Entscheidungsdatum: 18.05.2010
In der Einspruchssache
gegen das Patent 101 20 223
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Dehne, der Richter Reker und Dipl.-Ing. Rippel sowie der Richterin Dipl.-Ing. Dr. Prasch
beschlossen:
1. Das Patent 101 20 223 wird widerrufen.
2. Der Antrag der Einsprechenden zu der Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.
I.
Das Patent 101 20 223 mit der Bezeichnung „Mehrlagiger Luftfilter und dessen Verwendung“ ist am 24. April 2001 beim Patentamt angemeldet und mit Beschluss vom 17. März 2005 erteilt worden. Die Patenterteilung ist daraufhin am 25. August 2005 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent haben die Firmen
3… Company in
St. P… in M… (V.St.A.)
(nachfolgend Einsprechende I)
und
A… N.V. in
O… in B…
(nachfolgend Einsprechende II)
jeweils am 23. November 2005 Einspruch erhoben.
Die Einsprechenden I und II haben zur Stützung ihres Vorbringens unter anderen auf die folgenden Druckschriften verwiesen (mit Nummerierung entsprechend Eingabe der Einsprechenden I vom 11. Jan. 2007):
D1: US 5 419 953
D2: WO 97/40913 A1
D3: EP 0960 645 A2.
Die Einsprechenden haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass dem Gegenstand des Streitpatents die erforderliche Neuheit fehle. Sie haben zur Begründung von den im schriftlichen Einspruchsverfahren genannten Druckschriften die US 5 419 953 (D1), die WO 97/40913 A1 (D2) und die EP 0 960 645 A2 (D3) in den Vordergrund ihrer Ausführungen gestellt, weil jede dieser Druckschriften nach ihrer Auffassung ein mehrlagiges Luftfilter zeige, das mit allen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 übereinstimme. Zudem beschreibe die Druckschrift D3 auch die Verwendung eines Luftfilters nach Anspruch 1 als Staubsaugerbeutel entsprechend dem nebengeordneten Anspruch 12 des Streitpatents.
Die Einsprechenden haben in der mündlichen Verhandlung zudem die Auffassung vertreten, dass der Patentinhaberin die Kosten der mündlichen Verhandlung aufzuerlegen seien, weil sie zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, aber mit der Eingabe vom 6. Juli 2006 die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hatte. Sie habe zwar mit der Eingabe vom 6. Mai 2010 angekündigt, dass sie beabsichtige, den Verhandlungstermin am 18. Mai 2010 nicht wahrzunehmen, sie habe den Verhandlungstermin aber weder abgesagt noch den Antrag darauf zurückgenommen, so dass der anberaumte Verhandlungstermin bestehen blieb und die Einsprechenden gezwungen waren, diesen sicherheitshalber wahrzunehmen.
Die Einsprechenden stellen den Antrag,
1. das Patent 101 20 223 zu widerrufen,
2. der Patentinhaberin die Kosten der mündlichen Verhandlung aufzuerlegen.
Von der - wie mit dem Schreiben, eingegangen am 6. Mai 2010, angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Patentinhaberin liegt gemäß Eingabe vom 6. Juli 2006, eingegangen am 10. Juli 2006, sinngemäß der Antrag vor,
das Patent 101 20 223 unter Korrektur der Schreibfehler in den Ansprüchen 6 und 8 unbeschränkt aufrecht zu erhalten.
Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden I und II mit der Eingabe vom 6. Juli 2006, eingegangen am 10. Juli 2006, schriftsätzlich widersprochen und darin ausgeführt, dass der mehrlagige Luftfilter nach dem erteilten Patentanspruch 1 sowohl gegenüber den Lehren nach den Druckschriften D1 und D2 als auch gegenüber der Lehre nach der Druckschrift D3 neu sei und dass auch der Gegenstand nach dem Patentanspruch 12 gegenüber der Druckschrift D3 neu sei.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
„Mehrlagiger Luftfilter umfassend eine Filterschicht aus Kombinationen von Spinnvlies mit Meltblown-Vliesstoff oder aus einem Spunbond -Meltblown- Spunbond -Laminat und eine diese rohgasseitig überdeckende Vorfilterschicht, wobei die Vorfilterschicht einen trocken gelegten und elektrostatisch wirksamen Stapelfaser-Vliesstoff aufweist, dessen Flächengewicht 10 bis 100 g/m 2 beträgt.“
Der nebengeordnete Patentanspruch 12 lautet wie folgt:
„Verwendung des Luftfilters nach Anspruch 1 als Staubsaugerbeutel.“
Wegen des Wortlauts der geltenden Unteransprüche 2 bis 11 und der Einzelheiten im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 form- und fristgerecht eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. - Informationsübermittlungsverfahren I und II; bestätigt durch BGH GRUR 2009, 184 - 185 - Ventilsteuerung).
Der zulässige Einspruch ist begründet und führt zum Widerruf des Patents.
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig.
1. Gegenstand des Streitpatents ist ein mehrlagiges Luftfilter.
Die Streitpatentschrift führt eingangs aus, dass Filtermaterialien mit verbesserten Filtrationseigenschaften insbesondere in Staubsaugerbeuteln Verwendung finden (vgl. Streitpatentschrift Absatz [0001]). Bei derartigen Anwendungen aber müssten die Staubsaugerbeutel einer Vielzahl von Anforderungen genügen, die oft gegenläufig seien, weil neben einem hohen Abscheidegrad sowohl für Grob- als auch für Feinstäube ein geringer Luftwiderstand, eine geringe Verstopfungsneigung sowie mechanische Stabilität gefordert seien (Absatz [0002]). Ein generelles Problem von Staubsaugerbeuteln bestehe in deren Verstopfungsneigung, wenn kompakte Materialien mit mechanischen Filtrationseigenschaften eingesetzt würden, wie Papier oder Feinfaserspinnvliesstoffe ohne voluminösen Aufbau (Absatz [0003]). Ein solcher kompakter Aufbau trage zwar dazu bei, die Staubbarriereeigenschaften eines Filterbeutels zu verbessern, mache den Beutel jedoch anfälliger gegenüber Feinstaub, der in diese kompakten Filtermedien eindringe und diese verstopfe. Daher stellten Parameter, wie die Saugleistungskonstanz und die Abscheideleistung eines Filterbeutels, wie eines Staubsaugerbeutels, üblicherweise einen Kompromiss dar, was bedeute, dass bei Verbesserung der Saugleistungskonstanz die Abscheideleistung eines Staubsaugerbeutels üblicherweise nicht entscheidend verbessert werden könne.
Zum Stand der Technik bezieht sich die Streitpatentschrift unter anderen auf die EP 0 960 645 A2 (vgl. Druckschrift D3), aus der Staubsaugerbeutel mit Inlinerlagen aus verschiedenen Materialien als Grobfilter beschrieben seien, um die nachfolgende eigentliche Filtrationsschicht vor Verstopfung durch Grobstaub zu schützen und damit die Standzeit des Beutels zu erhöhen (Absatz [0005]). Dabei werden Schichten aus speziellen Papieren und aus speziellen Non-Wovens miteinander verbunden und elektrostatisch aufladbare bzw. geladene Fasern, beispielsweise Polypropylenfasern, in ausgewählten Papierschichten bzw. Schichten aus Non-Wovens eingesetzt. Zum Stand der Technik nennt die Streitpatentschrift unter anderen noch die EP 0 246 811 A2, aus der Vliesstoffe aus Polypropylenfaser- und Modacryl faser - Mischungen als Filtermaterial für Staubsaugerfilter bekannt sind, die sich aufgrund ihrer starken elektrostatischen Eigenschaften besonders gut für die Filtration von Feinststäuben einsetzen ließen (Absatz [0006]), sowie die DE 38 12 849 C3, die einen Staubfilterbeutel beschreibt, der aus einer Filterpapieraußenlage und einem innenliegenden Feinfaservlies besteht (Absatz [0008]).
Ausgehend von diesem Stand der Technik hat sich das Streitpatent die Aufgabe gestellt, ein Luftfiltermaterial bereitzustellen, dessen Gesamtabscheideleistung (Abscheideleistung für Grob- und Feinstäube) gegenüber herkömmlichen Luftfiltermaterialien nennenswert verbessert wird, ohne dass die Verstopfungstendenz dadurch maßgeblich verschlechtert, ja sogar verbessert wird. Die Streitpatentschrift führt weiter aus, dass sich die Luftfilter also im Vergleich zu bekannten Materialien durch eine verbesserte Gesamtabscheideleistung auszeichnen sollen (Absatz [0009]).
Zur Lösung dieser Aufgabe ist nach Patentanspruch 1 ein mehrlagiges Luftfilter mit den folgenden Merkmalen vorgesehen:
1 Der Luftfilter umfasst eine Filterschicht.
1.1 Die Filterschicht besteht aus Kombinationen von Spinnvlies mit Meltblown -Vliesstoff.
oder
1.2 Die Filterschicht besteht aus einem Spunbond - Meltblown - Spunbond -Laminat.
2 Der Luftfilter umfasst eine die Filterschicht rohgasseitig überdeckende Vorfilterschicht.
2.1 Die Vorfilterschicht weist einen trocken gelegten Stapelfaser-Vliesstoff auf.
2.1.1 Stapelfaser-Vliesstoff ist elektrostatisch wirksam
und
2.1.2 das Flächengewicht des Stapelfaser-Vliesstoffs beträgt 10 bis 100 g/m 2 .
Demnach ist ein mehrlagiges Luftfilter vorgesehen, das nach der ersten Merkmalsgruppe eine Filterschicht und nach der zweiten Merkmalsgruppe eine Vorfilterschicht umfasst, um mit diesen zwei Filterschichten Grob- und Feinstäube wirksam abzuscheiden, ohne dass sich dadurch die Neigung zur Verstopfung, maßgeblich verschlechtert.
Für die Filterschicht nach Merkmal 1 sind insgesamt zwei Alternativen vorgesehen, entweder eine Filterschicht aus Kombinationen von Spinnvlies mit Meltblown -Vliesstoff nach Merkmal 1.1, wie sie gemäß Streitpatentschrift in Staubsaugerbeuteln bereits verwendet würden (vgl. Absatz [0011]), oder eine Filterschicht aus einem Spunbond - Meltblown - Spunbond -Laminat nach Merkmal 1.2, z. B. gemäß Streitpatentschrift Absatz [0029] ein SMS-Verbund auf der Basis von Polypropylenfasern.
Diesen Filterschichten ist zur gleichzeitigen Steigerung der Saugleistungskonstanz und Abscheideleistung ein Filterlage aus Vliesstoff mit elektrostatischer Aufladung vorgeschaltet, die entsprechend Merkmal 2 diese Filterschichten rohgasseitig überdeckt (Absatz [0013]). Dadurch durchströmt die angesaugte Luft zuerst eine Vorfilterschicht, die bereits einen Teil der Partikel abfängt, so dass nicht die volle Partikellast auf die Hauptfilterschicht trifft. Die Vorfilterschicht soll dabei aus einem trocken gelegten Stapelfaservliesstoff (Merkmal 2.1) bestehen, der elektrostatisch wirksam ist (Merkmal 2.1.1) und dessen Flächengewicht 10 bis 100 g/m 2 beträgt (Merkmal 2.1.2). Aufgrund der starken elektrostatischen Eigenschaften ist die Vorfilterschicht in der Lage, neben groben Partikeln vermehrt auch feinere Staubpartikel anzuziehen und im Vlies festzuhalten, wodurch weniger Staubpartikel in die nachfolgende Filterschicht gelangen und dort die geometrisch feineren Poren verstopfen können. Die Streitpatentschrift führt hierzu aus, dass eine solche Vorfilterschicht durch die starken elektrostatischen Filtrationseigenschaften die nachfolgende Filterschicht mit deren geometrisch feineren Poren vor Feinstaub und damit verbundener Verstopfung effektiv schützen könne (Absatz [0014]). Die Funktion eines mit einer solchen Filterschicht ausgestatteten Staubsaugerbeutels bestehe somit gemäß Streitpatentschrift Absatz [0015] in der Kombination einer relativ voluminösen elektrisch geladenen Filterschicht aus Vliesstoff mit einer nachfolgenden mechanisch gut filtrierenden, kompakteren Filterschicht, die in der Regel feinere Porenradien und feinere Fasertiter aufweise.
Als Anwendungsbeispiel für die Vorfilterschicht nennt die Streitpatentschrift einen trocken gelegten Stapelfaservliesstoff aus triboelektrischen Fasermischungen, insbesondere aus Polypropylen/Polyethylen-Bikomponentenfasem und aus halogenfreien Polyacrylnitrilfasern, wie sie in der DE 4 407 344 A1 beschrieben sind (Absatz [0016]). Weitere bevorzugt eingesetzte Vorfilter seien trocken gelegte Stapelfaservliesstoffe aus coronageladenen Polyolefinfasern, insbesondere aus coronageladenen Polypropylenfasern (Absatz [0017]). Die Länge der Stapelfasern betrage gemäß Absatz [0020] der Streitpatentschrift vorzugsweise 3 bis 10 cm.
Die Vorfilterschicht könne gemäß Streitpatentschrift Absatz [0013] entweder lose in den Filterbeutel eingelegt oder in entsprechende Laminat-Filtermaterialien eingebaut sein. Sie könne aber auch gemäß den Ausführungen in der Streitpatentschrift in Absatz [0022] auf beliebige Weise mit der Filterschicht verbunden sein, z. B. durch Nadeln, Nähen oder Verkleben oder Verschweißen, wobei noch weitere Zwischenschichten zur Verbindung vorgesehen sein könnten. Daraus aber ist ersichtlich, dass im streitgemäßen Sinne der Luftfilter auch mehr Lagen als die Vorfilterschicht und die Filterschicht umfassen kann. Eine weitere Lage ist auch in Anspruch 11 beansprucht, wonach in einer weiteren bevorzugten Ausführungsform rohgasseitig vor der Vorfilterschicht noch eine weitere Vliesstoffschicht als Schutzschicht vor mechanischen Beschädigungen angeordnet werden kann. Somit aber bezieht sich der Patentgegenstand gemäß Anspruch 1 im streitpatentgemäßen Sinne sowohl auf solche mehrlagigen Luftfilter, bei denen die Vorfilterschicht eine von der Hauptfilterschicht getrennte körperliche Schicht ausbildet, als auch auf solche, bei denen die Vorfilterschicht mit der Filterschicht fest verbunden und evtl. noch eine weitere Zwischenschicht eingeführt ist.
2. Das zweifellos gewerblich anwendbare mehrlagige Luftfilter nach dem Patentanspruch 1 ist nicht neu.
Durch die WO 97/40913 A1 (D2) ist ein mehrlagiges Filtermedium (composite filtration media) bekannt geworden (D2, S. 1, Z. 9 - 11). Die D2 führt eingangs aus, dass mit dem Einzug von Plastikpolymeren neue Filtermedien auf der Basis von synthetischen Fasern mit verbesserten Filtereigenschaften möglich sind (D2, S. 1, Z. 9 - 23), dass aber gleichzeitig auch neue Filtrationsprobleme entstanden sind, wie z. B. bei der Filtration von Kraftfahrzeug-Innenräumen und Raumreinigern, um die Luftqualität in Wohnräumen zu verbessern (D2, S. 1, Z. 9 - 23). Diese Anwendungen stellten ein schwieriges Filtrationsproblem dar, weil sehr feine Partikel bis in den Submicronbereich aus der Luft entfernt werden sollen, während gleichzeitig der Druckverlust im Filter in Anbetracht begrenzter Gebläseleistungen möglichst gering gehalten werden soll und all dies innerhalb sehr begrenzter Raumverhältnisse (D2, S. 1, Z. 26 - 31). In bestimmten Filtermedien sei bei den genannten Anwendungen ein geringer Druckverlust durch die Verwendung relativ grober Fasern mit einem typischen Durchmesser von durchschnittlich 10 Mikrometer erreicht worden, im allgemeinen Stapelfasern, die elektrostatisch aufgeladen sind, damit sie durch die elektrostatische Aufladung auch kleinere Partikel anziehen und auffangen können (D2, S. 2, Z. 8 - 17). In der Praxis jedoch würden diese Filter mit der Zeit ihre Effektivität verlieren (S. 2, Z. 17 - 19). Die Verwendung sehr dünner Filtermedien mit geringem Basisgewicht, die sehr feine Fasern im Bereich von 1 bis 5 Mikrometer umfassen, könnten zwar diesen Trend bei gleichzeitiger Einhaltung des Druckverlusts verringern, aber nur bei geringer Partikelladungs-Kapazität und damit stark verkürzter Lebensdauer in Relation zum groben Fasermaterial (S. 2, Z. 22 - 27).
Deshalb schlägt die Druckschrift D2 ein mehrlagiges Filtermedium (composite filtration media) vor, das ein „high loft nonwoven“ Material aus einem Fasergemisch aus triboelektrischem Material (oder alternativ aus elektrostatisch aufgeladenen fibrillierten Fasern), eine Meltblown / Spunbond Materialzusammensetzung mit einer ersten Seite aus Meltblown-Fasern und einer zweiten Seite aus Spunbond –Fasern und ein Netzmaterial mit Öffnungen umfasst, um auf diese Weise ein Filtermaterial mit stabiler Filtrationscharakteristik kombiniert mit hoher Beladungskapazität und gleichzeitig geringen Druckverlusten bei hohen Volumenströmen zu schaffen (S. 2, Z. 28 - S. 3, Z. 3 u. S. 3, Z. 13 - 20).
Ein Ausführungsbeispiel des Filtermediums (composite filtration media 100) im Schnitt zeigt die Figur 1 der Druckschrift D2, wonach die obere Lage (section 102) der Spunbond /Meltblown-Schicht, die mittlere Lage (section 104) dem Netz und die untere Lage (section 110) dem Fasergemisch entspricht, wobei sich auch Meltblownfasern und Spunbond fasern in der Schicht (110) aus gemischten Fasern befinden können, die beim Vernadeln (needling process) der beiden Schichten durch die Öffnungen des Netzes in die untere Faserschicht gezogen wurden (S. 10, Z. 28 - S. 11, Z. 15).
Somit ist in der Druckschrift D2 ein Luftfilter beschrieben, das zwei Filterschichten umfasst und demnach mehrlagig ist, so wie es auch für das Luftfilter gemäß Anspruch 1 des Streitpatents grundsätzlich vorgesehen ist.
Die eine Filterschicht umfasst - wie bereits erwähnt - eine Meltblown/ Spunbond -Faserzusammensetzung und zwar Meltblownfasern auf einer ersten Seite und Spunbond –Fasern auf einer zweiten Seite (S. 3, Z. 15 - 19). Wie die Druckschrift D2 hierzu ausführt, können die Meltblown-Fasern aus Polypropylen (mit einer durchschnittlichen Fasergröße von 1 bis 5 Mikrometer (μm)) und die Spunbond fasern aus Polyester- oder Polypropylen bestehen, wobei das Spunbond material vorzugsweise in Blattform vorliegt (S. 7, Z. 8 - 15). Demnach bilden die Meltblown-Fasern einen Meltblown-Vliesstoff und die Spunbond –Fasern ein Spinnvlies aus, so dass die in der Figur der D2 gezeigte obere Filterschicht (102) aus einer Kombination von Spinnvlies ( Spunbond ) mit Meltblown-Vliesstoff besteht, so wie es auch für die Filterschicht nach Merkmal 1.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents in einer ersten Alternative vorgesehen ist.
Die andere in der Figur der D2 gezeigte untere Filterschicht (110) - in der Druckschrift D2 als erstes Filtermedium bezeichnet (vgl. S. 4, Z. 25) - umfasst hingegen - wie bereits zuvor erwähnt - ein sehr lockeres nicht gewebtes Fasergemisch aus triboelektrischem Material (oder elektrostatisch aufgeladenen fibrillierten Fasern) (S. 3, Z. 15 - 17, bzw. S. 4, Z. 9 - 12). Für die triboelektrische Fasermischung setzt die D2 vorzugsweise eine Fasermischung von 50 % Modacryl - und 50 % Polypropylen - Fasern ein, die vorzugsweise einen durchschnittlichen Faserdurchmesser von 15 bis 20 Mikrometer besitzen, wobei die Fasern vor dem Vermischen gründlich gereinigt werden, um eine stabile triboelektrische Aufladung zu ermöglichen (S. 4, Z. 23 - 32). Aus dem Faserdurchmesser ist ersichtlich, dass diese Filterschicht aus stärkeren Fasern als die vorgenannte Filterschicht besteht. Auf der Seite 13, Zeilen 18 ff., der Druckschrift D2 ist ausgeführt, dass die stärkeren gemischten Fasern (coarser mixed fibers) an der Einlaßseite (inlet side) des Filtermediums angeordnet sind, um eine abgestufte Dichtestruktur im Filtermedium zu bilden. Demnach bildet die aus einer triboelektrischen Fasermischung bestehende Filterschicht der D2 eine Vorfilterschicht (106), in die die zu reinigende Luft zuerst eintreten soll, bevor sie die Filterschicht aus feineren Spunbond /Meltblown-Fasern erreicht. Wie insbesondere auch aus der schematischen Darstellung in der Figur 1 ersichtlich ist, zeigt die D2 damit eine Vorfilterschicht, die die Filterschicht gemäß Merkmal 2. des Anspruchs 1 des Streitpatents rohgasseitig überdeckt.
Auf Seite 8, ab Zeile 18 ist in der D2 der Herstellungsprozess der Vorfilterschicht beschrieben, wonach hierfür vorzugsweise Polypropylen- und Modacryl - Stapelfasern (staple fibers) in dem genannten Mischungsverhältnis gemischt und dann mit einem geeigneten Gerät zum „Air laying“ auf die Meltblown/ Spunbond schicht abgelegt werden. Folglich weist die in der D2 vorgesehene Vorfilterschicht aus gemischten Fasern vorzugsweise einen trocken gelegten Stapelfaser-Vliesstoff auf, der elektrostatisch wirksam ist, so wie es auch für die Vorfilterschicht gemäß den Merkmalen 2.1 und 2.1.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgesehen ist.
Die elektrostatische Wirksamkeit besteht bei dem Fasergemisch aus Polypropylen- und Modacryl - Stapelfasern darin, dass diese Fasern gemäß D2 eine stabile triboelektrische Ladung aufnehmen können, nämlich eine hohe, stabile positive Ladung und eine hohe, stabile negative Ladung in einer geringen Höhe (microscopic level) (D2, S. 8, Z. 33 bzw. S. 4, Z. 30 - 34). Auch die Streitpatentschrift führt in Absatz [0016] zu den Stapelfasern aus, dass man als trocken gelegten elektrostatisch wirksamen Vliesstoff einen trocken gelegten Stapelfaservliesstoff aus triboelektrischen Fasermischungen einsetze, jedoch anders als nach der Druckschrift D2 aus Polypropylen/Polyethylen-Bikomponentenfasem und aus halogenfreien Polyacrylnitrilfasern.
Auf diese Weise bilden die elektrostatisch aufgeladenen Stapelfasern eine lockere nicht gewebte (lofty nonwoven) Vorfilterschicht mit Tiefenfiltrations-Eigenschaft, um eine hohe Staubabscheidungsrate zu erreichen, während die feinen Meltblown-Fasern die mechanische Filtration verbessern und die Spunbond schicht als Stützlage für die Meltblownfasern dienen soll (S. 13, Z. 3 - 11), so wie es auch bei den zwei Filterschichten nach den Merkmalsgruppen 1 und 2 gemäß Anspruch 1 des Streitpatents vorgesehen ist (vgl. Streitpatentschrift Absätze [0013], [0014] und [0015]).
Für das „erste“ Filtermedium bzw. die Vorfilterschicht sieht die D2 ein Flächengewicht von vorzugsweise 35 bis 300 g/m² vor, wie aus der Beschreibung Seite 4, Zeilen 29 - 30, ersichtlich ist. Dieser Flächengewichtsbereich überschneidet jedoch den für den Stapelfaser-Vliesstoff nach Merkmal 2.1.2 des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgesehenen Bereich des Flächengewichts von 10 bis 100 g/m 2 zumindest teilweise, nämlich bis auf eine Differenz von 10 bis 35 g/m 2 . Demnach ist in der Druckschrift D2 ein Teilbereich des Flächengewichts von 35 bis 100 g/m² nach Merkmal 2.1.2 des Anspruchs 1 aufgezeigt, so dass dieser Bereich des Flächengewichts des Stapelfaser-Vliesstoffs durch die Druckschrift D2 bereits vorweggenommen ist.
Die Patentinhaberin hat schriftsätzlich noch ausgeführt, dass ein Unterschied darin bestehe, dass das Filtermedium gemäß der Druckschrift D2 im Gegensatz zum Luftfilter des Streitpatents noch ein Netzmaterial aufweise und nicht wie der mehrlagige Luftfilter des Streitpatents in klar voneinander getrennten Schichten aufgebaut sei, weil dort das Meltblown/ Spunbond -Kompositionsmaterial mit den gemischten Fasern aus triboelektrischem Material des nicht gewebten Faserstoffs durch Faserverwicklungen derart verbunden sei, dass Teile der Meltblown- und Spunbond fasern in einem großen Teil der gemischten Fasern aus triboelektrischem Material verteilt seien und zwar sowohl über und unter der Oberfläche des Netzmaterials als auch durch die Öffnungen des Netzmaterials.
Im Gegensatz zu dieser Auffassung der Patentinhaberin können aber auch bei der streitpatentgemäßen Lösung Teile der Meltblown- und Spunbond fasern in den gemischten Fasern aus triboelektrischem Material verteilt sein, denn die Streitpatentschrift beschreibt in Absatz [0022] neben anderen mechanischen Verbindungsarten wie Vernähen oder Versteppen auch das Nadeln als eine Verbindungsart der zwei Filterschichten, wodurch wie beim „needling“ nach der Druckschrift D2 Fasern von der einen Schicht in die andere Schicht gezogen und dadurch miteinander verhakt und verbunden werden. Die Streitpatentschrift sieht gemäß Absatz [0022] zudem vor, dass die zwei Filterschichten auch über weitere Zwischenschichten miteinander verbunden werden können, wobei sie darauf hinweist, dass dabei die Luftdurchlässigkeit der Schichten gewährleistet sein müsse. Für diesen Zweck Netze einzusetzen, um die Luftdurchlässigkeit sicher stellen zu können, ist für den Fachmann, einen Diplom-Ingenieur des Maschinenbaus oder der Textiltechnik mit zumindest Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung von Filtern, eine Maßnahme, die er als selbstverständlich mitliest. Kombiniert er diese Schicht mit der in Absatz [0022] beschriebenen Verbindung der Schichten durch Nadeln, dann werden auch gemäß Streitpatent die Fasern der einen Schicht durch die Öffnungen in die jeweils andere Schicht gezogen, wodurch sich auch bei dem mehrlagigen Luftfilter gemäß Anspruch 1 des Streitpatents im streitpatentgemäßen Sinne keine klar voneinander getrennten Schichten einstellen, sondern Teile der Meltblown- und Spunbond fasern in einem Teil der gemischten Fasern aus triboelektrischem Material verteilt sind.
Demnach stellt auch das Netzmaterial zwischen den zwei Filterschichten nach der D2 ein Merkmal dar, das den Fachmann einen Unterschied zum Patentgegenstand nicht erkennen lässt.
Folglich umfasst das in der Druckschrift D2 aufgezeigte Luftfilter sämtliche Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents in der ersten Ausführungsvariante einer Filterschicht aus einer Kombination von Spinnvlies mit Meltblown-Vliesstoff nach Merkmal 1.1 und einem Teilbereich des Flächengewichts des Stapelfaser-Vliesstoffs von 35 bis 100 g/m² nach Merkmal 2.1.2.
Die zweite Ausführungsvariante einer Filterschicht, gemäß Merkmal 1.2 einem Spunbond -Meltblown- Spunbond -Laminat, ist zwar in der Druckschrift D2 nicht vorbeschrieben. Der Anspruch 1 hat aber in dieser alternativen Fassung wegen der Antragsbindung im vorliegenden Einspruchsverfahren ebenfalls keinen Bestand, da der Anspruch 1 in dieser Fassung nicht mit einem eigenständigen Antrag verteidigt worden ist. Auf ein mehrlagiges Luftfilter mit einer Filterschicht nach Merkmal 1.2 brauchte daher nicht weiter eingegangen werden. Dies gilt auch für den alternativen Teilbereich des Flächengewichts des Stapelfaser-Vliesstoffs von 10 bis 35 g/m 2 , da dieser Teilbereich ebenfalls nicht mit einem eigenständigen Antrag verteidigt worden ist.
Der erteilte Anspruch 1 hat somit keinen Bestand.
3. Die untergeordneten Ansprüche 2 bis 11 sowie der nebengeordnete Anspruch 12, der auf die Verwendung des Luftfilters nach Anspruch 1 als Staubsaugerbeutel gerichtet ist, fallen im Rahmen der Antragsbindung mit dem Anspruch 1. Eine eigenständige erfinderische Bedeutung dieser Ansprüche ist weder geltend gemacht worden noch ist deren Inhalt zum Gegenstand eines eigenständigen Antrags erhoben worden.
Das Patent hat nach alledem keinen Bestand.
III.
Der Antrag der Einsprechenden I und II, der Patentinhaberin die Kosten der mündlichen Verhandlung aufzuerlegen (§ 80 Abs. 1 PatG), ist unbegründet.
Allein die Tatsache, dass die Patentinhaberin nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, rechtfertigt es noch nicht, ihr die durch die Durchführung der Verhandlung entstandenen Kosten aufzuerlegen, da es jedem Verfahrensbeteiligten grundsätzlich freisteht, ob er zu einem anberaumten Verhandlungstermin erscheint oder diesem fernbleibt. Etwas anderes kann zwar in Fällen gelten, in denen ein Beteiligter der auf seinen Antrag hin anberaumten mündlichen Verhandlung unentschuldigt fernbleibt. Im vorliegenden Verfahren hat der Senat jedoch nicht ausschließlich auf den Hilfsantrag der Patentinhaberin hin geladen. Zudem hat die Patentinhaberin rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung angekündigt, zum Termin nicht zu erscheinen, so dass sich die Einsprechenden hierauf einrichten und der Verhandlung ggf. ebenfalls fernbleiben konnten.
Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war auch trotz des Ausbleibens der Patentinhaberin im Termin sowohl für den Senat als auch für die Einsprechenden noch sachdienlich, weil die Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit hatten, dem Senat weitere entscheidungserhebliche Hinweise auf die mangelnde Patentfähigkeit des Patentgegenstandes zu geben und ihren vorangegangenen schriftsätzlichen Vortrag zu erläutern. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht als billig, allein die Patentinhaberin mit den Kosten der Durchführung der mündlichen Verhandlung zu belasten.