Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.08.2011


BPatG 17.08.2011 - 7 W (pat) 130/11

Patentbeschwerdeverfahren – "Unterseeboot" – Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme - Einspruchsrücknahme – Erledigung des Einspruchsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache – Erklärung der Wirkungslosigkeit des vorangegangenen Beschlusses - keine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens von Amts wegen - unabhängig davon, ob das Streitpatent auf den Einsprechenden übergegangen ist, erfolgt keine Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme von Amts wegen - umfassende Prüfung der Patentfähigkeit seitens der Prüfungsstelle bei Popularrechtsbehelfen, nicht aber bei einem Individualantrag des Verletzten – Widerruf aus einem anderen Grund als der widerrechtlichen Entnehme ist mit Rechtsschutzbegehren des Verletzten nicht vereinbar - Widerruf aus sonstigem Grund scheidet im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht aus


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
17.08.2011
Aktenzeichen:
7 W (pat) 130/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Unterseeboot

1. Das Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren ist in der Hauptsache erledigt, wenn der Einspruch allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) gestützt wurde und der Einsprechende seinen Einspruch zurückgenommen hat. Gleichzeitig ist ein vorangegangener Beschluss, mit dem über den Einspruch befunden wurde, unter Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 269 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO von Amts wegen für wirkungslos zu erklären.

2. Der Erledigung steht dabei § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG, demzufolge das Einspruchsverfahren nach Einspruchsrücknahme von Amts wegen fortzusetzen ist, nicht entgegen. Dabei ist schon fraglich, ob diese dem Allgemeininteresse dienende Vorschrift auf den Fall eines allein auf § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG gestützten Einspruchs, der ausschließlich der Verfolgung eines Individualinteresses dient, überhaupt anwendbar ist. Ungeachtet dessen scheidet aber auch bei Anwendung dieser Vorschrift jede Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme von Amts wegen aus (Anschluss an BPatGE 36, 213).

3. Der Ausschluss der Sachprüfung und die damit gegebene Erledigung der Hauptsache ist entgegen BPatGE 47, 141, 143 f. - Aktivkohlefilter nicht davon abhängig, ob das Streitpatent auf den Einsprechenden übergegangen ist. Dem steht auch BGH GRUR 1995, 333, 335 - Aluminium-Trihydroxid nicht entgegen, dem zu Folge das Patentamt in seine Sachentscheidung über den Einspruch auch Widerrufsgründe einbeziehen kann, auf die sich der Einsprechende nicht gestützt hat; denn diese Entscheidung betrifft nur solche Einsprüche, die als Popularrechtsbehelfe im Interesse der Allgemeinheit eine umfassende Prüfung der Patentfähigkeit verfolgen, nicht aber den nur dem Verletzten zustehenden Einspruch wegen einer widerrechtlichen Entnahme. Es wäre aber mit dem (Individual-) Antrag des Verletzten, mit dem dieser sein Erfinderrecht verfolgt, unvereinbar und ginge auch über dessen Rechtsschutzbegehren unzulässig hinaus, wenn nach einem wirksamen, allein auf die widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruch das Patent ohne Prüfung des einzigen geltend gemachten Widerrufsgrund aus einem andern Widerrufsgrund, etwa wegen mangelnder Patentfähigkeit, den der Verletzte weder geltend gemacht hat noch mit seinem Einspruch überhaupt, ohne sich in Widerspruch zu seinem Antrag zu setzen, gleichzeitig verfolgen kann, widerrufen würde. Ungeachtet dessen scheidet ein Widerruf aus sonstigem Grund nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH a. a. O., ebenso BPatGE 36, 213 f.) im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht ohnehin aus.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2006 052 548

hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Ing. Univ. Höppler und die Richter Dipl.-Phys. Dr. Hartung, Schwarz und Dipl.-Phys. Dipl.-Wirt.-Phys. Maile

beschlossen:

1. Einspruchs- und Beschwerdeverfahren sind in der Hauptsache erledigt.

2. Der Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Mai 2010 ist wirkungslos.

Gründe

I.

1

Die Einsprechende hat gegen das Patent 10 2006 052 548 mit der Bezeichnung

2

Unterseeboot

3

dessen Erteilung am 17. Juli 2008 veröffentlicht worden ist, Einspruch nach den §§ 59, 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG mit der (einzigen) Begründung erhoben, das Patent sei wegen widerrechtlicher Entnahme zu widerrufen.

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Die Patentabteilung 22 hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 12. Mai 2010 das Patent widerrufen, weil ihrer Ansicht nach der geltend gemachte Widerrufsgrund gegeben sei.

5

Gegen diesen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 11. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat die Patentinhaberin mit Anwaltsschriftsatz vom 29. Oktober 2010 Beschwerde eingelegt.

6

Nachdem sich die Beteiligten auf eine gemeinsame Inhaberschaft außergerichtlich geeinigt hatten, hat die Einsprechende mit Schreiben vom 21. Januar 2011, das per Fax am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist, diesem gegenüber ihren Einspruch zurückgenommen.

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Auf den Hinweis des Senats, dass mit Senatsbeschluss nunmehr von Amts wegen festzustellen sei, dass das Einspruchs- und das Beschwerdeverfahren aus den nachfolgenden Gründen erledigt sind und der Beschluss der Patentabteilung hierdurch wirkungslos geworden ist, haben die am Verfahren noch beteiligte Patentinhaberin sowie die frühere Einsprechende mitgeteilt, dass sie die Rechtsauffassung des Senats teilten und mit der Vorgehensweise des Senats einverstanden seien.

II.

8

Nachdem die Einsprechende ihren allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) gestützten Einspruch zurückgenommen hat, ist das Einspruchsverfahren trotz der an sich die Verfahrensfortsetzung anordnende Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG in der Hauptsache erledigt.

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Nach allgemeiner Meinung ist ein Gerichtsverfahren erledigt, wenn ein nach Verfahrenseinleitung eingetretenes - insbesondere außerprozessuales - Ereignis vorliegt, welches das ursprünglich zulässige und begründete Rechtsschutzziel nachträglich rechtlich oder tatsächlich gegenstandslos macht, weil dieses entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgt werden kann (vgl. BGHZ 155, 392 [398]; BGH NJW 2007, 3721 [3722]; BVerwG NVwZ 1989, 48; NVwZ 1993, 979; BVerwGE 46, 81 [83]; 73, 312 [314]; s. a. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rn. 3 m. w. N.; Sodann/Ziekow/Neumann, VwGO, 3. Aufl., § 161 Rn. 130 ff.). Diese Grundsätze sind auch für das patentamtliche bzw. patentgerichtliche Einspruchsverfahren wie auch das patentgerichtliche Beschwerdeverfahren anwendbar (vgl. BPatG [7. Senat], GRUR 2011, 657 - Vorrichtung zum Heißluftnieten).

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Der Annahme einer Erledigung der Hauptsache steht dabei nicht entgegen, dass nach § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG die Rücknahme des Einspruchs nur zur Beendigung der Beteiligung der Einsprechenden am Einspruchsverfahren führt, das nach dieser Vorschrift somit von Amts wegen mit der Patentinhaberin als einziger verbliebener Beteiligten fortzuführen ist.

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Dabei kann dahinstehen, ob § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG, der an sich zwischen den einzelnen Widerrufsgründen des § 21 Abs. 1 PatG nicht unterscheidet, im Fall, dass der Einspruch allein auf den Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG gestützt worden ist, überhaupt anwendbar ist; da § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG nämlich vorrangig dem Allgemeininteresse dient (vgl. BGH GRUR 1999, 571, 572 - Künstliche Atmosphäre), das beim Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme nach § 59 Abs. 1 Satz 1 PatG aber von vornherein nicht besteht, weil er nach dem gesetzlichen Wortlaut nur vom Verletzten geltend gemacht werden darf, so dass mit ihm allein dessen Individualinteresse verfolgt wird, spricht Einiges für die Annahme, dass für eine Anwendung des dem Allgemeininteresse dienen § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG nach der Rücknahme des allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützten Einspruchs kein Raum mehr verbleibt. Dies gilt umso mehr, als dass die zur Aufklärung des Sachverhalts der widerrechtlichen Entnahme notwendige Partei am Verfahren nicht mehr beteiligt ist.

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Dies bedarf allerdings keiner endgültigen Entscheidung, weil auch bei Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG eine weitere Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme nach Rücknahme des allein hierauf gestützten Einspruchs ausscheidet (vgl. BPatGE 36, 213; als obiter dictum erwogen in BGH GRUR 1996, 42, 44 - Lichtfleck). Soweit hiergegen eingewandt worden ist, die weitere Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme sei nur bei Übergang des Streitpatents auf den Einsprechenden ausgeschlossen und auch in diesem Fall sei die Prüfung sonstiger, im Allgemeininteresse liegender Widerrufsgründe weiterhin möglich (so BPatGE 47, 141, 143 f. - Aktivkohlefilter), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar hat der Bundesgerichtshof für den Fall eines zulässigen Einspruchs entschieden, dass das Patentamt im Einspruchsverfahren nicht gehindert ist, in seine Sachentscheidung über den Einspruch auch solche Widerrufsgründe einzubeziehen, auf welche sich der Einsprechende nicht gestützt hat (vgl. BGH GRUR 1995, 333, 335 - Aluminium-Trihydroxid). Diese Entscheidung betrifft aber allein den Einspruch als Popularrechtsbehelf, der eine umfassende Prüfung der Patentfähigkeit im Interesse der Allgemeinheit eröffnen soll. Hieran fehlt es aber bei einem gerade nicht jedermann, sondern allein dem Verletzten zustehenden Einspruch wegen einer widerrechtlichen Entnahme. Bei dieser spielt nämlich die Schutzfähigkeit des erteilten Patents nicht nur keine Rolle, vielmehr stünde die Annahme der Schutzunfähigkeit sogar in Widerspruch zum Antrag des Verletzten, der hiermit ja sein Erfinderrecht geltend machen will, an dem es bei fehlender Schutzfähigkeit der Erfindung aber gerade fehlen würde; eine fehlende Patentfähigkeit kann der Verletzte damit allenfalls hilfsweise, nicht aber gleichrangig neben der widerrechtlichen Entnahme als Widerrufsgrund geltend machen. Es wäre daher mit dem (Individual-) Antrag des Verletzten nicht nur unvereinbar, sondern ginge auch über dessen Rechtsschutzbegehren unzulässig hinaus, wenn nach einem wirksamen, allein auf die widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruch das Patent ohne Prüfung des einzigen geltend gemachten Widerrufsgrund aus einem andern Widerrufsgrund, etwa wegen mangelnder Patentfähigkeit, den der Verletzte weder geltend gemacht hat noch mit seinem Einspruch überhaupt, ohne sich in Widerspruch zu seinem Antrag zu setzen, gleichzeitig verfolgen kann, widerrufen würde. Ungeachtet dessen scheidet eine Prüfung der Patentfähigkeit des Streitpatents aus anderen Widerrufsgründen als des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG nach der vorgenannten Entscheidung vorliegend schon deshalb aus, weil der Bundesgerichtshof eine Prüfung anderer Widerrufsgründe im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht für nicht zulässig erachtet (vgl. BGH a. a. O., so zutr. auch BPatGE 36, 213 f.).

13

Damit ist aber nach der Rücknahme des allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützten Einspruchs dem, soweit eine Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG auch für diesen Fall bejaht wird, weiteren Amtsverfahren jegliche Grundlage für eine weitere Sachprüfung entzogen. Der Senat hält es allerdings in diesem Fall für nicht sachgerecht, unter Aufhebung des patentamtlichen Beschlusses, mit dem das Streitpatent wegen widerrechtlichen Entnahme widerrufen worden ist, dieses nunmehr aufrecht zu erhalten. Eine solche Entscheidung setzt nämlich eine Sachprüfung voraus, die dem Senat durch die Rücknahme des Einspruchs aber gerade verwehrt ist. Vielmehr führt der oben näher dargelegte Ausschluss der weiteren Sachprüfung infolge des allein auf eine widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruchs dazu, dass sowohl das Einspruchs- als auch das Beschwerdeverfahren gegenstandslos geworden sind, was nach der eingangs genannten Rechtsprechung zu einer Erledigung der Hauptsache führt. Mit dem (rückwirkenden) Wegfall des einzigen geltend gemachten Widerrufsgrundes ist nicht nur dem Senat die (Sach-) Entscheidung über die Begründet- oder Unbegründetheit der Beschwerde entzogen worden, sondern auch der Grund für die angefochtene Sachentscheidung des Patentamts entfallen. Da der Senat diese allerdings nicht (mehr) auf ihre sachliche Richtigkeit überprüfen darf, kann dieser Beschluss auch nicht aufgehoben werden, da eine solche (Sach-) Entscheidung nur für den Fall in Betracht kommt, dass er verfahrenswidrig erlassen oder sachlich unrichtig ist. Um trotzdem zum Ausdruck zu bringen, dass er - ungeachtet der mit der Beschwerde aufgeworfenen Frage seiner Richtigkeit - keine Rechtwirkungen mehr entfalten kann, ist er unter Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 269 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO für wirkungslos zu erklären.

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Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 PatG sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.