Entscheidungsdatum: 22.07.2010
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 18. Dezember 2008 - 3 Sa 88/08 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision und die Kosten der Nebenintervention zu tragen.
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Schuldanerkenntnis und die Herausgabe dieser Urkunde.
Im Anschluss an eine bei der Beklagten erfolgreich absolvierte Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann war der Kläger vom 4. Juli 2002 bis 24. Juli 2006 in deren Großmarkt in H als Verkäufer im Getränkemarkt beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte es, Leergut anzunehmen und die Kasse zu bedienen.
Für Mai und Juni 2006 überprüfte die Beklagte die Leergutlisten und stellte Differenzen zwischen Pfandgeldauszahlungen und dem tatsächlich vorhandenen Leergut fest. Von einer Detektei ließ sie eine für den Kläger nicht erkennbare Videokamera oberhalb seines Kassenarbeitsplatzes installieren, die die Arbeitstage vom 22. bis 24. Juni 2006 aufzeichnete. Die Detektei wertete anschließend den Mitschnitt aus; danach ergab sich für die erkennbaren Unterschlagungsvorgänge an den drei Tagen eine Schädigung iHv. 1.120,00 Euro.
Am 24. Juli 2006 wurde der damals 22 Jahre alte Kläger mit dem Vorwurf zahlreicher Unterschlagungen konfrontiert. Der Marktleiter, die Bezirksleiterin und der Revisor hielten dem Kläger in Anwesenheit der Betriebsratsvorsitzenden vor, er habe Leergut gebucht und die entsprechenden Pfandbeträge an sich ausgezahlt, obwohl es tatsächlich zu keinen Leergutrückgaben gekommen sei. Der Kläger fertigte dann eine eigenhändige Erklärung, mit der er zugab, seit ca. vier Jahren auf diese Art und Weise an seinem Arbeitsplatz Geld genommen zu haben. Anfangs seien es 10,00 Euro pro Tag gewesen, nachdem dies nicht aufgefallen sei, habe er immer mehr Geld entwendet, tageweise bis zu 500,00 bis 600,00 Euro. Innerhalb von vier Jahren habe er so einen Gesamtschaden von mind. 110.000,00 Euro verursacht. Das Geld sei weg. Dies habe er freiwillig und ohne Drohung zugegeben und aufgeschrieben. Er sei bereit, den Schaden zu ersetzen.
Anschließend wartete der Kläger eine Dreiviertelstunde im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden, während die Vertreter der Beklagten im Nebenzimmer mit einer anderen Arbeitnehmerin ein Gespräch über ähnliche Vorwürfe führten. Ohne die Betriebsratsvorsitzende fuhren anschließend der Kläger, seine ebenfalls angeschuldigte Kollegin und die Gesprächsteilnehmer der Beklagten aus dem etwa 50 km südöstlich gelegenen H nach M zu einem Notar. Dort wurde ein „Schuldanerkenntnis“ beurkundet und vom Kläger unterzeichnet, mit dem er anerkannte, vorsätzliche unerlaubte Handlungen begangen zu haben und nach § 823 Abs. 2 BGB der Beklagten zu Schadensersatz iHv. 113.750,00 Euro zuzüglich Zinsen verpflichtet zu sein. Beginnend mit dem 1. September 2006 verpflichtete sich der Kläger zu einer monatlichen Ratenzahlung iHv. 200,00 Euro. Er unterwarf sich wegen der Zahlungsverpflichtung einschließlich der Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Aufgrund dieses notariellen Schuldanerkenntnisses zahlte die Nebenintervenientin, bei der die Beklagte eine Vertrauensschadensversicherung abgeschlossen hatte, eine Versicherungsleistung iHv. 113.750,00 Euro. Der Kläger zahlte von September bis Dezember 2006 - unter später zurückgenommenem Vorbehalt - monatliche Raten in vereinbarter Höhe, insgesamt also 800,00 Euro. Die Parteien sind sich darüber einig, dass in dieser Höhe eine Zwangsvollstreckung unzulässig ist.
Unter dem 29. Dezember 2006 ließ der Kläger seine zum notariellen Schuldanerkenntnis führende Willenserklärung wegen Täuschung und Drohung anfechten und berief sich darauf, das Schuldanerkenntnis sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Anfechtung wiederholte er mit der am 1. Februar 2007 bei Gericht eingegangenen Vollstreckungsabwehrklage. Der Kläger verkündete der Streithelferin unter dem 8. Oktober 2007 den Streit, die nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist. Am 18. Februar 2008 trat die Streithelferin die auf sie nach § 67 VVG übergegangene Forderung an die Beklagte ab.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihm im Gespräch am 24. Juli 2007 sein Mobiltelefon abgenommen und mit der Erstattung einer Strafanzeige und einer empfindlichen Freiheitsstrafe gedroht, falls er das Schuldanerkenntnis nicht unterzeichne. Seine Geständnisse und Erklärungen seien ihm von der Beklagten vorgegeben worden. Ihm sei keine Überlegungsfrist in Ruhe eingeräumt worden. Er hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Videoaufzeichnung eine Vielzahl von einzelnen Unterschlagungen über eine Gesamtsumme von 1.120,00 Euro zeige. Darüber hinaus hat er bestritten, dass die Überprüfung der Leergutlisten die von der Beklagten behaupteten Fehlbeträge ergebe und die Höhe des Schadens in Frage gestellt. Er hat die Auffassung vertreten, das Schuldanerkenntnis sei vor diesem Hintergrund sittenwidrig und wirksam angefochten. Die Drohung mit der Freiheitsstrafe stelle eine unzutreffende rechtliche Wertung dar. Insgesamt sei er jung und unerfahren, perplex und überfordert gewesen. Die durchgeführte Videoüberwachung sei unzulässig gewesen, insbesondere wegen § 6b BDSG. Für deren Kosten hafte er nicht. Die im notariellen Schuldanerkenntnis genannte Summe sei unangemessen hoch, dies auch deshalb, weil es der Beklagten darum gegangen sei, die entsprechende Versicherungssumme zu erhalten.
Der Kläger hat beantragt,
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1. |
die Zwangsvollstreckung aus dem am 24. Juli 2006 vor dem Notar Dr. K, M, abgegebenen Schuldanerkenntnis (Urkunden-Nr.: 2077 A/2006) für unzulässig zu erklären, |
2. |
die Beklagte zu verurteilen, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde an ihn herauszugeben. |
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und, nach Abtretung der Forderung durch die Streithelferin an sie, die materielle Rechtmäßigkeit des Schuldanerkenntnisses verteidigt. Sie hat behauptet, dass im Zeitpunkt des Gesprächs mit dem Kläger die Langzeitauswertungen für Mai und Juni 2006 vorgelegen hätten, die allein für diese beiden Monate unter seiner Kassenbediennummer einen Fehlbetrag von weit über 10.000,00 Euro ergeben hätten. Bis 19. Juli 2006 sei eine weitere Differenz in Höhe von nahezu 3.500,00 Euro festzustellen gewesen.
Die Streithelferin hat die Abweisung der Klage beantragt und darauf verwiesen, die Angriffe des Klägers auf das deklaratorische Schuldanerkenntnis stützten sich ausschließlich auf Überrumpelungsumstände und die angeblich willkürliche Höhe des Rückzahlungsbetrages. Die Unterschlagungshandlungen an sich habe der Kläger jedoch nicht bestritten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, weil die Beklagte in der ersten Instanz nicht Inhaberin der Forderung war. Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass die Klage unbegründet ist.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Nach Rückabtretung durch die Streithelferin sei die Beklagte materiellrechtlich wieder Inhaberin der titulierten Forderung, die Zwangsvollstreckung somit nicht mehr unzulässig. Das notarielle deklaratorische Schuldanerkenntnis sei wirksam. Dass die Beklagte bei einem Streit um die Höhe der Forderung den Schaden allenfalls zu einem geringen Teil hätte beweisen können, führe ebenso wenig zur Sittenwidrigkeit wie der Umstand, dass der Kläger - wenn überhaupt - die Schuld allenfalls unter großen Mühen zurückzahlen könne. Auch aus den Gesamtumständen bei Vertragsschluss ergäbe sich keine Sittenwidrigkeit. Das Schuldanerkenntnis gebe die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien im Zeitpunkt seiner Abgabe wieder. Die Beklagte habe weder eine Geschäftsunerfahrenheit des Klägers unzulässig ausgenutzt noch ihm jede Überlegungsfrist genommen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger am 24. Juli 2006 weder im Großmarkt, noch auf der Fahrt zum Notar oder in dessen Kanzlei in eine seelische Zwangslage versetzt worden sei. Der Kläger habe die Möglichkeit zu telefonischem Kontakt nach außen gehabt; weder sei ihm mit einer hohen Freiheitsstrafe gedroht noch bei Niederschrift des Geständnisses die Hand geführt worden. Die Beklagte habe nicht verlangt, das Schuldanerkenntnis „müsse“ unterschrieben werden, der Notar habe einen gegenteiligen Hinweis gegeben. Nach diesem Ergebnis der Beweisaufnahme scheide auch eine Anfechtung nach § 123 BGB aus. Die Beklagte berufe sich auch nicht rechtsmissbräuchlich auf das Schuldanerkenntnis, obwohl sie das Fehlverhalten des Klägers durch fehlende Kontrollen begünstigt habe.
B. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, nach Rückabtretung der titulierten Forderung von der Streithelferin an die Beklagte im Februar 2008 sei die Begründung des Arbeitsgerichts für die klagestattgebende Entscheidung hinfällig geworden. Im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils war die Beklagte zwar Vollstreckungsgläubigerin, wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 67 VVG jedoch nicht Inhaberin der titulierten Forderung. Nach Rückabtretung kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte nicht mehr mit der Begründung des Arbeitsgerichts als unzulässig angesehen werden.
II. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass das notarielle Schuldanerkenntnis des Klägers vom 24. Juli 2006 als deklaratorisches Schuldanerkenntnis wirksam ist.
1. Welchen Inhalt die notarielle Vereinbarung hat, ist grundsätzlich eine Frage tatrichterlicher Feststellung und Auslegung, weil es um den Inhalt einer individuellen, atypischen Erklärung geht. Sie ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob die Rechtsvorschriften für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen, §§ 133, 157 BGB, richtig angewandt wurden, ob das Wesen des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses verkannt oder Denkgesetze und Erfahrungssätze verletzt wurden. Der Auslegungsstoff, der sich nach dem Vorbringen der Parteien gemäß dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt, muss vom Berufungsgericht ausreichend beachtet worden sein (BAG 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02 - BAGE 103, 71, 78 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 169 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 158; 15. Dezember 1999 - 10 AZR 881/98 - zu II 1 der Gründe).
2. Nach diesem Maßstab ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, es liege weder ein Vergleich iSv. § 779 BGB vor, weil es kein gegenseitiges Nachgeben in Bezug auf Bestehen und Höhe einer von der Beklagten erhobenen Forderung gegeben habe, noch sei ein konstitutives Schuldanerkenntnis oder -versprechen nach §§ 780, 781 BGB abgegeben worden, weil der Schuldgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung in der notariellen Urkunde ausdrücklich erwähnt wurde. Da bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis, anders als beim Vergleich, die Unsicherheit der Parteien über das Bestehen und den Inhalt eines Schuldverhältnisses nicht durch gegenseitiges, sondern durch einseitiges Nachgeben des Schuldners beseitigt wird, hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt, dass vorliegend die Parteien ihre materiellrechtlichen Beziehungen durch einen derartigen einseitigen Feststellungsvertrag regeln wollten (Staudinger/Marburger [1997] § 781 Rn. 8 mwN; BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - BAGE 114, 97 = AP BGB § 781 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 2).
3. Da das deklaratorische Schuldanerkenntnis eine schon bestehende Schuld lediglich bestätigen soll und sein Zweck darin besteht, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen, ist der Kläger mit den Einwendungen ausgeschlossen, die er bei Abgabe des notariellen Schuldanerkenntnisses am 24. Juli 2006 kannte oder mit denen er zumindest rechnete. Dazu gehören nicht nur Einreden, sondern auch echte rechtshindernde oder -vernichtende Einwendungen und das Fehlen anspruchsbegründender Tatsachen (Staudinger/Marburger § 781 Rn. 11 mwN; Palandt/Sprau 69. Aufl. § 781 Rn. 4; BAG 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - zu I 4 c der Gründe, AP BGB § 781 Nr. 5 = EzA BGB § 781 Nr. 5).
a) Da der Kläger wusste, dass in der gegebenen Situation gerade das Bestehen und die Höhe des zu ersetzenden Schadens klärungsbedürftig waren, ist er mit dem Einwand ausgeschlossen, die Schuld bestehe nicht oder nicht in dieser Höhe, was das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat.
b) Zu Recht haben sich daher die Berufungsrichter mit der Frage des Inhalts und der Zulässigkeit des Beweises durch eine verdeckte Videoaufzeichnung nicht befasst.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist darin kein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 6 ZPO zu sehen. Es kann dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine zulässige Verfahrensrüge vorliegt, denn jedenfalls wäre sie unbegründet.
Zwar fehlt es an einer Begründung der Entscheidung iSv. § 547 Nr. 6 ZPO auch dann, wenn das Urteil auf einen Klageantrag, Anspruch, selbständigen Angriff oder ein Verteidigungsmittel iSd. § 146 ZPO nicht eingeht (Musielak/Ball ZPO 7. Aufl. § 547 Rn. 15; BGH 21. Dezember 1962 - I ZB 27/62 - BGHZ 39, 333, 337; Zöller/Heßler ZPO 28. Aufl. § 547 Rn. 8; GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 49). Mit der Begründung des Berufungsurteils werden jedoch keine selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel des Klägers übergangen. Sein Vortrag, dass die Videoüberwachung unzulässig gewesen sei, stellt nur ein Argument im Zusammenhang mit einem Angriffs- oder Verteidigungsmittel dar, nämlich der geltend gemachten Unwirksamkeit des notariellen Schuldanerkenntnisses.
bb) Soweit die Rüge des Klägers dahin auszulegen ist, dass er eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG geltend machen will, liegt auch diese nicht vor. Die vorliegende Begründung lässt vielmehr erkennen, dass aufgrund der tatsächlichen Feststellungen und der zutreffenden rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts die Frage der Zulässigkeit der Videoüberwachung für die Frage der klageweise geltend gemachten Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem abgegebenen notariellen Schuldanerkenntnis unerheblich war. Daher haben die Berufungsrichter auf das vom Kläger erklärte Schuldanerkenntnis abgestellt und sich mit der Frage der Beweisbarkeit der in der notariellen Urkunde fixierten Schadenshöhe durch die Beklagte nicht befasst. Denn gerade die Schadenshöhe war bei Abgabe der Erklärung des Klägers klärungsbedürftig, was dieser auch wusste. Das Landesarbeitsgericht ist weder von einem für den Überwachungszeitraum „bewiesenen“ Schaden iHv. 1.120,00 Euro noch davon ausgegangen, dass die Beklagte unabhängig vom Geständnis und Schuldanerkenntnis des Klägers am 24. Juli 2006 den ihr entstandenen Schaden in voller Höhe hätte beweisen können.
III. Dagegen ist der Kläger grundsätzlich nicht mit Einwendungen gegen das notarielle Schuldanerkenntnis selbst ausgeschlossen, insbesondere mit den Einwänden, das Schuldanerkenntnis sei wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig oder aufgrund wirksamer Anfechtung nach § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB unwirksam. Dies hat das Berufungsgericht aber rechtsfehlerfrei verneint.
1. Abgesehen davon, dass nicht die Beklagte als Partei des Arbeitsvertrages, sondern der beurkundende Notar als von ihr unabhängiger Dritter die Einzelheiten des Schuldanerkenntnisses formuliert hat, sind dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass dabei vorformulierte Vertragsbedingungen zur Anwendung gekommen sind. Eine Überprüfung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) kommt daher nicht in Betracht.
2. Das Schuldanerkenntnis ist nicht entsprechend § 779 BGB wegen eines beiderseitigen Irrtums über einen als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt, der der Wirklichkeit nicht entsprach, unwirksam. Zwar ist § 779 BGB wegen seines vergleichsähnlichen Charakters auch auf das deklaratorische Schuldanerkenntnis entsprechend anwendbar (Staudinger/Marburger § 781 Rn. 18 mwN; BAG 15. Dezember 1999 - 10 AZR 881/98 - zu II 3 a der Gründe; 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - zu III der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 37 = EzA BGB § 138 Nr. 17). Vorliegend haben aber die Parteien nicht gemeinsam über einen als feststehend zugrunde gelegten streitausschließenden Umstand geirrt. Vielmehr macht der Kläger geltend, er sei über Grund und Höhe des von ihm verursachten Schadens im Unklaren gelassen oder getäuscht worden. Das war zwischen den Parteien vor Abgabe des Schuldanerkenntnisses aber gerade streitig und wurde deswegen zu seinem Gegenstand gemacht.
3. Das notarielle Schuldanerkenntnis ist nicht sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB. Ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, ist eine der Nachprüfung im Wege der Revision unterliegende Rechtsfrage (BGH 30. Oktober 1990 - IX ZR 9/90 - zu II 3 der Gründe mwN, NJW 1991, 353).
a) Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist(Palandt/Ellenberger § 138 Rn. 7, 8; PWW/Ahrens 5. Aufl. § 138 Rn. 25, 28; BGH 10. Oktober 1997 - V ZR 74/96 - zu II der Gründe mwN, NJW-RR 1998, 590 f.). Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen(BGH 10. Oktober 1997 - V ZR 74/96 - aaO). Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen und nicht auf den Eintritt der Rechtswirkungen (Palandt/Ellenberger § 138 Rn. 9; PWW/Ahrens § 138 Rn. 36; BGH 5. Oktober 2001 - V ZR 237/00 - zu II 2 c der Gründe, NJW 2002, 429 f.). In subjektiver Hinsicht genügt es, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, bzw. sich der Kenntnis bewusst verschließt oder entzieht (teilweise wird lediglich ein objektiver Pflichtenverstoß gefordert zB Staudinger/Sack [2003] § 138 Rn. 62 f.; MünchKommBGB/Armbrüster 5. Aufl. § 138 Rn. 129 ff.), dagegen ist ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht nicht erforderlich (Palandt/Ellenberger § 138 Rn. 8; PWW/Ahrens § 138 Rn. 34; BGH 19. Januar 2001 - V ZR 437/99 - zu II 1 b der Gründe, BGHZ 146, 298). Bei einer Verpflichtung, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners weit übersteigt, kommt Sittenwidrigkeit in Betracht, wenn zusätzliche, dem Gläubiger zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Schuldners ausnutzt oder ihn auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt(BAG 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - zu I 4 e der Gründe, AP BGB § 781 Nr. 5 = EzA BGB § 781 Nr. 5 unter Hinweis auf BGH 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95 - zu II 3 der Gründe mwN, NJW 1997, 1980).
b) Der Beweggrund der Beklagten, den Kläger zur Abgabe eines notariellen Schuldanerkenntnisses zu veranlassen, war nicht sittenwidrig. Der Kläger hatte davor zugegeben, über Jahre hinweg Geld aus der Kasse entwendet und dies mittels fingierter Pfandbons verdeckt zu haben. Er hat dies in Form eines schriftlichen Geständnisses niedergelegt, wozu das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, dass ihm dabei nicht in einer Weise die Hand geführt worden wäre, sodass er sich dem nicht hätte entziehen können. Sein Handeln und seine Vorgehensweise hat der Kläger nachfolgend auch nicht in Abrede gestellt; nur die Höhe des von ihm anerkannten Schadens hat er bestritten, nicht aber, der Beklagten überhaupt zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Entgegen der mit der Revision vertretenen Ansicht verstößt es auch nicht gegen die guten Sitten, von einem Schädiger über das schriftliche Geständnis hinaus die Abgabe eines notariellen Schuldanerkenntnisses zu verlangen, wenn dies aus versicherungsrechtlichen Gründen erforderlich sein sollte. Da es keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, dass bei derartigen Festlegungen die Schadenssumme stets überhöht dargestellt und eine Täuschung des Versicherers zumindest billigend in Kauf genommen wird, ist das Landesarbeitsgericht auf diesen Vorhalt des Klägers zu Recht nicht näher eingegangen.
c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Sittenwidrigkeit des Schuldanerkenntnisses auch nicht deswegen bejaht, weil ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestanden hätte. Ein solches kann nicht daraus abgeleitet werden, dass die Beklagte den Schaden allenfalls zu einem geringen Teil hätte beweisen können. Insoweit verkennt die Revision, dass maßgebend für die Annahme eines auffälligen Missverhältnisses nicht das Verhältnis zwischen wahrer Ausgangslage im Sinne einer tatsächlichen Beweisbarkeit und den übernommenen Leistungen ist, sondern die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung (BAG 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - zu IV 1 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 37 = EzA BGB § 138 Nr. 17; BGH 5. Oktober 2001 - V ZR 237/00 - zu II 2 c der Gründe, NJW 2002, 429, 431). Zu Recht hat daher das Landesarbeitsgericht auch in diesem Zusammenhang nicht auf die „Beweisbarkeit“ oder den „Videobeweis“ abgestellt, sondern darauf, wie die Parteien zunächst beim Geständnis des Klägers und nachfolgend bei seinem notariellen Schuldanerkenntnis auf eine Schadenshöhe von 110.000,00 Euro zuzüglich Detekteikosten gekommen sind. Die Schlussfolgerung, die Gesamtsumme von ca. 110.000,00 Euro basiere auf einer gut begründbaren Annahme und sei gerade nicht aus der Luft gegriffen, kann die Revision nicht mit der Argumentation erfolgreich angreifen, dies führe zu einem so gut wie nicht vorstellbaren Schadensbetrag pro Arbeitstag. Umgelegt auf 220 Arbeitstage pro Jahr ergibt sich eine tägliche Schadenshöhe von 125,00 Euro. Dies erscheint nicht sittenwidrig überhöht, nachdem der Kläger zuvor angegeben hatte, zunächst mit 10,00 Euro täglich begonnen und dann seine Entnahmen immer weiter gesteigert zu haben, bis es an „Spitzentagen“ zu 500,00 bis 600,00 Euro gekommen sei. In einem Schadensersatzprozess hätte bei der gegebenen Sachlage die Schadensschätzung durch ein Gericht nach § 287 ZPO rechtsfehlerfrei auch höher ausfallen können. Die Sittenwidrigkeit lässt sich daher aus der Höhe des anerkannten Schadens nicht ableiten.
d) Das notarielle Schuldanerkenntnis ist auch nicht deshalb sittenwidrig, weil der Kläger sich damit zur Zahlung eines Betrages nebst Zinsen verpflichtet hat, den er bei gleichbleibenden Einkommensverhältnissen erst nach Jahrzehnten oder überhaupt nicht vollständig zurückzahlen kann. Es verstößt grundsätzlich nicht gegen die guten Sitten, sich in eigener Verantwortung auch zu Leistungen zu verpflichten, die nur unter besonders günstigen Bedingungen erbracht werden können (BGH 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95 - zu II 3 der Gründe mwN, NJW 1997, 1980). Mit der eingeräumten monatlichen Ratenzahlung iHv. 200,00 Euro, die die jährliche Verzinsung auf dem Kapitalmarkt nicht abdeckt und die Vollstreckungsmöglichkeit der Beklagten beschränkt, ist eine wirtschaftliche Knebelung des Klägers ebenfalls nicht erfolgt. Im Übrigen geht es um Ansprüche aus eigenen unerlaubten Handlungen des Klägers und nicht etwa um eine Mithaftungsübernahme oder Bürgschaftserklärung, bei der die Beklagte in sittlich anstößiger Weise die emotionale Verbundenheit des Klägers mit einem Hauptschuldner ausgenutzt hätte, um eine übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit zu erlangen (vgl. dazu BGH 16. Juni 2009 - XI ZR 539/07 - Rn. 18 mwN, NJW 2009, 2671).
e) Die Beklagte hat zur Abgabe des notariellen Schuldanerkenntnisses kein unerträgliches Übergewicht dadurch hergestellt, dass sie dem Kläger jede Überlegungsfrist genommen hätte. Abgesehen davon, dass keine oder nur eine kurze Überlegungsfrist allenfalls die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts wegen Drohung nach sich zieht (BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 3 a der Gründe mwN, BAGE 114, 97 = AP BGB § 781 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 2), hat die Beklagte dem Kläger bereits nach dessen Bekunden nicht jegliche Überlegungsfrist genommen, wie das Berufungsgericht festgestellt hat. Zwischen dem Gespräch und der Fahrt nach M wartete der Kläger eine Dreiviertelstunde, ohne dass Vertreter der Beklagten zugegen waren. Etwa ebenso lang dürfte dann die Fahrt zum Notar gedauert haben, dessen vom Kläger selbst wiedergegebener Hinweis, er müsse das Schuldanerkenntnis nicht unterschreiben, auch die Gelegenheit darstellte, zwischenzeitlich angestellte Überlegungen und nach dem Gespräch aufgetauchte Bedenken zu äußern.
f) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, dass die Beklagte keine „Geschäftsunerfahrenheit“ des Klägers ausnutzte, um zum Schuldanerkenntnis zu gelangen. Dass der Kläger als ausgebildeter Einzelhandelskaufmann mit vierjähriger Berufserfahrung und im Alter von 22 Jahren überblicken konnte, was er zugegeben hatte und wozu er sich verpflichtete, durfte die Beklagte ohne Verstoß gegen die guten Sitten annehmen.
g) Selbst nach dem Vorbringen des Klägers ist nicht auf eine Zwangslage bei Abgabe des notariellen Schuldanerkenntnisses zu schließen, die die Beklagte sittenwidrig ausgenutzt hätte.
Der Kläger hat nicht vorgetragen, auf der Fahrt zum oder beim Notar seien Drohungen ausgesprochen oder Druck aufgebaut worden. Seinem Vorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass schon eine im Büro des Großmarkts aufgebaute unerträgliche „Drohkulisse“ bis unmittelbar vor Abschluss des notariellen Schuldanerkenntnisses fortwirkte. Zudem hat das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Situation im Großmarkt festgestellt, dass von einer Zwangslage des Klägers nicht ausgegangen werden kann. Die Revision hat das Verfahren, das zu dieser Feststellung geführt hat, nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffen, womit diese Feststellungen für das Revisionsgericht bindend sind (§ 559 Abs. 2 ZPO). Mit den Feststellungen des Berufungsgerichts geht im Übrigen auch die Revision nunmehr davon aus, dass dem Kläger nicht mit einer „Freiheitsstrafe“, sondern mit einer Strafanzeige gedroht worden ist. Dadurch geriet der Kläger in keine anstößige Zwangslage, weil jeder verständige Arbeitgeber in der damaligen Situation die Erstattung einer Anzeige in Erwägung gezogen hätte. Denn der Kläger hatte nicht in Abrede gestellt, Pfandbeträge unberechtigterweise an sich selbst ausbezahlt zu haben und die Beteiligten stimmten auch überein, dass ein Problem deutlich jenseits des Bereichs eines Bagatelldelikts zu bereinigen war.
IV. Zutreffend hat es das Berufungsgericht nicht als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) angesehen, wenn sich die Beklagte auf das Anerkenntnis beruft. Selbst wenn sie das Fehlverhalten des Klägers durch fehlende Kontrollen erleichtert haben sollte, stellt dies keinen Rechtsverstoß im Zusammenhang mit der Abgabe des notariellen Schuldanerkenntnisses dar. Wiederum gilt, dass vorliegend nicht in einem Schadensersatzprozess die Frage eines Mitverschuldens des Geschädigten zu beurteilen war, sondern ob die Beklagte wegen einer titulierten Schadensersatzforderung vollstrecken darf.
V. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht die Anfechtung seiner zum notariellen Schuldanerkenntnis führenden Willenserklärung des Klägers ohne Rechtsfehler für unwirksam befunden. Schon nach seinem eigenen Vorbringen steht dem Kläger ein Anfechtungsgrund nicht zur Seite. Unmittelbar vor Unterzeichnung des Schuldanerkenntnisses beim Notar ist dem Kläger nicht gedroht worden. Die Drohung mit einer Strafanzeige im Großmarkt war, selbst wenn sie bis zum Notar „fortgewirkt“ haben sollte, nicht widerrechtlich. Die Drohung mit einer Strafanzeige ist dann rechtmäßig, wenn sie nur dazu dient, den Täter zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen (MünchKommBGB/Kramer § 123 Rn. 43). Da der Kläger nicht in Abrede gestellt hatte, unberechtigterweise Pfandbeträge in erheblicher Höhe an sich selbst ausbezahlt zu haben, lagen ausreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass er die Beklagte geschädigt hatte; die Erstattung einer Strafanzeige erschien daher als adäquates Mittel zur Aufklärung des Sachverhaltes. Eine solche Drohung ist nicht widerrechtlich, da das Mittel, also das angedrohte Verhalten und der Zweck, dh. das erreichte Schuldanerkenntnis nicht, auch nicht in der Verknüpfung, widerrechtlich sind (Palandt/Ellenberger § 123 Rn. 19; BAG 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02 - zu II 3 b bb der Gründe mwN, BAGE 103, 71 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 169 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 158). Ein Gläubiger darf vermeintliche Schadensersatzansprüche unabhängig davon geltend machen, ob er sie beweisen kann. Der erstrebte Zweck, nämlich die Sicherung dieser Ansprüche durch Schuldanerkenntnis ist - für sich betrachtet - noch nicht rechtswidrig, solange der Gläubiger jedenfalls vom Bestehen der Schuld ausgehen darf (BAG 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02 - aaO).
Der Kläger ist auch nicht arglistig getäuscht worden. Seiner Behauptung, ihm sei gesagt worden, es gebe „Beweise für einen angeblich entwendeten Geldbetrag in Höhe von insgesamt 110.000,00 Euro“ ist das Berufungsgericht zu Recht schon deswegen nicht weiter nachgegangen, da der Kläger für diese Behauptung beweisfällig geblieben ist.
VI. Nachdem die Beklagte das notarielle Schuldanerkenntnis zu Recht erhalten hat, die Urkunde weder nach ihrem Inhalt nichtig noch in ihrer Wirkung beschränkt ist, sind Herausgabeansprüche aus §§ 321 oder 812 Abs. 1 BGB nicht ersichtlich.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Hauck |
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Böck |
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Breinlinger |
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Die ehrenamtliche Richterin Morsch |
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N. Schuster |