Entscheidungsdatum: 08.12.2010
Das Verfahren wird eingestellt.
A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der von der Gruppenvertretung verweigerten Zustimmung zur Einstellung eines Piloten.
Arbeitgeberin ist die Muttergesellschaft des Lufthansa-Konzerns (DLH). Die bei ihr angestellten Copiloten werden durch die von der zu 2. beteiligten Gruppenvertretung repräsentiert, die auf der Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV) gebildet wurde. Soweit der Bedarf an Piloten durch im Konzern ausgebildete „Nachwuchsflugzeugführer“ nicht abgedeckt werden kann, stellt die Arbeitgeberin sog. „Ready Entries“ ein, die über eine abgeschlossene Flugzeugführerausbildung sowie in unterschiedlichem Umfang über Flugerfahrung in anderen Luftfahrtunternehmen verfügen. Das Einstellungshöchstalter war zuletzt in der „Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung Cockpit 2007/2008“ in Verbindung mit der in Bezug genommenen und zum Tarifvertrag erstarkten Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl bei der Einstellung von Flugzeugführern bei der DLH“ (TV Auswahlrichtlinien) geregelt. Es betrug für Ready Entries grundsätzlich 32 Jahre und 364 Tage und für Piloten aus bestimmten Luftfahrtgesellschaften 37 Jahre und 364 Tage. Für Piloten der Bundeswehr galt die erstgenannte Regelung.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 unterrichtete die Arbeitgeberin die Gruppenvertretung über ihre Absicht, den zum Einstellungszeitpunkt 34 Jahre alten, vorher für die Bundeswehr tätigen Piloten C zum 1. November 2007 einzustellen. Die Gruppenvertretung widersprach der beabsichtigten Einstellung durch Schreiben vom 23. Oktober 2007 mit der Begründung, Herr C erfülle nicht das „Maximalalter“ für Ready Entries.
In dem daraufhin eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren hat die Arbeitgeberin die Ansicht vertreten, das im TV Auswahlrichtlinien geregelte Einstellungshöchstalter verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und sei deshalb unwirksam.
Die Arbeitgeberin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt,
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die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Einstellung des Herrn C als zweiten Offizier auf dem Flugzeugmuster A 300 zu ersetzen. |
Die Gruppenvertretung hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Benachteiligung älterer Bewerber durch § 4 Abs. 1 TV Auswahlrichtlinien sei durch legitime Ziele iSd. § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG, Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien hätten diese Regelung, die der Gewährleistung der Flugsicherheit diene, innerhalb des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums getroffen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Gruppenvertretung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Gruppenvertretung weiterhin die Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags.
Auf der Grundlage eines von den Betriebsparteien nach Stilllegung des Flugzeugmusters A 300 zum 1. Juli 2009 geschlossenen Interessenausgleichs wurde Herr C ab 21. September 2009 auf das Muster A 320 umgeschult und wird seither auf diesem Flugzeugmuster eingesetzt. Die angehörte Gruppenvertretung hat der „Versetzung“ nicht widersprochen. Die Arbeitgeberin hat im Rechtsbeschwerdeverfahren das Verfahren für erledigt erklärt. Die Gruppenvertretung hat der Erledigung nicht zugestimmt.
B. Das Verfahren war auf die einseitige Erledigterklärung der Arbeitgeberin in entsprechender Anwendung des § 83a Abs. 2 ArbGG einzustellen.
I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat das Gericht in Fällen, in denen der Antragsteller eines Beschlussverfahrens das Verfahren für erledigt erklärt und andere Verfahrensbeteiligte der Erledigungserklärung widersprechen, zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Anders als im Urteilsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis dahin zulässig und begründet war. Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, ist das Verfahren einzustellen (vgl. grundlegend BAG 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - zu B I 3, 4 der Gründe, BAGE 65, 105 ; 28. Februar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 18, BAGE 117, 123 ; 19. Februar 2008 - 1 ABR 65/05 - Rn. 10, AP ArbGG 1979 § 83a Nr. 11).
II. Vorliegend hat die Arbeitgeberin als Antragstellerin das Verfahren einseitig für erledigt erklärt. Ein erledigendes Ereignis ist eingetreten, da die Arbeitgeberin die personelle Maßnahme, zu der sie mit ihrem Antrag die Ersetzung der Zustimmung der Personalvertretung begehrte, nicht mehr beabsichtigt. Sie hat nicht mehr vor, Herrn C auf dem Flugzeugmuster A 300 einzusetzen. Dadurch ist das Rechtsschutzbedürfnis für den bislang verfolgten Zustimmungsersetzungsantrag entfallen.
1. Das Rechtsschutzbedürfnis verlangt als Sachentscheidungsvoraussetzung das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Inanspruchnahme der Gerichte. Fehlt es, ist ein Antrag als unzulässig abzuweisen. Während das Rechtsschutzbedürfnis bei Feststellungsanträgen in Gestalt des rechtlichen Interesses an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO stets gesondert geprüft werden muss, ist es bei Leistungs- und Gestaltungsklagen regelmäßig gegeben. Es folgt in der Regel aus der Nichterfüllung des behaupteten Anspruchs. Ob der Anspruch besteht, ist grundsätzlich eine Frage der Begründetheit. Besondere Umstände können aber bereits das Verlangen, in die materiellrechtliche Sachprüfung einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen ( BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 182/05 - Rn. 10 mwN, EzB GG Art. 19 Nr. 18). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ein einfacherer oder billigerer Weg zur Verfügung steht oder wenn der Antragsteller offensichtlich gerichtlicher Hilfe zur Erreichung seines Ziels nicht (mehr) bedarf (BAG 19. Februar 2008 - 1 ABR 65/05 - Rn. 12, AP ArbGG 1979 § 83a Nr. 11).
2. Hiernach ist das Rechtsschutzbedürfnis der Arbeitgeberin für den Antrag, die von der Personalvertretung verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Herrn C als Zweiten Offizier auf dem Flugzeugmuster A 300 gerichtlich zu ersetzen, entfallen. Die Arbeitgeberin beabsichtigt eine solche Einstellung nicht mehr.
a) Der Antrag eines Arbeitgebers, die Zustimmung der Personalvertretung zu einer beabsichtigten endgültigen personellen Maßnahme nach § 88 Abs. 8 TV PV - oder nach § 99 Abs. 4 BetrVG - gerichtlich zu ersetzen, setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Durchführung dieser Maßnahme noch beabsichtigt. Hat er diese Absicht aufgegeben, bedarf es der Zustimmung der Personalvertretung - oder des Betriebsrats - sowie einer diese Zustimmung ersetzenden gerichtlichen Entscheidung offensichtlich nicht. Dies gilt auch dann, wenn er nunmehr eine andere personelle Maßnahme plant. Er muss dann das Mitbestimmungsverfahren zu dieser Maßnahme durchführen.
b) Hier hat die Arbeitgeberin ihre Absicht, Herrn C als Zweiten Offizier auf dem Flugzeugmuster A 300 einzustellen, aufgegeben. Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis für den bislang verfolgten Zustimmungsersetzungsantrag entfallen. Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin Herrn C nunmehr auf dem Flugzeugmuster A 320 einsetzt. Die endgültige Eingliederung des Herrn C auf diesem Arbeitsplatz ist eine andere Einstellung als die zuvor beabsichtigte. Dabei kann für den vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen, ob es zu einer Einstellung des Herrn C auf dem Arbeitsplatz eines Copiloten auf dem Muster A 320 noch an der erforderlichen Zustimmung der Personalvertretung fehlt oder ob die Personalvertretung das Ersuchen der Arbeitgeberin auf Zustimmung zur „Versetzung“ des Herrn C auf die Stelle eines Copiloten auf dem Muster A 320 als ein solches auf Zustimmung zur Einstellung auf diesem Arbeitsplatz verstehen musste. In letzterem Falle gälte ihre Zustimmung als erteilt.
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Linsenmaier |
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Schmidt |
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Kiel |
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Busch |
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Glock |