Entscheidungsdatum: 12.11.2012
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 102 14 229
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hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Univ. Richter
beschlossen:
Das Patent 102 14 229 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentansprüche 1 bis 3,
- Beschreibung Seiten 1 bis 3,
- Zeichnungen Fig. 1, 2 und 3,
jeweils übergeben in der mündlichen Verhandlung.
I.
Gegen das Patent 102 14 229, dessen Erteilung am 24. November 2005 veröffentlicht wurde, ist am 16. Februar 2006 Einspruch erhoben worden.
Der Einspruch stützt sich auf die Widerrufsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der unzulässigen Erweiterung des Patentgegenstandes, wobei in der schriftsätzlichen Einspruchsbegründung folgende Druckschriften genannt werden:
(D1) DE 195 38 277 A1,
(D2) DE 35 03 543 C2,
(D3) DE 100 34 551 A1,
(D4) Firmenprospekte „Fassaden-Erneuerung mit Klinkerelementen“ Haacke Isolierklinker, Druckverm. 120/199 u. 287/1092,
(D5) Firmenprospekt „Fassaden-Erneuerung mit Klinkerelementen“ Haacke Isolierklinker VWS, Druckverm. 286/1092.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und verteidigt ihr Patent nur noch beschränkt. Gegenüber dieser beschränkten Verteidigung hält die Einsprechende nicht mehr am Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung fest und beruft sich zum Stand der Technik nicht mehr auf die Entgegenhaltungen D1 bis D5.
Die Einsprechende stellt den Antrag,
das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
- Patentansprüche 1 bis 3,
- Beschreibung Seiten 1 bis 3,
- Zeichnungen Fig. 1, 2 und 3,
jeweils übergeben in der mündlichen Verhandlung.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents jedenfalls in der verteidigten Fassung gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
In der erteilten Fassung lauten die Patentansprüche wie folgt:
1. Schraubbuchse zur Herstellung eines an einer Gebäudewand mittels Schrauben befestigbaren Verkleidungselements aus Tonklinkerriemchen im Verbund mit Polyurethan-Hartschaum,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Schraubbuchse aus Polyamid hergestellt ist und aus einem zylindrischen Körper (1) zur Aufnahme einer Befestigungsschraube besteht, an welchem drei segelförmige, glatte Flügel (3) als Verdrehsicherung zu einem T angeordnet sind, wobei der zylindrische Körper (1) an seinem mit den breiten Flügelansätzen versehenen Ende eine erweiterte Bohrung zur versenkten Aufnahme des Befestigungsschraubenkopfs aufweist.
2. Verfahren zur Herstellung eines an einer Gebäudewand befestigbaren Verkleidungselements aus Tonklinkerriemchen im Verbund mit Polyurethan-Hartschaum mit Hilfe von Schraubbuchsen nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Tonklinkerriemchen (4) in eine Schäumform (7) entsprechend einem Fugennetz eingelegt werden, wobei in der Schäumform (7) in T-förmigen Kreuzungspunkten der Fugen zwischen den Tonklinkerriemchen (4) Justierbolzen vorgesehen sind, die Schraubbuchsen auf die Justierbolzen zwischen die Tonklinkerriemchen (4) gesteckt werden, Quarzsand (6) in die Fugen eingestreut wird, so dass die Flügel (3) der Schraubbuchsen vom Quarzsand (6) hinterfüllt werden, nach Bedeckung des abschließenden Formstücks mit einer Deckschicht aus Mineralvlies der Polyurethan-Hartschaum (5) in die Schäumform (7) eingefüllt wird, wobei der Polyurethan-Hartschaum (5) den Quarzsand (6) oberflächlich durchdringt und einschließlich der Flügel (3) der Schraubbuchsen zu einer festen Masse aushärtet.
3. Verkleidungselement für Gebäudewände aus hinterschäumten Tonklinkerriemchen, hergestellt nach dem Verfahren nach Anspruch 2 mit Schraubbuchsen nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Schraubbuchsen mit ihren jeweils drei in T-Form angeordneten segelförmigen Flügeln (3) an ihren mit den breiten Flügelansätzen versehenen Enden in T-förmigen Kreuzungspunkten der Fugen zwischen den Tonklinkerriemchen (4) angeordnet sind und ihre zylindrischen Körper (1) in Polyurethan-Hartschaum (5) eingebettet sind.
In der nunmehr geltenden Fassung lautet der Patentanspruch 1:
„Schraubbuchse zur Herstellung eines an einer Gebäudewand mittels Schrauben befestigbaren Verkleidungselements aus Tonklinkerriemchen im Verbund mit Polyurethan-Hartschaum,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Schraubbuchse aus Polyamid hergestellt ist und aus einem zylindrischen Körper (1) mit einer Innenbohrung mit einem Durchmesser d1 von 9 mm zur Aufnahme einer Befestigungsschraube besteht, an welchem drei segelförmige, glatte Flügel (3) mit einer Breite b1 von 10 mm und einer Länge L von 18 mm in einem Winkel von je 90° zueinander als Verdrehsicherung zu einem T angeordnet sind, wobei der zylindrische Körper (1) an seinem mit den breiten Flügelansätzen versehenen Ende eine zur Ausbildung einer angepassten Kragenform auf einen Durchmesser d2 von 12 mm erweiterte Bohrung zur versenkten Aufnahme des Befestigungsschraubenkopfs aufweist“.
Die geltenden Patentansprüche 2 und 3 sind gleichlautend zu der erteilten Fassung.
Mit dem Patentgegenstand soll die Aufgabe gelöst werden, bei an einer Gebäudewand befestigbaren Verkleidungselementen aus Tonklinkerriemchen im Verbund mit Polyurethan-Hartschaum eine die Sicherheit gegen vertikales und horizontales Verschieben der Verkleidungselemente gewährende Schraubenbefestigung zu ermöglichen. Gleichzeitig soll einer unsachgemäßen Druckausübung auf die Sandfugenstruktur als auch auf die Wärmedämmung bei der Verschraubung der Verkleidungselemente vorgebeugt werden.
II.
1. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist substantiiert auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gem. § 21 (1) Ziffer 1 PatG gegründet und auch im Übrigen zulässig.
Er ist im Ergebnis auch insoweit erfolgreich, als er zu einer Beschränkung des Streitpatentgegenstandes führt.
2. Als hier zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Bauingenieur mit einschlägiger Erfahrung in Konstruktion und Fertigung von Fassadenelementen an.
3. Der Gegenstand des Streitpatents geht über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereicht worden ist (§§ 59 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG).
Im Zuge des Erteilungsverfahrens hat die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes auf der Basis der ursprünglich eingereichten Unterlagen, die keine Patentansprüche beinhalteten und sich auf die Beschreibung einer mit konkreten Maßangaben versehenen Schraubbuchse mit entsprechend bemaßten Zeichnungen beschränkte, drei Patentansprüche formuliert, mit welchen das Patent erteilt wurde. Dabei sind jedoch sämtliche Bemessungsangaben weggelassen worden, was zu einer unzulässigen Verallgemeinerung des Anmeldungsgegenstandes führte.
Zwar ist gemäß Schulte, PatG, 8. Aufl., § 34 Rn. 312 „eine Verallgemeinerung eines konkret beschriebenen Ausführungsbeispiels möglich, wenn dies der offenbarte Erfindungsgedanke zulässt“. An einem solchen allgemeinen Erfindungsgedanken fehlt es nach Überzeugung des Senats jedoch bei der vorliegenden Ursprungsoffenbarung, welche ausschließlich einen mit konkreten Maßangeben versehenen Gegenstand beschreibt. Insofern kann in dieser Beschreibung mit den entsprechend vermaßten Zeichnungen auch kein bloßes Ausführungsbeispiel gesehen werden, welches sich in zulässiger Weise zu einer allgemeineren Lehre erweitern ließe.
Die Patentinhaberin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und verteidigt insoweit ihr Patent nur noch eingeschränkt. Im Umfang dieser zulässigen beschränkten Verteidigung ist das Streitpatent aufrecht zu erhalten.
Wie oben ausgeführt enthält das Streitpatent in seiner erteilten Form eine (erweiternde) Verallgemeinerung gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen, die durch die eingeschränkte Fassung wieder auf den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Offenbarung zurückgeführt wird. Nach der Rechtsprechung kann ein unzulässig erweitertes Patent mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten werden. Diese Beschränkung kann grundsätzlich dadurch erfolgen, dass die unzulässige Verallgemeinerung aus dem Patentanspruch gestrichen bzw. ein einschränkendes Merkmal hinzugefügt wird (vgl. bereits BGH GRUR 2008, 56 - 60 - injizierbarer Mikroschaum; BGH GRUR 2011, 40 ff. - Winkelmesseinrichtung; BGH GRUR 2011, 1003 - 1007 - Integrationselement), wobei es jedoch durch die Streichung des betreffenden Merkmals bzw. die Einfügung des Merkmals nicht zu einer Schutzbereichserweiterung und insbesondere nicht zu einem „Aliud“ gegenüber der in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten Erfindung kommen darf (BGH GRUR 2011, 40 ff. - Winkelmesseinrichtung; BGH GRUR 2011, 1003 - 1007 - Integrationselement).
Nach dieser Rechtsprechung ist es unerheblich, ob die eingefügten einschränkenden Merkmale - wie im vorliegenden Fall - in der erteilten Fassung des Streitpatents genannt werden (vgl. dazu nun Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 21 Rn. 93; vgl. auch Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Aufl., S. 22 Rn. 32, S. 141 ff. Rn. 227, S. 146 Rn. 230; BGH GRUR 2008, 56, 58 - injizierbarer Mikroschaum). Die Rechtsprechung des BGH (BGH GRUR 2011, 40, 42; BGH a. a. O. - Winkelmesseinrichtung; und 1006 f. - Integrationselement) stellt ausschließlich darauf ab, ob die Öffentlichkeit damit zu rechnen braucht, dass etwas patentiert wird, das gegenüber dem der Fachwelt durch die ursprünglichen Unterlagen Offenbarten etwas Anderes darstellt. Nur ein solcher Patentanspruch gefährdet die Rechtssicherheit für Dritte, die sich auf den Inhalt der Patentanmeldung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung verlassen (BGH GRUR 2001, 140, 141; BGH GRUR a. a. O. - Winkelmesseinrichtung; BGH a. a. O., 1006 - Integrationselement). Diesem Interesse ist aber schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn eine unzulässige Erweiterung durch entsprechende Beschränkung des Patents rückgängig gemacht wird.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die beschränkte Verteidigung des Streitpatents zulässig und führt zu dessen teilweiser Aufrechterhaltung im beantragten Umfang.
4. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist patentfähig, was von der Einsprechenden im Zuge der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr bestritten wurde.
Der Senat hat sich im Rahmen der Offizialmaxime davon überzeugt, dass der solchermaßen beschränkte Anmeldungsgegenstand gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu ist und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Entsprechende Bedenken werden auch von der Einsprechenden nicht mehr geltend gemacht.
Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.
5. Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 2 sowie der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 3 umfassen aufgrund ihrer jeweiligen Rückbeziehung den Merkmalsumfang des gewährbaren Patentanspruchs 1 mit und sind schon deshalb ebenfalls patentfähig.