Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.02.2012


BPatG 10.02.2012 - 7 W (pat) 313/09

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
10.02.2012
Aktenzeichen:
7 W (pat) 313/09
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Einspruchssache

betreffend das Patent 101 23 344

hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Ing. Univ. Höppler sowie die Richter Schwarz, Dipl.-Phys. Dipl.-Wirt.-Phys. Maile und Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck

beschlossen:

Das Patent 101 23 344 wird widerrufen.

Gründe

I.

1

Das am 14. Mai 2001 angemeldete Patent 101 23 344 mit der Bezeichnung

2

PVD-beschichtetes Zierteil mit Laserdekoration

3

wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B60R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2005 erteilt.

4

Der (vom Senat mit einer Merkmalsgliederung versehene) erteilte Patentanspruch 1 lautet:

5

"       

"Verfahren zur Herstellung eines Zierteils für den Innenraum von Fahrzeugen mit den folgenden Schritten:

M1    

        

– Vorbereiten eines Trägerteils,

M2    

        

– Aufbringen von zumindest einer Zwischenschicht auf das Trägerteil, wobei zumindest eine Zwischenschicht eine Elektrolumineszenzfolie, eine Lackschicht oder eine galvanische Schicht ist, und

M3    

        

– Aufbringen von zumindest einer metallischen Schicht im PVD- (Physical Vapor Deposition-) Verfahren zumindest auf Teilbereiche der Zwischenschicht auf dem Trägerteil,

dadurch gekennzeichnet, dass

M4    

        

anschließend zumindest eine metallische Schicht in zumindest einem Teilbereich der Oberfläche des Zierteils mittels eines Lasers entfernt wird."

6

Der erteilte nebengeordnete Patentanspruch 5 lautet:

7

"       

"Zierteil für den Innenraum von Fahrzeugen mit einem Trägerteil und mindestens einer im PVD-Verfahren zumindest auf Teilbereiche des Trägerteils aufgebrachten metallischen Schicht,

dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine Zwischenschicht auf dem Trägerteil angeordnet ist, auf welcher sich die zumindest eine metallische Schicht befindet, wobei zumindest eine Zwischenschicht eine Elektrolumineszenzfolie, eine Lackschicht oder eine galvanische Schicht ist, und dass zumindest eine metallische Schicht in zumindest einem Teilbereich der Oberfläche des Zierteils mittels eines Lasers entfernt ist.”

8

Die Patentansprüche 2 bis 4 und 6 bis 15 in der erteilten Fassung betreffen vorteilhafte Ausführungsformen und sind auf den Patentanspruch 1 bzw. den nebengeordneten Patentanspruch 5 rückbezogen.

9

Gegen die am 8. September 2005 veröffentlichte Erteilung des Patents hat die Einsprechende form- und fristgerecht Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, da das erteilte Verfahren nach Anspruch 1 wie auch die entsprechende Vorrichtung nach Anspruch 5 im Lichte der Druckschriften

10

DE 100 62 592 A1,

11

DE 197 02 566 C2,

12

JP 02-288114 A und

13

DE 196 39 059 A1,

14

wobei die erste Druckschrift bereits im Prüfungsverfahren Eingang gefunden hat, nicht neu sei, zumindest jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gleiches gelte, teilweise unter Hinzufügung fachmännischen Wissens, für die abhängigen Ansprüche.

15

Ferner verweist die Einsprechende pauschal auf die weiteren im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschriften, u. a. auf die Druckschrift

16

DE 41 34 271 C1 (D1)

17

und nennt im Nachgang (vgl. Schreiben vom 12. bzw. 31. Januar 2012) noch die weiteren der Druckschriften

18

DE 42 12 423 A1,

19

DE 197 10 079 A1,

20

DE 299 01 310 U1 sowie

21

WO 99 / 33760 A1,

22

welche dem Streitpatent ebenfalls patenthindernd entgegenstehen würden.

23

Mit Schriftsätzen vom 7. August 2006 und 27. Januar 2012 hat die Patentinhaberin den Ausführungen der Einsprechenden vollumfänglich widersprochen. Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2012 hat sie zudem neue Patentansprüche 1 bis 13 als Hilfsantrag eingereicht und beantragt, das Patent gemäß Hauptantrag in der erteilten Form unverändert und gemäß Hilfsantrag mit einem neuen Anspruchssatz beschränkt aufrecht zu erhalten.

24

Zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung hat der Senat die Verfahrenbeteiligten mit Schreiben vom 7. Februar 2012 auf die Druckschrift

25

WO 00/6136 A1 (D2)

26

hingewiesen, welche im Hinblick auf die zu diskutierende Frage von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit von Relevanz sein könnte.

27

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent in der mündlichen Verhandlung, zu der die ordnungsgemäß geladene Einsprechende entsprechend vorheriger Ankündigung nicht erschienen ist, mit dem erteilten Anspruchssatz nach Hauptantrag sowie dem mit Schriftsatz vom 27. Januar 2012 eingereichten Anspruchssatz nach Hilfsantrag. Sie führt aus, dass die jeweiligen Anspruchsätze patentfähig seien.

28

Der (vom Senat mit einer Merkmalsgliederung versehene) Anspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

29

"       

"Verfahren zur Herstellung eines Zierteils für den Innenraum von Fahrzeugen mit den folgenden Schritten:

M1    

        

– Vorbereiten eines Trägerteils,

M2    

        

– Aufbringen von zumindest einer Zwischenschicht auf das Trägerteil, wobei zumindest eine Zwischenschicht eine Elektrolumineszenzfolie, eine Lackschicht oder eine galvanische Schicht ist,

M3'     

        

– Aufbringen von mehreren verschiedenfarbigen metallischen Schichten im PVD-(Physical Vapor Deposition-) Verfahren zumindest auf Teilbereiche der Zwischenschicht auf dem Trägerteil, und

M4'     

        

– selektives Entfernen einer oder mehrerer dieser metallischen Schichten in Teilbereichen der Oberfläche des Zierteils mittels eines Lasers, so dass in diesen Teilbereichen die jeweils darunterliegende Schicht zum Vorschein kommt und sich eine mehrfarbige Oberflächengestaltung des Zierteils ergibt."

30

Der nebengeordnete Anspruch 4 nach Hilfsantrag lautet:

31

"Zierteil für den Innenraum von Fahrzeugen mit einem Trägerteil und mehreren verschiedenfarbigen, im PVD-Verfahren zumindest auf Teilbereiche des Trägerteils aufgebrachten metallischen Schichten,

32

- bei welchem zumindest eine Zwischenschicht auf dem Trägerteil angeordnet ist, auf welcher sich die metallischen Schichten befinden, wobei zumindest eine Zwischenschicht eine Elektrolumineszenzfolie, eine Lackschicht oder eine galvanische Schicht ist, und

33

- bei welchem eine oder mehrere der metallischen Schichten in Teilbereichen der Oberfläche des Zierteils mittels eines Lasers entfernt ist, so dass in diesen Teilbereichen die jeweils darunterliegende Schicht zum Vorschein kommt und sich eine mehrfarbige Oberflächengestaltung des Zierteils ergibt.”

34

Zu den auf die jeweiligen Ansprüche 1 und 5  bzw. 4 nach Haupt- und Hilfsantrag rückbezogenen abhängigen Ansprüchen nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

35

Die Patentinhaberin beantragt,

36

das Patent 101 23 344 im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten,

37

hilfsweise:

38

das Patent 101 23 344mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

39

- Patentansprüche 1 bis 13 laut Anlage zum Schriftsatz vom 27. Januar 2012

40

- Beschreibung Seite 1 und 2 (Abschnitte [0001] bis [0010]) laut Patentschrift und geänderte Beschreibung Seiten 3 bis 6 (Abschnitte [0011]  bis [0040]) laut Anlage zum Schriftsatz vom 27. Januar 2012

41

- Zeichnungen (Fig. 1 bis 3) laut Patentschrift.

II.  

42

A. Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der - mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten - Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG a. F. auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuständig (vgl. BGH GRUR 2009, 184, 185 - Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. – "Informationsübermittlungsverfahren II").

43

B. Der zulässige Einspruch hat in der Sache Erfolg. Das Patent 101 23 344 ist nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. §§ 1, 3 und 4 PatG zu widerrufen, weil das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber der Druckschrift D2 ist und das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unter Berücksichtigung der Druckschriften D1 und D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht. Als Fachmann ist beim vorliegenden Streitpatent ein Diplom-Physiker mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von strukturierten Beschichtungen anzusehen. Die Frage der Zulässigkeit der nach Hauptantrag bzw. nach Hilfsantrag verteidigten Verfahren und Vorrichtungen sowie die von der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 31. Januar 2012 geltend gemachte Unklarheit kann daher dahinstehen (vgl. BGH, GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - "Elastische Bandage").

44

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Zierteils für einen Fahrzeuginnenraum sowie ein Zierteil für den Fahrzeuginnenraum (vgl. Abs. [0001] des Streitpatents).

45

Nach Absatz [0009] der Patentschrift liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung eines Zierteils für den Innenraum von Fahrzeugen sowie ein Zierteil zu schaffen, wobei das Zierteil im PVD-Verfahren metallisch beschichtet wird und wobei konturscharfe Symbole in die metallische Schicht eingebracht werden.

46

Gelöst wird diese Aufgabe durch die jeweiligen Verfahren der Ansprüche 1 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag, sowie durch die jeweils nebengeordneten Vorrichtungsansprüche 5 bzw. 4 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag.

47

Für die technische Lösung ist gemäß der Beschreibung des Streitpatents entscheidend, dass zumindest eine metallische Schicht im PVD-Verfahren zumindest auf Teilbereiche des Trägerteils aufgebracht wird und anschließend zumindest eine metallische Schicht in zumindest einem Teilbereich der Oberfläche des Zierteils mittels eines Lasers entfernt wird (vgl. Abs. [0011] des Streitpatents i. V .m. Fig. 2).

48

2. Zum Hauptantrag

49

Das Verfahren gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist nicht neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift D2.

50

Die Druckschrift D2 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von Zierteilen in Form von dekorativen Frontplatten/Blenden (decorative faceplates; vgl. S. 2, zweiter Absatz). Den Ausführungen der Patentinhaberin, dass es sich bei dem aus der Druckschrift D2 bekannten Gegenstand nicht um ein "Zierteil für den Innenraum von Fahrzeugen" handelt, sondern vielmehr um ein aufzuklebendes Etikett i. V. m. Fahrzeug-Identifikationsnummern, welches eher für die Rückseite von Fahrzeugteilen bestimmt sei, kann dabei nicht gefolgt werden, da an der Zitatstelle a. a. O. nicht nur auf die Herstellung von Etiketten i. V. m. Fahrzeug-Identifikationsnummern, sondern auch auf die erfindungsgemäße Herstellung von Zierteilen in Form von dekorativen Frontplatten bzw. Blenden hingewiesen wird ("The present invention may be used in making vehicle identification numbers, serial badges, decorative faceplates "; Unterstreichung hinzugefügt). Die Angabe eines späteren Verwendungszwecks für diesen Gegenstand, bei dem es sich somit zweifellos um ein Zierteil handelt, "für den Innenraum von Fahrzeugen", wie es im erteilten Patentanspruch 1 aufgeführt wird, stellt dabei kein Verfahrensmerkmal mit einschränkender Wirkung für das Herstellungsverfahren gemäß Patentanspruch 1 dar und ist daher in Bezug auf die Beurteilung der Neuheit des Herstellungsverfahrens für das Zierteil nicht relevant. Bei der Herstellung dieses Zierteils gemäß Druckschrift D2 wird ein Trägerteil (substrate / pressure sensitive adhesive layer 78; vgl. S. 5, zweiter Absatz, i. V .m. S. 6, letzter Absatz, bis S. 7, erster Absatz, und Fig. 7) eingesetzt, welches zur Vorbereitung der Verbindung mit einem Mehrschichtsystem (vgl. die Schichten 76 bis 71 in Fig. 7) mit einer Ablöseschicht (release liner; vgl. S. 7, erster Absatz, und die Schicht über der untersten Trägerschicht 78 in Fig. 7) versehen wird ( Merkmal M1 ).

51

Der Auffassung der Patentinhaberin, dass es sich hier nicht um ein Trägerteil handele, weil die Druckschrift D2 vielmehr eine Abziehfolie mit Klebeschicht und nicht das Endprodukt darstelle, kann nicht gefolgt werden, da die unterste Schicht 78 in Fig. 7 ein Schichtteil darstellt, welches zur Durchführung des Verfahrens die darüber angeordneten Schichten trägt; damit handelt es sich bei der Druckschrift D2 ebenfalls um ein "Trägerteil" für das in der Figur 7 dargestellte Mehrschichtsystem. Hierbei ist es hinsichtlich der Neuheitsbetrachtung unschädlich, dass es sich bei dem in Fig. 7 gezeichneten Mehrschichtsystem lediglich um ein Zwischenprodukt zum anschließenden Bekleben einer Endposition handelt (vgl. BGH, GRUR 2009, 929 Leitsatz – "Schleifkorn").

52

Auf dem Trägerteil mitsamt der vorgenannten Ablöseschicht werden dabei Zwischenschichten (vgl. die Schichten 75 und 76 in Fig. 7) ausgebildet, wobei zumindest eine der Zwischenschichten eine Lackschicht ist ("destructible layer comprising a lacquer or varnish layer" / destructible layer 76; vgl. S. 5, zweiter Absatz, i. V. m. S. 6, letzter Absatz, bis S. 7, erster Absatz, und Fig. 7 / Merkmal M2 in einer beanspruchten Alternative).

53

Auf die vorgenannten Zwischenschichten inklusive einer Lackschicht wird zudem eine metallische Schicht (metallic layer) aufgebracht (vgl. S. 7, erster Absatz: "The metallic layer 74 is bonded to the polymeric film 75, which is undercoated with destructible layer 76"), wobei ein PVD-Beschichtungsverfahren in Form von sog. Sputtern (sputtering coating) eingesetzt wird, sodass die metallische Schicht gemäß Druckschrift D2 damit flächig, d. h. zumindest auf Teilbereiche der Zwischenschicht auf dem Trägerteil aufgebracht wird (vgl. den Text auf S. 6, letzter Absatz, bis S. 7, erster Absatz, i. V .m. S. 3, letzter Absatz: "The metallic layer is prepared by […] sputtering coating" / Merkmal M3 ).

54

Die metallische Schicht wird dann in einem Teilbereich der Oberfläche des Zierteils, die durch das vorgenannte Mehrschichtsystem inklusive der metallischen Schicht gebildet wird, mit Hilfe eines Lasers entfernt (vgl. S. 7, dritter Absatz: "The method involves obtaining a multilayer construction having metallic layer and ablating a portion of the metallic layer to form an image with laser" / Merkmal M4 ).

55

Das aus der Druckschrift D2 bekannte Verfahren zur Herstellung eines Zierteils weist damit sämtliche Verfahrensmerkmale M1 bis M4 des erteilten Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag auf. Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist somit wegen fehlender Neuheit nicht patentfähig.

56

3. Zum Hilfsantrag

57

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht unter Berücksichtigung des Stands der Technik gemäß den Druckschriften D1 und D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

58

Aus der Druckschrift D2 ist gemäß vorstehenden Ausführungen zum Hauptantrag ein Verfahren zur Herstellung eines Zierteils – verwendbar für den Innenraum von Fahrzeugen  – mit den Schritten M1 und M2 bekannt.

59

Merkmal M3’ ist in der Fassung nach Hilfsantrag dahingehend konkretisiert, dass anstelle der im Hauptantrag verwendeten Formulierung "von zumindest einer metallischen Schicht" die Formulierung "von mehreren verschiedenfarbigen metallischen Schichten" gewählt ist, wodurch es, gemäß ebenfalls konkretisiertem Merkmal M4’, möglich ist, durch selektives Entfernen einer oder mehrerer dieser metallischen Schichten in Teilbereichen der Oberfläche des Zierteils eine mehrfarbige Oberflächengestaltung des Zierteils zu erreichen. Hinsichtlich den restlichen, nicht geänderten Merkmalsbestandteilen wird auf vorstehende Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.

60

Diese Änderungen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag begründen zwar die Neuheit des Verfahrens, jedoch nicht seine erfinderische Tätigkeit.

61

Denn ausgehend von der Lehre der Druckschrift D2, welche eine einfarbige Oberflächengestaltung von Zierteilen i. V. m. einer metallischen Schicht offenbart, ist der Fachmann, welcher vor der Problemstellung steht, eine mehrfarbige Oberflächengestaltung von Zierteilen zu realisieren, veranlasst, sich im Stand der Technik nach geeigneten Mitteln umzuschauen.

62

Die ihm bekannte Druckschrift D1 offenbart in diesem Zusammenhang die Verwendung eines laserbearbeitbaren verschiedenfarbigen Mehrschichtsystems für eine zu dekorierende Oberfläche, beispielsweise die Frontplatte eines Gerätes (vgl. Druckschrift D1 , Fig. 2a und Fig. 2b i. V. m. S. 5, Z. 27 ff. und S. 1, Z. 20). Mithin beschreibt die Druckschrift D1 die mehrfarbige Gestaltung von Zierteilen – im Falle der Ausgestaltung des Gerätes beispielsweise als Autoradio o. ä. gegebenenfalls auch verwendbar im Innenraum eines Kraftfahrzeugs – durch selektives Laserentfernen einer oder mehrerer dieser Schichten in Teilbereichen der Oberfläche des Zierteils.

63

Aufgrund der vorgenannten Problemstellung hat der Fachmann Veranlassung, das in Druckschrift D1 vorgeschlagene Mittel einer verschiedenfarbigen Mehrfachschichtstrukturabscheidung auch beim Verfahren der D2 einzusetzen und die in der D2 offenbarte farbgebende Einzelschicht (size layer; vgl. S. 9, erster Absatz) durch die verschiedenfarbige Mehrfachschicht aus der Druckschrift D1 zu ersetzen.

64

Im Unterschied zu den im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 beanspruchten Metallschichten besteht die farbgebende Schicht der Druckschrift D2 (size layer) bzw. das verschiedenfarbige Schichtsystem der Druckschrift D1 jedoch aus Lackschichten ( Merkmale M3’ und M4’ ohne metallisch ).

65

Bei der Ausführung des dem Fachmann durch die Druckschriften D1 und D2 nahegelegten, vorstehend beschriebenen Verfahrens, wird dieser aufgrund einer kostenbedingten Rüstzeitreduzierung auf möglichst wenig Fertigungsanlagen zurückgreifen wollen. Daher wird er das aus der Druckschrift D2 bekannte PVD-Abscheideverfahren für möglichst viele farbgebende Schichten verwenden wollen und daher die Veranlassung haben, die im Stand der Technik offenbarten, jeweils separat aufzutragenden Lackschichten – welche im Übrigen ebenfalls farbgebende Metallbestandteile beinhalten können – durch in derselben Anlage PVD-abgeschiedene Metallschichten optisch gleichwirkend ersetzen. In diesem Zusammenhang enthält die Druckschrift D2 zudem den Hinweis auf eine Vielzahl verwendbarer Metalle (vgl. Druckschrift D2 , S. 3, letzter Absatz), welche für den Fachmann ganz offensichtlich alle eine unterschiedliche Farbe, hier in Verbindung mit der kontrastbildenden farbgebenden Schicht (vgl. Druckschrift D2 , S. 4, Zn. 17 bis 21), aufweisen und dadurch für eine unterschiedliche optische Farbgebung des Zierteils geeignet sind ( Merkmale M3’ und M4’ metallisch ).

66

Dem in der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin vorgetragenen Argument, dass die Metallschichten des Streitpatents dünner seien als die aus dem Stand der Technik bekannten Lackschichten, was, bedingt durch kleinere Oberflächenschwankungen beim Beschichten, eine bessere Verarbeitbarkeit bei der Fertigung und eine verbesserte Haptik am fertigen Produkt bedinge, kann seitens des Senats nicht gefolgt werden, da die in der Druckschrift D1 offenbarten Lackschichten zwischen 1 und 5 µm (vgl. Druckschrift D1 , S. 4, Z. 11) im gleichen Schichtdickenbereich liegen wie die im Streitpatent beanspruchten Metallschichten (vgl. Streitpatent, Abs. [0024]), und sich die entsprechenden Lackschichten zudem ohne großen Aufwand in sehr gleichmäßiger Dicke erzeugen lassen (vgl. Druckschrift D1 , S. 2, Zn. 45 und 46).

67

Somit ergibt sich das Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D2 in Verbindung mit seinem fachmännischen Wissen. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag ist daher nicht patentfähig.

68

4. Mit den jeweils nicht patentfähigen Verfahrensansprüchen 1 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag fallen auch der Vorrichtungsanspruch 5 nach Hauptantrag bzw. der Vorrichtungsanspruch 4 nach Hilfsantrag sowie die auf die Ansprüche 1 und 5 nach Hauptantrag bzw. die Ansprüche 1 und 4 nach Hilfsantrag rückbezogenen Unteransprüche, da weder auf die Vorrichtungsansprüche 5 bzw. 4 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag noch auf die jeweiligen Unteransprüche ein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH, GRUR 2012, 149, 156 - Sensoranordnung; BGH, GRUR 2007, 862, 864 – Informationsübermittlungsverfahren II; BGH, GRUR 1997, 120, 122 – Elektrisches Speicherheizgerät).

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5. Bei vorliegender Sachlage war das Patent zu widerrufen.