Entscheidungsdatum: 12.12.2013
Verdickungszusammensetzung
Der Verletzungsbeklagte oder Nichtigkeitskläger hat kein Recht auf Beteiligung am patentamtlichen Wiedereinsetzungsverfahren des Patentinhabers (hier wegen Validierung des europäischen Patents).
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 695 10 725 (= EP 0 682 094)
wegen Beteiligung am Wiedereinsetzungsverfahren
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat, bis 31. 12. 2013 unter der Bezeichnung 10. Senat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und der Richterin Kortge
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Auf die am 10. Mai 1995 eingereichte Anmeldung wurde der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland das europäische Patent 0 682 094 mit der Bezeichnung „Wässrige, fließfähige Verdickungszusammensetzung für wässrige Systeme und ein Verfahren zur Verdickung dieser wässrigen Systeme“ erteilt, das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter der Nummer 695 10 725 (Streitpatent) geführt wird. Die Patenterteilung wurde vom Europäischen Patentamt am 14. Juli 1999 veröffentlicht. Im Jahre 2005 wurde das Patent auf die Antragsgegnerin umgeschrieben. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Patent wurde im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt in geänderter Fassung aufrechterhalten, was am 18. November 2009 im Europäischen Patentblatt veröffentlicht wurde.
Das Deutsche Patent- und Markenamt teilte der Antragsgegnerin im August 2010 mit, dass mangels Einreichung einer Übersetzung der geänderten Fassung des Patents und Zahlung der Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten zu gelten hätten. Hierauf hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: Patentamt) Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt und diesen näher begründet; zugleich hat sie die versäumten Handlungen nachgeholt.
Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011, eingegangen beim Patentamt am selben Tag, hat die Antragstellerin beantragt, an dem Wiedereinsetzungsverfahren der Antragsgegnerin beteiligt zu werden, weil die Antragsgegnerin im Juni 2010 aufgrund des Streitpatents gegen sie eine Patentverletzungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf erhoben habe. Zudem hat sie beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag der Antragsgegnerin zurückzuweisen. Ihren Antrag auf Beteiligung begründet die Antragstellerin damit, dass sie ein rechtliches Interesse daran habe, an dem Wiedereinsetzungsverfahren teilzunehmen. Beteiligte des Wiedereinsetzungsverfahrens seien, wie sie unter Verweis auf Schulte, PatG, 8. Auflage, § 123 Rdn. 154, ausführt, auch Dritte, die durch die Gewährung der Wiedereinsetzung in ihren Rechten berührt werden könnten, weil durch die Wiedereinsetzung die Rechte aus dem Patent wieder auflebten. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung „Hopfenextrakt“ (GRUR 1971, 246), wonach an dem Wiedereinsetzungsverfahren wegen Versäumung der Nachfrist zur Zahlung einer Patentjahresgebühr neben dem Anmelder als Antragsteller auch der Einsprechende als dessen Verfahrensgegner zu beteiligen sei, weil der Einsprechende durch die Wiedereinsetzung in einem solchen Fall in seiner Rechtsstellung in gleicher Weise betroffen sei wie durch Wiedereinsetzung bei Versäumung einer Frist zur Vornahme einer Verfahrenshandlung, gälten für den vorliegenden Fall entsprechend. Die Antragstellerin sei wegen des laufenden Patentverletzungsverfahrens in ihren Rechten berührt. Die Frage der Wiedereinsetzung habe unmittelbare Auswirkungen auf den dortigen Rechtsstreit. Mit weiterem Schriftsatz hat die Antragstellerin ihren Antrag, den Wiedereinsetzungsantrag der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2010 zurückzuweisen, näher begründet.
Mit Telefax vom 15. März 2011, unterschrieben vom Berichterstatter, hat das Patentamt der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr in der Anlage die Antwort der im Wiedereinsetzungsverfahren zuständigen Patentabteilung auf ihr Schreiben vom 21. Januar 2011 übersendet werde. Das in der Anlage übermittelte, undatierte Schreiben trägt die Unterschrift von drei Mitgliedern der Patentabteilung 43 und ist überschrieben mit der deutschen Patentnummer des Streitpatents und der Titelzeile „Auf das Schreiben vom 21. 01. 2011 bezüglich einer Beteiligung der Firma C… S.A.S. als Dritte am Wiedereinsetzungsverfahren hinsichtlich des deutschen Teils des europäischen Patentes EP 0682094 mit dem deutschen Aktenzeichen DE 695 10 725.9-08“. In dem Schreiben ist ausgeführt, dass eine dritte Partei im vorliegenden Fall nicht am Wiedereinsetzungsverfahren zu beteiligen sei. Beteiligte an einem Wiedereinsetzungsverfahren seien nur die Beteiligten des Verfahrens, im Rahmen dessen die Wiedereinsetzung beantragt worden sei, die Antragstellerin sei aber an diesem Verfahren nicht beteiligt. Die angeführte BGH-Entscheidung „Hopfenextrakt“ beziehe sich auf die frühere Rechtslage, nach der das Einspruchsverfahren Teil des Erteilungsverfahrens gewesen und vor der Patenterteilung durchgeführt worden sei, so dass der Einsprechende damit Beteiligter des Erteilungsverfahrens gewesen sei. Nach der aktuellen Rechtslage wäre dagegen ein Einsprechender nicht mehr Beteiligter eines Wiedereinsetzungsverfahrens. Die Antragstellerin sei als Dritte keine Beteiligte eines Verfahrens vor dem Patentamt, dessen Gegenstand das Streitpatent sei; Beteiligter an dem Verfahren zur Validierung eines europäischen Patents in Deutschland sei allein der Patentinhaber. Dass der Ausgang des Verletzungsverfahrens hiervon betroffen sein könne, sei insoweit unbeachtlich.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, eingelegt mit Schriftsatz vom 28. März 2011. Nur kurz danach hat das Patentamt – Patentabteilung 43 – über den Wiedereinsetzungsantrag der Antragsgegnerin entschieden; ihr wurde durch Beschluss vom 30. März 2011 die Wiedereinsetzung gewährt.
Die Antragstellerin trägt zur Begründung der Beschwerde im Wesentlichen vor, bei dem Schreiben des Patentamts vom 15. März 2011 handele es sich um einen Beschluss i. S. des § 73 Abs. 1 PatG, weil es eine abschließende Regelung über ihren Antrag auf Beteiligung am Wiedereinsetzungsverfahren darstelle. Nach der Kommentarliteratur zu § 123 PatG könnten grundsätzlich auch Dritte an einem Wiedereinsetzungsverfahren beteiligt werden (unter Verweis auf Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rdn. 154; Busse, PatG, 6. Aufl., § 123 Rdn. 57; Benkard, PatG, 10. Aufl., § 123 Rdn. 59). Der Fall, dass der Beklagte eines Verletzungsprozesses an einem Wiedereinsetzungsverfahren beteiligt werden möchte, sei bislang noch nicht entschieden. Da für einen solchen Fall eine gesetzliche Vorschrift nicht vorliege, sei diese Gesetzeslücke im Wege der Analogie zu schließen. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter an einem Verfahren zu beteiligen sei, gebe es insbesondere folgende gesetzliche Regelungen: § 59 Abs. 2 PatG, Art. 105 EPÜ, §§ 66 Abs. 1, 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, § 65 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, sowie die Wertungen in der ZPO, § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 66 Abs. 1 ZPO. Hieraus und aus der BGH-Entscheidung „Hopfenextrakt“ lasse sich das allgemeine Prinzip entnehmen, dass ein Dritter an einem Verfahren zu beteiligen sei, wenn er durch eine Entscheidung in diesem Verfahren in seinen Rechten berührt werde. Die ZPO-Vorschriften über die Nebenintervention seien nach der Kommentarliteratur zur ZPO auch im Patenterteilungsverfahren anzuwenden. Vorliegend sei die Antragstellerin vom Ausgang des Wiedereinsetzungsverfahrens der Antragsgegnerin rechtlich unmittelbar betroffen, da die Versagung der Wiedereinsetzung die Abweisung der von der Antragsgegnerin angestrengten Verletzungsklage zur Folge gehabt hätte.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie mit Schriftsatz vom 27. Mai 2011 beim Patentamt gegen den Beschluss des Patentamts vom 30. März 2011 Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO, § 99 PatG eingelegt habe und diesen Schriftsatz in Kopie zur Gerichtsakte eingereicht.
Die Antragstellerin beantragt,
sie am Wiedereinsetzungsverfahren der Antragsgegnerin hinsichtlich des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 682 094 mit dem deutschen Aktenzeichen DE 695 10 725 zu beteiligen,
und regt an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückweisen.
Die Antragsgegnerin macht geltend, bereits der Umstand, dass die Antragstellerin zunächst Beschwerde und später eine Anhörungsrüge erhoben habe, mache das Vorbringen der Antragstellerin widersprüchlich. Denn die Gehörsrüge setze voraus, dass ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht gegeben sei; Beschwerde und Anhörungsrüge schlössen einander aus. Es fehle ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde, denn über die Frage der Beteiligtenstellung sei im Verfahren der Anhörungsrüge zu entscheiden. Abgesehen davon sei die Beschwerde der Antragstellerin bereits deswegen unzulässig, weil sie keine Beteiligte des Wiedereinsetzungsverfahrens sei und es auch keinen rechtsmittelfähigen Beschluss gebe. Es liege keine Vorfrage vor, über die ein Beschluss gefasst werden müsste. Das Schreiben des Patentamts vom 15. März 2011 sei nur eine Rechtsinformation gewesen. Die BGH-Entscheidung „Hopfenextrakt“ sei auf Basis einer anderen Rechtslage und eines völlig anderen Verfahrens vor dem Patentamt ergangen. Es sei auch keine Gesetzeslücke vorhanden, die mit Analogien zum Zivil- oder Verwaltungsprozess geschlossen werden könne. Sehe aber die gesetzliche Regelung wie im vorliegenden Fall keine Beteiligung Dritter vor, gebe es weder eine Antrags- noch eine Beschwerdemöglichkeit auf gesetzlicher Grundlage. Sollte gleichwohl die Beschwerde für zulässig angesehen werden, wäre sie aber unbegründet. Die Antragstellerin trage nicht begründet vor, warum ihre Beteiligung gesetzlich geboten sei. Um ihre Rechte im Patentverletzungsprozess zu wahren, bedürfe es keiner Beteiligtenposition im Wiedereinsetzungsverfahren vor dem Patentamt. Ein nur mittelbarer Einfluss der Entscheidung des Patentamts über die Wiedereinsetzung reiche für die Einräumung der Beteiligtenstellung grundsätzlich nicht aus.
Die Antragstellerin hat im Mai 2011 Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent erhoben. Der 3. Senat des Bundespatentgerichts hat durch Urteil vom 20. November 2012 – 3 Ni 20/11 (EP) - das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt (Az. des BGH: X ZR 60/13).
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft.
a) Die Beschwerde ist statthaft, denn das Schreiben des Patentamts vom 15. März 2011 stellt einen anfechtbaren Beschluss dar. Gemäß § 73 Abs. 1 PatG findet die Beschwerde gegen die Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteillungen des Patentamts statt. Ob ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung der Entscheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Ein Beschluss ist danach eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung ergeht, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 73 Rdn. 25 ff. m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Das mit Telefax vom 15. März 2011 an die Antragstellerin übermittelte Schreiben ist zwar nicht als Beschluss bezeichnet, trägt aber, wie es für einen Beschluss der Patentabteilung erforderlich ist (wenn die Sache nicht an ein einzelnes Mitglied delegiert worden ist), die Unterschrift von drei Mitgliedern (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 1 PatG). Das Schreiben enthält zudem seinem Inhalt nach eine ablehnende, mit Gründen versehene Stellungnahme zu dem auf Beteiligung am Wiedereinsetzungsverfahren gerichteten Antrag der Antragstellerin vom 21. Januar 2011, die über den Charakter einer reinen Rechtsinformation hinausgeht. Eine Frist zur Stellungnahme ist nicht gesetzt, so dass die Antwort der Patentabteilung ersichtlich abschließend sein sollte. Demnach liegt ein Beschluss im Sinne des § 73 Abs. 1 PatG vor.
Der Auffassung der Antragsgegnerin, weil das Wiedereinsetzungsverfahren keine Beteiligung Dritter vorsehe, gebe es weder eine Antrags- noch Beschwerdemöglichkeit über diese Frage, kann nicht gefolgt werden. Seinem Inhalt nach stellt sich der Beschluss des Patentamts vom 15. März 2011 als eine Zwischenentscheidung entsprechend § 303 ZPO über eine vorgelagerte prozessuale Frage (das Beteiligungsrecht am Wiedereinsetzungsverfahren) dar. Anders als nach den Regelungen der ZPO, wonach Zwischenurteile nur beschränkt anfechtbar sind (vgl. Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 303 Rdn. 11), ist es für die Frage der Anfechtbarkeit nach dem Patentgesetz aber ohne Belang, ob sich eine patentamtliche Entscheidung als Zwischen- oder Endentscheidung darstellt. Denn § 73 Abs. 1 PatG eröffnet die Beschwerde allgemein gegen Entscheidungen, ohne sie auf Endentscheidungen einzuschränken (z. B. BPatGE 29, 65, 67; Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 41r unter „Zwischen- und Vorabentscheidungen“). Zudem ist die Frage der Zulässigkeit eines Antrags auf Beteiligung am Wiedereinsetzungsverfahren eine Frage der Begründetheit der Beschwerde, nicht ihrer Zulässigkeit (vgl. Busse/Engels, PatG, 7. Aufl. § 73 Rdn. 105; BPatGE 17, 14).
Die Beschwerde steht den am Verfahren vor dem Patentamt Beteiligten zu, wobei maßgebend die gesetzlich vorgesehene, rein formelle Beteiligung ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 74 Rdn. 3). Hier hat sich die Antragstellerin mit Beschwerdeschriftsatz vom 28. März 2011 in erster Linie gegen die Entscheidung des Patentamts vom 15. März 2011 gewandt, sie nicht zu beteiligen. Diese Entscheidung ist nur ihr gegenüber ergangen, und zwar in Ablehnung ihres förmlich gestellten Antrags. Dass sie im Wiedereinsetzungsverfahren Dritte ist und als solche (möglicherweise) kein Recht auf Beteiligung hat, führt nicht zur Verneinung ihrer förmlichen Beteiligtenstellung (als Antragstellerin) in dieser speziellen Konstellation, in der der Beschwerdegegenstand gerade der Zwischenstreit über die Beteiligungsfrage ist. Die Antragstellerin greift insoweit keinen gegenüber der Antragsgegnerin im Wiedereinsetzungsverfahren ergangenen Beschluss an, sondern nur eine ihr gegenüber ergangene Bescheidung eines von ihr gestellten Antrags. An den im Beschwerdeverfahren schriftsätzlich zunächst noch gestellten weiteren Antrag, den Wiedereinsetzungsantrag der Antragsgegnerin zurückzuweisen, hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten.
c) Der Beschwerde der Antragstellerin fehlt schließlich auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Eine Beteiligung Dritter an einem (Wiedereinsetzungs-) Verfahren kann zwar grundsätzlich nur in Betracht kommen, solange es noch anhängig, d. h. noch nicht beendet ist (vgl. für die Nebenintervention Zöller, a. a. O., § 66 Rdn. 4). Vorliegend ist das Wiedereinsetzungsverfahren nicht mehr anhängig, denn mit der Entscheidung der Patentabteilung vom 30. März 2011 über die Gewährung der Wiedereinsetzung ist das Wiedereinsetzungsverfahren bestandskräftig beendet. Die gewährte Wiedereinsetzung ist nach § 123 Abs. 4 PatG unanfechtbar. An der Beendigung des Wiedereinsetzungsverfahrens ändert auch die von der Antragstellerin entsprechend § 321a ZPO gegen den die Wiedereinsetzung gewährenden Beschluss des Patentamts vom 30. März 2011 erhobene Anhörungsrüge nichts. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob ein solcher Rechtsbehelf überhaupt gegen patentamtliche Entscheidungen erhoben werden kann, denn jedenfalls vermag die bloße Erhebung einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, selbst wenn sie statthaft wäre, den Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung nicht zu verhindern (vgl. Zöller, a. a. O., § 321a Rdn. 19).
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei einem Erfolg der Anhörungsrüge die Bestandskraft des patentamtlichen Beschlusses vom 30. März 2011 durchbrochen und das Wiedereinsetzungsverfahren fortgesetzt würde. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens kann somit nicht verneint werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Anhörungsrüge Erfolg haben könnte. Ob sie letztlich Erfolg haben wird, ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren zwar nicht zu prüfen, da hierfür allein das Patentamt zuständig ist. Allein durch die Vorlage der Akten an das Patentgericht aufgrund der eingelegten Beschwerde geht die Entscheidungszuständigkeit hierfür nicht auf das Gericht über. Für die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses reicht es jedoch aus, wenn nach den vorgetragenen Tatsachen ein Erfolg der Anhörungsrüge nicht als von vornherein ausgeschlossen erscheint, was hier anzunehmen ist.
Die Antragstellerin macht mit der Anhörungsrüge eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend. Ob dies der Fall ist, hängt mit dem Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zusammen. Wenn die Beschwerde Erfolg hat, dann erscheint es naheliegend, dass das rechtliche Gehör der Antragstellerin im Wiedereinsetzungsverfahren verletzt worden ist. Wegen dieses rechtlichen Zusammenhanges – und weil die Anhörungsrüge nach dem Vortrag der Antragstellerin innerhalb der in § 321 a ZPO genannten zweiwöchigen, mit Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs beginnenden Frist erhoben wurde – liegt dem Beschwerdeverfahren weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis zugrunde.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Eine Rechtsgrundlage, die Antragstellerin als Verletzungsbeklagte bzw. Nichtigkeitsklägerin am patentamtlichen Wiedereinsetzungsverfahren der Patentinhaberin über die Validierung des europäischen Patents zu beteiligen, gibt es nicht. Der Antrag ist bereits unzulässig.
a) Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, die generell die Beteiligung Dritter an einem patentamtlichen Verfahren oder speziell am patentamtlichen Wiedereinsetzungsverfahren regelt, gibt es im Patentgesetz nicht. Zur Verfahrensbeteiligung Dritter gibt es für das patentamtliche Verfahren ausdrückliche Regelungen nur vereinzelt, z. B. in § 44 Abs. 2 Satz 1 PatG (Prüfungsantrag durch Dritten, der aber dadurch nicht zum Beteiligten des Prüfungsverfahrens wird, wie ausdrücklich bestimmt wird) oder in § 59 Abs. 2 PatG (Beitritt eines Dritten zum Einspruchsverfahren nur unter engen Voraussetzungen eines anhängigen bzw. drohenden Verletzungsverfahrens), deren Fallkonstellationen hier aber sämtlich nicht einschlägig sind.
b) Ebenso wenig kann der von der Antragstellerin genannten BGH-Entscheidung „Hopfenextrakt“ (BlPMZ 1971, 196 = GRUR 1971, 246) der allgemeine Grundsatz entnommen werden, dass (jedwede) Dritte am Wiedereinsetzungsverfahren des Patentinhabers zu beteiligen sind, die durch die Gewährung der Wiedereinsetzung in ihren Rechte berührt werden. Nach dieser zu einem Einspruchsverfahren nach altem Recht ergangenen Entscheidung soll die Frist zur Zahlung der Patentjahresgebühr wie die Frist zur Vornahme einer Verfahrenshandlung im anhängigen Patenterteilungsverfahren zu behandeln sein mit der Folge, dass der Einsprechende am Wiedereinsetzungsverfahren bezüglich der versäumten Jahresgebührenzahlungsfrist zu beteiligen sei.
Im Hinblick auf diese Entscheidung wird zwar von einem Teil der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass in Wiedereinsetzungsverfahren außer dem Antragsteller auch „Dritte, die durch die Gewährung der Wiedereinsetzung in ihrem Rechten berührt werden können, zu beteiligen sind wie z. B. der Einsprechende“ (so Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rdn. 154; ebenso Busse, PatG, 7. Aufl. § 123 Rdn. 57). Doch betrifft die „Hopfenextrakt“-Entscheidung zunächst nur die Beteiligung des Einsprechenden - setzt also ein mehrseitiges patentamtliches Verfahren schon voraus - und nicht jedwede sonstige Dritte. Da im vorliegenden Fall außer dem Wiedereinsetzungsverfahren der Antragsgegnerin kein sonstiges patentamtliches Verfahren zwischen den Beteiligten anhängig war, kann die Argumentation aus „Hopfenextrakt“ schon deshalb hier nicht herangezogen werden.
Darüber hinaus erscheint es sehr zweifelhaft, ob die zum Einspruchsverfahren nach altem Recht ergangene „Hopfenextrakt“-Entscheidung auf das geltende Einspruchsverfahren übertragen werden kann (vgl. Benkard, a. a. O., § 123 Rdn. 59; Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 99). Hinzu kommt, dass das Einspruchsverfahren (ebenso wie das Nichtigkeitsverfahren) vom Ausgang eines Wiedereinsetzungsverfahrens wegen versäumter Jahresgebührenzahlung im Ergebnis zwar berührt wird, dass aber die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr keine Frist zur Vornahme einer Verfahrenshandlung im anhängigen Einspruchsverfahren betrifft. Die Jahresgebührenpflicht als eine materiellrechtliche Voraussetzung für den Fortbestand des Patents (so BGH GRUR 2008, 551 (Tz 13) = BlPMZ 2008, 218 (II3) - Sägeblatt) besteht vielmehr völlig unabhängig davon. Anders als nach damaliger Rechtslage (vgl. hierzu BPatGE 19, 39; 19, 81: Überprüfung gewährter Wiedereinsetzung bis zur abschließenden Entscheidung über die Patenterteilung, vor Einführung des § 123 Abs. 4 PatG) wäre die Gewährung der Wiedereinsetzung durch den Einsprechenden auch nicht anfechtbar, § 123 Abs. 4 PatG. Erst recht kann die hier versäumte Frist zur Validierung eines europäischen Patents nicht etwa als eine Verfahrensfrist im Nichtigkeitsverfahren angesehen werden.
c) Eine gesetzliche Regelung der Beteiligung Dritter am Rechtsstreit ergibt sich zwar aus den ZPO-Vorschriften über die Nebenintervention (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 66 ZPO), die im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren nach neuerer Rechtsprechung als anwendbar angesehen werden (vgl. BGH GRUR 2008, 87 - Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren). Die Voraussetzungen einer Nebenintervention liegen hier aber nicht vor.
Die Nebenintervention setzt nach § 66 Abs. 1 ZPO einen zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit voraus, dem der Nebenintervenient zur Unterstützung einer Partei beitritt. Vorliegend ist das Wiedereinsetzungsverfahren aber nur ein einseitiges Verfahren - die Antragsgegnerin als Patentinhaberin ist einzige Beteiligte -, dem die Antragstellerin gerade nicht zur Unterstützung der Antragsgegnerin beitreten, sondern im Gegenteil dem von der Antragsgegnerin begehrten Rechtsschutzziel entgegen treten möchte. Selbst wenn man die Vorschriften über die Nebenintervention auch in einseitigen patentamtlichen Verfahren für anwendbar hält (vgl. Schulte, a. a. O., Einleitung Rdn. 201), ist kein Raum für die Annahme, ein Beitretender könne in einseitigen Verfahren nicht zur Unterstützung des einzigen Beteiligten beitreten, sondern den sonst nicht vorhandenen Gegenpart bilden.
d) Eine darüber hinausgehende Heranziehung von Vorschriften aus anderen Verfahrensordnungen scheidet aus, da eine im Patentgesetz etwa vorhandene Regelungslücke über die Beteiligung Dritter am Verfahren bereits durch Rückgriff auf die ZPO-Vorschriften zu lösen ist. Davon abgesehen ist § 65 Abs. 1 VwGO, wonach (generell) Dritte, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, von Amts wegen oder auf Antrag beizuladen sind, mit den Besonderheiten des patentamtlichen Verfahrens, insbesondere im einseitigen Verfahren, nicht vereinbar. Die restriktive patentgesetzliche Regelung der Beteiligung Dritter am patentamtlichen Verfahren wie im Fall der Stellung eines Prüfungsantrags durch einen Dritten (der in der Regel höchstes Interesse am Ausgang des Prüfungsverfahrens haben dürfte), § 44 Abs. 2 Satz 1 PatG, zeigt die Wertung des Gesetzgebers, dass eben nicht generell auch Dritte am Verfahren beteiligt werden sollen. Im Übrigen würde es auch an einem unmittelbaren rechtlichen Interesse der Antragstellerin fehlen.
3. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG zuzulassen, da die Frage der Beteiligung eines Verletzungsbeklagten bzw. Nichtigkeitsklägers an einem patentamtlichen Wiedereinsetzungsverfahren des Patentinhabers noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.