Entscheidungsdatum: 14.11.2017
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 0 868 002
(DE 698 40 309)
hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2017 durch die Vorsitzende Richterin Friehe sowie die Richter Schwarz, Dipl.-Ing. J. Müller, Dipl.-Ing. Matter und Dipl.-Phys. Dr. Haupt
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 868 002 wird für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 868 002 (Streitpatent), das am 5. März 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der schwedischen Anmeldung 9701066 vom 24. März 1997 angemeldet wurde.
Das am 10. Dezember 2008 veröffentlichte Streitpatent trägt die Bezeichnung „A plant for transmitting electric power“, in der deutschen Übersetzung „Anlage zur elektrischen Kraftübertragung“, und umfasst in der erteilten Fassung 6 Patentansprüche, die mit der Nichtigkeitsklage vom 28. November 2016 in vollem Umfang angegriffen werden.
Die erteilten Patentansprüche 1 und 6 lauten in der Verfahrenssprache Englisch:
1. A plant for transmitting electric power between a direct voltage network (1) for High Voltage Direct Current (HVDC) included therein and at least two alternating voltage networks (6, 7) connected thereto through a station (4, 5) each, said stations being adapted to perform transmitting of electric power between the direct voltage network and the respective alternating voltage network, said plant being of the type with possibility to feed electric power through the direct voltage network in both directions between the stations,
characterized by the combination of on one hand the arrangement of at least one voltage-stiff converter, i.e. a VSC-converter (8, 9), in each station for converting direct voltage to alternating voltage and conversely, and on the other the arrangement of at least one cable (2, 3) with an insulating layer (12) of polymer base surrounding the conductor (11) thereof for forming the direct voltage network interconnecting the stations, in which said at least one VSC- converter is adapted to control changes of said feeding direction of electric power through the direct voltage network without polarity change of said conductor by changing the direction of the current through said cable.
6. A use of a cable (2, 3) having an inner conductor (11) for electricity and an insulating layer (12) of polymer base surrounding the conductor for forming the direct voltage network interconnecting the stations (4, 5) in transmitting of electric power through High Voltage Direct Current (HVDC), in which each station has at least one voltage-stiff converter, i.e. a VSC- converter (8, 9), for converting direct voltage to alternating voltage and conversely, in which the stations are included in a plant of the type with possibility to feed electric power through the direct voltage network in both directions between the stations, and which said at least one VSC- converter is adapted to control changes of said feeding direction of electric power through the direct voltage network without polarity change of said conductor by changing the direction of the current through said cable.
In deutscher Übersetzung laut Streitpatentschrift lauten sie:
1. Anlage zum Übertragen von elektrischer Energie zwischen einem darin enthaltenen Gleichspannungsnetz
(1) für Hochspannungsgleichstrom (HVDC) und wenigstens zwei Wechselspannungsnetzen (6, 7), welche mit diesem jeweils durch eine Station (4, 5) verbunden sind, wobei die Stationen angepasst sind, das Übertragen von elektrischer Energie zwischen dem Gleichspannungsnetz und dem jeweiligen Wechselspannungsnetz durchzuführen, wobei die Anlage von der Art ist, die das Zuführen von elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwischen den Stationen ermöglicht,
gekennzeichnet durch die Kombination aus, einerseits, der Anordnung wenigstens eines spannungsstabilen Umrichters, d.h. eines VSC-Umrichters (8, 9), in jeder Station zum Umwandeln von Gleichspannung in Wechselspannung und umgekehrt, und, andererseits, der Anordnung wenigstens eines Kabels (2, 3) mit einer isolierenden Schicht (12) mit Polymerbasis, welche den Leiter (11) desselben umgibt, zum Bilden des Gleichspannungsnetzes, welches die Stationen miteinander verbindet, wobei der wenigstens eine VSC-Umrichter angepasst ist, Änderungen der Zufuhrrichtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz ohne Polaritätsänderung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms durch das Kabel zu steuern.
6. Verwendung eines Kabels (2, 3), welches einen inneren Leiter (11) für Elektrizität und eine isolierende Schicht (12) mit Polymerbasis aufweist, welche den Leiter umgibt, um das Gleichspannungsnetz zu bilden, welches die Stationen (4, 5) miteinander verbindet, beim Übertragen von elektrischer Energie durch Hochspannungsgleichstrom (HVDC), wobei jede Station wenigstens einen spannungsstabilen Umrichter, d. h. einen VSC-Umrichter (8, 9), zum Umwandeln von Gleichspannung in Wechselspannung und umgekehrt aufweist, wobei die Stationen in einer Anlage derjenigen Art enthalten sind, die das Zuführen von elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwischen den Stationen ermöglicht und wobei der wenigstens eine VSC-Umrichter angepasst ist, Änderungen der Zufuhrrichtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz ohne Polaritätsänderung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms durch das Kabel zu steuern.
Die Patentansprüche 2 bis 5 sind auf den Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Außerdem macht sie geltend, die jeweiligen Gegenstände der Patentansprüche 1 sowie 6 seien in der Patentschrift nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Dies stützt sie u. a. auf die Druckschriften (Nummerierung und Kurzzeichen nach Klageschriftsatz und weiteren Schriftsätzen):
D2 US 4 941 079 A
D4 Ekström, Å.: High Power Electronics H\/DC and SVC. The Royal Institute of Technology, Stockholm, June 1990, Deckblatt, Seiten 1-1 bis 1-13; 11-1 bis 11-18, 11-32, 11-33.
D5 Maekawa, Y; et al: Research and Development of DC XLPE cables. In: Troisième conférence internationale sur les câbles d’énergie à isolant synthétique, Jicable 91, 24-28 Juin 1991, Versailles, France. Deckblatt, Seiten 562-569.
D6 Bourgeat, X; Luton, M.-H.: Results of tests using continuous high voltage on low density polyethylene insulation. In: Jicable 95, 25-29 Juin 1995, Seiten 694-696.
Die Klägerin beantragt,
das Europäische Patent EP 0 868 002 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt den Argumenten der Klägerin im Einzelnen entgegen und erachtet die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe für nicht gegeben. Zum Beleg ihres Vortrags, die Fachwelt sei zum Prioritätstag des Streitpatents der Überzeugung gewesen, es stünden keine zum Betrieb an hohen Gleichspannungen geeigneten polymerisolierten Kabel zur Verfügung, hat sie sich auf die Druckschrift:
D10 Khalil, M. S.: International Research and Development Trends and Problems of HVDC Cables with Polymeric Insulation.
In: IEEE Electrical Insulation Magazine, November/December 1997 – Vol. 13, No. 6, Seiten 35-47.
berufen.
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 28. Juli 2017 zugeleitet, auf den Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Vortrags der Parteien und der von ihnen eingereichten weiteren Unterlagen wird auf die Akte verwiesen.
A.
Die zulässige Klage ist begründet. Das Patent ist für nichtig zu erklären, da der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ gegeben ist. Eine Entscheidung darüber, ob auch der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) EPÜ) gegeben ist, bedarf es bei dieser Sachlage nicht mehr.
1. Die Erfindung betrifft eine Anlage zum Übertragen elektrischer Energie mit hoher Gleichspannung.
Zum technischen Hintergrund, von dem der Senat bei der Auslegung des Streitpatents ausgeht, wird auf Folgendes hingewiesen:
Im deutschen Sprachraum ist für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung die Abkürzung HGÜ gebräuchlich, während sich international, so auch in der Streitpatentschrift, die Abkürzung HVDC (High Voltage Direct Current) durchgesetzt hat (vgl. Absatz 0002).
HGÜ-Anlagen kommen unter anderem dann zum Einsatz, wenn eine Drei-Phasen-Drehstrom-Hochspannungs-Freileitung nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand realisiert werden kann. Das ist vor allem bei der Über- bzw. Durchquerung von Meeren der Fall. Der Betrieb eines Kabels mit Hochspannungswechselspannung (HVAC) wäre unwirtschaftlich, da Kabel eine große elektrische Kapazität darstellen. In Folge dessen müsste eine hohe Blindleistung zum ständigen Umladen der Kabelkapazität aufgebracht werden. Dieses Problem lässt sich durch den Einsatz von Hochspannungsgleichspannung vermeiden.
Eine wesentliche Schwierigkeit beim Betrieb einer HGÜ-Anlage ist der Umstand, dass der Strom nicht, wie bei Wechselspannung, einen wiederkehrenden „Nulldurchgang“ hat, so dass ein Leistungsschalter, also ein Schalter, der in der Lage ist, alle auftretenden Betriebs- und Fehlerströme zuverlässig zu schalten, für HVDC wesentlich aufwändiger ist als für HVAC. Aus diesem Grund wird meist darauf verzichtet, auf der Gleichspannungsseite überhaupt zu schalten. Daraus resultiert auch die von der Beklagten dargelegte Gefährdung der Umrichter durch Kurzschlüsse auf der Gleichspannungsseite.
Industriell gefertigte Kabel für Hochspannung, auch für Hochspannungswechselspannung, mit einer Isolation aus vernetztem Polyethylen (VPE, im Englischen als XLPE abgekürzt), standen erst gegen Ende der 1970er Jahre zur Verfügung, so dass davor verlegte HGÜ-Seekabel, als Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabel realisiert wurden.
Unabhängig vom verwendeten Isolationsmaterial besteht beim Betrieb von Kabeln mit hoher Gleichspannung das Problem, dass es nach einiger Zeit zur Ansammlung von Raumladungen in der als Dielektrikum wirkenden Isolierung zwischen Innen- und Außenleiter kommt. Bei einem schlagartigen Polaritätswechsel zur Richtungsumkehr des Energieflusses würde es durch die sich nur langsam abbauenden Raumladungen im Dielektrikum zu starken Feldüberhöhungen kommen, die materialzerstörende Teilentladungen im Isolierstoff auslösen.
Bei den älteren Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabeln genügt es, eine hinreichend lange Zeitspanne abzuwarten, in der sich die Raumladungen abbauen, bis das Kabel mit entgegengesetzter Energieflussrichtung wieder in Betrieb genommen werden kann. Bei Feststoffisolationen aus VPE scheint laut Beschreibungseinleitung des Streitpatents (Spalte 1, Zeilen 19-31) die Möglichkeit, den Abbau der Raumladungen abzuwarten, nicht in Betracht gezogen worden zu sein, so dass die an sich gegenüber Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabel wesentlich kostengünstigeren und weniger umweltgefährdenden VPE-Kabel für HGÜ nicht zum Einsatz gekommen sind.
2. In der Streitpatentschrift ist folglich angegeben, es sei Aufgabe der Erfindung, die Probleme hinsichtlich der Verwendbarkeit von Kabeln mit einer Isolation auf einer Polymerbasis zu überwinden (Absätze 0002 und 0003 der Streitpatentschrift).
3. Zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit Universitätsabschluss, der über fundierte Kenntnisse und mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Konzeption von Anlagen zur Übertragung elektrischer Energie mittels hoher Gleichspannung (HGÜ-Anlagen) verfügt. Dabei achtet er neben der Einhaltung der technischen Spezifikationen insbesondere auf eine wirtschaftliche Realisierung solcher Anlagen.
4. Das Streitpatent ist für nichtig zu erklären, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ).
4.1 Die Patentansprüche 1 und 6 lassen sich in Übereinstimmung mit den Parteien wie folgt gliedern:
Patentanspruch 1:
1.1 A plant for transmitting electric power between a direct voltage network (1) for High Voltage Direct Current (HVDC) included therein and at least two alternating voltage networks (6, 7) connected thereto through a station (4, 5) each,
Anlage zum Übertragen von elektrischer Energie zwischen einem darin enthaltenen Gleichspannungsnetz (1) für Hochspannungsgleichstrom (HVDC) und wenigstens zwei Wechselspannungsnetzen (6, 7), welche mit diesem jeweils durch eine Station (4, 5) verbunden sind,
1.2 said stations being adapted to perform transmitting of electric power between the direct voltage network and the respective alternating voltage network,
wobei die Stationen angepasst sind, das Übertragen von elektrischer Energie zwischen dem Gleichspannungsnetz und dem jeweiligen Wechselspannungsnetz durchzuführen,
1.3 said plant being of the type with possibility to feed electric power through the direct voltage network in both directions between the stations,
wobei die Anlage von der Art ist, die das Zuführen von elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwischen den Stationen ermöglicht,
characterized by the combination of
gekennzeichnet durch die Kombination aus,
1.4 on one hand the arrangement of at least one voltage-stiff converter, i.e. a VSC-converter (8, 9), in each station for converting direct voltage to alternating voltage and conversely, and
einerseits, der Anordnung wenigstens eines spannungsstabilen Umrichters, d.h. eines VSC-Umrichters (8, 9), in jeder Station zum Umwandeln von Gleichspannung in Wechselspannung und umgekehrt, und,
1.5 on the other the arrangement of at least one cable (2, 3) with an insulating layer (12) of polymer base surrounding the conductor (11) thereof for forming the direct voltage network interconnecting the stations,
andererseits, der Anordnung wenigstens eines Kabels (2, 3) mit einer isolierenden Schicht (12) mit Polymerbasis, welche den Leiter (11) desselben umgibt, zum Bilden des Gleichspannungsnetzes, welches die Stationen miteinander verbindet,
1.6 in which said at least one VSC-converter is adapted to control changes of said feeding direction of electric power through the direct voltage network without polarity change of said conductor by changing the direction of the current through said cable.
wobei der wenigstens eine VSC-Umrichter angepasst ist, Änderungen der Zufuhrrichtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz ohne Polaritätsänderung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms durch das Kabel zu steuern.
Patentanspruch 6:
1.1 A use of a cable (2, 3) having an inner conductor (11) for electricity and an insulating layer (12) of polymer base surrounding the conductor for forming the direct voltage network interconnecting the stations (4, 5) in transmitting of electric power through High Voltage Direct Current (HVDC),
Verwendung eines Kabels (2, 3), welches einen inneren Leiter(11) für Elektrizität und eine isolierende Schicht (12) mit auf Polymerbasis aufweist, welche den Leiter umgibt, um das Gleichspannungsnetz zu bilden, welches die Stationen (4, 5) miteinander verbindet, beim Übertragen von elektrischer Energie durch Hochspannungsgleichstrom (HVDC),
1.2 in which each station has at least one voltage-stiff converter, i.e. a VSC-converter (8, 9), for converting direct voltage to alternating voltage and conversely,
wobei jede Station wenigstens einen spannungsstabilen Umrichter, d.h. einen VSC-Umrichter(8, 9), zum Umwandeln von Gleichspannung in Wechselspannung und umgekehrt aufweist,
1.3 in which the stations are included in a plant of the type with possibility to feed electric power through the direct voltage network in both directions between the stations, and
wobei die Stationen in einer Anlage derjenigen Art enthalten sind, die das Zuführen von elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwischen den Stationen ermöglicht und
1.4 which said at least one VSC-converter is adapted to control changes of said feeding direction of electric power through the direct voltage network without polarity change of said conductor by changing the direction of the current through said cable.
wobei der wenigstens eine VSC-Umrichter angepasst ist, Änderungen der Zu-fuhrrichtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz ohne Polaritätsänderung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms durch das Kabel zu steuern.
4.2 Hinsichtlich des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 ist aus der Druckschrift US 4 941 079 A (D2) folgendes bekannt (vgl. insb. Fig. 30, i. V. m Spalte 40, Zeile 33 bis Spalte 41, Zeile 11): Eine
1.1 Anlage zum Übertragen von elektrischer Energie zwischen einem darin enthaltenen Gleichspannungsnetz (D.C. Grid) für Hochspannungsgleichstrom (Spalte 1, Zeilen 6 bis 12) und wenigstens zwei Wechselspannungsnetzen (AC Systeme 1, 2, 3, 4), welche mit diesem jeweils durch eine Station (VR, Disp) verbunden sind,
1.2 wobei die Stationen (VR, Disp) angepasst sind, das Übertragen von elektrischer Energie zwischen dem Gleichspannungsnetz (D.C. Grid) und dem jeweiligen Wechselspannungsnetz (AC System 1, 2, 3, 4) durchzuführen,
1.3 wobei die Anlage zumindest hinsichtlich der Stationen mit den Spannungsreglern VR von der Art ist, die das Zuführen von elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz in beide Richtungen zwischen den Stationen ermöglicht (Spalte 16, Zeilen 21 bis 24; Spalte 6, Zeilen 54, 55; Spalte 40, Zeilen 42 bis 57),
1.4 wobei zumindest in den Stationen mit Spannungsreglern VR zum Umwandeln von Gleichspannung in Wechselspannung und umgekehrt ein spannungsstabiler Umrichter angeordnet ist (Spalte 2, Zeilen 41 bis 51; Spalte 4, Zeilen 49 bis 63; Spalte 16, Zeilen 17 bis 33),
1.6 und wobei die Umrichter VR angepasst sind, Änderungen der Zufuhrrichtung elektrischer Energie durch das Gleichspannungsnetz durch Änderung des Spannungswinkels, also ohne Polaritätsänderung des Leiters durch Ändern der Richtung des Stroms zu steuern (Spalte 4, Zeile 66 bis Spalte 5, Zeile 13; Spalte 16, Zeilen 21 bis 24: „The chief attraction of this topology is that the DC link voltage is unidirectional and bi-directional power transfer involves bi-directional DC link current flow.“).
Da der Druckschrift D2 nichts über die Ausgestaltung des Gleichspannungsnetzes zu entnehmen ist, ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem der Druckschrift D2 Entnehmbaren neu. Da der Fachmann mangels anderer Angaben bei HGÜ ausschließlich an Freileitungen oder Kabel mit Masse-Papier-Isolation bzw. ölimprägnierter Papierisolation denkt, gelangt der Fachmann auch nicht in naheliegender Weise allein von dieser Druckschrift ausgehend zur Verwendung eines Kabels mit einer isolierenden Schicht auf Polymerbasis.
4.3 Allerdings haben Maekawa, Y. et al bereits auf der Fachtagung Jicable 91, die vom 24. bis 28. Juni 1991 in Versailles stattgefunden hat (siehe Druckschrift D5) über die Entwicklung von Kabeln mit einer isolierenden Schicht auf Polymerbasis referiert, und dabei unter anderem auch auf deren Eignung für lange Strecken hingewiesen (Seite 569, linke Spalte, zweiter Absatz). Bei der Nennung von langen Strecken assoziiert der Fachmann im Zusammenhang mit Gleichspannung ohnehin nichts anderes als HGÜ, wobei an der genannten Fundstelle explizit ein „250 kV DC XLPE cable“ genannt ist.
Auch in der Druckschrift D6 (Results of Tests Using Continuous High Voltage …), die die Eignung von LDPE-isolierten Kabeln für Gleichspannungen bis 400 kV zum Gegenstand hat und deren Ausführungen dabei zu einem positiven Ergebnis kommen (Seite 696, rechte Spalte „6-Conclusion“), regen den Fachmann an, für eine HGÜ-Verbindung bzw. ein HGÜ-Netz, wie sie in der Druckschrift D4 beschrieben sind, nicht nur Masse-Papier- bzw. Öl-Papier-Kabel, sondern auch die ausdrücklich in den Druckschriften D5 und D6 genannten Kabel mit einer Isolation auf Polymerbasis in Betracht zu ziehen.
Somit ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Druckschrift D4 mit der Druckschrift D5 oder der Druckschrift D6.
5. Soweit die Beklagte hiergegen unter Bezugnahme auf die Druckschrift D10 eingewandt hat, die Entwicklung von HVDC-Kabeln sei noch nicht hinreichend weit gediehen gewesen (Seite 35, vor dem Abschnitt „Introduction“: „… its use for HVDC cables was not as successful.“, Seite 36, rechte Spalte, erster Satz; Seite 45, linke Spalte, Abschnitt „Conclusions …“), führt dies zu keinem anderen Ergebnis bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Denn auch durch diese nachveröffentlichte Druckschrift wird lediglich belegt, dass in der Fachwelt seit langem der Wunsch bestanden hatte, für eine HGÜ-Verbindung ein Kabel mit einer Isolation auf Polymerbasis verwenden zu können. Rückschlüsse darauf, aus welchen Gründen der Fachmann gehindert gewesen wäre, wie oben ausgeführt die Druckschrift D4 mit der Druckschrift D5 oder der Druckschrift D6 zu kombinieren und damit zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen, lassen sich hieraus aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht herleiten.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass über den bloßen, auch in der Druckschrift D10 zum Ausdruck gebrachten Wunsch hinaus auch die Streitpatentschrift weder in den Patentansprüchen noch an anderer Stelle Angaben dazu macht, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um polymerisolierte Kabel für HGÜ-Zwecke verwenden zu können. Insofern wird auch im Streitpatent nicht mehr als der bloße Wunsch einer solchen Verwendung beansprucht und beschrieben.
Der weitere Vortrag der Beklagten, ihre erfinderische Tätigkeit bestünde in der Erkenntnis, dass bei Verwendung von VSC-Umrichtern, also spannungsgeführten Stromrichtern, bei denen die Ausgangsspannung des Stromrichters proportional zur Eingangsspannung ist, gar kein Wechsel der Polarität erfolge und somit auch das Problem von Kurzschlüssen aufgrund von Teilentladungen nicht auftreten würde und daher auf gängige VPE-Kabel zurückgegriffen werden könne, mag für den Fachmann für die Entwicklung von verbesserten Werkstoffen zur Isolierung von Kabeln, wie den Autor der Druckschrift D10, eine überraschende Erkenntnis darstellen, nicht aber für den hier als Fachmann zuständigen Planer von HGÜ-Anlagen. Letzterem ist das Verhalten von spannungsgeführten Stromrichtern vertraut und somit auch bewusst, dass bei diesen grundsätzlich kein Polaritätswechsel im Kabel stattfindet, sondern bei Umkehrung des Energieflusses sich lediglich die Stromrichtung umdreht.
Soweit die fehlende Eignung von VPE-Kabeln für HGÜ-Übertragung mit einem möglichen Polaritätswechsel der Betriebsspannung des Kabels begründet wurde, war dem Fachmann also unmittelbar bewusst, dass jedenfalls diese Schwierigkeit durch den spannungsgeführten Stromrichter überwunden ist.
6. Da der auf die Verwendung eines Kabels, das eine isolierende Schicht mit Polymerbasis aufweist, gerichtete nebengeordnete Patentanspruch 6 keine Sachmerkmale nennt, die über die im Patentanspruch 1 genannten hinausgingen, beruht auch das Verfahren gemäß Patentanspruch 6 aus den vorstehend zum Patentanspruch 1 dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher ebenfalls nicht patentfähig.
7. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 enthalten Maßnahmen, die bei polymerisolierten Kabeln bzw. HGÜ-Anlagen gang und gäbe sind. Anhaltspunkte dafür, dass die dort genannten zusätzlichen Merkmale eine erfinderische Tätigkeit darstellen könnten, sind nicht erkennbar. Gegenteiliges hat auch die Beklagte, welche das Streitpatent nur als Ganzes und nicht auch hinsichtlich einzelner Patentansprüche verteidigt hat, nicht geltend gemacht.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.