Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.10.2014


BPatG 07.10.2014 - 7 W (pat) 78/14

Patentbeschwerdeverfahren – „Techniken für rekonfigurierbare Decoder für ein drahtloses System“ – Änderung von Erteilungsunterlagen – Zurückverweisung an das DPMA


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
07.10.2014
Aktenzeichen:
7 W (pat) 78/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2006 001 178.2

hier: Beschwerde gegen Erteilungsbeschluss

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 7. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und den Richter Eisenrauch

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H04L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. April 2014 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Am 26. Juni 2006 tätigte die Anmelderin, u. a. mit Deutschland als Bestimmungsamt, die internationale Patentanmeldung PCT/US2006/024981, die am 4. Januar 2007 in englischer Sprache mit der Bezeichnung „Techniques for reconfigurable decoder for a wireless system“ veröffentlicht wurde. In den Unterlagen dieser Anmeldung findet sich zur Beschreibung der Figur 4 in Absatz [0048] u. a. folgender Satz: „For example, in one embodiment, module 400 may be contained within check nodes update module 312, for example.“

2

Zur Einleitung der nationalen Phase der internationalen Anmeldung reichte die Anmelderin am 9. November 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine deutsche Übersetzung ein, wobei die Übersetzung der genannten Textpassage darin wie folgt lautet: „Beispielsweise kann bei einem Ausführungsbeispiel das Modul 400 verbunden sein in dem Prüfknotenauffrischmodul 312, zum Beispiel“.

3

Im Prüfungsverfahren hat die Anmelderin in Beantwortung des Prüfungsbescheids vom 30. September 2013 mit einem am 21. Februar 2014 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz vom 20. Februar 2014 geänderte Erteilungsunterlagen vorgelegt, wobei aber auf Seite 18, zweiter Absatz, Zeilen 4 bis 6, in der Beschreibung zu Figur 4, der genannte Satz unverändert blieb.

4

Durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H04L des DPMA vom 7. April 2014 ist der Anmelderin ein Patent erteilt worden, wobei hinsichtlich der Beschreibung auf die am 21. Februar 2014 eingereichten Unterlagen Bezug genommen wurde. Der Erteilungsbeschluss weicht von diesen Unterlagen lediglich im Hinblick auf den genannten Satz auf Seite 18 ab. Dieser lautet gemäß Erteilungsbeschluss - bezeichnet als redaktionelle Änderung - wie folgt: „Beispielsweise kann bei einem Ausführungsbeispiel das Modul 400 verbunden sein mit dem Prüfknotenauffrischmodul 312“.

5

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt sinngemäß,

6

1. den Erteilungsbeschluss vom 7. April 2014 aufzuheben und das Patent mit geänderter Beschreibungsseite 18 und den übrigen Unterlagen in der in dem Erteilungsbeschluss enthaltenen Fassung zu erteilen;

7

2. die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

8

Die mit der Beschwerde eingereichte Beschreibungsseite 18 unterscheidet sich von der in dem angefochtenen Beschluss in Bezug genommenen Seite 18 der von der Anmelderin am 21. Februar 2014 eingereichten Beschreibungsunterlagen dadurch, dass der genannte Satz nunmehr wie folgt lauten soll: „Beispielsweise kann bei einem Ausführungsbeispiel das Modul 400 in dem Prüfknotenauffrischmodul 312 enthalten sein“.

9

Außerdem verlangt die Anmelderin, dass ebenfalls auf Seite 18 der Beschreibung, zweiter Absatz, Zeile 7 Mitte, das Wort „auf“, das dort in Kleinschreibung und tiefergestellt erscheint, in Normalschrift geschrieben werden soll.

II.

10

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Erteilungsbeschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).

11

1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Anmelderin mit der im Erteilungsbeschluss vorgenommenen Abänderung einer Beschreibungsseite eine Abweichung vom Erteilungsantrag und damit schlüssig eine Beschwer geltend gemacht. Dies reicht für die Bejahung der Zulässigkeit der Beschwerde aus (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 51).

12

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt

13

Ein Patent darf grundsätzlich nur so erteilt werden, wie es beantragt ist. Jede Änderung der Unterlagen, die nicht nur in geringfügigen redaktionellen Korrekturen wie der Berichtigung von Schreibfehlern oder offensichtlichen grammatikalischen oder sprachlichen Unrichtigkeiten besteht, setzt das schriftlich erklärte Einverständnis des Anmelders voraus (vgl. Schulte, a. a. O., Einleitung Rn. 7, § 49 Rn. 17; Busse, PatG, 7. Aufl., § 48 Rn. 17, vor § 34 Rn. 52; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 49 Rn. 2; BPatGE 25, 141, 143).

14

Die im Erteilungsbeschluss vorgenommene Abänderung auf der Beschreibungsseite 18 stellt nicht nur eine bloß redaktionelle Änderung im vorgenannten Sinne dar. Der Satz auf Seite 18, zweiter Absatz, Zeilen 4 bis 6, der von der Anmelderin vorgelegten Unterlagen lautet wie folgt: „Beispielsweise kann bei einem Ausführungsbeispiel das Modul 400 verbunden sein in dem Prüfknotenauffrischmodul 312, zum Beispiel“. Dieser Satz wurde im Erteilungsbeschluss durch folgenden Satz ersetzt: „Beispielsweise kann bei einem Ausführungsbeispiel das Modul 400 verbunden sein mit dem Prüfknotenauffrischmodul 312“. Dies stellt sowohl sprachlich als auch inhaltlich („…verbunden sein mit dem….“ statt „….verbunden sein in dem…“) eine Abweichung dar, durch die das im Patenterteilungsverfahren geltende Antragsprinzip verletzt wird. Die Prüfungsstelle hätte diese Abänderung nicht vornehmen dürfen, ohne der Anmelderin vorher Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben.

15

Nachdem das nachgesuchte Patent abweichend vom Erteilungsantrag erteilt worden ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben, ohne dass der Senat in der Sache selbst entscheidet, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Die Prüfungsstelle wird nunmehr über die Erteilung des Patents nach Maßgabe des von der Patentinhaberin gestellten Antrags erneut zu beschließen haben.

16

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Anmelder in einem Erteilungsverfahren, das aus einer internationalen fremdsprachigen Anmeldung hervorgegangen ist, nicht an die von ihm eingereichte deutsche Übersetzung gebunden ist. Er kann seinen Antrag vielmehr im Laufe des Erteilungsverfahrens auf geänderte Unterlagen stützen und dabei auch von der ursprünglich eingereichten Übersetzung abweichen. Maßgeblich ist der Offenbarungsrahmen des englischen Originaltextes und nicht derjenige der später eingereichten deutschen Übersetzung. Vorliegend wird es daher darauf ankommen, ob das in der Beschreibung zu Figur 4 erläuterte Ausführungsbeispiel mit dem von der Anmelderin nunmehr geänderten Text einen anderen Inhalt erhält, und ob dem Fachmann dadurch ein Gegenstand vermittelt wird, den er der ursprünglichen internationalen Anmeldung, d. h. dem englischen Ursprungstext, entnehmen kann.

17

3. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80 Abs. 3 PatG. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht. So liegt der Fall hier. Die Erhebung der Beschwerde und die Entrichtung der Beschwerdegebühr hätten bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung vermieden werden können (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 132). Der angefochtene Beschluss erging unter Verletzung des Grundsatzes der Bindung an den Erteilungsantrag, womit die Patentinhaberin zugleich auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Diese Verfahrensfehler sind für die Erhebung der Beschwerde ursächlich gewesen.