit zusätzlichen Kosten verbundene spanabhebende Bearbeitung in Form einer Drehbearbeitung gemäß Merkmal 4 des geltenden Patentanspruchs 1 des anmeldungsgemäßen Verfahrens nicht in Betracht.

56

Der entgegengehaltene Stand der Technik kann daher dem Fachmann den Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht nahe legen.

57

Nach alledem ist das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 patentfähig.

58

5. Zusammen mit dem Patentanspruch 1 sind auch die auf vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen des Verfahrens gerichteten Ansprüche 2 und 3 gewährbar.

59

6. Der Senat sieht davon ab, die von der Anmelderin angeregte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen. Die Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr bestimmt sich nach billigem Ermessen, wobei sich die Billigkeit insbesondere aus der Sachbehandlung durch das Patentamt ergeben kann, etwa bei sachlicher Fehlbeurteilung, Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen die Verfahrensökonomie. Insgesamt müssen Umstände vorliegen, die es unbillig erscheinen lassen, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 80, Rdn. 111). Dabei rechtfertigt auch nicht jeder Verfahrensfehler die Rückzahlung. Diese ist vielmehr nur dann billig, wenn ein schwerwiegender Verstoß vorliegt oder wenn der Verfahrensfehler für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 132).

60

Ein solcher Verfahrensfehler ist hier nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Anmelderin, dass die Prüfungsstelle zu Unrecht eine mehrfach beantragte Anhörung versagt habe. Die Zurückweisung einer Anmeldung ohne vorherige Durchführung einer beantragten Anhörung stellt nicht von vornherein einen (insbesondere schwerwiegenden) Verfahrensfehler dar. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG ist der Anmelder auf seinen Antrag zu hören, wenn es sachdienlich ist. Zwar gehen verschiedene Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts davon aus, dass in jedem Verfahren in der Regel eine einmalige Anhörung sachdienlich ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 46, Rdn. 8 m. w. N.), jedenfalls dann, wenn trotz schriftlicher Darlegung der Auffassung des Anmelders noch Meinungsverschiedenheiten über entscheidungserhebliche Fragen fortbestehen und dieser eine Anhörung beantragt hat (vgl. BPatGE 15, 149; 18, 30; 49, 112 = Mitt. 05, 554). Gegen ein solches „generelles Anhörungsrecht“ (vgl. BPatGE 15, 149, 152) aus § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG hat der Senat insofern Bedenken, als damit das aus dem Grundsatz der Schriftlichkeit des Patenterteilungsverfahrens folgende Regel-Ausnahme-Verhältnis in Frage gestellt wird (vgl. zum Grundsatz der Schriftlichkeit im Patenterteilungsverfahren: BPatGE 20, 144; BPatG GRUR 1983, 505, 506 - fernmündliche Beschreibungsänderung; 10. Sen. v. 17.05.2004 - 10 W (pat) 46/02 (BeckRS 2011, 27725); Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., vor § 34, Rdn. 59; Benkard, Patentgesetz u. Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., vor § 34, Rdn. 20; Mes, Patentgesetz u. Gebrauchsmustergesetz, 3. Aufl., Einl. vor § 34 PatG, Rdn. 13 ff.; Schulte, a. a. O., Einleitung, Rdn. 248). Dies gilt umso mehr, als selbst das Einspruchsverfahren und das Verfahren vor dem Beschwerdegericht vom Grundsatz der Schriftlichkeit beherrscht werden, obwohl dort nicht nur bei Sachdienlichkeit, sondern schon auf den bloßen Antrag eines Beteiligten zwingend eine Anhörung bzw. mündliche Verhandlung durchzuführen ist (§§ 59 Abs. 3, 78 Nr. 1 PatG).

61

Diese grundsätzliche Frage kann vorliegend jedoch dahinstehen. Denn auch von den Vertretern einer weiten Auslegung des § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG ist wiederholt anerkannt worden, dass ein Antrag auf Anhörung zurückgewiesen werden kann, wenn dafür triftige Gründe vorliegen, etwa weil die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung eines einfach gelagerten Verfahrens führen würde oder weil nach mehreren Prüfungsbescheiden absehbar ist, dass der Anmelder auch zukünftig auf der bisher beantragten Merkmalskombination beharren wird (Schulte, a. a. O., § 46, Rdn. 9 m. w. N.). Solche Gründe liegen hier vor.

62

Die Prüfungsstelle hat sich in zwei Prüfungsbescheiden mit dem Anmeldegegenstand und der Argumentation der Anmelderin auseinandergesetzt, wobei das Patentbegehren auch nach Erlass des zweiten Prüfungsbescheids unverändert geblieben ist. Soweit dabei aus dem Schriftwechsel zwei Punkte auffielen, für deren Klärung bzw. Besprechung sich eine Anhörung besonders angeboten hätte, sind diese im schriftlichen Verfahren beseitigt worden bzw. hatten keine Auswirkung auf die Zurückweisungsentscheidung. Dies betrifft zum einen die anfängliche missverständliche Interpretation des Begriffs „machine finished“ bzw. „finishing“ in D1, Sp. 1, Z. 58 f., durch die Prüfungsstelle, die noch im ersten Prüfungsbescheid davon ausging, dass der Verfahrensschritt der Verformung des Rohransatzes auf den gewünschten Querschnitt aus D1 bekannt sei. Auf die entsprechende Erwiderung der Anmelderin hat die Prüfungsstelle ihre Interpretation jedoch im zweiten Prüfungsbescheid nicht mehr vertreten, was die Anmelderin im Schriftsatz vom 31. Oktober 2006 auch anerkannt hat. Ein weiterer klärungsbedürftiger Punkt hätte zum anderen die (schon damals) problematische Auffassung der Prüfungsstelle sein können, dass Vorrichtungsansprüche mangels eines entsprechenden Rechtsschutzbedürfnisses neben auf die Herstellung der Vorrichtung gerichteten Verfahrensansprüchen unzulässig seien. Auf diese von ihr noch im zweiten Prüfungsbescheid vertretene Rechtsauffassung hat die Prüfungsstelle ihre Begründung des Zurückweisungsbeschlusses jedoch nicht, auch nicht ergänzend, gestützt, so dass insoweit zumindest keine Kausalität eines (unterstellten) Verfahrensfehlers für die Notwendigkeit der Beschwerdeeinlegung und Zahlung der Beschwerdegebühr bestehen kann.

63

Als zentraler Diskussionspunkt, der dann auch maßgeblich im Zurückweisungsbeschluss behandelt wurde, verblieb damit die Frage der „Trivialität“ der sich an ein Schmiedeverfahren anschließenden Nachbearbeitung durch Verformen. Diese Frage war ein Schwerpunkt des zweiten Prüfungsbescheids und der Erwiderung hierauf. Zugleich war sie technisch überschaubar. Daher durfte die Prüfungsstelle im Anschluss an den Schriftwechsel davon ausgehen, dass der Sachverhalt und das Patentbegehren nunmehr im Rahmen des Möglichen geklärt waren und sich die verbliebenen entscheidungserheblichen Meinungsverschiedenheiten auf eine überschaubare und schriftlich bereits diskutierte technische Frage beschränkten. Ob und inwieweit die Auffassung der Prüfungsstelle und ihr Eingehen auf die D2 dabei aus der Sicht der Anmelderin verfehlt gewesen sein mögen, ist eine Frage der technisch-rechtlichen Richtigkeit der Beurteilung, nicht aber eine Frage der Sachdienlichkeit der Anhörung.

64

Zudem konnte die Prüfungsstelle davon ausgehen, dass die Einreichung einer geänderten Fassung des Patentbegehrens nicht zu erwarten war. Sowohl die Anmelderin (Schriftsatz vom 1. Juli 2005) als auch die Prüfungsstelle (Bescheid vom 31. Oktober 2006) haben die Einreichung geänderter Ansprüche sogar ausdrücklich als nicht sinnvoll angesehen. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob die anwaltlich vertretene Anmelderin nicht spätestens dann Anlass hatte, im Hinblick auf das Antragsprinzip ein neues Patentbegehren unter Streichung der Vorrichtungsansprüche wenigstens anzubieten, als die Prüfungsstelle im (zweiten) Prüfungsbescheid vom 31. Oktober 2006 unter Ziff. II. erwähnte, dass ein anschließendes Verformen für den Fachmann äußerst trivial sei „und in einem reinen Vorrichtungsanspruch ohnehin keinen Einschlag finden“ könne.

65

Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände durfte die Prüfungsstelle die beantragte Anhörung als nicht sachdienlich ansehen. Mit ihrer Begründung der Versagung der Anhörung, wonach bereits in zwei Prüfungsbescheiden zum Anmeldegegenstand Stellung genommen worden und die Ansprüche bei einem überschaubaren technischen Sachverhalt unverändert geblieben seien, hat sie von dem ihr zustehenden Beurteilungsspielraum, der ohnehin nur eine eingeschränkte Rechtmäßigkeitskontrolle und keine eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen des Gerichts zulässt (vgl. BPatGE 26, 44, 51 = BlfPMZ 1984, 241), innerhalb des ihr zustehenden gesetzlichen Rahmens ohne sachfremde Erwägungen Gebrauch gemacht.