Entscheidungsdatum: 11.12.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats für
Arzneimittel (12 2013 000 051.1)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 11. Dezember 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Mai 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
I.
Die Antragstellerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Grundpatents EP 1 999 109, das auf eine Anmeldung vom 26. März 2007 zurückgeht, „Styrylpyridinderivate und ihre Verwendung zur Bindung und Abbildung von Amyloider Plaque“ betrifft und beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 60 2007 019 688.4 geführt wird.
Die Antragstellerin beantragte am 26. Juni 2013 die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für – wie in der Rubrik Nr. 7 des Antragsformulars angegeben - das zugelassene Erzeugnis „Florbetapir (18F)“. Dem Antragsformular fügte sie den Durchführungsbeschluss der Kommission vom 14. Januar 2013 über die Erteilung einer Zulassung für das Humanarzneimittel "Amyvid - Florbetapir (18F)" gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates bei. In der Rubrik Nr. 8 des Antragsformulars „Nummer, Zeitpunkt und Gültigkeit der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses in Deutschland“ gab die Antragstellerin „Nr. EU/1/12/805 vom 14. Januar 2013“ an. Sie ergänzte ihren Antrag um Erläuterungen zum Schutz des Erzeugnisses durch die Ansprüche 1-3 und 5 des Grundpatents EP 1 999 109.
Mit Beschluss vom 6. Mai 2015 erteilte das DPMA, Patentabteilung 44, ein ergänzendes Schutzzertifikat für „Florbetapir (18F)“. Das durch die Genehmigung identifizierte Erzeugnis ist im Beschluss unter Gliederungspunkt „d2“ mit „[Amyvid]-Florbetapir (18F)“ bezeichnet. Als Laufzeit des Zertifikats ist unter Gliederungspunkt „f“ die Zeitspanne „ab 27. März 2027 bis 14. Januar 2028“ bezeichnet.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie begehrt dessen Aufhebung und Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats mit korrigierter Laufzeit unter Gliederungspunkt „f“ des Beschlusses und korrekter Bezeichnung des Erzeugnisses unter Gliederungspunkt „d2“ des Beschlusses.
Nach ihrer Auffassung hätte das ergänzende Schutzzertifikat mit einer Laufzeit erteilt werden müssen, die nicht an das Datum des Durchführungsbeschlusses vom 14. Januar 2013, sondern an das Datum der diesbezüglichen Mitteilung an die Antragstellerin vom 17. Januar 2013 anknüpft; letzteres Datum ist dem erstmals der Beschwerdeschrift beigefügten Auszug aus dem Amtsblatt der Europäischen Union C53, Seite C53/4, zu entnehmen. Der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspreche dem Datum der Mitteilung an den Adressaten, da der Inhaber der Genehmigung das Arzneimittel erst zu diesem Zeitpunkt in Verkehr bringen könne. Dieser Umstand ergebe sich auch aus Art. 4 des Durchführungsbeschlusses der Kommission für „Amyvid-Florbetapir (18F)“ vom 14. Januar 2013. Ergänzend verweist die Antragstellerin auf ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-471/14. Dessen zweite Vorlagefrage ist darauf gerichtet, ob für den Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach Artikel 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 auf den Zeitpunkt der Genehmigung (Datum des Beschlusses) oder den der Mitteilung abzustellen sei. Basierend auf dem Datum der Mitteilung vom 17. Januar 2013 dürfe die Laufzeit des Zertifikats, so die Antragstellerin, im vorliegenden Fall erst am 17. Januar 2028 und nicht bereits drei Tage zuvor enden. Dadurch sei die Antragstellerin beschwert.
Beschwert sei die Antragstellerin auch durch eine Unklarheit in der Erzeugnisbezeichnung, die zu ihrem Nachteil ausgelegt werden könne. Das ergänzende Schutzzertifikat sei, wie beantragt, für das Erzeugnis „Florbetapir (18F)" zu erteilen, und das unter Gliederungspunkt „d2“ durch die Genehmigung identifizierte Erzeugnis sei im Beschluss als „Florbetapir (18F)" anstelle von „[Amyvid]-Florbetapir (18F)“ zu benennen.
Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Patentamt zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin durch die angefochtene Entscheidung beschwert.
Die für die Zulässigkeit einer Beschwerde erforderliche Beschwer kann formeller Art sein, etwa derart, dass in der Ausgangsentscheidung von den vom Beschwerdeführer gestellten Anträgen in nachteiliger Weise abgewichen wird, oder auch materieller Art, wofür jeglicher dem Beschwerdeführer nachteilige rechtskraftfähige Inhalt der Entscheidung genügt. Dabei reicht es aus, die Beschwer schlüssig zu behaupten (BGH GRUR 1967, 194 – Hohlwalze; Busse, Patentgesetz, 7. Aufl. § 73 Rn. 77). Die Antragstellerin hat dargelegt, dass das Patentamt das ergänzende Schutzzertifikat mit unzutreffend berechneter, vorzeitig endender Laufzeit erteilt habe. Damit hat die Antragstellerin eine Beschwer schlüssig behauptet, denn insoweit ist ihre Behauptung - ihre Richtigkeit unterstellt - geeignet, das mit ihr verbundene Begehren sachlich zu rechtfertigen. Ob ihrem Begehren insgesamt wie beantragt zu entsprechen ist, wird im Rahmen der erneuten Sachprüfung zu klären sein.
2. Die Beschwerde ist begründet, weil bei Berücksichtigung der mittlerweile in der Rechtssache C-471/14 ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. Oktober 2015 der Anknüpfungspunkt für die Laufzeitberechnung des Schutzzertifikats im angefochtenen Beschluss falsch gewählt wurde.
a) Nach §§ 16a, 49a PatG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABL. EU 2009 L 152/1, im Folgenden: Verordnung) wird das Zertifikat ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer erteilt, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren. Bei seiner gemäß § 49a Abs. 2 Satz 1 PatG erforderlichen Angabe der Laufzeit im Zertifikatsbeschluss hat das Patentamt in seiner Berechnung, den Zeitpunkt der Genehmigung betreffend, auf deren zutreffend angegebenes Ausstellungsdatum, nämlich auf den 14. Januar 2013, abgestellt (vgl. zum Berechnungsmodus insoweit bislang Busse, 7. Aufl., Anh. 16a, Rn. 133 Fn. 279 m. w. N., insbes. BGH GRUR 2008, 65 – Porfimer; BPatG, Beschl. v. 19. Oktober 1995 - 15 W (pat) 50/95, BPatGE 35, 276).
Mit Urteil vom 6. Oktober 2015 hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-471/14 allerdings zwischenzeitlich für Recht erkannt, dass Artikel 13 Abs. 1 der Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union nach Unionsrecht bestimmt wird und dass dies der Zeitpunkt ist, zu dem der Beschluss über die Genehmigung für das Inverkehrbringen seinem Adressaten bekannt gegeben wird.
Hiervon ausgehend ist das Patentamt mit seiner Entscheidung, in der es, die Laufzeitberechnung betreffend, auf das zeitlich vor der – nunmehr - maßgeblichen Bekanntgabe der Genehmigung liegende Ausstellungsdatum abgestellt hat, im Ergebnis hinter dem zurückgeblieben, was die Anmelderin auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beanspruchen kann.
Das für die Entscheidung wesentliche Datum der Bekanntgabe des Beschlusses über die Genehmigung für das Inverkehrbringen war dem Patentamt ausweislich der Amtsakte im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht bekannt und konnte daher der angefochtenen Entscheidung schon deshalb nicht zugrunde gelegt werden. Den Auszug aus dem Amtsblatt der Europäischen Union C53, Seite C53/4, aus dem sich diese Information ergibt, hat die Antragstellerin erstmals mit der Beschwerdeschrift zur Akte gereicht.
Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben, ohne dass der Senat in der Sache entscheidet (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG). Das Patentamt wird unter Berücksichtigung der dargelegten Rechtsprechung und unter Heranziehung der Ansprüche des Grundpatents eine erneute Sachprüfung mit neuer Laufzeitberechnung durchzuführen haben.
b) Was die Bezeichnung des durch die Genehmigung identifizierten Erzeugnisses betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass der zu schützende Wirkstoff im Antrag auf Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikates und im Tenor des angefochtenen Beschlusses übereinstimmend mit „Florbetapir (18F)“ bezeichnet ist. Soweit sich an anderer Stelle des Beschlusses, nämlich unter dem Gliederungspunkt „d2“, in Abweichung hiervon die Bezeichnung „[Amyvid]-Florbetapir (18F)“ findet, dürfte sich dies im Rahmen der neuen, durch das Patentamt zu treffenden Sachentscheidung korrigieren lassen.