Entscheidungsdatum: 23.06.2010
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 100 62 842
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 23. Juni 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Dehne sowie der Richter Reker und Dipl.-Ing. Rippel und des Richters k.A. Dipl.-Ing. Dr. Dorfschmidt
beschlossen:
Das Patent wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
I.
Gegen das Patent 100 62 842, dessen Erteilung am 16. Februar 2006 veröffentlicht worden ist, ist am 12. Mai 2006 Einspruch erhoben worden.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010, eingegangen am selben Tag per Telefax, hat die einzige Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 26. September 2008 sinngemäß beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da es sich bei der Frage der Zulässigkeit des Einspruchs um eine Frage grundsätzlicher Bedeutung handele.
Weiter hat sie sinngemäß hilfsweise beantragt, das Patent unverändert aufrecht zu erhalten.
Zum Vorbringen der Einsprechenden und der Patentinhaberin wird auf den Inhalt der Akten verwiesen und Bezug genommen.
II.
1. Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. - Informationsübermittlungsverfahren I und II ; bestätigt durch BGH-Beschluss vom 9.12.2008 - X ZB 6/08 Ventilsteuerung - Mitt. 2009, 72).
2. Der Einspruch ist zulässig.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin ist nicht nur der Einspruch, sondern auch die Einspruchsbegründung innerhalb der Einspruchsfrist beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen bzw. als eingegangen anzusehen.
Der Einspruch im Schreiben vom 11. Mai 2006 mit Einzugsermächtigung für die Zahlung der Einspruchsgebühr und der Ankündigung, die Einspruchsbegründung innerhalb der Einspruchsfrist nachzureichen, ging per Telefax am 12. Mai 2006 ein. Er richtete sich gegen die Erteilung des Patents 100 62 842 mit dem Veröffentlichungstag 16. Februar 2006, so dass die Einspruchsfrist nicht wie von der Bürosachbearbeiterin des Patentamts ursprünglich festgestellt am 12. Mai 2006, sondern am 16. Mai 2006 um 24.00 Uhr ablief.
Nach dem Vortrag des Vertreters der Einsprechenden hat dieser die Einspruchsbegründung vom 16. Mai 2006 und sämtliche Anlagen zweifach am selben Tage per Telefax in vier Teilen von zwei Faxgeräten aus seiner Kanzlei an das Patentamt übermittelt und den Schriftsatz zur Begründung des Einspruchs sowie die Anlagen per Post übersandt, die am 22. Mai 2006 eingegangen sind. Nachdem der Vertreter der Patentinhaberin mit Schriftsätzen vom 23. Juli und 23. August 2007 unter Hinweis auf das Perforierungsdatum vom 22. Mai 2006 gerügt hatte, die Einspruchsbegründung sei nicht innerhalb der Einspruchsfrist eingegangen und um Übersendung von Kopien der fristgerecht eingegangenen Unterlagen gebeten hatte, diese sich jedoch nicht bei den Akten befanden, hat der Vertreter der Einsprechenden Fax-Sendeprotokolle und Deckblätter der Telefax-Schreiben eingereicht und um Sachaufklärung gebeten. Trotz intensiver Nachforschungen innerhalb des Patentgerichts und Rückfragen bei der Eingangsstelle des Patentamts sind die per Fax übermittelten Unterlagen vom 16. Mai 2006 nicht wieder aufgetaucht. Der Verbleib des Faxeingangs lässt sich nicht mehr feststellen, sei es, dass er versehentlich zu einer anderen Akte gelangt oder versehentlich als Anlage abgesandt worden sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht gleichwohl am 16. Mai 2006 bei der Faxstelle des Patentamts eingegangen sind. Hierfür sprechen verschiedene Anhaltspunkte:
Zum einen ergibt die Überprüfung der insgesamt zehn Faxseiten und der Anzahl der insgesamt 316 übermittelten Blätter in Verbindung mit den Erläuterungen im Schriftsatz der Einsprechenden vom 15. April 2008, insbesondere zur missverständlichen Bezeichnung der Anlagen, eine blattmäßige Übereinstimmung der Faxunterlagen mit den Unterlagen der Einspruchsbegründung samt Anlagen in zweifacher Ausführung. Zum anderen ist laut Nachfrage bei der Post- bzw. Faxstelle des Patentamts für den 16. Mai 2006 keine Fehlermeldung für eine etwaige Störung des Faxempfangs herausgegeben oder vermerkt worden. Die Empfangsprotokolle selbst werden nicht länger als einige Monate aufgehoben. Da der Vertreter der Einsprechenden somit von seiner Seite aus alles für einen Nachweis der Übermittlung der Einspruchsunterlagen per Fax am 16. Mai 2006 getan hat, ohne dass Anzeichen für einen fehlgeschlagenen Empfang beim Patentamt aufgetreten sind, ist davon auszugehen, dass die Einspruchsbegründung samt Anlagen fristgerecht eingegangen sind. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass laut Blatt 42/43 der Gerichtsakte das (erste) Empfangsbekenntnis vom 17. Mai 2006 am Tag nach der behaupteten Faxübermittlung mit der Angabe „Anlage: Einspr. v. 16. Mai 2006 + Anlagen“ an die Vertreter der Patentinhaberin abgesandt worden ist. Da das Empfangsbekenntnis zunächst nicht zurückgesandt worden war und von der Geschäftsstelle deshalb am 17. Juli 2006 ein zweites Empfangsbekenntnis mit der entsprechenden Angabe „Anlage: Einspr. v. 16. Mai 2006 + Anl“ (Bl. 47 d. A.) abgesandt wurde, kann nicht ausgeschlossen werden, dass nicht unter Umständen versehentlich bei einer der Übersendungen die Faxunterlagen beigefügt worden waren. Nachdem der Vertreter der Einsprechenden seinen Sendevorgang nach Zeitpunkt und Umfang mit den Originalunterlagen hinreichend nachgewiesen hat, keine Störungs- oder Fehlermeldung seitens des Patentamts für den 16. Mai 2006 festgestellt wurde und der Verbleib der empfangenen Sendung in der Sphäre von Amt und Gericht liegt, ist der Senat davon überzeugt, dass ein form- und fristgerecht erhobener Einspruch vorliegt.
Die weiteren Einwendungen der Patentinhaberin, dass der Einspruch insgesamt wegen des lückenhaften Vorbringens hinsichtlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung oder hinsichtlich der entgegengehaltenen Druckschriften unsubstantiiert und deshalb unzulässig sei, treffen nicht zu. Denn die Einsprechende hat zur Stützung ihres Einspruchs, der u. a. auf den Widerrufsgrund mangelnder Ausführbarkeit gerichtet ist, sich auf der Seite 4 ihrer Einspruchsbegründung mit der patentierten Lehre auseinandergesetzt und ausgeführt, warum die Erfindung nach ihrer Auffassung nicht ausführbar ist. Diese Ausführungen versetzen den Senat in die Lage, den behaupteten Widerrufsgrund der mangelnden Ausführbarkeit ohne eigene Ermittlungen auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Damit hat die Einsprechende alle förmlichen Erfordernisse für die Zulässigkeit des Einspruchs erfüllt.
Da der Einspruch somit form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig war, ist das Verfahren nach der Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen ohne die Einsprechende fortzusetzen (§ 147 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).
3. Der Senat hält das Patent aufrecht.
Die Prüfung der Einspruchsgründe (mangelnde Ausführbarkeit § 21 Abs. 1 Satz 2 PatG und mangelnde Patentfähigkeit § 21 Abs. 1 Satz 1 PatG) und der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen hat keinen Anlass gegeben, das Patent zu beschränken oder zu widerrufen.
Diese Entscheidung ergeht gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 PatG i. V. m. § 59 Abs. 3 und § 147 Abs. 3 Satz 2 PatG ohne sachliche Begründung, da nach Rücknahme des einzigen Einspruchs nur noch die Patentinhaberin am Verfahren beteiligt ist und deren am 26. September 2008 eingegangenem Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents stattgegeben wird.
Der Senat folgt insoweit der Vorgehensweise des 11. Senats gemäß Beschluss vom 5. August 2003 (Az: 11 W (pat) 315/03, BlPMZ 2004, 60) und macht sich die Begründung hierfür zu eigen.
4. Für die von der Patentinhaberin hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruchs angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass, weil im Rahmen der vorstehend getroffenen Tatsachenentscheidung nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war und die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 PatG).