Entscheidungsdatum: 20.05.2010
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 folgende Fragen vorgelegt:
1. Sind Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahingehend auszulegen, dass einem Arbeitnehmer, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, im Falle seiner Nichtberücksichtigung ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Auskunft eingeräumt werden muss, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist?
2. Falls die erste Frage bejaht wird:
Ist der Umstand, dass der Arbeitgeber die geforderte Auskunft nicht erteilt, eine Tatsache, welche das Vorliegen der vom Arbeitnehmer behaupteten Diskriminierung vermuten lässt?
II. Das Verfahren wird ausgesetzt.
I. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Frage ab, ob Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen(Neufassung) und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahingehend auszulegen sind, dass der Klägerin als abgelehnter Stellenbewerberin, nachdem sie dargelegt hat, dass sie die Voraussetzungen für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle erfüllt, ein Anspruch gegen die Beklagte zustehen muss, ihr mitzuteilen, ob diese einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist. Falls ein solcher Anspruch bejaht wird, ist es im Weiteren entscheidungserheblich, ob die Nichterteilung der Auskunft eine Tatsache ist, welche die unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen der von ihr behaupteten Umstände vermuten lässt.
II. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung bei einer Stellenbewerbung und verlangt Auskunft über die von der Beklagten eingestellte Person.
Die am 7. September 1961 in Russland geborene Klägerin absolvierte dort ein Studium und schloss dieses mit der Qualifikation einer Systemtechnik-Ingenieurin ab. Ihr wurde durch das Land Schleswig-Holstein die Gleichwertigkeit dieses Studiums mit einem an einer Fachhochschule in der Bundesrepublik Deutschland durch Diplomprüfung abgeschlossenen Studium der Fachrichtung Informatik bescheinigt.
Mit einer Stellenanzeige hatte die Beklagte „eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/-in“ gesucht. Die Klägerin bewarb sich am 5. Oktober 2006 bei der Beklagten. In ihrem Bewerbungsschreiben führte sie ua. aus:
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„Ich bemühe mich um Erhaltung bzw. Entwicklung meiner Qualifikation. Mit diesem Zweck habe ich zu Hause Arbeitsplatz eingerichtet und lerne jetzt Visual C++.NET, Visual C#.NET, Internetprogrammierung mit ASP.NET.“ |
Am 11. Oktober 2006 erhielt die Klägerin eine Absage von der Beklagten.
Nachdem im Internet erneut eine Stellenanzeige der Beklagten mit gleichem Inhalt erschienen war, bewarb sich die Klägerin am 19. Oktober 2006 erneut um die Stelle und behauptete:
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„Ich passe Ihnen sehr gut. Erstens, weil ich gute Erfahrung mit OOP mit MS C++6.0 habe. Weiterhin, weil ich private Erfahrung mit C#.NET habe. Grundsätzlich ist Übergang von C++6.0 auf C#.NET = C# 7.0… am leichtesten.“ |
Weiter führte sie an, dass die Beklagte einen Softwareentwickler mit Erfahrung im „Berufsumfeld mit C# objektiv nicht finden könne, da MS Visual Studio.NET einschließlich C# in Deutschland erst 2002 eingeführt worden sei und keine Firma, die eigene mit anderen Werkzeugen entwickelte Software am Markt gehabt habe, sofort zu .NET übergegangen sei.“ Sie selbst besitze seit Anfang 2002 die .NET-Umgebung privat und arbeite damit. Daraufhin erhielt die Klägerin erneut eine Absage durch die Beklagte.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Entschädigung wegen Benachteiligung in Höhe von sechs Monatsgehältern á 3.000,00 Euro. Sie macht geltend, obwohl sie ideal den Anforderungen der Beklagten entspreche und es Bewerber mit besseren als ihren fachlichen Kenntnissen in dem von der Beklagten gewünschten Bereich objektiv kaum geben könne, sei sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Offenbar habe die Beklagte Vorurteile wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft und ihres Alters. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die Bewerbungsunterlagen des aufgrund der Stellenanzeige eingestellten Bewerbers vorzulegen. Sie meint, dies sei zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich. Es sei ausreichend, wenn der abgelehnte Bewerber dem Gericht darlege, er entspreche dem Anforderungsprofil. Die Vorlage der Bewerbungsunterlagen des ausgewählten Bewerbers hätte veranschaulicht, dass dieser nicht besser qualifiziert sei als sie. Aus den allgemeinen Statistiken in der IT-Branche ergebe sich, dass dort überwiegend Männer arbeiten würden. In dieser Branche gebe es eine ausgeprägte geschlechtsbezogene Diskriminierung.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.000,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen. |
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hält die Klage für nicht schlüssig, weil die Klägerin keine ausreichenden Tatsachen für die Vermutung einer Diskriminierung vorgetragen habe. Es bestehe auch kein Anspruch der Klägerin auf Auskunft darüber, welche Personalentscheidung die Beklagte aufgrund der Stellenausschreibung getroffen habe.
III. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, wenn die Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG verstoßen hat.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG gilt die Klägerin als Beschäftigte iSd. AGG, weil sie Bewerberin für ein Beschäftigungsverhältnis ist. Die Klägerin macht eine unmittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG geltend. Sie hat allerdings keine Indizien schlüssig dargelegt, die vermuten lassen, dass die Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG verstoßen hat(§ 22 AGG).
Zwar hat sie in ausreichender Weise vorgetragen, dass sie von der Beklagten in Bezug auf den Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, eine weniger günstige Behandlung erfahren hat als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation(§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 AGG), weil sie trotz (zweimaliger) Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle als „Softwareentwickler/-in“ nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Andere Personen sind - wie sich aus einem Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 2006 ergibt - zu einem solchen gebeten worden. Bereits die Ablehnung, den Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, stellt eine weniger günstige Behandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar.
Die Klägerin hat aber nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass sie die weniger günstige Behandlung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe erfahren hat, also dass entweder ihr Geschlecht, ihr Alter oder ihre ethnische Herkunft mitursächlich für diese Behandlung war. Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat(vgl. BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).
Nach dem deutschen Zivilprozessrecht einschließlich des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens trägt derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Die Darlegungslast entspricht dabei grundsätzlich der Beweislast, dh. derjenige, dem die Beweislast obliegt, muss zunächst die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen. Zu diesen gehört bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot auch die Tatsache, dass die ungünstigere Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Der im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren geltende Beibringungsgrundsatz verlangt einen schlüssigen Tatsachenvortrag der Parteien. Für einen solchen genügt es nicht, wenn eine Partei lediglich Mutmaßungen aufstellt. Unzulässig ist es grundsätzlich, wenn eine Partei eine Behauptung lediglich „ins Blaue hinein“ aufstellt, ohne dass sie tatsächliche Anhaltspunkte für ihre Behauptung darlegt (vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Hinsichtlich der inneren Tatsachen, nämlich der Kausalität zwischen Nachteil und einem oder mehreren der in § 1 AGG genannten Gründe hat der deutsche Gesetzgeber in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auf die Darlegungslast auswirkt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift ua. Art. 8 der Richtlinie 2000/43/EG und Art. 10 der Richtlinie 2000/78/EG umsetzen (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 47). § 22 AGG lautet:
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„§ 22 |
Beweislast |
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Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.“ |
Aus § 22 AGG ergibt sich, dass es nicht ausreichend für ein schlüssiges Klagevorbringen ist, wenn diejenige Person, die sich auf eine Benachteiligung beruft, im Prozess lediglich vorträgt, auf sie treffe ein in § 1 AGG genanntes Merkmal zu und sie habe wegen dieses Merkmals eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren. Für die Erfüllung der Darlegungslast genügt, wenn Indizien vorgetragen werden, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung aus einem dieser Gründe erfolgte. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ wird zum Ausdruck gebracht, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem in § 1 AGG genannten Grund und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist.
Diese Auslegung des § 22 AGG bezogen auf die Darlegungslast des Benachteiligungsgrundes entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dem früheren § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB und dem § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14).
Ein abgelehnter Stellenbewerber, der meint unter Verstoß gegen § 7 AGG diskriminiert worden zu sein, genügt seiner Darlegungslast bzgl. der behaupteten Benachteiligung nicht dadurch, dass er lediglich vorträgt, er habe sich beworben, sei unberücksichtigt geblieben und erfülle das in der Ausschreibung geforderte Anforderungsprofil sowie zumindest eines der in § 1 AGG genannten Merkmale. Allein ein solcher Sachvortrag verpflichtet den Arbeitgeber nicht zur Darlegung, welche Personalentscheidung er letztlich getroffen hat und aus welchen Gründen.
Es gibt keinen Grundsatz, wonach diejenige Person die Darlegungs- und Beweislast trägt, die über die maßgeblichen Informationen verfügt. Die Beweislastverteilung bedarf grundsätzlich einer normativen Regelung(BGH 17. Dezember 1996 - XI ZR 41/96 - WM 1997, 591). § 22 AGG trägt der Situation Rechnung, dass dem Anspruchsteller im Regelfalle die vollständige Beweisführung, dass das Motiv für die ungünstigere Behandlung ein in § 1 AGG genannter Grund ist, nicht möglich ist und er damit regelmäßig keine Tatsachen vortragen kann, die dazu führen, dass das Gericht das Vorliegen des Benachteiligungsgrundes als wahr erachtet.
Der Umstand, dass die Klägerin von der Beklagten nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist, lässt nicht darauf schließen, dies sei kausal auf einen der in § 1 AGG genannten Gründe zurückzuführen, hier also auf ihr Geschlecht, ihr Lebensalter oder ihre Herkunft. Allein die Berufung der Klägerin auf die Merkmale „Frau“, „Lebensalter über 45“ und „russische Herkunft“ kann für sich allein keine Vermutung für eine ungünstigere Behandlung der Klägerin wegen dieser oder eines dieser Gründe begründen. Es müssten vielmehr von der Klägerin weitere Umstände vorgetragen werden, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass zumindest einer dieser Gründe(mit) ursächlich für die nachteilige Behandlung war. Ein solcher weiterer Umstand liegt nicht bereits darin, dass die Klägerin für die Stelle geeignet ist bzw. die in der Stellenausschreibung geforderten Anforderungen erfüllt. Dass ein Bewerber, der zwar sämtlichen in der Stellenausschreibung geforderten Anforderungen genügt, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, begründet nicht den ersten Anschein, dass dies auf einem der Gründe des § 1 AGG (mit) beruht. Vielmehr kann dies vielfältige andere Ursachen haben. Dabei ist zu beachten, dass das AGG nicht die unsachliche Behandlung aus anderen als den in § 1 AGG genannten Gründen verbietet und von dem Arbeitgeber nicht verlangt, nur objektiv geeignete Bewerber bei seiner Auswahlentscheidung zu berücksichtigen.
Soweit die Klägerin geltend macht, Bewerber mit besseren als ihren fachlichen Kenntnissen könne es objektiv kaum geben, stellt dies von der Formulierung her keine Tatsachenbehauptung iSd. § 138 Abs. 1 ZPO dar, sondern lediglich eine nicht durch Tatsachenvortrag untermauerte Mutmaßung der Klägerin. Lediglich aufgrund von vorgetragenen Tatsachen könnte die Klägerin jedoch die ihr gemäß § 22 AGG obliegende Darlegungslast erfüllen.
Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Klägerin als Frau von über 45 Jahren mit russischer Herkunft in der IT-Branche beworben hat, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch(auch) wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe unterblieben ist. Allein das pauschale Vorbringen der Klägerin, in der IT-Branche würden Frauen diskriminiert, kann keine Indizwirkung für eine Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts entfalten. Soweit ihr Vortrag dahin zu verstehen ist, dass im IT-Bereich mehr Männer als Frauen beschäftigt werden, kann dies vielfältige Gründe haben, ua. den, dass sich weniger Frauen als Männer um entsprechende Stellen bewerben.
IV. Der Senat kann ohne Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht entscheiden, ob, um den Beweislastregelungen der zitierten europarechtlichen Richtlinien zu genügen, der Klägerin nach nationalem Recht ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte einzuräumen ist, welcher dahin geht, dass ihr die Beklagte mitteilen muss, ob sie einen anderen Bewerber für die ausgeschriebene Stelle eingestellt hat und wenn ja, welche Kriterien für die getroffene Auswahl maßgeblich gewesen sind. Weiter kann der Senat nicht entscheiden, ob die Nichterteilung der Auskunft als Tatsache iSd. Richtlinien anzusehen ist, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen.
Ein Anspruch der Klägerin auf Auskunft über die Gründe der Absage bzw. auf Auskunft über die von der Beklagten getroffene Personalentscheidung besteht nach nationalem Recht grundsätzlich nicht.
Der Klägerin steht kein Auskunftsanspruch aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis bzw. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu. Aus § 242 BGB ergibt sich eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann(BAG 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - mwN, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 242 Auskunftspflicht Nr. 1). Der Auskunftsanspruch setzt eine Sonderverbindung zwischen den Parteien voraus (BGH 18. Januar 1978 - VIII ZR 262/76 - NJW 1978, 1002). Allein die Tatsache, dass eine Person Informationen besitzt, die das Informationsbedürfnis einer Partei begründen, begründet keine Auskunftspflicht der anderen Person (vgl. BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 - BAGE 96, 274 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 35 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 6). Bei der Sonderverbindung kann es sich zB um einen Vertrag, um ein gesetzliches Schuldverhältnis oder eine Rechtsbeziehung bei der Anbahnung eines Vertragsverhältnisses handeln. Außerhalb von Vertragsverhältnissen wird von der Rechtsprechung für einen Auskunftsanspruch grundsätzlich ein dem Grunde nach bereits feststehender Leistungsanspruch gefordert (BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 - aaO; 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 5). Im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses reicht es aus, dass mit dem Auskunftsanspruch auch der Bestand eines Leistungsanspruchs geklärt werden soll, sofern der Berechtigte die Wahrscheinlichkeit seines Anspruchs dargelegt hat (vgl. BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 - aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat innerhalb eines Arbeitsverhältnisses Auskunftsansprüche auch bejaht, wenn dieser Auskunftsanspruch (auch) die Funktion hat, dem Berechtigten Informationen über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen (1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - aaO). Dieser weitergehende Auskunftsanspruch wird damit begründet, dass es sich dabei um eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis handelt und der Inhalt dieser Nebenpflicht durch eine besondere persönliche Bindung der Vertragspartner geprägt ist, und dass sich aus dem Arbeitsverhältnis spezifische Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme ergeben (vgl. BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - aaO; 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - aaO).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung besteht kein Auskunftsanspruch der Klägerin auf Information über die von der Beklagten getroffene Personalentscheidung. Zwischen den Parteien bestand kein Vertragsverhältnis. Das AGG fingiert weder das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Bewerber und dem Arbeitgeber noch bestimmt es, dass einem Bewerber allgemein die gleichen Rechte und Pflichten wie einem Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis zukommen. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG regelt nur, dass Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis als Beschäftigte iSd. AGG gelten. Allerdings ist von einem Zustandekommen eines Schuldverhältnisses nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB(Anbahnung eines Vertrages) zwischen der Klägerin und der Beklagten auszugehen.
Weitere Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch nach der oben dargestellten Rechtsprechung ist jedoch, dass der Auskunftsbegehrende grundsätzlich einen dem Grunde nach bereits feststehenden Leistungsanspruch, dh. einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG darlegt. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sie wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden ist, mit der Folge, dass ihr ein Entschädigungsanspruch zustünde.
Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis, zu dem auch ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB gehört, jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Die sich aus dem Anbahnungsverhältnis ergebenden Rücksichtnahmepflichten verpflichten den privaten Arbeitgeber aber nicht, dem Bewerber Auskünfte über die Einstellung oder Nichteinstellung eines Mitbewerbers und über die Gründe für diese Personalentscheidung zu erteilen.
Aus dem AGG kann ebenfalls kein solcher Auskunftsanspruch hergeleitet werden. So fehlt es insbesondere an einer normierten Anspruchsgrundlage für ein solches Begehren im Gesetz. Der Gesetzgeber, der im AGG keinen Auskunftsanspruch des Stellenbewerbers normiert hat, hat mit § 22 AGG eine konkrete und nach nationalem Recht abschließende Darlegungs- und Beweislastregelung vorgenommen. Ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch, der bereits dann gewährt wird, wenn der Arbeitnehmer keine Vermutungstatsachen für eine Benachteiligung wegen eines im § 1 AGG genannten Grundes vorbringt, würde diese Vorschrift im Ergebnis unbeachtet lassen. Einer Korrektur dieser gesetzlich geregelten Verteilung der Darlegungslast bedarf es nicht, da eine Auskunftsverpflichtung des Arbeitgebers dem Grundsatz widerspräche, dass nach der im deutschen Zivilprozessrecht geltenden Verhandlungsmaxime keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zu verschaffen. Dabei ist auch von Bedeutung, dass die Darlegungs- und Beweissituation nicht durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden darf(BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 5).
Die europäischen Richtlinien sehen ebenfalls keinen ausdrücklichen Auskunftsanspruch vor. Obwohl die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Beweislast im Bereich des gleichen Entgelts und der Gleichbehandlung von Frauen und Männern einen Auskunftsanspruch vorgeschlagen hatte, wurde dieser Vorschlag nicht in den Gleichbehandlungsrichtlinien und in der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts aufgenommen(vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Beweislast im Bereich des gleichen Entgelts und der Gleichbehandlung von Frauen und Männern
V. Sollten die Beweislastregelungen der zitierten Richtlinien unter Berücksichtigung der einschlägigen Erwägungen allerdings dahingehend auszulegen sein, dass Bewerbern ein Auskunftsanspruch im oben dargestellten Sinne nach nationalem Recht eingeräumt werden muss, obwohl ein solcher in den Richtlinien trotz des gegenteiligen Vorschlags der Kommission vom 27. Mai 1988 nicht erwähnt ist, müsste ein solcher in europarechtskonformer Auslegung des AGG der Klägerin zuerkannt werden. Ggf. könnte dann die Nichterteilung der Auskunft durch die Beklagte als ein Indiz für das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung der Klägerin betrachtet werden.
Aus diesem Grunde waren die im Tenor genannten Fragen bezüglich der Auslegung der einschlägigen Richtlinien an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten.
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Hauck |
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Böck |
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Breinlinger |
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R. Koglin |
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Mallmann |