Entscheidungsdatum: 10.12.2015
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 507 925
(DE 503 02 342)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel sowie der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Dipl.-Ing. Küest und Dipl.-Ing. Univ. Richter
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Klage richtet sich gegen das europäische Patent 1 507 925 (Streitpatent), das auf eine Anmeldung vom 6. Mai 2003 zurückgeht und in deutscher Sprache u. a. für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Das Patent, das die Priorität der deutschen Voranmeldung 102 23 819 vom 28. Mai 2002 in Anspruch nimmt, wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 503 02 342 geführt. Es ist bezeichnet mit „Absaugeinrichtung und -verfahren zur Staubentsorgung bei Fräsmaschinen“ und umfasst 18 Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Patentanspruch 1 mit den darauf rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 13 stellt eine selbstfahrende Fräsmaschine zum Bearbeiten von Bodenoberflächen unter Schutz, und Anspruch 14 mit Unteransprüchen 15 bis 18 ein Verfahren zum Entsorgen von während der Fräsbearbeitung entstehenden Stäuben und Dämpfen an einer Fräsmaschine.
Patentansprüche 1 und 14 haben folgenden Wortlaut:
1. Selbstfahrende Fräsmaschine (1, 11) zum Bearbeiten von Bodenoberflächen, mit
- einem Maschinenrahmen (2),
- einer an dem Maschinenrahmen (2) gelagerten Fräswalze (8),
- mindestens einer an dem Maschinenrahmen (2) angeordneten Transporteinrichtung (14, 18), die das abgefräste Material (3) von der Fräswalze (6) an einer Übergabestelle (5) übernimmt, sowie
- mit einer Absaugeinrichtung (20) für die mit Stäuben und Dämpfen verunreinigte Luft,
- wobei die mindestens eine Transporteinrichtung (14, 18) für das abgefräste Material (3) von einem Kanal (16) umschlossen ist,
dadurch gekennzeichnet,
- dass der die Transporteinrichtung (14, 18) umschließende Kanal (16) in zwei Kanalabschnitte (16a, 16b) unterteilt ist,
- dass die Absaugeinrichtung (20) an den ersten Kanalabschnitt (16a) des Kanals (16) stromabwärts der Übergabestelle (5) für das abgefräste Material (3) angeschlossen ist,
- dass die Absaugeinrichtung (20) die beim Fräsen verunreinigte Luft in dem ersten Kanalabschnitt (16a) im Wesentlichen in Materialtransportrichtung absaugt, und
- dass der zweite Kanalabschnitt (16b) von dem ersten Kanalabschnitt (16a) mit Trennmitteln (36) zum Sperren einer Luftströmung abgetrennt ist, ohne dass ein Transport des abgefrästen Materials behindert wird.
14. Verfahren zum Entsorgen von während der Fräsbearbeitung entstehenden Stäuben und Dämpfen an einer Fräsmaschine zum Bearbeiten von Bodenflächen, bei der das von einer Fräswalze (8) abgefräste Material (3) an einer Übergabestelle (5) auf eine Transporteinrichtung (14) übertragen und über mindestens eine Transporteinrichtungen (14, 18) entsorgt wird, wobei das abgefräste Material (3) auf der Transporteinrichtung (14, 18) von einem Kanal (16) umgeben ist,
gekennzeichnet durch
- das Bilden eines in Transportrichtung unterteilten Kanals (16), mit einem ersten Kanalabschnitt (16a) und einem mit dem ersten Kanalabschnitt (16a) verbundenen zweiten Kanalabschnitt (16b),
- das Absaugen der verunreinigten Luft in dem ersten Kanalabschnitt: (16a) stromabwärts der Übergabestelle (5) für das abgefräste Material, wobei die verunreinigte Luft in dem ersten Kanalabschnitt (16a) der Transporteinrichtung (14, 18) in Transportrichtung des abgefrästen Materials abgesaugt wird, wobei der Kanal (16) mit Trennmitteln (36) unterteilt wird, und das abgefräste Material (3) ungehindert von dem ersten Kanalabschnitt (16a) in den zweiten Kanalabschnitt (16b) transportiert werden kann; dagegen aber eine Luftströmung zwischen dem ersten Kanalabschnitt (16a) und dem zweiten Kanalabschnitt (16b) unterbunden wird.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 13 und 15 bis 18 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 507 925 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend, wobei sie sich auf das Nichtvorliegen von Neuheit beruft (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ).
Sie macht zwei Vorbenutzungshandlungen geltend, durch die die Lehre des Streitpatents Stand der Technik geworden sei. Zum einen sei dies durch eine Diskussion geschehen, die während des Treffens einer Vereinigung von Geräteherstellern der Branche für Asphaltpflaster (BAEB) am 1. März 2002 in San Francisco – im Rahmen der vom 1. bis 7. März 2002 abgehaltenen Versammlung der National Paving Association (NAPA) – zwischen zwei Teilnehmern, den Herren
M… und F…, stattgefunden habe, und in der Herr M… eine der Lehre
des Streitpatents entsprechende Möglichkeit vorgeschlagen habe, nämlich die Fräskammer unter Unterdruck zu setzen und einen Dichtvorhang oder eine Klappendichtung zu verwenden. Im Anschluss an diese Diskussion habe Herr M…
noch am selben Tag, jedenfalls bis spätestens 7. März 2002, Herrn F… eine
Zeichnung (Skizze in K2) mit Merkmalen, die denen des Streitpatents entsprechen, gezeigt bzw. erläutert. Zum anderen sei die technische Erfindung von Herrn M… zur Reduzierung von Stäuben und Dämpfen bei der Benutzung von Fräs-,
Mühl- und Zerkleinerungsmaschinen dadurch benutzt worden, dass eine entsprechende Maschine hergestellt und erfolgreich getestet worden sei, wobei die hierzu eingereichten Unterlagen (K4) aus den Jahren 1979 und 1985 datieren.
Soweit die Klägerin weiter vorgetragen hat, dass Herr M… in den 1990er Jahren
ein System zur Lösung eines Emissionsproblems (sog. „Blue Smoke“) bei Asphaltfertigern entwickelt habe, die der auf dem BAEB-Meeting 2002 vorgeschlagenen ähnlich gewesen sei, und insoweit Unterlagen eingereicht hat (K9 bis K12), haben ihre Vertreter auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass hiermit keine weitere, gesonderte Benutzungshandlung geltend gemacht werde, sondern lediglich die Hintergründe der geltend gemachten Vorbenutzung von 2002 dargestellt worden seien.
Die Klägerin bezieht sich auf folgende Unterlagen:
K1 erste eidesstattliche Versicherung von M… vom 23. Januar 2014, mit beigefügtem Lebenslauf, in englischer Fassung und in beglaubigter deutscher Übersetzung
K2 Kopien aus dem Notizbuch von M…, nämlich ein Deckblatt, handschriftlich betitelt mit „11/19/01 – 5/24/02“, und drei Seiten handschriftliche Notizen, datiert vom 1. März 2002, mit einer Zeichnung auf der letzten Seite, sowie Wiedergabe der Notizen in Maschinenschrift in englischer Fassung und in beglaubigter deutscher Übersetzung
K3 zweite eidesstattliche Versicherung von M… vom 23. Januar 2014 in englischer Fassung und in beglaubigter deutscher Übersetzung
K4 Planzeichnungen, Produktbroschüre und Fotografien zu K3
K5 eidesstattliche Versicherung von M… vom 7. Juni 2015 in englischer Fassung und in beglaubigter deutscher Übersetzung
K6 eidesstattliche Versicherung von F… vom 4. Juni 2015 in englischer Fassung und in beglaubigter deutscher Übersetzung
K7 Besprechungsprotokoll („Minutes“) der Association of Equipment Manufacturers/Bituminous & Aggregate Equipment Bureau (BAEB) vom 1. März 2002 in englischer Fassung
K8 eidesstattliche Versicherung von M… vom1. Oktober 2015 in englischer Fassung und in beglaubigter deutscher Übersetzung mit Anhängen
K9 Kopie von einer Seite handschriftlicher Notizen von M…mit Skizzen, datiert vom 24. und 25. April 1995
K10 Abschlussbericht des National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) vom 9. August 1999
K11 Begleitschreiben zur Übersendung des vorgenannten NIOSH-Berichts an M… vom 19. August 1999
K12 Kopien von fünf Seiten handschriftlicher Notizen von M…, datiert vom 3. Mai 1996
Zudem bietet sie Beweis durch die Vernehmung von M… und
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 507 925 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage insgesamt abzuweisen,
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung der mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2015 (Bl. 232 ff. d. A.) eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge I und II richtet.
Bezüglich der Fassung der Hilfsanträge wird auf Blatt 232 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält den Nichtigkeitsgrund für nicht gegeben.
Sie bezieht sich insoweit u. a. auf folgende Unterlagen:
B2 DE 699 28 176 T2 (Übersetzung der europäischen Patentschrift EP 0 971 075 B1)
B3 EP 0 853 985 A2
B5 bis B11: Unterlagen aus dem Jahr 2008 und später insb. zur „Silicia Partnerschaft“
B12 Auftragsschreiben zur Einreichung der Prioritätsanmeldung zum Streitpatent (Neuanmeldung „Staubabsaugung“) vom 13. Dezember 2001
B13 eidesstattliche Versicherung von M… vom
5. November 2015 in englischer Fassung
B13a beglaubigte deutsche Übersetzung von B13
B14 eidesstattliche Versicherung von G… vom
6. November 2015
B14a beglaubigte deutsche Übersetzung von B14
Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten ersten Vorbenutzungshandlung im März 2002 bestreitet sie, dass diese am 1. März 2002 oder im Zeitraum danach bis 7. März 2002 stattgefunden habe, des Weiteren, dass die Diskussion zwischen Herrn M… und Herrn F… - sofern sie überhaupt stattgefunden habe - W… Inc., M…, sei bei der Sitzung am und zu erwartender neuer Staubemissionsgrenzwerte erinnern. Er könne aber auch bestätigen, dass die Skizze K2 den Sitzungsteilnehmern nicht gezeigt worden sei, und dass die daraus ersichtlichen Lösungen nicht mit den Sitzungsteilnehmern diskutiert worden seien. Auch der von ihr als weiterer Zeuge benannte G… könne bestätigen, dass Herr M… während der Sitzung am 1. März 2002 weder Lösungen gemäß der Skizze K2 noch Lösungswege mündlich vorgetragen habe.
Was Herr M… nach seinen eidesstattlichen Versicherungen am 1. März 2002 angeblich vorgeschlagen habe - nämlich das Umschließen und Absaugen des Fräsraumes - habe zudem nicht der patentierten Lösung entsprochen, sondern vielmehr dem Stand der Technik gemäß der europäischen Patentschrift EP 0 971 075 B1 (B2). Herr F… wiederum habe offensichtlich nicht erkannt, wozu die Klappendichtung beim Streitpatent erforderlich sei und welche Funktion sie ausübe. Dies sei daraus zu ersehen, dass er laut eidesstattlicher Versicherung K6, Punkt 7, sich erinnern könne, dass eine handgezeichnete Skizze mit einem Dichtungsvorhang oder einer Klappendichtung angefertigt worden sei, wobei er diese Elemente funktionsmäßig der Steuerung von Emissionen zuordne („using a seal curtain or flap seal to control emissions“).
Die Ergänzung zu K2, Punkt 9, der Notizen von Herrn M… („I talked to F…later on what’s been done on crushing side“, übersetzt: „Ich habe später darüber mit F… gesprochen, was bezüglich des Zerbrechens geschehen ist“) lasse zudem den Zeitpunkt dieses Gesprächs offen. Die Beklagte bestreitet, dass die Ergänzung sowie die Zeichnungen bereits am 1. März 2002 eingefügt worden seien.
Im Übrigen sei der Auftrag zur prioritätsbegründenden Patentanmeldung bereits am 13. Dezember 2001, d. h. drei Monate vor dem BAEB-Meeting, erteilt worden.
Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten zweiten Vorbenutzungshandlung gemäß den Unterlagen K3 und K4 bezweifelt die Beklagte die Relevanz der mit Anlage K4 vorgelegten Unterlagen. Der dort gezeigte Dichtungsvorhang sei bereits aus der europäischen Offenlegungsschrift EP 0 853 985 (B3) bekannt. Die eidesstattliche Versicherung K3 lasse nicht erkennen, aus welchen Gründen die in K4 aufgeführten Dokumente für das Streitpatent neuheitsschädlich sein sollen.
Soweit die Beklagte zu Aktivitäten nach dem Prioritätstag im Rahmen der „Silicia Partnerschaft“ vorgetragen und umfangreiche Unterlagen eingereicht hat, soll dies ihrer Auffassung nach belegen, dass die Zeugen M… und F… noch nicht einmal
im Jahr 2011 in der Lage gewesen seien, die angeblich schon im Jahre 2002 mitgeteilte Idee als Prototypen so für Testzwecke zu präsentieren, dass man nicht auf Behelfsmaßnahmen wie Pappkartons zurückgreifen musste.
Der Senat hat den Parteien einen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG mit Schreiben vom 20. August 2015 übersandt, sowie weitere Hinweise mit Schreiben vom 4. und 17. November 2015.
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2015 haben die Parteien ihre bisherigen Standpunkte erläutert und vertieft. Die Klägerin hat das Original der in einem Spiralblock niedergelegten handschriftlichen Notizen von Herrn M…, aus dem die Kopien der K2 stammen, vorgelegt. Auf den Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung, wonach der Vortrag der Klägerin, als wahr unterstellt, nicht ausreiche, um eine Vorveröffentlichung der streitpatentgemäßen Lehre mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 zu belegen, hat die Klägerin betont, dass ihr Vorbringen so zu verstehen sei, dass Herr M… seine Zeichnung gemäß K2 Herrn F… nicht nur gezeigt, sondern auch verbal erläutert habe.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54 EPÜ) gestützte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Das Streitpatent erweist sich in seiner erteilten Fassung als bestandsfähig, weshalb die Klage abzuweisen ist.
I.
1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach der Beschreibung in der Streitpatentschrift (Absätze 2 und 3) Straßenfräsmaschinen, wie sie z. B. aus den deutschen Patentanmeldungen 39 03 482 und 38 31 161 bekannt seien. Diese bekannten Fräsmaschinen wiesen ein selbstfahrendes Fahrgestell mit einem Vorderradpaar und einem Hinterradpaar auf. Das Fahrgestell trage einen Maschinenrahmen, in dem eine Fräswalze quer zur Fahrtrichtung gelagert sei. Um einen möglichst vollständigen Abtransport des abgefrästen Materials zu erreichen, sei die Fräswalze in der Regel von einem Gehäuse umgeben, bei dem die in Fahrtrichtung weisende Wand als Abdeckschild mit einer Durchtrittsöffnung für das abgefräste Material ausgebildet sei. Die in Fahrtrichtung rückwärtige Wand sei als Abstreifer ausgeführt und werde gegen die abgefräste Oberfläche angedrückt, um den Walzenkasten nach hinten abzudichten und dadurch das Fräsgut restlos dem Abtransport zuzuführen. Das von der Fräswalze abgearbeitete Material werde von der Fräswalze auf ein erstes Transportband abgeworfen, das das abgearbeitete Material am vorderen Ende der Fräsmaschine auf ein Abwurfband übertrage, das zum Transport auf eine Ladefläche eines Lastkraftwagens in der Neigung und seitlich verschwenkbar sei.
Eine andere Ausführungsform dieser Straßenfräsen, die sogenannte Heckladerfräse, sei beispielsweise aus DE A 34 05 473 bekannt. Hier befinde sich die Durchtrittsöffnung für das abgefräste Material in der entgegen der Fahrtrichtung weisenden, ebenfalls als Abstreifer ausgebildeten Wand des Walzengehäuses. Das von der Fräswalze abgefräste Material werde dabei direkt auf das als Abwurfband dienende Transportband übertragen, das am hinteren Ende der Fräsmaschine angeordnet sei, um es auf einen Lastkraftwagen zu befördern. Wie das Abwurfband der Frontladerfräse könne auch das Abwurfband der Heckladerfräse in der Neigung und seitlich verschwenkbar sein (Beschreibung Absatz 4).
Die Fräswalze solcher Straßenfräsen sei mit Meißelwerkzeugen bestückt, die eine Förderwendel bildeten, die das abgefräste Material zur Durchtrittsöffnung des Abdeckschildes transportiere (Beschreibung Absatz 5).
Durch Abfräsen der Bodenoberfläche und durch das Transportieren des abgearbeiteten Materials entstünden Stäube und Dämpfe, die einerseits die Funktionsfähigkeit der Transporteinrichtungen beeinträchtigen könnten und andererseits die Arbeitsbedingungen für den Maschinenführer auf dem Fahrstand und für das weitere Bedienungspersonal um die Fräsmaschine herum verschlechterten und unter Umständen auch die Sicht für den möglicherweise vorbeifließenden Straßenverkehr behinderten (Beschreibung Absatz 6).
Es sei aus der europäischen Patentschrift EP 0 971 075 B1 (= Anlage B2) bereits bekannt, die Transportbänder einer Fräsmaschine mit einer Haube zu versehen, den entstehenden Staub an der Fräswalze und unter der Haube der Transportbänder entgegen der Transportrichtung abzusaugen und über ein Gebläse und eine Filtereinrichtung am hinteren Ende der Fräsmaschine zu entsorgen. Nachteilig sei dabei, dass ein Absaugen an den Transportbändern entgegen der Transportrichtung erfolge. Dadurch dass die staubhaltige Luft in Fahrtrichtung nach hinten und entgegen der eigentlichen Materialtransportrichtung abgesaugt werde, sei ein erheblicher Mehraufwand für die Umrüstung der Maschine und eine deutlich höhere Luftförderleistung des Gebläses erforderlich. Die Verwendung eines Radiallüfters am hinteren Ende der Fräsmaschine habe den Nachteil, dass kein ausreichend hoher Luftstrom an den in Fahrtrichtung vorderen Transportbändern erzielbar sei. Schließlich würden die an dem Gebläse und an dem Zyklonfilter ausgeschiedenen Partikel wieder auf die Bodenoberfläche abgeworfen, wodurch die soeben abgefräste Bodenoberfläche wieder verunreinigt werde. Der am hinteren Ende der Maschine vorgesehene Zyklonfilter könne nur die gröberen Partikel ausscheiden, nicht dagegen die lungengängigen Feinstäube, so dass die Anordnung des Luftauslasses am hinteren Ende der Fräsmaschine zu nah am Fahrstand angeordnet sei. Gleiches gelte für ein maschengitterförmiges Filter, das ebenfalls nicht in der Lage sei, atembare Stäube auszuscheiden. Ein weiterer Nachteil nach dem Stand der Technik bestehe darin, dass Stäube und Dämpfe am hinteren Ende der Fräsmaschine in der Nähe des Fahrstandes abgeblasen würden, und dass des Weiteren beim Abwurf des abgefrästen Materials an dem vorderen Transportband zwangsläufig erneut Stäube entstünden (Beschreibung Absatz 7).
Der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, eine Fräsmaschine der eingangs genannten Art sowie ein Verfahren zum Entsorgen von Stäuben und Dämpfen zu schaffen, bei der mit geringerem maschinellen Aufwand und mit höherer Effektivität beim Fräsvorgang und beim Transportvorgang entstehende Stäube und Dämpfe abgesaugt und gemeinsam mit dem abgearbeiteten Material entsorgt werden könnten.
2. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 und durch ein Verfahren gemäß Patentanspruch 14 gelöst. Die Merkmale dieser Ansprüche können wie folgt gegliedert werden:
Anspruch 1
1. Selbstfahrende Fräsmaschine (1, 11) zum Bearbeiten von Bodenoberflächen, mit
2. einem Maschinenrahmen (2),
3. einer an dem Maschinenrahmen (2) gelagerten Fräswalze (8),
4. mindestens einer an dem Maschinenrahmen (2) angeordneten Transporteinrichtung (14, 18), die das abgefräste Material (3) von der Fräswalze (6) an einer Übergabestelle (5) übernimmt,
4.1 wobei die mindestens eine Transporteinrichtung (14, 18) für das abgefräste Material (3) von einem Kanal (16) umschlossen ist,
4.1.1 wobei der die Transporteinrichtung (14, 18) umschließende Kanal (16) in zwei Kanalabschnitte (16a, 16b) unterteilt ist,
4.1.2. wobei der zweite Kanalabschnitt (16b) von dem ersten Kanalabschnitt (16a) mit Trennmitteln (36) zum Sperren einer Luftströmung abgetrennt ist, ohne dass ein Transport des abgefrästen Materials behindert wird,
5. einer Absaugeinrichtung (20) für die mit Stäuben und Dämpfen verunreinigte Luft,
5.1 wobei die Absaugeinrichtung (20) an den ersten Kanalabschnitt (16a) des Kanals (16) stromabwärts der Übergabestelle (5) für das abgefräste Material (3) angeschlossen ist
5.2 und wobei die Absaugeinrichtung (20) die beim Fräsen verunreinigte Luft in dem ersten Kanalabschnitt (16a) im Wesentlichen in Materialtransportrichtung absaugt.
Anspruch 14
1. Verfahren zum Entsorgen von während der Fräsbearbeitung entstehenden Stäuben und Dämpfen an einer Fräsmaschine zum Bearbeiten von Bodenflächen;
2. das von einer Fräswalze (8) abgefräste Material (3) wird an einer Übergabestelle (5) auf eine Transporteinrichtung (14) übertragen
3. und über mindestens eine Transporteinrichtungen (14, 18) entsorgt,
4. wobei das abgefräste Material (3) auf der Transporteinrichtung (14, 18) von einem Kanal (16) umgeben ist,
4.1 wobei ein in Transportrichtung unterteilter Kanal (16) gebildet wird, mit einem ersten Kanalabschnitt (16a) und einem mit dem ersten Kanalabschnitt (16a) verbundenen zweiten Kanalabschnitt (16b),
4.2. wobei der Kanal (16) mit Trennmitteln (36) unterteilt wird, und
4.3 das abgefräste Material (3) ungehindert von dem ersten Kanalabschnitt (16a) in den zweiten Kanalabschnitt (16b) transportiert werden kann,
5. die verunreinigte Luft wird in dem ersten Kanalabschnitt: (16a) stromabwärts der Übergabestelle (5) für das abgefräste Material abgesogen,
5.1 wobei eine Luftströmung zwischen dem ersten Kanalabschnitt (16a) und dem zweiten Kanalabschnitt (16b) unterbunden wird.
Die Streitpatentschrift zeigt in Figur 1 ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Fräsmaschine.
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit besonderer Erfahrung in der Konstruktion von Baumaschinen für den Tief- bzw. Straßenbau, insbesondere von Fräsmaschinen und deren Ausstattung.
II.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Weder durch druckschriftlichen Stand der Technik noch durch die von der Klägerin geltend gemachten Vorbenutzungshandlungen ist die Lehre des Gegenstands des Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweggenommen.
a) Von den im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Druckschriften, die die Klägerin im Übrigen nicht substantiell aufgegriffen hat, stellt die europäische Patentschrift EP 0 971 075 B1 (Druckschrift B2) den wohl nächstkommenden Stand der Technik dar. Dort ist eine selbstfahrende Fräsmaschine mit einem grundsätzlich vergleichbaren Aufbau offenbart. Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents konstruktiv und funktionell jedoch entscheidend in dessen die Absaugeinrichtung betreffenden Merkmalen 4.1.2 bis 5.2. Insbesondere fehlen bei der in B2 offenbarten Konstruktion Trennmittel i. S. des Merkmals 4.1.2, welche beim Gegenstand des Streitpatents ein Rückströmen von Fehlluft aus dem ersten in den zweiten Kanalabschnitt weitgehend unterbinden.
b) Die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sind auch nicht durch mündliche Beschreibung aufgrund der von der Klägerin geltend gemachten Vorgänge von Anfang März 2002 zum Stand der Technik geworden.
aa) So trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen von M… (K1, K5 und K8) und F… (K6) vor, anlässlich der vom 1. bis 7. März 2002 in San Francisco abgehaltenen Versammlung der N… (= N…) habe am 1. März 2002 ein Treffen bzw. Meeting des B… … (= B…, Vereinigung von Geräteherstellern in der Branche für Asphaltpflaster sowie Verdichtung und Aggregat Verarbeitung) stattgefunden. Im Rahmen dieses Meetings am 1. März 2002 habe Herr F… über eine seitens der O…Labour) und des N… (National Institute for Occupational Safety and Health of the Centers for Disease Control and Prevention) im Hinblick auf Gesundheitsgefahren beim Betrieb von Fräsmaschinen angestrebte Partnerschaftsvereinbarung bezüglich Säge-, Fräs- und Zerkleinerungsarbeiten gesprochen. Während des Meetings habe Herr M… (damals technischer Direktor bei der Fa. C…, Inc.) mit Herrn F… über seine Erfahrungen in der Kontrolle von Staubemissionen bei Fräsmaschinen gering zu halten. Dabei habe er insbesondere eine der Lehre des Streitpatents entsprechende Möglichkeit vorgeschlagen, nämlich die Fräskammer einer Fräsmaschine unter Unterdruck zu setzen und einen Dichtvorhang oder eine Klappendichtung zu verwenden. Diese Diskussion zwischen Herrn M… und Herrn F… habe nicht in vertraulichem Rahmen, sondern im Bei sein von 40 bis 50 weiteren Konferenzteilnehmern stattgefunden.
Herr M…, dessen Vortrag sich die Klägerin zu eigen macht, bezieht sich in sei nen eidesstattlichen Versicherungen K1 und K5 insbesondere auf seine in der Anlage K2 enthaltenen eigenhändigen Notizen, insbesondere zu Punkt 9 samt später dort am Rand angebrachter Ergänzung („I talked to F… later on what’s been done on crushing side, we could do this same on mills, must put milling drum chamber in (-) pressure & evacuate w or w/o BH“, übersetzt: „Ich habe später darüber mit F… gesprochen, was bezüglich des Zerbrechens geschehen ist. Wir könnten dies an Mühlen vornehmen, müssen die Frästrommelkammer unter (-) Druck setzen & mit oder ohne BH entleeren.“), und die am Ende (nach Punkt 19) angebrachte Zeichnung. Nach der den Vortrag in K1 und K5 ergänzenden vierten eidesstattlichen Versicherung von Herrn M… (K8, Punkt 13) hat Herr F… beim BAEB-Meeting am 1. März 2002 über die Tests bzgl. der Asphaltfertiger berichtet (entsprechend K2, unter Punkt 8, sowie K7, unter V., erster Absatz). Gleich anschließend habe Herr F… darüber berichtet, dass NIOSH dar über nachdenke, Gesundheitsrisiken bei anderen Straßenbauvorgängen, z. B. beim Fräsen, näher untersuchen zu wollen (K2, Punkt 9; K7, Abs. V, zweiter Absatz). Er, Herr M…, habe daraus geschlussfolgert, dass sich der von einem Steinbrecher oder einer Fräsmaschine erzeugte Silikatstaub ähnlich kontrollieren lasse wie im Zuge der Lösung, die er bereits zur Kontrolle des „Blue smoke“-Problems bei Asphaltfertigern entwickelt habe. Er habe daraufhin die in K2, Absatz 19, angegebenen Steinbrecher bzw. Fräsmaschine skizziert und den Teilnehmern des Meetings seinen Lösungsvorschlag, der die Einhausung und Entlüftung der Brechkammer des Steinbrechers und/oder des Fräsraums der Fräsmaschine umfasst habe, beschrieben.
Herr F… will sich gemäß seiner eidesstattlichen Versicherung K6 zwar daran erinnern, dass Herr M… während des BAEB-Meetings mindestens eine solche handgefertigte Skizze angefertigt habe, die eine Fräsmaschine mit einer Unterdruck-Fräskammer samt einem Dichtungsvorhang oder einer Klappendichtung zur Kontrolle der Emissionen darstelle. Er erinnere sich deutlich daran, dass Herr M… … eine Klappendichtung an einem Förderband von der Fräsmaschine gezeichnet habe. Er habe aber keine spezielle Erinnerung daran, 2002 genau die in den Aufzeichnungen K2, am Ende des dortigen Abschnitts 19 befindliche Zeichnung gesehen zu haben. Diese Zeichnung entspreche aber vollständig Herrn M… mündlicher Beschreibung der Fräsmaschine, die er mit ihm (F…) und anderen persönlich beim NAPA-Treffen diskutiert habe.
bb) Aus diesem Vortrag, den der Senat zugunsten der Klägerin als wahr unterstellt, lässt sich nicht entnehmen, dass eine Lehre mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenkundig geworden ist.
(1) Was zunächst die Diskussion während des BAEB-Meetings am 1. März 2002 in Anwesenheit der anderen Teilnehmer anbelangt, so sind nach den insoweit übereinstimmenden Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen von Herrn M… und Herrn F… weder die Notizen von Herrn M… den anwesenden Teilnehmern zugänglich gemacht noch ist diesen die in der Anlage K2 enthaltene Skizze einer Fräsmaschine gezeigt worden. Vielmehr hat sich Herr M…in der Diskussion nach eigenen Angaben lediglich mündlich dahingehend geäußert, die Fräskammer einer Fräsmaschine unter Unterdruck zu setzen und einen Dichtvorhang oder eine Klappendichtung zu verwenden. Mit diesem Vorschlag wurden aber nicht sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents erfasst, vielmehr enthielt er lediglich eine technische Lösung, wie sie etwa auch dem druckschriftlichen Stand der Technik nach dem in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift (Absatz 7) gewürdigten europäischen Patent 0 971 075 (Druckschrift B2) zu entnehmen ist. Wie oben unter Punkt 1a) ausgeführt, offenbart dieser Stand der Technik bereits ein Konzept mit einer Absaugeinrichtung und klar definierter Luftführung. Die behauptete Äußerung von Herrn M… ist – soweit es um die Herstellung eines Unterdrucks geht - im Vergleich dazu wesentlich allgemeiner. Auch in Bezug auf die Verwendung eines Dichtvorhangs oder einer Klappendichtung fehlt jegliche Angabe, wo und mit welcher Funktion diese Komponente angeordnet sein soll. Damit geht die von Herrn M… behauptete mündliche Mitteilung nicht über den Stand der Technik gemäß der Druckschrift B2 hinaus, wie die Beklagte zu Recht geltend macht.
(2) Ebenso wenig kann aus dem weiteren Vortrag, Herr M… habe die in seinen Notizen gemäß K2 enthaltene Skizze einer Fräsmaschine am 1. März 2002, oder jedenfalls bis 7. März 2002, Herrn F… gezeigt bzw. verbal erläutert, die Offenkundigkeit aller Einzelmerkmale dieser Zeichnung hergeleitet werden.
Zwar gehen aus der Zeichnung in K2 für den Fachmann sämtliche Merkmale des in Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstands hervor.
Dass es sich um eine Fräsmaschine (Merkmal 1) handelt, ist aus der Funktionsangabe „milling“ am linken Rand der Zeichnung zu ersehen. Diese Fräsmaschine ist ausweislich der vorne und hinten schematisch gezeichneten Fahrwerke selbstfahrend. Ein Maschinenrahmen (Merkmal 2) ist zwar nicht ausdrücklich dargestellt, jedoch wird der Fachmann ohne Weiteres davon ausgehen, dass ein solcher Rahmen, an welchem die einzelnen Aggregate der Maschine gelagert bzw. angelenkt und entsprechend ihrer jeweiligen Funktion positioniert sind, vorhanden ist. Die Maschine nach K2 weist auch eine Fräswalze i. S. d. Merkmals 3 (dort als Kreis mit Drehrichtungspfeil unterhalb des Führerstandes dargestellt) und eine Transporteinrichtung (schräg aufwärts nach rechts gerichtetes Band unterhalb der Bezeichnung „Cover“) auf. Ferner ist sie von einem Kanal („Cover“) umschlossen (Merkmal 4.1).
Wie bei dem Ausführungsbeispiel nach Figur 1 des Streitpatents ist auch bei der Maschine nach K2 eine zweite Transporteinrichtung vorgesehen, welche ihrerseits wiederum einen zweiten Kanalabschnitt gemäß Merkmal 4.1.1 aufweist (Förderband auf das vorausfahrende Transportfahrzeug, mit im Querschnitt A-A erkennbarer Einhausung). Am Ende des ersten Kanalabschnitts ist eine Klappe („Flap seal“) dargestellt, welche i. S. d. Merkmals 4.1.2 ganz offensichtlich ein Rückströmen von Luft unterbindet, ohne den Materialtransport zu behindern.
Schließlich ist bei der Zeichnung in K2 auch die Merkmalsgruppe 5 verwirklicht. Im mittleren Bereich des ersten Kanalabschnitts, stromabwärts der Übergabestelle (linkes Transportbandende), ist eine Absaugeinrichtung („Fan“) angeschlossen (Merkmal 5.1). Wie der in dem an die Absaugeinrichtung anschließenden Luftkanal eingezeichnete Richtungspfeil erkennen lässt, wird auch bei der Fräsmaschine nach K2 die verunreinigte Luft in dem ersten Kanalabschnitt im Wesentlichen in Materialtransportrichtung abgesaugt (Merkmal 5.2).
Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die in K2 enthaltene Zeichnung vor dem Prioritätstag dadurch offenkundig geworden ist, dass - wie von der Klägerin behauptet - Herr M… sie Herrn F… gezeigt und erläutert hat. Zwar
kann bereits die Kenntnisnahme einer technischen Lehre durch eine einzige Person u. U. als offenkundige Vorbenutzung anerkannt werden, wenn diese Person bereit und in der Lage ist, diese Information an die Fachwelt weiterzugeben (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 3 Rn. 24). Ausreichend ist die nicht nur entfernte Möglichkeit, dass beliebige Dritte und damit auch Fachkundige zuverlässige, ausreichende Kenntnis von der Erfindung erhalten (vgl. BGH GRUR 1996, 747 – Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem; GRUR 2015, 463 – Presszange; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 3 Rn. 76 m w. N.). Bei der Offenkundigkeit sind aber nach der Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 1997, 892 – Leiterplattennutzen) zwei Stufen zu unterscheiden: Die Zugänglichkeit der Informationsquelle und die Zugänglichkeit der Informationen, die sich aus dieser Quelle gewinnen lassen. Durch eine Benutzungshandlung wird die ihr zugrundeliegende technische Lehre der Öffentlichkeit nur dann zugänglich, wenn ihr auf diese Weise das für das Erkennen und Verstehen der Lehre erforderliche Wissen vermittelt wird (BGH a. a. O. – Leiterplattennutzen). Dies kann für sämtliche Details der Skizze gemäß K2 unter den vorgetragenen Umständen nicht angenommen werden.
Die von der Klägerin als Teil der K2 (dort nach Nummer 19 der handschriftlichen Notizen) eingereichte handschriftliche Skizze war grundsätzlich nicht als solche öffentlich zugänglich, sondern Bestandteil der persönlichen, handschriftlichen Notizen Herrn M…, die dieser in einem Spiralordner originär für sich selbst geführt hat, und die nicht zur Weitergabe an Dritte bzw. zur Veröffentlichung bestimmt waren. Bestätigt wird dies durch die Vorlage der Originalnotizen in der mündlichen Verhandlung, wonach die Skizze als integraler Bestandteil der handschriftlichen Notizen Herrn M… in dem Spiralordner enthalten war.
Sofern Herr M… diese Skizze Herrn F… gezeigt haben sollte, ist sie einem Dritten zwar als Informationsquelle zugänglich gewesen, diese Informationsquelle war aber auf ein einmaliges Hinsehen und -hören beschränkt. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass Herr F… sämtliche Details erfasst hat. Zum einen gibt es keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass durch einmaliges Zeigen und Erläutern einer technischen Zeichnung alle darin vorhandenen Einzelmerkmale erkannt und aufgenommen werden. Dies gilt in besonderem Maße, wenn es sich wie hier um eine handschriftliche Skizze handelt, in der auf engem Raum viele Details dicht nebeneinander wiedergegeben sind. Vor allem aber spricht hierfür die Aussage des Herrn F… in seiner eidesstattlichen Versicherung (K6), wonach die Zeichnung, die Herr M… ihm gezeigt habe (und von der er nicht sagen könne, ob sie mit der in K2 enthaltenen Zeichnung identisch sei), genau dem entspreche, was Herr M… im Rahmen des Meetings damals vorgeschlagen habe. Dies versteht der Senat dahingehend, dass Herr F… alle dort von Herrn M… vorgeschlagenen technischen Elemente (Erzeugung von Unterdruck bei der Fräskammer einer Fräsmaschine und Verwendung einer Klappendichtung) in der Zeichnung wiedergefunden hat, nicht jedoch eine darüber hinausgehende Offenbarung. Damit ist durch das Zeigen und Erläutern der Zeichnung keine weitergehende Offenkundigkeit dargetan als durch die mündliche Mitteilung von Herrn M… während der Diskussion am 1. März 2002.
Da somit die behauptete Vorbenutzungshandlung vom März 2002 nicht bewiesen wäre, auch wenn man das diesbezügliche, auf die eidesstattlichen Versicherungen gestützte Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt, bestand für den Senat kein Anlass, dem Beweisangebot durch Vernehmung der Herren M… und F… als Zeugen nachzugehen.
c) Die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sind auch nicht aufgrund der von der Klägerin geltend gemachten zweiten Vorbenutzungshandlung gemäß den Unterlagen K3 und K4 Stand der Technik geworden.
aa) Insoweit trägt die Klägerin unter Verweis auf K3 und K4 vor, die technische Erfindung des Herrn M… zur Reduzierung von Stäuben und Dämpfen bei der Benutzung von Fräs-, Mühl- und Zerkleinerungsmaschinen sei dadurch benutzt worden, dass eine entsprechende Maschine hergestellt und erfolgreich getestet worden sei von der O… (= O United States Department of Labour) und dem NIOSH (= N… -). Die Erfindung sei in den vorgelegten Druckschriften vorweggenommen, namentlich in einer Cedarapids Produktbroschüre PADM-2-CR und bei einer Landwirtschaftsmaschine namens „Mahlmischer“.
In der hierzu vorgelegten zweiten eidesstattlichen Versicherung des Herrn M… vom 23. Januar 2014 (Anlage K3) nimmt dieser Bezug auf die Anlage K4 mit zwei Zeichnungen zu verschiedenen Dichtungstypen und mit einer Cedarapids Produktbroschüre PADM-2-CR mit dem Titel „Portable Asphalt Drum Mixing Plants“ von 11/85; deren Deckblatt zeige eine Asphaltanlage des Typs, bei dem Klappendichtungen verwendet worden seien. Ferner enthält K4 Kopien von Fotos einer „Mahlmischer“-Landwirtschaftsmaschine mit eingebauter Klappenrutsche.
bb) Aus diesem Vortrag und den Unterlagen ist nicht ersichtlich, inwieweit sie den Gegenstand des Patentanspruchs 1 vorwegnehmen könnten. Die vorgelegten Unterlagen beziehen sich lediglich auf verschiedene Klappen- bzw. Dichtungsvorrichtungen, welche i. S. d. Merkmals 4.1.2 als Trennmittel zum Sperren einer Luftströmung geeignet sind, ohne dass ein Transport des abgefrästen Materials behindert wird. In den Punkten 5 bis 8 der diesbezüglichen eidesstattlichen Versicherung K3 wird unter Verweis auf die in K4 beigefügten Zeichnungen erläutert, welche Funktionen die dort dargestellten unterschiedlichen Dichtungen der „Typen A und B“ erfüllen können. Zusammen mit den weiteren Punkten 9 und 10 der eidesstattlichen Versicherung K3, welche auf die Verwendung von derartigen Klappendichtungen in einer Asphalt-Trommel-Mischanlage bzw. in einer Landwirtschaftsmaschine verweist, ist den Unterlagen K4 insgesamt somit allenfalls zu entnehmen, wie solche Dichtungsvorrichtungen je nach Einsatzzweck konstruktiv aufgebaut sind. Die weiteren Merkmale des anspruchsgemäßen Gegenstands sind den Unterlagen K3, K4 dagegen nicht zu entnehmen.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
a) Der druckschriftliche Stand der Technik nach der europäischen Patentschrift 0 971 075 B1 (Druckschrift B2) hat dem Fachmann keine Anregung gegeben, den Weg des Streitpatents zu beschreiten. Diese Druckschrift offenbart eine selbstfahrende Fräsmaschine, welche in den Merkmalen 1 bis 4.1.1 mit der Maschine des Streitpatents übereinstimmt. Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 konstruktiv und funktionell jedoch entscheidend in dessen die Absaugeinrichtung betreffenden Merkmalen 4.1.2 bis 5.2, welche gerade den wesentlichen Kern der zur Lösung der zu Grunde liegenden Aufgabe beanspruchten Lehre bestimmen. So fehlt dort insbesondere jeglicher Hinweis auf Trennmittel i. S. des Merkmals 4.1.2, welche beim Gegenstand des Streitpatents ein Rückströmen von Fehlluft aus dem ersten in den zweiten Kanalabschnitt weitgehend unterbinden. Weiter weist die Fräsmaschine nach B2 zwar ebenfalls eine Absaugeinrichtung für die mit Stäuben und Dämpfen verunreinigte Luft auf (s. dort Zentrifugalgebläse 7); diese ist dort jedoch gerade in umgekehrter Funktionsrichtung angeordnet wie beim Streitpatentgegenstand, nämlich stromaufwärts der Übergabestelle für das abgefräste Material (s. dort u. a. Anspruch 1). Für eine Umkehr dieser Funktionsrichtung gibt die B2 keinerlei Anregung; vielmehr findet der Fachmann dort eine in sich abgeschlossene Lehre zum Absaugen von mit Stäuben und Dämpfen verunreinigte Luft bei einer Fräsmaschine vor, welche keine Veranlassung bietet, die die Luftführung bestimmenden Komponenten unter Zwischenschaltung einer Sperre für Falschluft in ihrer Anordnung und Funktion zu vertauschen.
b) Auch aus den geltend gemachten Vorbenutzungshandlungen ergibt sich keine solche Anregung. Die mündlichen Ausführungen Herrn M… von Anfang März 2002, nämlich die Fräskammer einer Fräsmaschine unter Unterdruck zu setzen und einen Dichtvorhang oder eine Klappendichtung zu verwenden, gehen nicht über das hinaus, was der Fachmann bereits der Druckschrift B2 entnehmen konnte. Die bloße Darstellung von verschiedenen Dichtungen und von Maschinen, in denen diese Verwendung gefunden haben sollen (Anlage K4), konnte dem Fachmann ebenfalls keine Anregung zur Konstruktion einer erfindungsgemäßen Fräsmaschine vermitteln.
III.
Der nebengeordnete Patentanspruch 14 ist in seiner Patentfähigkeit nicht anders zu beurteilen als Patentanspruch 1. Die Unteransprüche 2 bis 13 bzw. 15 bis 18 werden von der Bestandskraft der erteilten Patentansprüche 1 bzw. 14 des Streitpatents, auf den sie rückbezogen sind, mitgetragen.
Die Klage war somit insgesamt abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.