Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.10.2018


BPatG 23.10.2018 - 8 W (pat) 2/16

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
23.10.2018
Aktenzeichen:
8 W (pat) 2/16
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:231018B8Wpat2.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2006 050 205

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie die Richter Dipl.-Ing. Rippel und Dipl.-Ing. Brunn und die Richterin Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Auf die am 25. Oktober 2006 durch die Beschwerdeführerin beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Streitpatent 10 2006 050 205 mit der Bezeichnung „Sicherheitssystem für Wälzmühlen“ erteilt und die Erteilung am 21. März 2013 veröffentlicht worden.

2

Gegen das Patent haben drei Einsprechende jeweils Einspruch erhoben und übereinstimmend beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

3

Sie haben dazu unter anderem auf die folgenden Entgegenhaltungen verwiesen:

4

E1: DE 76 20 223 U

5

E2a: DE 39 31 116 C2

6

E3: DE 33 03 080 A1

7

E16: EP 0 893 622 A1

8

E19: DE 12 79 431 A

9

E23: DIN 40 041, Dezember 1990

10

Die Einsprechende 1 hat ihren Einspruch mit Schriftsatz vom 7. Juni 2016 zurückgenommen.

11

Die Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Streitpatent in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2015 widerrufen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Streitpatent mangels erfinderischer Tätigkeit beim Auffinden des neuen und gewerblich anwendbaren Gegenstandes des Anspruchs 1 keinen Bestand habe.

12

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin. Sie trägt vor, die E19 zeige kein aktiv redundantes Antriebssystem. Auch weitere Merkmale des Streitpatents seien weder aus der E19 bekannt noch in Verbindung mit den weiteren Entgegenhaltungen naheliegend.

13

Die Beschwerdeführerin stellt die Anträge,

14

den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. Oktober 2015 aufzuheben und das Patent 10 2006 050 205 mit den erteilten Ansprüchen aufrechtzuerhalten,

15

hilfsweise das Patent 10 2006 050 205 gemäß Hilfsantrag I oder Hilfsantrag II vom 8. Oktober 2018, eingegangen am 9. Oktober 2018 beschränkt aufrechtzuerhalten.

16

hilfsweise das Patent gemäß Hilfsanträgen III oder IV überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2018 beschränkt aufrechtzuerhalten.

17

Die verbliebenen Einsprechenden und Beschwerdegegnerinnen stellen jeweils den Antrag,

18

die Beschwerde zurückzuweisen.

19

Sie tragen vor, die Merkmale des Gegenstands des Streitpatents seien entweder bereits explizit oder jedenfalls implizit in der Entgegenhaltung E 19 offenbart oder ergäben sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der E3 oder seinem Fachwissen und könnten eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

20

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

21

Der geltende, erteilte Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet in gegliederter Form:

22

a) Aktiv redundantes Antriebssystem für Wälzmühlen, welche

23

b) - ein Gehäuse (1),

24

c) - einen rotierenden Mahlteller (7) mit Mahlbahn (2),

25

d) - auf der Mahlbahn (2) abrollende Mahlwalzen (3),

26

e) - ein Axiallager (4)

27

f) - und einen Antrieb aus

28

f1) Elektromotor (10) und

29

f2) Untersetzungsgetriebe (11,11') zum Antreiben der Mahlbahn (2) umfassen,

30

dadurch gekennzeichnet, dass

31

g) - jeder Antrieb auf einer Lafette montiert ist,

32

h) - das Getriebe (11') ein ein- oder mehrstufiges Stirnradgetriebe ist,

33

i) - das Getriebegehäuse Inspektionsöffnungen zur Begutachtung der

34

Zahneingriffe besitzt,

35

j) - eine ständige Verfügbarkeit von wenigstens zwei Antrieben (10, 11, 11') durch die Anordnung von mehr als zwei Antrieben (10, 11, 11') gesichert ist,

36

k) - und die wenigstens zwei Antriebe (10, 11, 11') die erforderliche Mahlleistung der Wälzmühle erbringen.

37

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I enthält gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag die geänderten Merkmale a‘), j‘) und k‘):

38

a‘) Aktiv redundantes Antriebssystem für Wälzmühlen, welche

39

j‘) - ein aktiv redundantes Antriebssystem vorgesehen ist, welches mehr als wenigstens zwei Antriebe (10, 11, 11‘) aufweist eine ständige Verfügbarkeit von wenigstens zwei Antrieben (10, 11, 11') durch die Anordnung von mehr als zwei Antrieben (10, 11, 11') gesichert ist,

40

k‘) - wobei und in einem störungsfreien Zustand des Antriebssystems die mehr als wenigstens zwei Antriebe (10, 11, 11‘) so betrieben werden, dass sie die erforderliche Mahlleistung erbringen, und wobei bei Ausfall eines oder mehrerer Getriebe wenigstens zwei Antriebe (10, 11, 11‘) in der Lage sind, die wenigstens zwei Antriebe (10, 11, 11') die erforderliche Mahlleistung der Wälzmühle zu erbringen

41

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag II unterscheidet sich vom dem Anspruch 1 nach Hauptantrag durch das zwischen den Merkmalen i) und k) eingefügte zusätzliche Merkmal l),

42

l) - wobei die mehr als zwei Antriebe (10,11, 11‘) um das Mühlengehäuse herum angeordnet sind.

43

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag III unterscheidet sich vom dem Anspruch 1 nach Hauptantrag durch das am Ende hinter dem Merkmal k) eingefügte zusätzliche Merkmal m),

44

m) - dem Mahlkranz (7) ein Zahnkranz (5) zugeordnet ist und dass die Antriebe je ein Ritzel besitzen, das mit dem Zahnkranz (5) kämmt.

45

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag IV unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II durch das zusätzliche am Ende eingefügte Merkmal m) und enthält dementsprechend die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag sowie die Merkmale l) und m).

46

Wegen des Wortlautes der jeweiligen Unteransprüche und der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

47

1. Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet, denn die Gegenstände des jeweiligen Anspruchs 1 nach Hauptantrag sowie nach den Hilfsanträgen I bis IV stellen keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

48

Das Streitpatent betrifft gemäß der Patentschrift ein aktiv redundantes Antriebssystem für Wälzmühlen, die in der Zementindustrie und in Kohlekraftwerken zur Herstellung von Zementrohmehl, zur Klinkervermahlung und zur Kohlevermahlung eingesetzt werden. Moderne Großmühlen benötigten Antriebsleistungen bis zu 10 MW. Es bedürften daher die zugehörigen Lager und Antriebe, insbesondere die Getriebe, einer besonderen Konstruktion. Besonders belastet seien die Verzahnung, die Wellenlagerung, das integrierte Axial-Drucklager und seine Unterstützung innerhalb des Getriebegehäuses. Bei Antriebsleistungen bis 6 MW hätten sich die Kegelrad-Planetengetriebe als Stand der Technik durchgesetzt, die aufgrund ihrer kreisrunden Bauform an den kreisrunden Mahlteller angepasst seien und die statischen und dynamischen Mahlkräfte in das Fundament leiteten.

49

Entsprechend der Streitpatentschrift liegt der vorliegenden Erfindung die Problemstellung zugrunde, ein Antriebssystem für Walzenmühlen anzugeben, welches es erlaubt, Wartungs- und Reparaturarbeiten ohne Unterbrechung des Gesamtprozesses durchzuführen.

50

Als Fachmann ist in Übereinstimmung mit der Patentabteilung ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Wälzmühlenantrieben anzusehen.

51

Einige Merkmale bedürfen einer Auslegung.

52

Redundanz bedeutet entsprechend der als E23 eingeführten DIN 40 041 allgemein das „Vorhandensein von mehr funktionsfähigen Mitteln in einer Einheit, als für die Erfüllung der geforderten Funktion notwendig sind“. Unter einem „aktiv redundanten Antriebssystem“ nach Merkmal a) versteht der Fachmann entsprechend der E23 eines, bei dem alle vorhandenen und aktiven Antriebe gleichzeitig an der Erfüllung der geforderten Funktion beteiligt sind, also am Antrieb des Mahltellers. Ein aktives Antriebssystem enthält demnach keine zusätzlichen „Stand-by-Antriebe“, die nur als Ersatz für einen ausgefallenen oder zu wartenden Antrieb zugeschaltet werden.

53

Der Begriff „Lafette“ nach Merkmal g) wird im Streitpatent nur im Absatz [0028] dahingehend erläutert, dass ein Antrieb durch die Montierung auf einer „Lafette“ aktiviert und deaktiviert werden kann, und somit für den Fachmann in bzw. außer Eingriff mit dem Mahlteller oder den ihm zugeordneten, vorgeschalteten Antriebselementen gebracht werden kann. Mangels näherer Definition versteht der Fachmann unter „Lafette“ eine bewegliche Einrichtung allgemeinster Art, auf der der Antrieb montiert ist und die anstelle eines unbeweglichen Maschinenfundaments die Beweglichkeit der darauf angeordneten Elemente herstellt.

54

Entsprechend Merkmal j) verfügt das Antriebssystem über mindestens drei Antriebe, wobei, zum Beispiel bei Ausfall/Wartung eines Antriebes, eine ständige Verfügbarkeit von wenigstens zwei Antrieben gesichert ist. Nach Merkmal k) erbringen diese wenigstens zwei Antriebe die erforderliche Mahlleistung der Wälzmühle. Der Auffassung der Patentinhaberin, es sei mit dem Begriff „erforderliche Mahlleistung“ nicht eine reduzierte, sondern ausschließlich die Nennleistung der Mühle gemeint, kann nicht gefolgt werden.

55

Der Begriff „erforderliche Mahlleistung“ wird im Streitpatent nicht definiert. Nach Absatz [0016] kann die Mühle mit hinreichender Kapazität weiter betrieben werden, wenn ein Antrieb ausfällt. Weiterhin offenbart Absatz [0026], dass das Abschalten von Antrieben nicht ausschließlich durch Wartungs- oder Reparaturarbeiten bedingt sein müsse; vielmehr sei möglich, einzelne Antriebe abzuschalten, wenn weniger Mahlleistung benötigt werde. Nach Absatz [0039] arbeiten bei Ausfall eines Antriebs „die restlichen Antriebe ungestört weiter und bringen auch die erforderliche Mahlleistung“. Die Formulierung „ungestört weiter arbeiten“ impliziert für den Fachmann, dass auch der Fall, dass beim Ausfall eines Antriebes die verbleibenden Antriebe konstant weiterarbeiten, also ohne Änderung der Ansteuerung durch den jeweiligen Frequenzumformer und damit ohne jeweilige Leistungssteigerung, unter die beanspruchte aktive Redundanz fällt. In diesem Fall ist für den Fachmann offensichtlich, dass die durch die verbleibenden Antriebe erbrachte „erforderliche Mahlleistung“ gegenüber der Maximalleistung bzw. Nennleistung der Mühle reduziert ist.

56

Auch aus dem Zusammenhang mit dem beanspruchten „aktiv redundanten Antriebssystem“ lässt sich nicht ableiten, dass mit dem Merkmal „erforderliche Mahlleistung“ zwingend implizit offenbart wird, dass diese erforderliche Mahlleistung mit der Nennleistung der Mühle gleichzusetzen ist. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist aus der Formulierung der DIN 40 041 zur aktiven Redundanz, bei „der alle Mittel gleichzeitig an der Erfüllung der geforderten Funktion beteiligt sind“, abzuleiten, dass für die Erfüllung der geforderten Funktion und damit der geforderten Leistung immer die Nennleistung der Wälzmühle zur Verfügung stehen müsse.

57

Auch dieser Auffassung vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Dem Fachmann ist im Zusammenhang mit der Konstruktion sicherheitsgerechter Produkte entsprechend der EG-Maschinenrichtlinie bekannt, dass unter aktiver Redundanz nicht nur zu verstehen ist, dass bei Ausfall eines Aggregates die Leistung vollständig aufrechterhalten wird, sondern auch der Fall, wenn die verbliebenen Aggregate den Betrieb nur zum Teil aufrechterhalten, als aktive Redundanz anzusehen ist. Die Auffassung, mit dem Begriff „erforderliche Mahlleistung“ sei ausschließlich die Nennleistung der Mühle gemeint, wird daher vom fachmännischen Verständnis der Gesamtoffenbarung des Streitpatents nicht getragen. Daher versteht der Fachmann die „erforderliche Mahlleistung“ als jene Mahlleistung, die im jeweiligen Betriebszustand jeweils erforderlich und erbringbar ist.

58

2. Hauptantrag:

59

2.1. Der erteilte Anspruch 1 basiert auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 in Verbindung mit den ursprünglichen Ansprüchen 7, 8 und 12. Die erteilten Ansprüche 2 bis 10 beruhen auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 6 und 9 bis 11 sowie 13. Die erteilten Ansprüche sind somit ursprungsoffenbart und zulässig.

60

2.2. Die Frage der von den Beschwerdegegnerinnen im Verfahren vor der Patentabteilung bezweifelten Ausführbarkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 bezüglich der in diesem Zusammenhang diskutierten Merkmale g), j) und k) kann wegen der fehlenden Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 dahingestellt bleiben.

61

Die E19 als nächstkommender Stand der Technik zeigt eine Wälzmühle mit einem Antriebssystem mit drei Elektromotoren (vgl. Sp. 1, Z. 1 bis 7, Z. 27 bis 30 und Z. 36 bis 43; Sp. 2, Z. 25 bis 29), die in Anhängigkeit vom Betriebszustand auch lediglich mit nur einem oder zwei Motoren betrieben werden kann (vgl. Sp. 2, Z. 31 bis 34). Daher entnimmt der Fachmann der E19 die Lehre, dass alle vorhandenen und aktiven Antriebe gleichzeitig an der Erfüllung der geforderten Funktion beteiligt sind, dass aber auch der Ausfall eines Antriebs nicht zum Stillstand des Antriebssystems und mithin der Wälzmühle führt. Damit offenbart die Druckschrift E19 für den Fachmann, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach die E19 kein aktiv redundantes Antriebssystem zeige, weil die E19 keinerlei Hinweise auf einen Betrieb bei Ausfall bzw. Wartung eines der drei Antriebe und damit auch keine Hinweise auf die Redundanzproblematik enthalte, ein aktiv redundantes Antriebssystem für Wälzmühlen nach Merkmal a).

62

Weiterhin offenbart die E19 ein Gehäuse der Mühle (vgl. Figur – Merkmal b)), einen rotierenden Mahlteller 4 mit einer Mahlbahn 2 (Merkmal c), auf der Mahlbahn abrollende Mahlrollen 1 bzw. alternative, nicht dargestellte Walzen bzw. Rollen (PA 1 - Merkmal d), ein Axiallager, das durch das Zentrallager 10 und die Tragrollen 6 gebildet ist (Merkmal e)) sowie einen Antrieb aus Elektromotor (nicht dargestellt) und Untersetzungsgetriebe 9 zum Antreiben der Mahlbahn 2 (Merkmal f)). Durch die Darstellung des Getriebes mit den parallelen Eingangs- und Ausgangsachsen in der Figur wird dem Fachmann implizit auch die Möglichkeit der Gestaltung des Getriebes als ein ein- oder mehrstufiges Stirnradgetriebe offenbart bzw. zumindest nahegelegt.

63

Entsprechend den Ausführungen zum Merkmal a) offenbart die E19 auch die Merkmale j) und k), da durch die Eignung der gezeigten Kugel- oder Rollenquetschmühle, mit nur einem oder zwei der vorhandenen drei Antriebe betrieben zu werden, die aktive Redundanz gesichert ist, wobei bei Ausfall eines der drei Antriebe die ständige Verfügbarkeit der verbleibenden zwei Antriebe gesichert ist (Merkmal j) und diese beiden Antriebe entsprechend der Auslegung des Streitpatents die erforderliche Mahlleistung der Wälzmühle erbringen (Merkmal k).

64

Daher zeigt die E19 nur nicht die Merkmale g) und i), wonach jeder Antrieb auf einer Lafette montiert ist und das Getriebegehäuse Inspektionsöffnungen zur Begutachtung der Zahneingriffe besitzt.

65

Für die Wartung, die Reparatur oder den Austausch eines Antriebs muss das aus E19 bekannte Antriebssystem angehalten werden. Solche Stillstandszeiten führen zu zusätzlichen Kosten, so dass der Fachmann Veranlassung hat, das aktiv redundante Antriebssystem der E19 für Walzenmühlen dahingehend zu optimieren, dass Wartungs- und Reparaturarbeiten ohne Unterbrechung des Gesamtprozesses durchgeführt werden können. Dabei bemüht er sich selbstverständlich darum, die Wartungsdauer so gering wie möglich zu halten, damit der Mühle schnellstmöglich wieder alle vorhandenen Antriebe zur Verfügung stehen. In Anbetracht dessen sucht er im Stand der Technik nach Möglichkeiten, die Wartungsarbeiten zu erleichtern bzw. zu verkürzen. Daher zieht der Fachmann den Stand der Technik zu Rate, der sich u.a. mit der Frage der Erleichterung der Montage bzw. Demontage von Mühlenkomponenten zu Reparaturzwecken beschäftigt, und gelangt somit trotz konstruktiver Unterschiede des Antriebs auch zur E3 (vgl. S. 3, Abs. 2+3).

66

Die E3, die einen Mahlschüsselantrieb und -Lagerung zeigt, vermittelt dem Fachmann die Lehre, dass ein unter der Tragkonstruktion der Mahlschüssel angeordnetes Antriebsgetriebe (Figur) bzw. eine Kombination von Antriebsmotor und Übersetzungsgetriebe (Anspruch 3, S. 7 Absatz 2) mittels am Getriebe angeordneten Rädern oder Kufen aus der Tragkonstruktion ein- oder ausgefahren werden kann (Figur, Anspruch 6), wodurch eine Inspektion oder Wartung erheblich erleichtert wird (S. 5, Absatz 2).

67

Für den Fachmann liegt es aufgrund der gleichen Zielsetzung nahe, diese technische Lösung bei der Optimierung des aus E19 bekannten Antriebs aufzugreifen. Hierzu muss er lediglich das Antriebsgetriebe bzw. die Kombination von Antriebsgetriebe und Motor anstelle auf einem unbeweglichen Maschinenfundament auf einer beweglichen Einrichtung allgemeiner Art und damit entsprechend der Auslegung auf einer Lafette montieren, welche die Beweglichkeit der darauf angeordneten Elemente herstellt.

68

Inspektionsöffnungen nach Merkmal i) ermöglichen es festzustellen, ob bzw. welcher Wartungs- oder Schadensfall überhaupt vorliegt, und stellen damit ebenfalls ein fachübliches Lösungsmittel für die Reduzierung von Wartungs- bzw. Stillstandzeiten von Anlagenkomponenten dar. Im Vorsehen von Inspektionsöffnungen an Getrieben ist daher nur eine einfache konstruktive und dem Fachmann auch aus dem Stand der Technik bekannte (vgl. E16) geläufige Maßnahme bzw. eine fachübliche Vorgehensweise zu sehen.

69

Somit gelangt der Fachmann, ausgehend von E19 unter Berücksichtigung der genannten E3 und seines Fachwissens und Fachkönnens in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

70

3. Hilfsantrag I:

71

3.1. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I ist gegenüber dem Hauptantrag in den Merkmalen a‘), j‘) und k‘) abgeändert. Entsprechend den Ausführungen der Beschwerdeführerin soll damit gegenüber dem Gegenstand des Hauptantrags klargestellt werden, dass das aktiv redundante Antriebssystem so betrieben werden kann, dass die erforderliche Mahlleistung, die bei Ausfall eines oder mehrerer Getriebe durch wenigstens zwei Antriebe erbracht wird, gleichzusetzen ist mit der erforderlichen Mahlleistung, die in einem störungsfreien Zustand des Antriebssystems durch die mehr als wenigstens zwei Antriebe erbracht wird.

72

Ein derartiger Betriebszustand des Antriebssystems nach Verständnis der Beschwerdeführerin wurde im Streitpatent jedoch nicht offenbart. Entsprechend den Ausführungen zur Auslegung versteht der Fachmann unter „erforderliche Mahlleistung“ jene Mahlleistung, die im jeweiligen Betriebszustand jeweils erforderlich und erbringbar ist. Daher unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I inhaltlich nicht vom Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und beruht ebenso nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der Fachmann, ausgehend von E19 unter Berücksichtigung der genannten E3 und seines Fachwissens und Fachkönnens in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I gelangt.

73

3.2. Die von den Beschwerdegegnerinnen vor der Patentabteilung geäußerten Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I wegen unzulässiger Erweiterung und Schutzbereichsänderung können daher dahingestellt bleiben.

74

4. Hilfsantrag II:

75

4.1. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag II unterscheidet sich vom dem Anspruch 1 nach Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal l) „wobei die mehr als zwei Antriebe (10, 11, 11‘) um das Mühlengehäuse herum angeordnet sind“. Das zusätzliche Merkmal beruht auf der ursprünglichen Offenbarung in Absatz [0033] der Offenlegungsschrift, weswegen der Anspruch 1 zulässig ist. Entsprechend Absatz [0023] ist bei der Anordnung der Antriebe darauf zu achten, dass die Radialkräfte möglichst symmetrisch wirken. Entsprechend Figur 2 ist daher unter dem Merkmal l) zu verstehen, dass die Antriebe radial gleichmäßig (bei drei Antrieben im Abstand von 120°) um das Mühlengehäuse angeordnet sind.

76

4.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag II beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da eine entsprechende Anordnung gemäß dem gegenüber dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag zusätzlichen Merkmal l) ebenfalls schon aus der nächstkommenden E19 bekannt ist (S. 1, Z. 44 – Sp. 2, Z. 1).

77

Somit gelangt der Fachmann, ausgehend von E19 unter Berücksichtigung der genannten E3 und seines Fachwissens und Fachkönnens in naheliegender Weise auch zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II.

78

5. Hilfsantrag III:

79

5.1. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag III unterscheidet sich von dem Anspruch 1 nach Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal m), wonach „dem Mahlkranz 7 ein Zahnkranz 5 zugeordnet ist und dass die Antriebe je ein Ritzel besitzen, das mit dem Zahnkranz 5 kämmt“. Das zusätzliche Merkmal beruht auf der Offenbarung des ursprünglichen Anspruchs 2. Damit ist der Anspruch 1 zulässig.

80

5.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag III beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

81

Das zusätzliche Merkmal m) wird in dem in der E19 genannten Stand der Technik erwähnt (Sp. 1, Z. 13-17), beim speziellen technischen Antriebskonzept der E19, die Tragkörper auch als Antriebseinrichtung zu verwenden, wird auf einen Zahnkranz als Antriebsmittel jedoch verzichtet (Sp. 1 Z. 22). Prinzipiell ist der Antrieb von Mahltellern von Mühlen mittels Zahnkranz dem Fachmann jedoch bekannt. Die Hinzufügung des dem Fachmann bekannten Merkmals m) zu dem Patentgegenstand gemäß Hauptantrag führt nicht zu einer schützenswerten Kombinationserfindung.

82

Für die Beurteilung, ob es sich beim Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag III. um eine Kombinationserfindung oder um eine bloße Aggregation ohne erfinderische Qualität handelt, ist relevant, ob die Einzelmerkmale sich gegenseitig beeinflussend, fördernd und ergänzend auf das Ziel hin wirken, ob sich also durch das funktionale Zusammenwirken der verschiedenen Merkmale eine über die bloße Addition hinausgehende Wirkung einstellt (BGH, Urteil vom 11 Oktober 2011, X ZR 107/07 Rdnr. 60; Bacher in Benkard, Patentgesetz, 111. Auflage, München 2015 § 1 PatG Rdnr. 78; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 8. Auflage, Berlin/Boston 2016, § 1 PatG Rdnr. 90).

83

Dies ist hier bei der Kombination des Gegenstands des Anspruchs 1 nach Hauptantrag mit dem zusätzlichen Merkmal m) nicht der Fall. Für die Lösung der Problemstellung, ein Antriebssystem für Walzenmühlen bereitzustellen, welches es erlaubt, Wartungs- und Reparaturarbeiten ohne Unterbrechung des Gesamtprozesses durchzuführen, ist streitpatentgemäß vorgesehen, dass das Antriebssystem aktiv redundant ausgeführt wird und die jeweils aus Elektromotor und Getriebe bestehenden Antriebe im Wartungsfall leicht vom Antriebssystem zu trennen sind. Dafür ist es jedoch unerheblich, welche Form der Kraft- bzw. Momentenübertragung von den Antrieben auf den Mahlkranz vom Fachmann ausgewählt wird. Daher ist in der Auswahl bzw. Beschränkung auf eine Kraft- bzw. Momentenübertragung mittels Zahnkranz nur das Hinzufügen eines weiteren bekannten Merkmals zu sehen, welches keinen eigenen Beitrag für das Erreichen des eigentlichen streitpatentgemäßen Ziels leistet.

84

Somit gelangt der Fachmann, ausgehend von E19 unter Berücksichtigung der genannten E3 und seines Fachwissens- und Fachkönnens in naheliegender Weise auch zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III.

85

6. Hilfsantrag IV:

86

6.1. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag IV stellt eine Kombination der Ansprüche 1 nach Hilfsantrag II und Hilfsantrag III dar und enthält dementsprechend die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag sowie die Merkmale l) „wobei die mehr als zwei Antriebe (10,11,11‘) um das Mühlengehäuse herum angeordnet sind“ und m) „dem Mahlkranz (7) ein Zahnkranz (5) zugeordnet ist und dass die Antriebe je ein Ritzel besitzen, das mit dem Zahnkranz (5) kämmt.“. Entsprechend den Ausführungen zu den Hilfsanträgen II und III ist der Anspruch 1 daher zulässig.

87

6.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag IV beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

88

Wie bereits zu Hilfsantrag II ausgeführt, ist das Merkmal l) schon aus der E19 bekannt und kann daher keine erfinderische Tätigkeit begründen. Die Ausführungen zum Vorliegen einer bloßen Aggregation zum Gegenstand des Hilfsantrags III mit dem Merkmal m) gelten für den Gegenstand des Hilfsantrags IV mit den Merkmalen l) und m) sinngemäß.

89

Daher gelangt der Fachmann, ausgehend von E19 unter Berücksichtigung der genannten E3 und seines Fachwissens und Fachkönnens in naheliegender Weise auch zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IV.

90

Mit dem jeweiligen Anspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag I bis IV fallen aufgrund der Antragsbindung auch die antragsgemäß jeweils rückbezogenen Unteransprüche nach Hauptantrag und Hilfsantrag I bis IV.

91

Die Beschwerde der Patentinhaberin war daher zurückzuweisen.