Entscheidungsdatum: 21.03.2018
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent EP 1 125 285
(DE 699 10 058)
hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2018 durch die Vorsitzende Richterin Friehe sowie die Richter Schwarz, Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi, Dipl.-Ing. Matter und Dipl.-Phys. Univ. Dr. Haupt
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 125 285 wird unter Zurückweisung der Klage im Übrigen mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung hinausgeht:
Die Klägerin zu 1 (HTC) und die Klägerin zu 2 (Motorola) tragen gesamtschuldnerisch 1/3 der Gerichtskosten. Die übrigen Gerichtskosten tragen die Beklagte zu 1/2 und im Übrigen die Klägerin zu 2.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 trägt die Beklagte zu 1/2.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1 zu 1/6 und die Klägerin zu 2 zu 1/3.
Im Übrigen trägt jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist seit 1. Juli 2014 eingetragene Inhaberin des aufgrund der internationalen Anmeldung PCT/CA99/01009 vom 27. Oktober 1999, die als WO 00/25303 A1 am 4. Mai 2000 veröffentlicht worden ist, unter Inanspruchnahme der Priorität aus der kanadischen Anmeldung CA 2 252 170 vom 27. Oktober 1998 erteilten europäischen Patents EP 1 125 285 (Streitpatent).
Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 699 10 058 geführte Streitpatent trägt die Bezeichnung
„PERIODICITY ENHANCEMENT IN DECODING WIDEBAND SIGNALS“
(zu Deutsch laut Streitpatentschrift:
„VERBESSERUNG DER PERIODIZITÄT EINES BREITBANDSIGNALS“)
und umfasst in der erteilten Fassung 80 Patentansprüche.
Mit ihrer am 16. April 2015 eingereichten und mit Schriftsatz vom 4. November 2016 zurückgenommenen Klage hat die Klägerin zu 1 das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1, 2, 11, 12, 31 und 32 angegriffen.
Die Klägerin zu 2 (im Folgenden nur noch: Klägerin) ist dieser Klage mit Schriftsatz vom 4. Juli 2016 mit Zustimmung der Klägerin zu 1 und der Beklagten beigetreten. Sie hat das Streitpatent zunächst nur im Umfang der Patentansprüche 1 bis 20 und 31 bis 40 angegriffen; mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 hat sie ihre Klage auf die Nichtigerklärung des gesamten Streitpatents erweitert.
Die angegriffenen nebengeordneten Patentansprüche 1, 11, 21, 31, 41, 51, 61 und 71 lauten in der Verfahrenssprache wie folgt:
In Deutsch lauten sie in der Fassung der Streitpatentschrift:
Die übrigen angegriffenen Patentansprüche sind jeweils auf einen der vorgenannten nebengeordneten Patentansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der mit der Klage angegriffene Gegenstand des Streitpatents mangels Patentfähigkeit sowie wegen mangelnder Ausführbarkeit für nichtig zu erklären sei. Dies stützt sie auf die Druckschriften (Kurzbezeichnungen des Senats):
Kleijn US 5 719 993 A
Tadashi EP 0 926 660 A2
Kwon KWON, C. H.; UN, C. K.: CELP based mixed-source model for very low bit rate speech coding. In: Electronics Letters, 1993, Vol. 29, No. 2, S. 156 und 157
McCree Thesis MCCREE, A. V.: A new LPC vocoder model for low bit rate speech coding. Ph. D. thesis, Georgia Institute of Technology, August 1992
Chen CHEN, J.-H.; GERHSO, A.: Adaptive Postfiltering for Quality Enhancement of Coded Speech. In: IEEE Transactions on speech and audio processing, 1995, Vol. 3, No. 1, S. 59 – 71
Abboud ABBOUD, K.: Wideband CELP Speech Coding. Master thesis, Department of Electrical Engineering, McGill University, Montreal, Canada, November 1992
Salami SALAMI, R.; LAFLAMME, C.; ADOUL, J.-P.; KATAOKA, A.; HAYASHI, S.; MORIYA, T.; LAMBLIN, C.; MASSALOUX, D.; PROUST, S.; KROON, P.; SHOHAM, Y. : Design and Description of CS-ACELP: A Toll Quality 8 kb/s Speech Coder. In: IEEE transactions on speech and audio processing, März 1998, Vol. 6, No. 2, S. 116 – 130
Bessette WO 00/25304 A1
Schroeder SCHROEDER, M. R.; ATAL, B. S.: Code-Excited Linear Prediction (CELP): High-Quality Speech at Very Low Bit Rates. In: Proceedings of the IEEE International Conference on Acoustics, Speech, and Signal Processing (ICASSP), 1985, Vol. 10, S. 937 – 940
ETS 300 726 European Telecommunication Standard ETS 300 726, Digital cellular telecommunications system; Enhanced Full Rate (EFR) speech transcoding (GSM 06.60). März 1997
Masahiro EP 0 788 091 A2
Ritter DE 44 01 329 A1
Kondoz KONDOZ, A. M.: Digital Speech, Coding for Low Bit Rate Communication Systems. Chichester, John Wiley & Sons, 1994, ISBN 0-471-623717, S. 1 – 3, 20 – 34 und 141 – 213
Makhoul MAKHOUL, J.; VISWANATHAN, R.; SCHWARTZ, R.; HUGGINS, A.W.F.: A mixed-source model for speech compression and synthesis. In: The Journal of the Acoustical Society of America, 1978, Band 64, S. 163 – 166
McCree Proc MCCREE, A. V.; BARNWELL III, T. P.: A new mixed excitation LPC vocoder. In: Proceedings of the IEEE International Conference on Acoustics, Speech, and Signal Processing (ICASSP), 1991, S. 593 – 596
McCree Pat EP 0 814 458 A2
Adoul US 5 444 816 A
Hess HESS, W.: Digitale Filter, Eine Einführung. Teubner, Stuttgart 1989, ISBN 3-519-06121-X, S. 4 – 10, 83 – 102 und 114 – 121
Vary VARY, P; HEUTE, U.; HESS, W.: Digitale Sprachsignalverarbeitung. Teubner, Stuttgart, 1998, ISBN 3-519-06165-1, Kapitel 10.5, S. 331 – 337
Hagen HAGEN, R.; EKUDDEN, E.; JOHANSSON, B.; KLEIJN, W. B.: Removal of sparse-excitation artifacts in CELP. In: IEEE ICASSP, 15.05.1998, ISBN 0-7803-4428-6, S. 145 – 148
Vary Gut Prof. Dr.-Ing. Peter Vary: Gutachten zur Patentschrift EP 1 125 285 B1. RWTH Aachen University, 27.04.2017, S. 1 – 35
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 125 285 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Patent mit den Hilfsanträgen 1 bis 6 vom 29. Dezember 2017 in dieser Reihenfolge verteidigt wird.
Zum Wortlaut der Patentansprüche nach Hilfsantrag 1 wird auf den Urteilstenor und zum Wortlaut der Ansprüche nach den Hilfsanträgen 2 bis 6 auf die Akte Bezug genommen.
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents für ausführbar offenbart und wenigstens in einer der verteidigten Fassungen für patentfähig. Hierzu stützt sie sich u. a. auf (Kurzbezeichnungen vom Senat):
Jax Gut Prof. Dr.-Ing. Peter Jax: Gutachterliche Stellungnahme zum Europäischen Patent EP 1 125 285. RWTH Aachen University, 19.12.2017, S. 1 – 13
Vary Gut Prof. Dr.-Ing. Peter Vary: Gutachten zur Patentschrift EP 1 125 285 B1. RWTH Aachen University, 27.04.2017, S. 1 – 35
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 24. Oktober 2017 mit Stellungnahmefristen zum Hinweis bis zum 15. Dezember 2017 und zum Vorbringen der Gegenseite bis zum 8. Februar 2018 zukommen lassen. Der Hinweis ist den Klägervertretern am 30. Oktober 2017 und den Beklagtenvertretern am 26. Oktober 2017 zugestellt worden.
A.
Die Klage ist zulässig.
Die mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 erweiterte Klage ist, nachdem die Beklagte der hierin liegenden Klageänderung (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2012 - X ZR 58/09, Rn. 43 [juris], sowie Urteil vom 19. Juli 2011 - X ZR 25/09, Rdn. 9 [juris]; Benkard/Hall/Nobbe, PatG, 11. Aufl., § 82 Rn. 24; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 82 Rn. 32; Schulte/Voit, PatG, 10. Aufl., § 81 Rn. 70, jeweils m. w. N.) nicht widersprochen, sondern sich auf sie in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat, nach § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 263, 267 ZPO zulässig. Einer Entscheidung darüber, ob sie als sachdienlich zuzulassen ist, bedarf es daher nicht.
Die zulässige Klage hat aber nur teilweise Erfolg. Denn während die erteilte Fassung für nichtig zu erklären ist, weil in Bezug auf sie der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 54 und 56 EPÜ besteht, kann die Beklagte ihr Patent erfolgreich mit der Fassung nach Hilfsantrag 1 (wobei die im Tenor enthaltenen Unterstreichungen, die aus der von der Beklagten nur als Änderungsversion eingereichten Fassung stammen, nicht Bestandteil dieser Fassung sind) beschränkt verteidigen, weil dieser zulässigen Anspruchsfassung keine Nichtigkeitsgründe entgegenstehen.
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Verbessern der Periodizität der Erregung eines Signalsynthesefilters im Hinblick auf das Erzeugen eines synthetisierten Breitbandsignals (Absatz 0001 der Streitpatenschrift).
Zum Hintergrund führt die Streitpatentschrift aus, dass der Bedarf an effizienten digitalen Breitband-Sprach/Audio-Codierungstechniken mit einem guten Kompromiss bezüglich subjektiver Qualität/Bitrate für zahlreiche Anwendungen zunehme, wofür sie beispielsweise auf Audio/Video-Telekonferenzen, Multimedia und drahtlose Anwendungen als auch Internet- und Paketnetz-Anwendungen verweist. Weiter führt das Streitpatent hierzu aus, dass bis vor kurzem in Sprachcodierungsanwendungen hauptsächlich Telefonbandbreiten verwendet worden seien, die im Bereich von 200 Hz bis 3400 Hz gefiltert wurden. Es gebe jedoch einen zunehmenden Bedarf an Breitbandsprachanwendungen, um die Verständlichkeit und Natürlichkeit der Sprachsignale zu vergrößern, wofür eine Bandbreite im Bereich von 50 Hz bis 7000 Hz ausreichend sei. Für Audiosignale ergebe dieser Bereich zwar eine annehmbare Audioqualität, die aber immer noch niedriger als die CD-Qualität sei, die im Bereich 20 Hz bis 20 kHz arbeite (Absatz 0002).
Den bekannten technischen Vorgang beschreibt das Streitpatent dahin, dass ein Sprachcodierer ein Sprachsignal in einen digitalen Bitstrom umsetze, der über einen Kommunikationskanal übertragen oder in einem Speichermedium gespeichert werde. Das Sprachsignal werde digitalisiert (d. h. abgetastet und normalerweise mit 16 Bits pro Abtastwert quantisiert), wobei der Sprachcodierer die Aufgabe habe, diese digitalen Abtastwerte mit einer kleineren Anzahl von Bits darzustellen, ohne dass dies zu einer Verminderung der guten subjektiven Sprachqualität führe. Der Sprachdecodierer setze schließlich den übertragenen oder gespeicherten Bitstrom wieder in ein Tonsignal um (Absatz 0003).
Eine der besten Techniken des Standes der Technik, die einen guten Qualitäts/Bitraten-Kompromiss erreichen könne, sei die sogenannte codeangeregte lineare Vorhersagetechnik (CELP = Code Excited Linear Prediction). Bei der CELP-Technik werde das abgetastete Sprachsignal in aufeinanderfolgenden Rahmen (frames) aus L Abtastwerten verarbeitet, wobei die L Abtastwerte beispielweise einer Sprachdauer von 10 ms bis 30 ms entsprächen. Ein lineares Vorhersagesynthesefilter bzw. Prädiktionsfilter (linear prediction (LP) synthesis filter) werde für jeden Rahmen berechnet und übertragen. Sodann werde der Rahmen aus L Abtastwerten weiter in Unterrahmen (subframes) mit jeweils N Abtastwerten unterteilt, wobei L = kN gelte und k die Anzahl der Unterrahmen in einem Rahmen angebe; N entspreche üblicherweise einer Sprachdauer von 4 ms bis 10 ms. In jedem Unterrahmen werde ein sogenanntes Erregungssignal oder Anregungssignal (excitation signal) bestimmt, das normalerweise aus zwei Komponenten bestehe: eine aus der früheren Erregung (als Tonhöhenbeitrag bzw. Tonhöhencodevektor (adaptive codevector, pitch codevector) aus einem sogenannten adaptiven Codebuch oder Tonhöhencodebuch (adaptive codebook, pitch codebook) und die andere aus einem innovativen Codebuch (innovative codebook), auch als festes Codebuch (fixed codebook) bezeichnet. Das Erregungssignal werde übertragen und im Decodierer als Eingabe für das Synthesefilter verwendet, um schließlich die synthetisierte Sprache zu erhalten (Absatz 0004).
Ein innovatives Codebuch im CELP-Kontext sei eine indexierte Menge aus Sequenzen, die N Abtastwerte lang seien und die als N-dimensionale Codevektoren bezeichnet würden. Jede Codebuch-Sequenz werde durch eine ganze Zahl k indexiert, die von 1 bis M variiere, wobei M die Größe des Codebuchs sei, die oft als eine Anzahl von Bits b dargestellt werde, indem die Beziehung M = 2 b gelte (Absatz 0005).
Um die Sprache entsprechend der CELP-Technik zu synthetisieren, werde jeder Unterrahmen aus N Abtastwerten synthetisiert, indem ein geeigneter Codevektor aus dem Codebuch durch zeitveränderliche Filter gefiltert werde, welche die spektralen Eigenschaften des Sprachsignals modellierten. Auf der Codiererseite werde die Syntheseausgabe für alle Codevektoren aus dem Codebuch oder einer Teilmenge davon berechnet (Codebuch-Suche). Der dabei erhaltene Codevektor sei derjenige, der die Syntheseausgabe erzeugt, die im Wesentlichen am genauesten dem ursprünglichen Sprachsignal entspreche (Absatz 0006).
Für weitere Einzelheiten von CELP verweist die Streitpatentschrift auf den auf der CELP-Technologie basierenden bekannten Codierer aus der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung EP 0 788 091 A2 (Absatz 0007).
Das CELP-Modell sei beim Codieren von Telefonband-Tonsignalen sehr erfolgreich gewesen, wobei mehrere CELP-gestützte Standards in einem weiten Bereich von Anwendungen, insbesondere in digitalen Mobilfunkanwendungen, vorhanden seien. lm Telefonband werde das Tonsignal auf 200 Hz bis 3400 Hz bandbegrenzt und mit 8000 Abtastwerten/s abgetastet, in Breitband-Sprach/Audio-Anwendungen dagegen auf 50 Hz bis 7000 Hz bandbegrenzt und mit 16000 Abtastwerten/s abgetastet (Absatz 0008).
Wenn das für Telefonbandsignale optimierte CELP-Modell auf Breitbandsignale angewendet werde, ergäben sich jedoch einige Schwierigkeiten, weshalb zusätzliche Merkmale zu dem Modell hinzugefügt werden müssten, um Breitbandsignale in hoher Qualität zu erhalten (Absatz 0009).
Eine Verbesserung der Periodizität des Erregungssignals verbessere die Qualität im Fall von stimmhaften Segmenten. Dies wurde laut Streitpatentschrift in der Vergangenheit ausgeführt, indem der innovative Codevektor aus dem festen Codebuch durch ein Filter gefiltert wurde, welches eine Übertragungsfunktionen der Form besitze, wobei b die Tonhöhen-Codebuchverstärkung, T der Tonhöhen-Codebuchindex und ε ein Faktor unter 0,5 sei, der den Betrag der eingeführten Periodizität steuert. Dieser Zugang sei im Fall von Breitbandsignalen weniger effizient, weil er die Periodizität über das ganze Spektrum einführe (Absatz 0010).
Aufgabe der Erfindung sei es daher, einen neuen alternativen Zugang vorzuschlagen, durch den die Verbesserung der Periodizität durch die Filterung des innovativen Codevektors durch ein I nnovationsfilter ausgeführt werde, das die niederfrequenten Inhalte des innovativen Codevektors reduziere, wodurch der innovative Beitrag hauptsächlich bei niedrigen Frequenzen reduziert werde, um die Periodizität des Erregungssignals bei niedrigen Frequenzen mehr als bei hohen Frequenzen zu verbessern (Absatz 0011).
Die vorgeschlagene Lösung dieser Aufgabe schaffe ein Verfahren zum Verbessern der Periodizität eines in Bezug auf einen Tonhöhen-Codevektor und auf einen innovativen Codevektor erzeugten Erregungssignals, um damit ein Signalsynthetisierungsfilter zur Synthetisierung eines Breitbandsignals zu versorgen. In diesem Verfahren werde ein Periodizitätsfaktor berechnet, der mit dem Breitbandsignal in Beziehung stehe. Dann werde der innovative Codevektor in Bezug auf den Periodizitätsfaktor gefiltert, um dadurch die Energie eines niederfrequenten Abschnitts des innovativen Codevektors zu reduzieren und die Periodizität eines niederfrequenten Abschnitts des Erregungssignals zu verbessern (Absatz 0012).
Die erfindungsgemäße Vorrichtung umfasse dabei:
a) einen Faktorgenerator zum Berechnen eines Periodizitätsfaktors, der mit dem Breitbandsignal in Beziehung steht; und
b) ein Innovationsfilter zum Filtern des innovativen Codevektors in Bezug auf den Periodizitätsfaktor, um dadurch die Energie eines niederfrequenten Abschnitts des innovativen Codevektors zu reduzieren und die Periodizität eines niederfrequenten Abschnitts des Erregungssignals zu verbessern (Absatz 0013).
Den schematischen Blockschaltplan einer bevorzugten Ausführungsform der Breitband-Decodierungsvorrichtung, welcher diese beiden Komponenten (Bezugszeichen 204 und 205) zeigt, gibt dabei die Figur 2 der deutschen Übersetzung der Streitpatentschrift wieder:
Figur 2 aus DE 699 10 058 T2
2. Die mit dem Streitpatent in der erteilten Fassung (Hauptantrag) beanspruchte Vorrichtung, das korrespondierende Verfahren und die weiteren Vorrichtungen nach den nebengeordneten Ansprüchen lassen sich in Übereinstimmung mit den Parteien wie folgt gliedern, wobei wiederkehrende Merkmale soweit möglich gleich bezeichnet werden.
Patentanspruch 1:
1. A device for enhancing periodicity of an excitation signal
2. produced in relation to
2.1. a pitch codevector and
2.2. an innovative codevector
2.3. for supplying a signal synthesis filter in view of synthesizing a wideband signal,
3. said periodicity enhancing device comprising:
3.1. a) a factor generator (204) for calculating a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal; and
3.2. b) an innovation filter (205)
3.2.1. for filtering the innovative codevector in relation to said periodicity factor
3.2.2. to thereby reduce energy of a low frequency portion of the innovative codevector and
3.2.3. enhance periodicity of a low frequency portion of the excitation signal.
Patentanspruch 11 :
1. A method for enhancing periodicity of an excitation signal
2. produced in relation to
2.1. a pitch codevector and
2.2. an innovative codevector
2.3. for supplying a signal synthesis filter in view of synthesizing a wideband signal,
3. said periodicity enhancing method comprising the steps of:
3.1. a) calculating a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal; and
3.2. b) filtering the innovative codevector in relation to
3.2.1. said periodicity factor
3.2.2. to thereby reduce energy of a low frequency portion of the innovative codevector and
3.2.3. enhance periodicity of a low frequency portion of the excitation signal.
Patentanspruch 21 :
21. A decoder for producing a synthesized wideband signal, comprising:
21.1. a) a signal fragmenting device for receiving an encoded wideband signal and extracting from said encoded wideband signal at least pitch codebook parameters, innovative codebook parameters, and synthesis filter coefficients;
2.1. b) an pitch codebook responsive to said pitch codebook parameters for producing a pitch codevector;
2.2. c) an innovative codebook responsive to said innovative codebook parameters for producing an innovative codevector;
3. d) a periodicity enhancing device as recited in claim 1 comprising said
3.1. factor generator for calculating a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal, and said
3.2. innovation filter
3.2.1 for filtering the innovative codevector;
21.2. e) a combiner circuit for combining said pitch codevector and said innovative codevector filtered by said innovation filter to thereby produce said periodicity enhanced excitation signal; and
2.3. f) a signal synthesis filter for filtering said periodicity enhanced excitation signal in relation to said synthesis filter coefficients to thereby produce said synthesized wideband signal.
Patentanspruch 31 :
31. A decoder for producing a synthesized wideband signal, comprising:
31.1. a) a signal fragmenting device for receiving an encoded wideband signal and extracting from said encoded wideband signal at least pitch codebook parameters, innovative codebook parameters, and synthesis filter coefficients;
2.1. b) a pitch codebook responsive to said pitch codebook parameters for producing a pitch codevector;
2.2. c) an innovative codebook responsive to said innovative codebook parameters for producing an innovative codevector;
31.2. d) a combiner circuit for combining said pitch codevector and innovative codevector to thereby produce an excitation signal; and
2.3. e) a signal synthesis filter for filtering said excitation signal in relation to said synthesis filter coefficients to thereby produce said synthesized wideband signal;
3. the decoder further comprising a periodicity enhancing device as recited in claim 1 comprising
3.1. a factor generator for calculating a periodicity factor
3.1.1 related to the wideband signal, and said
3.2. innovation filter
3.2.1. for filtering the innovative codevector.
Patentanspruch 41 :
41. A cellular communication system for servicing a large geographical area divided into a plurality of cells, comprising:
41.1. a) mobile transmitter/receiver units;
41.2. b) cellular base stations respectively situated in said cells;
41.3. c) a control terminal for controlling communication between the cellular base stations;
41.4. d) a bidirectional wireless communication sub-system between each mobile unit situated in one cell and the cellular base station of said one cell, said bidirectional wireless communication sub-system comprising, in both the mobile unit and the cellular base station:
41.5. i) a transmitter including an encoder for encoding a wideband signal and a transmission circuit for transmitting the encoded wideband signal; and
41.6. ii) a receiver including a receiving circuit for receiving a transmitted encoded wideband signal and
21. a decoder as recited in claim 21 for decoding the received encoded wideband signal.
Patentanspruch 51 :
51. A cellular mobile transmitter/receiver unit comprising:
51.1 a) a transmitter including an encoder for encoding a wideband signal and a transmission circuit for transmitting the encoded wideband signal; and
51.2. b) a receiver including a receiving circuit for receiving a transmitted encoded wideband signal and
21. a decoder as recited in claim 21 for decoding the received encoded wideband signal.
Patentanspruch 61 :
61. A cellular network element comprising:
61.1. a) a transmitter including an encoder for encoding a wideband signal and a transmission circuit for transmitting the encoded wideband signal; and
61.2. b) a receiver including a receiving circuit for receiving a transmitted encoded wideband signal and
21. a decoder as recited in claim 21 for decoding the received encoded wideband signal.
Patentanspruch 71 :
71. A bidirectional wireless communication sub-system with a cellular communication system for servicing a large geographical area divided into a plurality of cells, comprising:
71.1. mobile transmitter/receiver units;
71.2. cellular base stations, respectively situated in said cells; and
71.3. control terminal for controlling communication between the cellular base stations:
71.4. said bidirectional wireless communication sub-system between each mobile unit situated in one cell and the cellular base station of said one cell,
71.5. said bidirectional wireless communication sub-system comprising, in both the mobile unit and the cellular base station:
71.6. a) a transmitter including an encoder for encoding a wideband signal and a transmission circuit for transmitting the encoded wideband signal; and
71.7. b) a receiver including a receiving circuit for receiving a transmitted encoded wideband signal and
21. a decoder as recited in claim 21 for decoding the received encoded wideband signal.
3. Zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, insbesondere der Nachrichtentechnik, mit Universitätsabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung sowie Kenntnissen auf dem Gebiet der akustischen Signalverarbeitung, insbesondere von digitalen Sprachcodecs und deren Anwendung in zellularen Netzwerken. Einem solchem Fachmann waren zum Prioritätszeitpunkt die einschlägigen Verfahren zur Sprachcodierung, wie insbesondere CELP, geläufig. Dieser Fachmann versteht die Angaben in den Ansprüchen und im Ausführungsbeispiel wie folgt:
4. Zur Auslegung des Streitpatent s
4.1 Allgemeine Erläuterungen
Die Streitpatentschrift befasst sich auf dem Gebiet der digitalen Sprachcodierung mit einem „Analyse-durch-Synthese-Codierer“ und insbesondere einem entsprechenden Decodierer (Analysis-By-Synthesis Coding System, AbS-Codec) und zwar basierend auf der CELP-Technologie.
Das Grundprinzip eines CELP-Decodierers wird in der folgenden Abbildung 1 dargestellt, die dem von der Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 16. März 2018 eingereichten Gutachten von Prof. Dr. Peter Vary (= Vary Gut) entnommen wurde, dessen Ausführungen, soweit sie nachfolgend wiedergegeben werden, die Beklagte nicht entgegengetreten ist. Diese Darstellung veranschaulicht das Grundprinzip eines CELP-Decodierers in leicht verständlicher Form und verwendet die gleiche Notation wie das Streitpatent. Die für alle folgenden Betrachtungen wichtigen physikalischen Größen, Parameter und Abkürzungen (vgl. insbesondere die Absätze 0035 und 0036 der Streitpatentschrift) sind:
v T adaptiver Codebuchvektor (Tonhöhen-Codebuchvektor) bei der Verzögerung T (Tonhöhen-Codebuchindex)
c k innovativer Codevektor beim Index k (k-ter Eintrag des Innovations-Codebuchs)
α Periodizitätsfaktor
σ Periodizitätsfaktor
q Verbesserungsfaktor
R p Faktor für Stimmhaftigkeit des Signals des aktuellen Sub-Rahmens
r v Faktor für Stimmhaftigkeit des Signals des aktuellen Sub-Rahmens
E v Energie des Tonhöhen-Codevektors
E C Energie des Innovations-Codevektors
c f verbesserter skalierter Innovations-Codevektor
u Erregungssignal (skalierte Innovations- und Tonhöhen-Codevektoren);
u' verbesserte Erregung
s' Synthesesignal vor der Rückentzerrung
z Frequenzvariable
und vom Codierer zum Decodierer übertragene Parameter:
STP kurzfristige Vorhersageparameter (definieren A(z))
T Tonhöhennacheilung (oder Tonhöhen-Codebuchindex)
b Tonhöhenverstärkung (oder Tonhöhen-Codebuchverstärkung)
k Codevektor-Index (Eintrag im Innovations-Codebuch) und
g Innovations-Codebuchverstärkung
Abbildung 1: Prinzip eines CELP-Decodierers nach „Vary Gut“.
Bei dem im Streitpatent erläuterten Ausführungsbeispiel wird in einem CELP-Codec im Codierer ein Sprachsignal in Sprachrahmen mit 20 ms Dauer abgetastet, was bei einer Abtastrate von f = 16 kHz L = 320 Abtastwerte und bei einer Unterabtastung mit einem Verhältnis von 4/5, d. h. bei einer Unterabtastfrequenz von f = 12,8 kHz L = 256 Abtastwerte pro Rahmen liefert. Jeder Rahmen wird in k = 4 Unterrahmen mit jeweils N = 64 Abtastwerten aufgeteilt. Nach der Übertragung dieser Unterrahmen an den Decodierer, dessen Grundprinzip in Abbildung 1 schematisch dargestellt ist, besteht dessen Aufgabe darin, aus den empfangenen Parametern ein Sprachsignal s(n) (ganz rechts in Abbildung 1), mit n = 0, 1, 2, …, L - 1 für jeden Rahmen bzw. mit n = 0, 1, 2, …, N - 1 für jeden Unterrahmen bestehend aus L bzw. N Sprachabtastwerten zu rekonstruieren. Dies erfolgt dadurch, dass ein Erregungssignal u(n) mit einem LPC-Synthese-Filter (Linear Predictive Coding, auch Linear Prediction LP) mit der zeitvariablen Übertragungsfunktion 1/A(z) gefiltert wird.
Die Erregungsfolge u(n) wird dabei additiv aus zwei Komponenten gebildet:
· Die erste Komponente wird als adaptiver Codebuchvektor v T (n) einem adaptiven Codebuch (adaptive codebook, links oben in Abbildung 1) entnommen und mit einer Tonhöhenverstärkung b multipliziert. Dabei bezeichnet der Index T diejenige Tonhöhennacheilung (pitch lag, pitch codebook index, delay), die nötig ist, um den momentan passenden adaptiven Codebuchvektor zu finden. Die Tonhöhennacheilung T entspricht der Länge der momentanen Sprachgrundfrequenz-Periode, gemessen in der Anzahl von Abtastintervallen.
· Die zweite Komponente besteht aus dem innovativen Codevektor c k (n) , welcher einem innovativen Codebuch (fixed codebook, links unten in Abbildung 1) entnommen und mit der Innovations-Codebuchverstärkung g multipliziert wird.
Damit das so aus den beiden Komponenten erzeugte Erregungssignal
u(n) = b · v T (n) + g · c k (n)
auch für die Decodierung des nächsten Unterrahmens zur Verfügung steht, wird es zusätzlich im adaptiven Codebuch, welches als Schieberegister-Speicher nach dem FIFO-Prinzip arbeiten kann, gespeichert (symbolisiert durch den Pfeil vom Erregungssignal u(n) nach links oben in das adaptive Codebuch in Abbildung 1), um im nächsten Unterrahmen mit der dann aktuellen Tonhöhennacheilung T aus dem adaptiven Codebuch ausgelesen werden zu können. Es gilt dabei
v T (n) = u(n – T).
Anschaulich ausgedrückt speichert das adaptive Codebuch Informationen aus der unmittelbaren „Vergangenheit", während das innovative oder feste Codebuch keinen derartigen Vergangenheitsbezug hat, sondern Codevektoren enthält, die einen „neuen" Beitrag liefern; so erklärt sich auch die Bezeichnung „innovatives Codebuch“.
Wichtig für den Streitpatentgegenstand sind die folgenden bei CELP-Codecs dem Fachmann bekannten Tatsachen:
· Der Anteil b·v T (n) aus dem adaptiven Codebuch ist maßgeblich für die stimmhaften Anteile des rekonstruierten Signals s(n), weil die stimmhaften Anteile im Wesentlichen periodisch sind, und das adaptive Codebuch, in dem es die Codevektoren aus der unmittelbaren Vergangenheit speichert, genau diesen im Wesentlichen periodischen, d. h. wiederkehrenden Anteil enthält.
· Komplementär hierzu enthält das innovative Codebuch nicht-periodische Anteile, die z. B. bei einem stimmlosen Sprachsignal relativ stark vorhanden sind. Daher wird der stimmlose Anteil des rekonstruierten Signals s(n) direkt durch den skalierten innovativen Vektor g·c k (n) bestimmt, und zusätzlich indirekt durch die mit dem adaptiven Gain-Faktor b skalierte verzögerte Rückführung über das adaptive Codebuch.
Die für das Verständnis der Patentansprüche zentrale Ausführungsform der Streitpatentschrift wird in der nachfolgenden Abbildung 2 (Fig. 2 der deutschen Übersetzung der Streitpatentschrift) dargestellt. Der Vergleich mit der Prinzipskizze des üblichen CELP-Decodierers nach Abbildung 1 zeigt, dass für die Rekonstruktion des Ausgangssprachsignals s' (die folgenden Komponenten 207 bis 209 können, genauso wie das Tiefpass-Filter 202, hier ignoriert werden) dem LPC-Synthese-Filter (LP-Filter 206 in Abbildung 2) nicht direkt das im Addierer 219 gebildete Erregungssignal u zugeführt wird - bestehend aus dem vom Tonhöhen-Codebuch 201 kommenden Tonhöhen-Codebuchvektor v T und dem aus dem innovativen Codebuch 218 kommenden innovativen Codevektor c k , jeweils mit den entsprechenden Verstärkungsfaktoren (b bzw. g) multipliziert - sondern ein modifiziertes Erregungssignal u' . Dieses wird durch Summierung am Addierer 220 gebildet, und zwar aus dem mit der Verstärkung b multiplizierten Tonhöhenvektor, wie auch beim herkömmlichen CELP-Decodierer, jedoch nicht mit dem verstärkten innovativen Codebuchvektor g·c k , sondern dieser Vektor wird vor der Addition in 220 mit einem Innovations-Filter 205 gefiltert und dann als modifizierter verstärkter Codebuchvektor c f addiert.
Die Kernidee der erfindungsgemäßen Lehre des Streitpatents besteht im Wesentlichen in dieser Innovations-Filterung und den verschiedenen Maßnahmen zu ihrer Realisierung bzw. Berechnungsvorschriften für verschiedene dafür geeignete Filterfunktionen, die in den Absätzen 0012 bis 0017 und 0085 bis 0105 beschrieben werden.
Abbildung 2: CELP-Decodierer nach Figur 2 der Streitpatentschrift mit farbigen Hervorhebungen durch den Senat.
Diese Zusammenhänge können nochmals in der vereinfachten Abbildung 3 aus dem Gutachten von Prof. Vary veranschaulicht werden, die zur besseren Verständlichkeit nur die hier erfindungswesentlichen Elemente des CELP-Decodierers nach Figur 2 des Streitpatents bzw. vorstehender Abbildung 2 enthält.
Abbildung 3: Prinzip der Generierung des modifizierten Erregungssignals u'(n) mittels Innovationsfilter nach „Vary Gut“ mit farbigen Hervorhebungen durch den Senat.
Das Tonhöhen-Codebuch (adaptive codebook) wird wie beim CELP-Grundprinzip (siehe auch Abbildung 1) aus dem herkömmlichen Erregungssignal u(n) = b·v T (n) + g·c k (n) aufgebaut. Für die Signalrekonstruktion wird dagegen das modifizierte Erregungssignal u'(n) gebildet, wobei der verstärkte innovative Codevektor g·c k (n) mit dem „Innovation Filter F(z)“ modifiziert wird, bevor die additive Kombination mit dem skalierten adaptiven Codevektor b·v T (n) erfolgt. Das Filter F(z) bzw. dessen Filter-Wirkung wird über einen Periodizitäts-Faktor („Periodicity Factor“) eingestellt.
Für das Innovationsfilter werden im Streitpatent dazu zwei alternative Übertragungsfunktionen angegeben, nämlich jeweils ein Filter mit einer Filterfunktion ersten Grades und ein Filter mit einer Filterfunktion zweiten Grades (vgl. Absatz 0092):
· Filter ersten Grades: F(z) = 1 – s -z -1
· Filter zweiten Grades: F(z) = – α -z + 1 – α -z -1
Die Koeffizienten σ und α werden als Periodizitäts-Faktoren (periodicity factors) bezeichnet.
Diese Periodizitäts-Faktoren werden jeweils aus einem der beiden Stimmfaktoren (voicing factor) r v oder R p berechnet. Der Stimmfaktor r v entspricht der normierten Differenz der Energien des adaptiven Codevektors und des innovativen Codevektors, der Stimmfaktor R p der normierten Energie des adaptiven Codevektors alleine. Beide Faktoren sind ein Maß für die Stimmhaftigkeit des Signals des aktuellen Unterrahmens.
Bei den beiden alternativen Innovationsfiltern, d. h. sowohl ersten als auch zweiten Grades, handelt es sich um Hochpässe, deren Filterwirkung über den Periodizitäts-Faktor α bzw. σ eingestellt wird. Insgesamt offenbart das Streitpatent somit 4 verschiedene Möglichkeiten, eine Übertragungsfunktion für das Innovationsfilter zu berechnen.
Für α = 0 und s = 0 (vollständig stimmlos) hat das Innovationsfilter keine Wirkung. Mit steigendem α oder s werden die Frequenzen unterhalb der Mittenfrequenz stärker gedämpft und oberhalb mehr verstärkt.
Diese adaptive Filterung des innovativen Codevektors bewirkt somit bei einem stimmhaften Sprachsignal
· die Energie des niederfrequenten Abschnitts des innovativen Codevektors zu reduzieren und
· die Periodizität des niederfrequenten Abschnitts des bei der Decodierung generierten Erregungsvektors zu erhöhen.
4.2 Verständnis einzelner Anspruchsmerkmale
Die in den Ansprüchen verwendeten Begriffe wird der Fachmann vor dem vorbeschriebenen Hintergrund wie folgt verstehen:
a) device (Vorrichtung); Merkmal 1.
Da der Anspruch 1 nur allgemein auf eine „Vorrichtung" (engl. „device") gerichtet ist, lässt er offen, ob es sich um einen Teil des Decodierers auf der Empfängerseite oder um einen Teil des Decodierers auf der Senderseite (bei CELP üblicher Teil des Codierers) handelt.
b) enhancing periodicity (Verbessern der Periodizität); Merkmale 1., 3., 3.2.3.
Der Begriff der „Periodizität“ wird im Streitpatent nicht definiert. Gemäß den Absätzen 0010, 0012 und 0090 des Streitpatents führt eine verbesserte Periodizität eines Erregungssignals zu einer verbesserten Qualität von stimmhaften Segmenten eines daraus synthetisch erzeugten Sprachsignals. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, für den Fachmann liege eine verbesserte Qualität von stimmhaften Segmenten genau dann vor, wenn der niederfrequente Bereich des Frequenzspektrums des Erregungssignals eine harmonische Spitzenstruktur mit ausgeprägten Spitzen bei ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz aufweise, kann ein derartiges, engeres Verständnis dahinstehen, denn es führt im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung des Offenbarungsgehalts des Standes der Technik als nachfolgend dargelegt.
c) wideband signal (Breitbandsignal); Merkmale 2.3., 3.1.1., 31., 31.1.
Das in allen nebengeordneten Ansprüchen genannte Breitbandsignal ist nicht auf ein Breitband-Sprachsignal beschränkt, sondern umfasst auch Breitbandtonsignale für andere als Sprachanwendungen.
Ein Breitbandsignal umfasst nach dem Verständnis des Fachmanns jedoch insbesondere ein Breitband-Sprachsignal, d. h. ein Sprachsignal mit einer Bandbreite im Bereich von 50 Hz bis 7000 Hz (Absätze 0002 und 0008 der Streitpatentschrift) oder ein mit beispielweise 16 kHz abgetastetes bzw. ein mit 12,8 kHz unterabgetastetes Sprachsignal vergleichbarer Bandbreite (Absatz 0040). Die beanspruchten Verfahren bzw. Vorrichtungen müssen daher geeignet sein, in Reaktion auf ein Breitband-Sprachsignal die beanspruchten Wirkungen zu erreichen („for enhancing periodicity of an excitation signal” bzw. “for producing a synthesized wideband signal”).
d) pitch codevector (Tonhöhen-Codevektor); Merkmale 2.1., 31.1., 31.2.
Dem Fachmann auf dem Gebiet der Sprachcodierung sind der Begriff „pitch codevector“, seine Synonyme und vor allem die Zusammensetzung und Funktionsweise dieser Vektoren wohl vertraut. Ebenso weiß er, dass es für den Tonhöhen-Codevektor, meist als v T (n) bezeichnet, zwei verschiedene funktionell und mathematisch gleichwertige Darstellungen gibt. So ist sowohl eine Beschreibungsform des adaptiven Codebuchs im weiteren Sinne als Pitch-Synthese-Filter H B (z) als auch eine Beschreibung als explizites adaptives Codebuch im engeren Sinne möglich.
e) innovative codevector (innovativer Codevektor); Merkmale 2.2., 3.2.1., 3.2.2., 31.1., 31.2.
Ebenso ist der innovative Codevektor, meist symbolisiert durch c k , für den Fachmann, mit allen seinen synonymen Bezeichnungen (stochastischer Codevektor, fester Codevektor, fixed codevector) vertraut, und er kennt den Aufbau und die Eigenschaften dieser Vektoren.
f) excitation signal (Erregungssignal); Merkmale 1., 3.2.3., 31.2.
Unter dem Erregungssignal, in der Fachliteratur meist Anregungssignal genannt, versteht der Fachmann üblicherweise ein Signal, das sich aus der Summe der, mit den jeweiligen Verstärkungsfaktoren multiplizierten, Vektoren des Tonhöhen-Codebuchs und des innovativen Codebuchs ergibt und das dem Signalsynthetisierungsfilter zur Verfügung gestellt wird, um daraus das Sprachsignal zu rekonstruieren.
g) signal synthesis filter (Signalsynthetisierungsfilter); Merkmal 2.3.
Unter dem Signalsynthetisierungsfilter versteht der Fachmann das Filter, dem das Erregungssignal zugeleitet wird und das daraus direkt oder indirekt das Audiosignal rekonstruiert. Das Signalsynthetisierungsfilter wird oft als LP- oder LPC-Synthesefilter (Linear Prediction LP oder Linear Predictive Coding) bezeichnet.
h) factor generator (Faktorgenerator); Merkmal 3.1.
Bei der Auslegung dieses Begriffs ist zu berücksichtigen, dass „Faktor“ zusätzlich zur mathematischen Bedeutung „Multiplikator und Multiplikand bei einem Produkt“, insbesondere auch in der englischen Sprache, die Bedeutungen „Einflussgröße, Moment, Größe, Beiwert“ oder dergleichen haben kann.
Der Begriff „Faktorgenerator“ umfasst jede Einrichtung oder Maßnahme, die zur Erzeugung eines Periodizitätsfaktors mittels einer Berechnung oder einer sonstigen Ermittlung beiträgt. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten ist hier zum einen so auszulegen, dass der Faktorgenerator den Periodizitätsfaktor nicht tatsächlich als eigenständigen Wert berechnen muss, und zum anderen liegt nach dem Wortlaut des Merkmals 3.1 eine Zweckangabe vor „a factor generator (204) for calculating a periodicity factor“, so dass der Faktorgenerator lediglich zur Berechnung des Periodizitätsfaktors geeignet sein muss.
Erst in der Fassung nach Hilfsantrag 1 wird die Berechnung durch den Faktorgenerator soweit konkretisiert, dass diese in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor erfolgt.
i) periodicity factor (Periodizitätsfaktors); Merkmal 3.1., 3.2.1.
Der Periodizitätsfaktor ist in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 11 dadurch definiert, dass er in einer nicht näher bestimmten Beziehung zu dem synthetisierten Breitbandsignal steht (siehe Merkmal 3.1.) und im Innovationsfilter der innovative Codevektor mit Bezug zum Periodizitätsfaktor gefiltert wird, um dadurch die Energie eines niederfrequenten Abschnitts des innovativen Codevektors zu reduzieren und die Periodizität eines niederfrequenten Abschnitts des Erregungssignals zu verbessern (siehe Merkmale 3.2.1. bis 3.2.3.).
Die Ausgestaltung nach den Unteransprüchen 3 und 7, wonach der Periodizitätsfaktor ein skalarer Parameter (α bzw. s) ist, kann nicht bereits einschränkend in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 11 mitgelesen werden. Vielmehr ist der Periodizitätsfaktor gemäß Wortsinn der Merkmale 3.1 und 3.2.1. nicht auf skalare Faktoren begrenzt. Dem Fachmann ist bekannt, dass im CELP-Verfahren häufig auch Tensoren höherer Stufe (insbesondere Vektoren oder Matrizen) verarbeitet werden. Der Periodizitätsfaktor kann daher ein Skalar, ein Vektor oder eine Matrix sein, welcher/welche in irgendeiner Beziehung zum Breitbandsignal steht und in einem Innovationsfilter zur Verbesserung der Periodizität des Erregungssignals verwendbar ist.
Weiterhin ist es nach Ansicht des Senats nicht erforderlich, dass der Periodizitätsfaktor auch tatsächlich als separater Wert in einem Speicher vorliegt. Bei softwareimplementierten Vorrichtungen ist es üblich, dass ein zur Weiterverarbeitung vorgesehener Wert (in diesem Fall der Periodizitätsfaktor) nicht explizit berechnet und/oder abgespeichert wird.In der tatsächlichen Implementierung werden die Berechnung und die Weiterverarbeitung eines solchen Wertes häufig miteinander integriert. Dazu muss bei einer üblichen integrierten Berechnungsweise kein eigenständiger Wert (im Sinne einer „Observablen“) vorhanden sein, beispielsweise in einem Speicher vorliegen, sondern es ist ausreichend, wenn Zwischenwerte bei einem Programmablauf genutzt werden können.
j) innovation filter (Innovationsfilter); Merkmal 3.2.
Unter einem Filter versteht man ein System, das ein Signal in Abhängigkeit von der Frequenz in der Amplitude oder Phasenlage verändert. Das in der Merkmalsgruppe 3.2. eingeführte Innovationsfilter ist durch die Merkmale 3.2.1. bis 3.2.3. über seine Wirkung auf den innovativen Codevektor und das Erregungssignal definiert. Dementsprechend ergibt sich die Filterwirkung auf den innovativen Codevektor in Bezug auf den Periodizitätsfaktor so, dass dadurch
1) die Energie eines niederfrequenten Abschnitts des innovativen Codevektors reduziert und
2) die Periodizität eines niederfrequenten Abschnitts des Erregungssignals verbessert wird.
Der Fachmann wird zusätzlich zum Vorliegen der beiden Merkmale berücksichtigen, dass diese auch in einem patentgemäßen Ursache/Wirkungs-Verhältnis zueinander stehen. Insbesondere bewirkt die Reduktion der Energie im Niederfrequenzbereich des innovativen Codevektors eine Erhöhung der Periodizität im niederfrequenten Abschnitt des Erregungssignals, da der innovativen Codevektor im Wesentlichen stimmlose bzw. nichtperiodische, der Tonhöhen-Codevektor dagegen stimmhafte, periodische Inhalte beiträgt, so dass eine Verschiebung des Anteils zugunsten des Tonhöhen-Codevektors im Erregungssignal dessen Periodizität erhöht.
k) low frequency portion (niederfrequenter Abschnitt); Merkmale 3.2.2., 3.2.3.
Unter einem niederfrequenten Abschnitt des innovativen Codevektors bzw. des Erregungssignals versteht der Fachmann den Frequenzbereich, der sich von der niedrigsten auftretenden Frequenz bis zu einer nicht definierten (mittleren) Grenzfrequenz erstreckt. Oberhalb dieser Grenzfrequenz beginnt dementsprechend ein im Streitpatent nicht explizit genannter hochfrequenter Abschnitt, der sich bis zur höchsten auftretenden Frequenz erstreckt. Der Fachmann entnimmt hier somit jedenfalls eine Aufteilung des gesamten Frequenzbereichs in zwei Teilbereiche
l) signal fragmenting device (Signalfragmentierungsvorrichtung); Merkmale 21.1. und 31.1.
Die Signalfragmentierungsvorrichtung als Teil der Decodierer nach den Ansprüchen 21 oder 31 dient dazu, das codierte Breitbandsignal zu empfangen und daraus die darin codierten Parameter, welche zur Synthetisierung des Sprachsignals notwendig sind, zu extrahieren. Konkret bezieht sich die Streitpatentschrift laut den Absätzen 0085 und 0086 dabei auf das in Figur 2 gezeigte Beispiel, worin ein Demultiplexer 217 diese Funktionen des Empfangens des Breitbandsignals und Extrahierens der Parameter übernimmt, so wie es im Rahmen des CELP-Verfahrens üblich ist. Jedoch kann auch jede andere Vorrichtung so bezeichnet werden, welche geeignet ist, die genannten Funktionen zu übernehmen.
m) combiner circuit (Kombinationsschaltung); Merkmale 21.1. und 31.2.
Unter der Kombinationsschaltung versteht der Fachmann mangels näherer Definition im Streitpatent jede Schaltung, welche die Kombination der beiden Signale ‒ des verstärkten adaptiven Codevektor-Signals und des nach der Modifikation durch das erfindungsgemäße Innovationsfilter verstärkten innovativen Codebuch-Vektorsignals ‒ zu dem an das LP-Filter zu übergebende Erregungssignal ermöglicht. Im Ausführungsbeispiel des Streitpatents wird diese Funktion durch den Addierer 220 wahrgenommen.
n) Funktions- und Zweckangaben
Allenebengeordneten Ansprüche enthalten Funktions- und Zweckangaben, die der Fachmann wie üblich nicht anders versteht, als dass die jeweiligen gegenständlichen Komponenten dazu geeignet sein müssen, die angegebenen Wirkungen zu erreichen.
II. Zum Hauptantrag
Die erteilte Fassung ist nicht wegen unzureichender Offenbarung nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) EPÜ für nichtig zu erklären, jedoch nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52 bis 57 EPÜ, weil der mit ihr geschützte Gegenstand gegenüber der Druckschrift „Abboud“ nicht patentfähig ist.
1. Ausführbarkeit (unzureichende Offenbarung, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) EPÜ).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Streitpatent in der erteilten Fassung nicht bereits wegen unzureichender Offenbarung nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) EPÜ für nichtig zu erklären.
Die Klägerin führt zu ihrem Angriff sinngemäß aus, dass das - in den Unteransprüchen 3, 13, 23, 33, 43, 53, 63 und 73, welche sich auf die jeweiligen nebengeordneten Ansprüche 1, 11, 21, 31, 41, 51, 61, und 71 rückbeziehen und somit von diesen umfasst sind - beanspruchte Innovationsfilter mit der Übertragungsfunktion F(z) = – α -z + 1 – α -z -1 bei einem Wert des Periodizitätsfaktors von α = 0 weder die Energie des niederfrequenten Anteils des innovativen Codevektors reduzieren noch einen Einfluss auf die Verbesserung der Periodizität des niederfrequenten Anteils des Erregungssignals nehmen könne. Da aber auch dieser Fall durch die allgemeine Form des Anspruchswortlauts erfasst sei, werde eine für den Fachmann nur partiell ausführbare Lösung beansprucht und dieser im Übrigen vor einen Erfindungsauftrag gestellt (vgl. die Randnummern 9 bis 17 des Schriftsatzes zum Klagebeitritt vom 4. Juli 2016).
Zwar ist die Feststellung fehlender Wirkung des Innovationsfilters bei α = 0 offensichtlich korrekt, jedoch stimmt der Senat der Folgerung fehlender Ausführbarkeit nicht zu. Nach der Überzeugung des Senats offenbart das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann, da dieser ohne weiteres weiß, dass die Angabe des Periodizitätsfaktors α als Parameter zu verstehen ist, der den Grad der Einflussnahme auf die Energie des innovativen Codevektors und die Periodizität des Erregungssignals vorgibt und kontinuierlich verschiedene Werte annehmen kann. Der (singuläre) Wert „0“ stellt dabei den Wert dar, bei dem (noch) keine Beeinflussung stattfindet, aber bei einem geringfügig höheren, von Null verschiedenen Wert findet bereits ein Effekt statt.
Für den Fachmann ist es selbstverständlich, dass das Kontinuum der Filterwirkung ein Maximum und ein Minimum aufweisen muss, wobei letzteres den Grenzfall verschwindender Wirkung darstellt. Zusätzlich ist anzumerken, dass nach dem Wortlaut der Ansprüche lediglich gefordert ist, dass das Innovationsfilter als gegenständliche Komponente dazu geeignet sein muss, die angegebene Wirkung hervorzubringen. Es ist nicht zwingend, dass es dies zu jedem Zeitpunkt und bei allen Einstellungen tut; bei den unendlich vielen Werten für α > 0 ist dies aber der Fall. Die Erfindung des Streitpatents ist daher ausführbar offenbart.
2. Fehlende Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52 und 54 EPÜ).
In der erteilten Fassung ist das Streitpatent für nichtig zu erklären, denn der Lehre der nebengeordneten Patentansprüche fehlt es am Prioritätstag gegenüber dem Stand der Technik gemäß der Entgegenhaltung
ABBOUD, K.: Wideband CELP Speech Coding, Master thesis, Department of Electrical Engineering, McGill University, Montreal, Canada, November 1992
(= „Abboud“ = NK16) an der erforderlichen Neuheit.
Die Master-Arbeit „Abboud“ befasst sich mit CELP-Codierung von Breitband-Sprachsignalen und schlägt u. a. vor, den innovativen Codevektor mit einem sogenannten adaptiven Filter zu modifizieren.
2.1 Erteilter Anspruch 1
Aus der Entgegenhaltung „Abboud“ ist dem Fachmann, in den Worten des geltenden Anspruchs 1 ausgedrückt, Folgendes bekannt geworden:
1. A device for enhancing periodicity of an excitation signal
Im Kapitel 2 in „Abboud“ wird allgemein die Sprachcodierung mittels CELP-Verfahren erläutert und zwar, wie in der gesamten Arbeit, für Breitbandsignale.
Ein Codierer, bei dem die beschriebenen Verfahren eingesetzt werden, ist in Figur 2.4 auf Seite 15 in „Abboud“ schematisch dargestellt. Dass die Periodizität des Erregungssignals erhöht wird, folgt aus der speziellen Filterung des innovativen Codevektors, wie weiter unten gezeigt wird.
Figur 2.4 nach „Abboud“
2. produced in relation to
2.1. a pitch codevector and
2.2. an innovative codevector
2.3. for supplying a signal synthesis filter in view of synthesizing a wideband signal,
Wie bei jedem CELP-Codec wird ein Erregungssignal in Bezug auf bzw. durch einen Tonhöhen-Codevektor (Pitch-Codevektor) und einen innovativen Codevektor erzeugt, um damit ein Signalsynthesefilter, hier im Hinblick auf die Synthese eines Breitbandsignals, zu versorgen (Merkmale 2., 2.1., 2.2. und 2.3.). Im Einzelnen verwendet der in Figur 2.4 nach „Abboud“ dargestellte CELP-Codierer dazu ein innovatives Codebuch (in Figur 2.4 der linke Block), welches mit normierten Gauß-Sequenzen gefüllt ist (Merkmal 2.2.). Außerdem wird ein Pitch-Synthesefilter verwendet (in Figur 2.4 der zweite Block von links). Wie im Kapitel 4 zur Pitch-Filterung ausgeführt wird, kann dabei ein Codebuch verwendet werden, welches die letzten Erregungssignale enthält (vgl. insbesondere Seite 41, Kap. 4.1, Absatz 2). Hierbei handelt es sich mithin um ein adaptives Codebuch, welches mehrere Pitch-Codevektoren im Sinne des Merkmals 2.1. enthält. Die Komponenten aus den beiden Codebüchern gehen dann in ein Synthesefilter ein (in Figur 2.4 der dritte Block von links, welcher über den Block „LPC analysis" gesteuert wird). Da sich „Abboud“ mit Breitbandsprachsignalen befasst (vgl. Titel), wird das aus Pitch-Codevektor und innovativem Codevektor erzeugte Erregungssignal dem Signalsynthesefilter im Hinblick auf die Synthese eines Breitbandsignals zur Verfügung gestellt (Merkmal 2.3.).
3. said periodicity enhancing device comprising:
3.1. a) a factor generator for calculating a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal; and
3.2. b) an innovation filter
3.2.1. for filtering the innovative codevector in relation to said periodicity factor
3.2.2. to thereby reduce energy of a low frequency portion of the innovative codevector and
3.2.3. enhance periodicity of a low frequency portion of the excitation signal.
Wie „Abboud“ im Kapitel 5.3 ab Seite 59 beschreibt, werden zur Erhöhung der Periodizität die innovativen Codevektoren mittels eines sogenannten adaptiven Filters F c (z) („shaping filter“) gefiltert, welches damit die Funktionsweise eines Innovationsfilters gemäß Streitpatent aufweist (Merkmale 3., 3.2., 3.2.1.). Das Schema zur adaptiven Filterung des innovativen Codebuchs ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 5.5 dargestellt:
Figur 5.5 nach „Abboud“
Das Erregungssignal für das LPC-Synthese-Filter wird anschließend durch die gewichtete additive Kombination des gefilterten innovativen Codevektors mit dem adaptiven Codevektor gebildet.
Die Übertragungsfunktion des adaptiven Filters hat die Form (Seite 59, Gleichung (5.5))
Der erste Term dieser Übertragungsfunktion ist dem Fachmann geläufig als typische Form eines Preemphase-Filters, jedoch wird das Filter in „Abboud“ nicht auf das Sprachsignal, sondern auf die innovativen Codevektoren angewendet. Wie in „Abboud“ weiter ausgeführt wird (siehe Seite 60, 2. Absatz), gilt für den Parameter µ:
wobei und Werte der Autokorrelationssequenz des zu codierenden Signals darstellen. Abboud führt aus (siehe Seite 60, drittletzter Absatz), dass
· für stimmlose rauschartige Abschnitte der gesamte Bruch und damit auch µ kleine Werte nahe Null annimmt und der Filtereffekt vernachlässigbar wird und
· in stimmhaften Abschnitten dagegen positive Werte nahe erreicht, wodurch der Parameter µ positive Werte nahe +1 annimmt. Der Term besitzt dann eine Hochpass-Charakteristik.
Damit ist der Parameter µ ein Indikator für die Stimmhaftigkeit. Beim Parameter µ handelt es sich daher um einen Periodizitätsfaktor im Sinne des Streitpatents, und um diesen Faktor aus dem zu codierenden Signal berechnen zu können, muss zwingend eine als Faktorgenerator wirkende Einheit vorhanden sein (Merkmale 3., 3.1.).
Da beide Terme des adaptiven Filters F c (z) jeweils adaptiv an den momentanen Sprachrahmen angepasst werden, steht dieser auch mit dem Breitbandsignal in Beziehung (Merkmal 3.1.1.).
Schließlich ergibt sich durch die Hochpass-Filterwirkung von F c (z), dass sich sowohl die Energie des niederfrequenten Abschnitts des innovativen Codevektors reduziert, als auch, da der innovative Codevektor hauptsächlich stimmlose nichtperiodische Anteile enthält, dass sich die Periodizität des niederfrequenten Abschnitts des Erregungssignals insgesamt erhöht (Merkmale 1., 3.2.2., 3.2.3.).
Somit sind aus „Abboud“ alle Merkmale des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 des Streitpatents bekannt. Damit fehlt es diesem gegenüber „Abboud“ an der für die Patentfähigkeit erforderlichen Neuheit.
Soweit die Beklagte hiergegen eingewandt hat, dass das adaptive Filter F c (z) (oder Codebuchformungsfilter gemäß Bezeichnung der Beklagten) kein patentgemäßes Innovationsfilter sei, wozu sie im Wesentlichen auf eine Kompensation der Wirkung des ersten Filterterms durch den zweiten Term und auf die Gutachten von Prof. Jax (= „Jax Gut“ = NB13) und Prof. Vary (= „Vary Gut“ = AD 12) verweist, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar hält der Senat in diesem Zusammenhang an seiner im Hinweis nach § 83 PatG geäußerten vorläufigen Auffassung nicht mehr fest, wonach der zweite Term im Filter F c (z) unberücksichtigt bleiben könne. Im Ergebnis führt dies jedoch zu keiner anderen Beurteilung der Charakteristik des Filters F c (z). Denn wie auch die von der Beklagten und der Klägerin eingereichten, insoweit übereinstimmenden gutachterlichen Stellungnahmen zutreffend ausführen, weist das adaptive Filter F c (z) („shaping filter“) grundsätzlich eine Hochpass-Charakteristik auf (vgl. „Vary Gut“, Seite 26, zweiter Absatz: „… für das stimmhafte Signal eine Hochpass-Charakteristik aufweist“ oder Seite 27, letzter Satz: „unter Beibehaltung des grundlegenden Hochpass-Effekts.“; vgl. „Jax Gut“, Antwort zu Frage 1 unter III.1., letzter Satz: „… die Hochpasswirkung des ersten Terms zumindest teilweise kompensiert“).
Ebenso kommt es, wie dies auch bei der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung 13 im Gutachten Vary („Vary Gut“),
Abbildung 13 auf Seite 25 in „Vary Gut“: Wirkungsweise des adaptiven Filters F c (z) nach „Abboud“,
welche die Frequenzgänge des adaptiven Filters F c (z) des Decodierers nach „Abboud“ jeweils für einen stimmhaften und einen stimmlosen Sprachrahmen wiedergibt, zu erkennen ist, im niederfrequenten Bereich (unterhalb von etwa 4000 Hz) in Falle des stimmhaften Signals (blaue Kurve, voiced, µ = 0,948) nicht ‒ wie von der Beklagten behauptet ‒ zu einer Energieerhöhung durch den zweiten Filterterm, sondern vielmehr umgekehrt insgesamt zu einer deutlichen Energiereduktion.
Daran ändert auch der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand nichts, dass die Frequenzgänge in einem Diagramm mit einfachlogarithmischer Darstellung (logarithmische Skalierung der Ordinate) gezeigt sind. Wie im ersten Absatz auf der Seite 26 in Vary Gut explizit angegeben ist, findet unterhalb der zusätzlich eingetragenen neutralen Nulllinie eine Abschwächung der Frequenzkomponenten des innovativen Codevektors statt.
2.2 Weitere angegriffene erteilte Ansprüche
Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrags bedürfen keiner detaillierten Prüfung, weil die Beklagte sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben hat, dass sie den Hauptantrag als geschlossenen Anspruchssatz versteht und das Streitpatent nur in der Reihenfolge des Hauptantrags und der Hilfsanträge jeweils als Ganzes verteidigt (vgl. BGH, GRUR 2017, 57 - Datengenerator; BGHZ 173, 47 – Informationsübermittlungsverfahren II). Im Übrigen ist auch weder geltend gemacht worden noch anderweitig ersichtlich, dass die zusätzlichen Merkmale bei den angegriffenen weiteren Patentansprüchen zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen.
III. Zum Hilfsantrag 1
Demgegenüber kann die Beklagte ihr Patent erfolgreich mit der Fassung nach Hilfsantrag 1 beschränkt verteidigen, weil diese Fassung zulässig ist und ihr keine Nichtigkeitsgründe entgegenstehen.
1. Nach Hilfsantrag 1 haben die beiden, gegenüber der erteilten Fassung geänderten, nebengeordneten Ansprüche 1 und 10 – unter Hinzufügung einer Gliederung – die nachfolgend angegebenen Fassungen (Änderungen gegenüber erteilter Fassung hervorgehoben).
Patentanspruch 1 :
1. A device for enhancing periodicity of an excitation signal u
2. produced in relation to
2.1. a pitch codevector v T and
2.2. an innovative codevector c k
according to u = b v T + g c k , with b being a pitch gain and g being an innovative codebook gain,
2.3. for supplying a signal synthesis filter in view of synthesizing a wideband signal,
3. said periodicity enhancing device comprising:
3.1. a) a factor generator (204) for calculating in response to the pitch codevector and the innovative codevector a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal; and
3.2. b) an innovation filter (205)
3.2.1. for filtering the innovative codevector in relation to said periodicity factor
3.2.2. to thereby reduce energy of a low frequency portion of the innovative codevector and compute an enhanced signal c f; and
c) an adder (220) for computing an enhanced excitation signal u´ according to u´ = c f + b v T with
3.2.3. enhanced periodicity of a low frequency portion of the enhanced excitation signal.
Patentanspruch 10 :
1. A method for enhancing periodicity of an excitation signal u
2. produced in relation to
2.1. a pitch codevector v T and
2.2. an innovative codevector c k
according to u = b v T + g c k , with b being a pitch gain and g being an innovative codebook gain,
2.3. for supplying a signal synthesis filter in view of synthesizing a wideband signal,
3. said periodicity enhancing method comprising the steps of:
3.1. a) calculating in response to the pitch codevector and the innovative codevector a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal; and
3.2. b) filtering the innovative codevector in relation to
3.2.1. said periodicity factor
3.2.2. to thereby reduce energy of a low frequency portion of the innovative codevector and compute an enhanced signal c f; and
c) computing an enhanced excitation signal u´ according to u´ = c f + b v T with
3.2.3. enhanced periodicity of a low frequency portion of the enhanced excitation signal.
Die weiteren neben- und untergeordneten Patentansprüche 2 bis 9 und 11 bis 72 des Hilfsantrags 1 sind bis auf die Ergänzungen „scaled by a pitched gain“ und „scaled by an innovative gain“ in den Ansprüchen 5, 9, 14, 18, 23, 27, 32, 36, 41, 45, 50, 54, 59, 63, 68 und 72 unverändert.
2. In dieser formal zulässigen Fassung erweist sich das Streitpatent als schutzfähig.
2.1 Unzulässige Erweiterung und Erweiterung des Schutzbereichs (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) und d) EPÜ)
2.1.1 Entgegen der Auffassung der Klägerin gehen die Gegenstände nach den Ansprüchen des Streitpatents laut Hilfsantrag 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, so dass dieser Verteidigung der Beklagten nicht der Nichtigkeitsgrund nach Art. Il § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c) EPÜ entgegensteht.
Vielmehr gehen die Anweisungen in den einzelnen Merkmalen des Anspruchs 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 in zulässiger Weise auf folgende Stellen der Offenlegungsschrift WO 00/25303 A1 (bei der mangels entgegenstehenden Vortrags der Parteien davon auszugehen ist, dass sie mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen übereinstimmt) zurück.
Merkmale 1., 2., 2.1., 2.3, 3., 3.1.1., 3.2., und 3.2.1.: |
ursprünglicher Anspruch 1; |
Merkmal 2.2.: |
ursprünglicher Anspruch 1 und ursprüngliche Beschreibung Seite 24, Zeilen 1 bis 9 und 20 sowie Seite 35, Zeilen 5 bis 25; |
Merkmal 3.1.: |
ursprünglicher Anspruch 2; |
Merkmal 3.2.2.: |
ursprünglicher Anspruch 1 und ursprüngliche Beschreibung Seite 37, Zeilen 18 bis 25; |
Merkmale 2. bis 3.3.: |
ursprünglicher Anspruch 1. |
Gleiches gilt in analoger Weise auch für den dem Vorrichtungsanspruch 1 korrespondierenden Verfahrensanspruch 10.
Auch die Gegenstände der übrigen Patentansprüche 2 bis 9 und 11 bis 72 nach Hilfsantrag 1 gehen in zulässiger Weise auf die ursprünglich eingereichten Unterlagen zurück.
Zur Offenbarung bezüglich der Ergänzungen „scaled by a pitched gain“ und „scaled by an innovative gain“ in den Ansprüchen 5, 9, 14, 18, 23, 27, 32, 36, 41, 45, 50, 54, 59, 63, 68 und 72 hat die Beklagte pauschal auf den „Text der Anmeldung“ verwiesen; diese sind auf der Seite 36, Zeilen 17 und 18 der WO 00/25303 A1 ursprungsoffenbart.
Den seitens der Klägerin gegen die Zulässigkeit der Änderungen in den Ansprüchen nach Hilfsantrag 1 erhobenen Einwänden vermag der Senat aus den folgenden Gründen nicht zu folgen:
a) Die Klägerin macht geltend, dass die Berechnung des Erregungssignals u = b-v T + g-c k (Merkmal 2.2) in dieser Form nicht hinreichend ursprungsoffenbart sei, da diese Vorschrift auf der Seite 35 der Beschreibung der Ursprungsanmeldung nicht allgemein, sondern nur im Zusammenhang mit einer von mehreren Methoden, nämlich der „Method 1“ zu finden sei. Da die Beklagte die übrigen zu dieser Methode gehörigen Schritte nicht in den Anspruch aufgenommen habe, handele es sich um eine unzulässige Erweiterung.
Diesem Einwand steht zum einen entgegen, dass diese Berechnung des Erregungssignals auch an der genannten Stelle in der ursprünglichen Beschreibung, für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich, nicht einen Bestandteil der „Method 1“ darstellt, sondern als allgemeines Berechnungsverfahren des Erregungssignals bei CELP-Codecs angegeben ist. Zum anderen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf die ursprüngliche Beschreibungsseite 24 hingewiesen, wo auf zwei Gleichungen verteilt (Zeile 5 und Zeile 20) ebenfalls diese allgemeine Form der Berechnung des Erregungssignals angegeben wird. Weiterhin deutlich wird dies auch an dem in der Figur 2 dargestellten Ausführungsbeispiel eines Decodierers, der offensichtlich beide Verfahren („Method 1“ und „Method 2“) ausführen kann (vgl. in Figur 2 insbesondere die Bezugszeichen 219, 224, 226 und die Parameter u, b, v T , g und c k ). Darüber hinaus ist die fragliche Gleichung für den zuständigen Fachmann lediglich die mathematische Darstellung der fachüblichen Berechnungsmethode und zeigt die dem Fachmann ohne weiteres selbstverständliche Struktur eines Erregungssignals, nämlich die Summe aus dem adaptiven und dem innovativen Codevektor, jeweils gewichtet mit dem zugehörigen Verstärkungsfaktor.
b) Des Weiteren macht die Klägerin geltend, dass die Berechnungsformel für das verbesserte Erregungssignal u´ = c f + b-vT (Merkmal 3.2.2.) lediglich mit der Berechnungsformel der Methode 2 auf der Seite 37 der ursprünglichen Beschreibung offenbart sei, aber nicht in Verbindung mit der Gleichung zur Berechnung des Erregungssignals u = b-v T + g-c k nach der Methode 1.
Auch diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Denn es ist für den Fachmann offensichtlich, dass die Gleichung für das verbesserte Erregungssignal u´ nicht nur für die Methode 2 gültig ist, da deren Beschreibung bereits in der Zeile 16 von Seite 37 beendet ist und anschließend der allgemeine, für beide Methoden geltende Teil beschrieben wird. Da bei allen Varianten der Ausführungsform des Streitpatents (und auch der ursprünglichen Anmeldung) eine Verbesserung der Periodizität des Erregungssignals erreicht werden soll, unabhängig von den verschiedenen Methoden zur Berechnung der Filterfunktionen und Periodizitätsfaktoren auf dem Weg dorthin, muss in jedem Fall letztendlich das verbesserte Erregungssignal berechnet werden. Diese Berechnung wird hier in mathematischer Darstellung mit u´ = c f + b-v T angegeben und ist auch in dem in der Figur 2 dargestellten Decodierer entsprechend veranschaulicht zu erkennen (vgl. in Figur 2 insbesondere die Bezugszeichen 220 und die Parameter u´, b, v T und c k ).
c) Soweit die Klägerin eingewandt hat, dass das zusätzliche Merkmal des Addierers („adder (220)“; Merkmal 3.2.2) zur Berechnung des verbesserten Erregungssignals ebenfalls nur im Zusammenhang mit der „Method 2“ offenbart wäre, weshalb die hiervon losgelöste Aufnahme eine unzulässige Verallgemeinerung darstelle, kann auf die obigen Ausführungen zu b) verwiesen werden.
d) Gleiches gilt für den weiteren Einwand der Klägerin, dass eine weitere unzulässige Erweiterung darin bestehe, dass das Erregungssignal u (Merkmal 2.2.) aus „Method 1", das Erregungssignal u´ (Merkmal 3.2.2.) jedoch aus „Method 2“ stamme.
e) Auch dem Einwand der Klägerin, dass die Gewinnung des Periodizitätsfaktors aus innovativem und adaptivem Codevektor (Merkmal 3.1.), insbesondere unter Hinzunahme des Erregungssignals u sowohl zu einer unzulässigen Erweiterung als auch zu einer Unklarheit führe, kann der Senat bereits aus den vorstehend genannten Gründen nicht folgen. Unabhängig davon ist die Ergänzung im Merkmal 3.1., wonach der Periodizitätsfaktor in Reaktion auf den adaptiven und den innovativen Codevektor berechnet wird, eindeutig im Anspruch 2 der ursprünglichen Unterlagen offenbart.
Schließlich steht auch der Einwand der Klägerin, dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 fehle es an der erforderlichen Klarheit, da aus ihm nicht hervorgehe, ob der adaptive Codevektor gefiltert oder ungefiltert in das verbesserte Erregungssignal eingehe, der Zulässigkeit der beschränkten Verteidigung des Streitpatent nach Hilfsantrag 1 nicht entgegen. Das Ausführungsbeispiel des Streitpatents beschreibt viele weitere Komponenten und Maßnahmen eines CELP-Codecs, die jedoch nicht alle beansprucht werden. Dies gilt allgemein auch für die Behandlung des adaptiven Codevektors, der bei dem auf die Filterung des innovativen Codevektors fokussierten Schutzbereich des Streitpatents im Anspruchssatz nicht thematisiert wird und auch nicht in den Hauptanspruch aufgenommen werden muss. Dass eine Tiefpassfilterung des adaptiven Codevektors durch das low-pass-filter 202 (vgl. Figur 2 und Absatz 0095) durchgeführt wird, bevor dieser als v T bezeichnet wird, zeigt, dass zumindest bei dem in Figur 2 dargestellten Ausführungsbeispiel es sich immer um einen gefilterten adaptiven Codevektor handelt, unabhängig davon, ob dieser in die Berechnung des Erregungssignals u oder des verbesserten Erregungssignals u´ eingeht. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Filterung ihren Niederschlag im Anspruch finden und diesen einschränken muss. Der Anspruch besitzt somit einen größeren Schutzbereich, da auch ein Decodierer mit der Möglichkeit der Nutzung eines ungefilterten adaptiven Codevektors beansprucht wird, jedoch ist nicht zu erkennen, wie er dadurch für den Fachmann unklar werden könnte.
2.1.2 Auch wenn es sich bei mehreren der in den Hilfsantrag neu aufgenommenen Merkmale lediglich um ‒ wie die Beklagte selbst einräumt ‒ Klarstellungen bzw. geringfügige Konkretisierungen handelt, die sich bei der erteilten Fassung bereits aufgrund der Auslegung ergaben und damit den Anspruch nicht einschränken, ist die beschränkte Verteidigung des Streitpatents jeweils dadurch zulässig, dass der Schutzgegenstand auch infolge der Konkretisierung im Merkmal 3.1.
3.1. a) a factor generator (204) for calculating in response to the pitch codevector and the innovative codevector a periodicity factor,
hinreichend beschränkt ist, dem zu Folge der Faktorgenerator den Periodizitätsfaktor nunmehr in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor berechnet. Die Einschränkung ergibt sich dabei daraus, dass im Streitpatent auch weitere Verfahren angegeben sind, um den Periodizitätsfaktor zu berechnen, beispielsweise in Abhängigkeit alleine vom Wert der Tonhöhenverstärkung b („pitch gain“) des adaptiven Codevektors (vgl. Absatz 0091), die nach der Formulierung in Hilfsantrag 1 nun nicht mehr umfasst sind.
2.1.3 Ebenso bestehen gegen die Änderungen der Patentansprüche in der beschränkten Fassung nach Hilfsantrag 1 keine Bedenken hinsichtlich des Nichtigkeitsgrundes nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. d) EPÜ. Denn gegenüber der erteilten Fassung betrifft die Fassung des Patents nach Hilfsantrag 1 nunmehr lediglich noch eine Teilmenge von Möglichkeiten, den Periodizitätsfaktor mittels des Faktorgenerators zu berechnen, nämlich als Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor („in response to the pitch codevector and the innovative codevector“). Der Schutzbereich des Patents ist damit gegenüber der erteilten Fassung nicht erweitert.
2.2 Patentfähigkeit
In der beschränkten Fassung nach Hilfsantrag 1 sind die jeweiligen Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1 und 10 neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit(Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 54 und 56 EPÜ).
2.2.1 Neuheit
In der Fassung des Hilfsantrags 1 erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik als neu. Denn keine der Entgegenhaltungen zeigt einen Faktorgenerator, welcher geeignet wäre, einen Periodizitätsfaktor in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor zu berechnen (Merkmal 3.1.).
Insbesondere ist ein solcher nicht aus der für den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag neuheitsschädlichen Masterarbeit „Abboud“ - der einzigen im Verfahren befindlichen Druckschrift, die für Breitbandanwendungen geeignete Codecs beschreibt (Merkmale 2.3. und 3.1.1.) - bekannt. Der Periodizitätsfaktor µ beim Decodierer nach „Abboud“ besteht aus einem Quotienten von Autokorrelationssequenzen der Eingabe-Sprachdatensequenz (Seite 60, 2. Absatz: „autocorrelation sequence for the input speech data sequence“) und wird somit weder in Antwort auf den adaptiven Codevektor noch auf den innovativen Codevektor berechnet.
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 und die Vorrichtung gemäß Anspruch 10 nach Hilfsantrag 1 sind damit neu gegenüber dem gesamten im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
2.2.2 Erfinderische Tätigkeit
Ein Faktorgenerator, welcher einen Periodizitätsfaktor in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor berechnen würde, ist dem Fachmann auch nicht aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik zum Anmeldezeitpunkt nahegelegt worden.
2.2.2.1 „Abboud“
Ausgehend vom Stand der Technik nach der Masterarbeit „Abboud“ beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Druckschrift „Abboud“ legt es dem Fachmann nicht nahe, zur Berechnung des Periodizitätsfaktors statt das Eingangssprachsignal, d. h. Autokorrelationssequenzen der Eingabe-Sprachdaten (Seite 60, 2. Absatz: „autocorrelation sequence for the input speech data sequence“) zu verwenden, auf die beiden Codevektoren zuzugreifen. Der Fachmann hat keine Veranlassung, von der in „Abboud“ beschriebenen Methode abzuweichen, die offensichtlich sowohl für stimmhafte als auch für stimmlose Sprachrahmen die für eine Klangverbesserung erwünschte Frequenzabhängigkeit erzeugt und insbesondere im Niederfrequenzbereich die Energie des innovativen Codevektors reduziert sowie die Periodizität erhöht. Der Fachmann mag zwar bei der Suche nach einem geeigneten Parameter, der zur Berechnung des Periodizitätsfaktors dienen könnte, in Erwägung ziehen, die Tonhöhenverstärkung („pitch gain b“, wie als Alternative im Streitpatent bereits skizziert, vgl. Absatz 0091) des adaptiven Codevektors oder den adaptiven Codevektor selbst zu verwenden, da beide die Periodizität des Erregungssignals beeinflussen. Er hat jedoch keine Veranlassung, den Periodizitätsfaktor zusätzlich in Antwort auf den innovativen Codevektor zu berechnen oder auch nur mit der Berechnung des Periodizitätsfaktors in Verbindung zu bringen, da dieser ‒ wie dem Fachmann vertraut ist ‒ gerade im Wesentlichen nicht für die stimmhaften bzw. periodischen Anteile im Erregungssignal verantwortlich ist.
2.2.2.2 „Kwon“
Auch ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift „Kwon“ beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Entgegenhaltung „Kwon” basiert auf einem 1993 veröffentlichten Konferenzbeitrag und beschreibt ein CELP-basiertes Verfahren zur Codierung und Decodierung von Sprache mit sehr niedrigen Bit-Raten. Aus der Entgegenhaltung „Kwon“ ist, in Worten des geltenden Anspruchs 1 ausgedrückt, Folgendes bekannt:
1. A device for enhancing periodicity of an excitation signal
Wie die Figur 1 in Kwon zeigt, wird in diesem Beitrag ein CELP-Decoder modelliert, bei dem ein Erregungssignal (Abstract: „excitation“) in ein als „spectrum filter H(z)“ bezeichneten Synthetisierungsfilter eingegeben wird, worauf dieser daraus das synthetisierte Sprachsignal („synthesised speech“) erzeugt. Dabei soll die Periodizität des Erregungssignals erhöht werden („more natural sounding speech.” und „the synthesised speech quality in the unvoiced frame can be improved”, vgl. Abstract und Seite 157, linke Spalte letzter Absatz).
Eine auf CELP basierende sog. gemischte Quelle nach Fig. 1 aus „Kwon“
2. produced in relation to
2.1. a pitch codevector v T and
„Kwon“ offenbart Tonhöhen-Codevektoren in Form des Inhalts der „adaptive source“.
2.2. an innovative codevector c k according to u = b · v T + g · c k , with b being a pitch gain and g being an innovative codebook gain,
Bei der „stochastic source“ handelt es sich um ein „stochastisches Codebuch“ mit „stochastischen Codevektoren", also in der Sprache des Streitpatents um ein „innovatives Codebuch" mit „innovativen Codevektoren".
Die mathematische Darstellung des Erregungssignals als Summe aus dem skalierten adaptiven und innovativen Codevektor (u = b · v T + g · c k ) ist der Veröffentlichung „Kwon“ zwar nicht explizit zu entnehmen, der Fachmann liest diese jedoch stillschweigend mit (vgl. hierzu auch III. 1.1 a)).
2.3. for supplying a signal synthesis filter in view of synthesizing a wideband signal,
Das „spectrum filter H(z)“, welches gemäß der Figur 1 das synthetisierte Sprachsignal erzeugen soll, ist ein Synthetisierungsfilter im Sinne des Streitpatents, wie beim CELP-Verfahren üblich, erkennbar auch aufgrund der Tatsache, dass das Filter H(z) mit dem Erregungssignal beaufschlagt wird und das synthetisierte Sprachsignal („synthesised speech“) dieses Filter verlässt.
„Kwon“ offenbart keinen Hinweis darauf, dass die beschriebene Methode für Breitbandsignale geeignet wäre.
3. said periodicity enhancing device comprising:
3.1. a) a factor generator for calculating in response to the pitch codevector and the innovative codevector a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal;
Die wesentlichen Bestandteile der Periodizitätsverbesserungvorrichtung gemäß „Kwon“ sind die beiden Filter („low pass filter (LPF)“) zur Filterung des adaptiven Codevektors und („highpass filter (HPFs)“) zur Filterung des stochastischen Codevektors, die in der Figur 1 von Kwon dargestellt sind. Diese beiden Filter arbeiten komplementär bezüglich der Grenzfrequenz F C („cutoff frequency“). Die Grenzfrequenz F C wird als Grenze zwischen stimmhaften und stimmlosen Abschnitten des Frequenzspektrums des Sprachsignals bestimmt („Finally, F C is determined as the boundary point between the voiced and unvoiced regions.”, vgl. „Kwon“ Seite 156, rechte Spalte, letzter Satz). Die Grenzfrequenz ist ein Faktor, welcher die Periodizität des Sprachsignals und damit auch die Periodizität eines entsprechenden Erregungssignals widerspiegelt. Wenn die Periodizität stark ausgeprägt ist, liegt die Grenzfrequenz F C zwangsläufig ebenfalls hoch, weil der stimmhafte (periodische) Anteil im Sprachsignal hoch ist. Umgekehrt ist die Grenzfrequenz F C niedrig, wenn die Periodizität des Sprachsignals gering ist. Diejenigen Komponenten der in „Kwon“ beschriebenen Vorrichtung, die diesen Periodizitätsfaktor F C bestimmen („The determination of the cutoff frequency F C ...“ vgl. „Kwon“ Seite 156, rechte Spalte, zweiter Absatz, erste Zeile), wenn auch in der Figur 1 nicht als separates Bauteil dargestellt, bilden somit zwangsläufig einen „Faktorgenerator" im Sinne des Streitpatents. Der Periodizitätsfaktor F C steht in offensichtlicher Weise mit dem Signal in Beziehung, da er dessen Frequenzbereich unterteilt.
Dass der Faktorgenerator dazu geeignet wäre, den Periodizitätsfaktor F C in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor zu berechnen, ist „Kwon“ nicht zu entnehmen.
3.2. b) an innovation filter
3.2.1. for filtering the innovative codevector in relation to said periodicity factor
Im Decodierer nach „Kwon“ werden die innovativen Codevektoren der „stochastic source“, mit einem Hochpassfilter („highpass filter (HPF)“) gefiltert, somit handelt es sich bei dem Hochpassfilter um ein Innovationsfilter zum Filtern des innovativen Codevektors. Da die Grenzfrequenz F C angibt, bis zu welcher Frequenz das Hochpassfilter wirksam ist, und die Grenzfrequenz gleichzeitig den Periodizitätsfaktor darstellt, geschieht das Filtern des innovativen Codevektors in Bezug auf den Periodizitätsfaktor.
3.2.2. to thereby reduce energy of a low frequency portion of the innovative codevector and compute an enhanced signal c f and
c) an adder (220) for computing an enhanced excitation signal u´ according to u´ = c f + b-v T with
3.2.3. enhanced periodicity of a low frequency portion of the enhanced excitation signal.
Durch die Hochpassfilterung wird die Energie des transmittierten stochastischen Codevektors bei tiefen Frequenzen reduziert, weil ein Teil der tiefen Frequenzen ausgefiltert wird. Da der stochastische Codevektor hauptsächlich stimmlose nichtperiodische Anteile enthält und durch die Filterung niederfrequente Anteile unterdrückt werden, wird dadurch auch die Periodizität des niederfrequenten Anteils des Erregungssignals erhöht. Im Ergebnis verbessert diese Filterung somit die Periodizität des niederfrequenten Anteils des Erregungssignals.
Der Addierer, der das durch das Innovationsfilter verbesserte Erregungssignal u´ durch Addition des verbesserten innovativen Codevektors c f mit dem skalierten adaptiven Codevektor gemäß u´ = c f + b-v T erzeugt, ist auch der Figur 1 in „Kwon” als entsprechendes Symbol zu entnehmen:
Ausschnitt aus Fig. 1 aus „Kwon“ mit Ergänzung des Senats
Somit sind aus „Kwon“ alle Merkmale des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 bekannt, bis auf
i) die Geeignetheit der Anwendung auf Breitbandsignale (Merkmale 2.3. und 3.1.1.)
ii) das gegenüber der erteilten Fassung neu aufgenommene Merkmal, wonach der Faktorgenerator den Periodizitätsfaktor in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor berechnet (Merkmal 3.1.).
Während die fehlenden Merkmale nach i) für den Fachmann noch nahegelegt sein mögen, ist dies für das fehlende Merkmal nach ii) nicht mehr der Fall.
Zu i): Da die Technologie der CELP-Codierung prinzipiell unabhängig von der Abtastrate bzw. der Frequenzbandbreite des zu codierenden Signals ist, wird der Fachmann zur Verbesserung eines Breitbandsignals zunächst bekannte Verfahren untersuchen, die sich bereits im Schmalbandbereich bewährt haben, und diese mit fachüblichen Maßnahmen modifizieren. Die relevanten Parameterwerte wie z. B. die Anzahl der Koeffizienten des LPC-Synthese-Filters 1/A(z) und der Wertebereich für die Tonhöhennacheilung T werden dabei an die jeweilige Abtastrate in einer für den Fachmann offensichtlichen Weise angepasst. Daher konnte der Fachmann ausgehend von der CELP-Vorrichtung nach „Kwon“ zu einem für Breitbandanwendungen geeigneten CELP-Codec gelangen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
Zu ii): Wie oben zum Merkmal 3.1. ausgeführt, stellt in „Kwon“ die Grenzfrequenz F C („cutoff frequency“) zwischen den beiden komplementär arbeitenden Filtern zur Filterung des adaptiven und des innovativen Codevektors den Periodizitätsfaktor im Sinne des Streitpatents dar, da sie die Grenze zwischen stimmhaften und stimmlosen Abschnitten des Frequenzspektrums des Sprachsignals bestimmt. Diese Berechnung der Grenzfrequenz F C erfolgt beim CELP-Codec nach „Kwon“ sender- bzw. codiererseitig durch die Klassifizierung des Eingangssprachsignals in stimmhafte und stimmlose Abschnitte und anschließende Übertragung an den Empfänger/Decodierer (vgl. insbesondere „Kwon“ Seite 157, linke Spalte, Table 1, vorletzte Zeile und darunter befindlicher Absatz, drittletzter bis letzter Satz), in dem sich das adaptive sowie das innovative Codebuch und somit die jeweiligen Codevektoren befinden. Somit erfolgt die Berechnung des Periodizitätsfaktors anders als im Streitpatent nicht in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor, sondern ‒ innerhalb eines CELP-Codierungs-/Übertragungs-/Decodierungsprozesses ‒ bereits vorher und daher „für“ im Sinne von „vorbereitend für“ den adaptiven und den innovativen Codevektor.
Für den Fachmann liegt es aus mehreren Gründen nicht nahe, von der in „Kwon“ beschriebenen Berechnungsmethode für den Periodizitätsfaktor zur erfindungsgemäßen technischen Lösung abzuweichen:
Zwar mag der Fachmann erkennen, dass es vorteilhaft ist, die Berechnung des Periodizitätsfaktors nicht auf der Codierer-, sondern auf der Decodiererseite vorzunehmen, insbesondere um weniger Daten übertragen zu müssen, aber selbst dann hätte er keinen Hinweis, von welchen der dort vorliegenden Parameter er die Berechnung abhängig machen sollte. Doch selbst wenn er auf den Gedanken kommen sollte, Codevektoren zu verwenden, wäre nicht klar, welchen Codevektor oder welche Kombination von Codevektoren aus den drei prinzipiell zur Verfügung stehenden Codebüchern („adaptive source“, „stochastic source“ und „residual source“) er dafür heranziehen sollte. Dies gilt umso mehr, da in „Kwon“ zwischen drei verschiedenen Fällen zu unterscheiden ist, in denen einmal nur der adaptive Codevektor, einmal nur der innovative Codevektor und nur in einem Fall sowohl der adaptive als auch der innovative Codevektor und zusätzlich ein dritter Codevektor zur Verfügung stehen.
Auch der Einwand der Klägerin, dass beim Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1, im Gegensatz zu den nebengeordneten Ansprüchen 19 und 28, kein Decodierer beansprucht werde, sondern nur eine Vorrichtung, bei der es sich sowohl um Codierer als auch Decodierer oder den gesamten Codec handeln könne und damit die senderseitige Bestimmung des Periodizitätsfaktors umfasst sei, greift nicht durch. Denn durch die beschränkenden Angaben im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1, wonach durch die Filterung des innovativen Codevektors der verbesserte skalierte innovative Codevektor und durch Addition von diesem mit dem adaptiven Codevektor das verbesserte Erregungssignal entsteht (u´ = c f + b-v T ; Merkmal 3.2.2.), welches das Breitbandsignal synthetisiert, ist für den Fachmann klar, dass es sich beim „device“ im Anspruch 1 nur um den Decodierer handeln kann. Für ihn ist es selbstverständlich, dass die erfindungsgemäße Periodizitätserhöhung im verbesserten Erregungssignal nur empfängerseitig durchgeführt wird.
Insgesamt ist deshalb nicht zu erkennen, wie ein Fachmann ausgehend von dem in „Kwon“ beschriebenen CELP-Modell in nahe liegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag gelangen sollte.
2.2.2.3 „Kleijn“ (US 5 719 993 A)
Auch ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift „Kleijn“ “ (= US 5 719 993 A) beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die US-Patentschrift „Kleijn” beschreibt einen auf dem CELP-Prinzip basierenden Decodierer für die Erzeugung eines synthetischen Sprachsignals, insbesondere einen dafür verbesserten sog. Langzeitprädiktor („long-term predictor (LTP)“). Aus der Entgegenhaltung „Kleijn“ ist in Worten des geltenden Anspruchs 1 ausgedrückt Folgendes bekannt:
1. A device for enhancing periodicity of an excitation signal
„Kleijn” beschreibt eine Vorrichtung (Figur 2: “decoder 11”), welche die Periodizität des Erregungssignals erhöht (“It shows that the periodicity of the lower frequencies can be enhanced significantly …, The output, x(i), of the long-term predictor 16, 17 … excitation signal, x(i)”, vgl. dazu insbesondere die Figuren 2 und 6, Spalte 8, Zeilen 42 bis 44 und Spalte 4, Zeilen 59 bis 61).
2. produced in relation to
Die folgenden Teilmerkmale der Merkmalsgruppe 2. (2.1., 2.2. und 2.3.) stellen Standardkomponenten eines jeden CELP-Decodierers dar und sind in der Figur 2 aus „Kleijn“ aufgezeigt (vgl. Spalte 4, Zeilen 8 und 9: „FIG. 2 presents decoder 11 for an illustrative CELP speech-coding system.“).
Decodierer 11 in Figur 2 aus der Druckschrift „Kleijn“
2.1. a pitch codevector v T and
In Figur 2 in „Kleijn“ ist ein CELP-Decodierer 11 dargestellt. Hierbei repräsentiert „LTP 16, 17" („Long Term Predictor"; Langzeit-Prädiktor) ein Element, welches das adaptive Codebuch enthält. Dabei entsprechen die Größen „delay value d“ der Tonhöhennacheilung bzw. dem Tonhöhen-Codebuchindex T im Streitpatent und „LTP gain λ l “ der Tonhöhenverstärkung bzw. Tonhöhen-Codebuchverstärkung b in der Terminologie des Streitpatents. Der „LTP 17“ ist im Detail der Figur 6 aus „Kleijn“ zu entnehmen.
2.2. an innovative codevector c k according to u = b-v T + g-c k , with b being a pitch gain and g being an innovative codebook gain,
Im CELP-Decodierer 11 in Figur 2 stellt das „Codebook 14" das feste oder innovative Codebuch dar. In Figur 6 ist der skalierte innovative Codevektor durch λ f -e(i) bezeichnet; aus den Angaben in der Beschreibung (“The codebook excitation vector is multiplied by the codebook gain λ f “, vgl. Spalte 4, Zeilen 44 bis 46) und in Verbindung mit Figur 2 ergibt sich, dass dem linken oberen Eingang ein skalierter innovativer Codevektor zugeführt wird. Die Angabe λ f -e(i) entspricht g-c k in der Notation des Streitpatents.
Ebenso ist die Addition des skalierten innovativen Codevektors λ f -e(i) mit dem skalierten ( λ l ) adaptiven Codevektor (vgl. Ausführungen zu Merkmal 2.1.) zum Erhalt des Erregungssignal x(i) für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit.
„long-term predictor LTP 17“ nach Figur 6 aus der Druckschrift „Kleijn“
2.3. for supplying a signal synthesis filter in view of synthesizing a wideband signal,
Das Ausgangssignal des Langzeit-Prädiktors 17 in Figur 2 versorgt einen Synthesefilter („LP filter 18”) im Hinblick auf die Synthese eines Sprachsignals (Spalte 4, Zeilen 60 bis 62: „The output, x(i), of the long-term predictor 16, 17 is an excitation (input) signal for the conventional linear prediction synthesis filter 18.").
Ein Hinweis dafür, dass die in „Kleijn” beschriebene Vorrichtung für die Synthetisierung von Breitbandsignalen geeignet wäre, kann der Druckschrift nicht entnommen werden.
3. said periodicity enhancing device comprising:
Die folgenden Merkmale bzw. Teilmerkmale der Periodizitätsverbesserungsvorrichtung, der Faktorgenerator und das Innovationsfilter, sind der Figur 6 in „Kleijn“ und der zugehörigen Beschreibung zu entnehmen.
3.1. a) a factor generator for calculating in response to the pitch codevector and the innovative codevector a periodicity factor
3.1.1. related to the wideband signal;
Das in Figur 6 in „Kleijn“ gezeigte Erregungssignal x(i) für das LP-Filter wird in einem Addierer („adder 60“) aus einem Zwischensignal („intermediate signal y(i)“) sowie einem die Periodizität verbessernden Rampensegmentbeitrag („ramp contribution, ramp contribution r(i)“) zusammengesetzt. Der Rampensegmentbeitrag r(i) wiederum basiert auf dem Signal λ f -e(i) und wird mittels eines Filters mit zwei Abgriffen erzeugt, die um die Verzögerung d beabstandet sind.Der erste Signalabgriff erfolgt über die Verzögerungseinheit („delay unit 50“), in der das Signal um L-2d Abtastwerte verzögert wird. Das so verzögerte Signal wird im Multiplikator („multiplier 54“) mit einem Faktor µ 1 multipliziert und einem weiteren Addierer („adder 58“) zugeführt. Entsprechend erfolgt der zweite Signalabgriff über die Verzögerungseinheit („delay unit 52“), in der das Signal um L-d Abtastwerte verzögert wird. Dieses verzögerte Signal wird im Multiplikator („multiplier 66“) mit dem Faktor µ 2 multipliziert und ebenfalls dem weiteren Addierer („adder 58“) zugeführt. Der Rampensegmentbeitrag r(i) berechnet sich sodann aus diesen beiden Signalen (mit Verzögerungen der Abtastwerte von L-2d bzw. L-d) nach der Gleichung (vgl. Spalte 6, Zeile 45):
Die Faktoren L-2d und µ 1 einerseits sowie L-d und µ 2 andererseits bestimmen demnach zusammen mit dem Signal λ f e den Wert des Rampenbeitrags r(i).
Die von der Verzögerung d und damit dem Signal abhängigen Faktoren L-2d bzw. L-d dienen dazu, den innovativen Codevektor mit der richtigen Periodizität zu dem vom Addierer 44 kommenden Zwischensignal y(i) zu addieren, d. h. diese Faktoren sind Periodizitätsfaktoren, die in Beziehung zum Signal stehen.
Die Faktoren µ 1 und µ 2 sind abhängig von der Verzögerung d bzw. 2d und damit vom Signal, sie bestimmen die Verstärkung des jeweiligen Rampensegmentbeitrags, somit die Periodizität des Signals, und sind demnach ebenfalls Periodizitätsfaktoren.
Damit stellen die Parameter L-d, L-2d, µ 1 und µ 2 jeweils Periodizitätsfaktoren dar, die Einheit bestehend aus den Komponenten 50, 52, 54, 58, 60 und 66 ist als Faktorgenerator zu sehen, und da alle Periodizitätsfaktoren L-d, L-2d, µ 1 und µ 2 jeweils von der momentan vorliegenden Verzögerung d abhängen, stehen sie jeweils in Beziehung zum Signal.
Eine Berechnung der Periodizitätsfaktoren in Antwort auf adaptiven und den innovativen Codevektor findet in „Kleijn“ jedoch nicht statt.
3.2. b) an innovation filter
3.2.1. for filtering the innovative codevector in relation to said periodicity factor
Die oben beschriebene Einheit bestehend aus den Komponenten 50, 52, 54, 58, 60 und 66 bildet nicht nur den Faktorgenerator, sondern zusammen mit dem Tiefpassfilter („low pass filter 72“) das Innovationsfilter. Dieses Innovationsfilter filtert offensichtlich den innovativen Codevektor (vgl. wiederum das links oben in Figur 6 von „Kleijn“ eingespeiste Signal und Spalte 5, Zeilen 27 und 28: „The signal λ f -e(i) forms the fixed-codebook contribution to the excitation signal“) und zwar in Bezug auf die Periodizitätsfaktoren L-d, L-2d, µ 1 und µ 2 , wie oben ausgeführt.
3.2.2. to thereby reduce energy of a low frequency portion of the innovative codevector and
c) an adder (220) for computing an enhanced excitation signal u´ according to u´ = c f + b v T with
3.2.3. enhanced periodicity of a low frequency portion of the enhanced excitation signal.
Diese beiden Teilmerkmale ergeben sich aus dem Vergleich der in den Figuren 4B und 7B aus „Kleijn“ gezeigten Frequenzgänge, die deutlich machen, wie der Beitrag aus dem innovativen Codebuch durch die Rückführung über das dem adaptiven Codebuch entsprechende LTP-Filter spektral beeinflusst wird.
herkömmlichen CELP-Decodierers und b) mit Innovationsfilter
Der Vergleich zeigt im niederfrequenten Bereich des Frequenzgangs
· mit Innovationsfilter b) eine deutliche Reduzierung der Energie zwischen den lokalen Maxima der harmonischen Frequenzen gegenüber dem Spektrum ohne Innovationsfilter a) (Merkmal 3.2.2.) und
· eine wesentlich stärker ausgeprägte Struktur, d. h. größere Amplituden bzw. eine größere Differenz zwischen den lokalen Maxima und Minima mit Innovationsfilter b) gegenüber dem Spektrum ohne Innovationsfilter a), was nach allgemeinem Fachwissen und der Definition gemäß Streitpatent einer Erhöhung der Periodizität entspricht (Merkmal 3.2.3.).
Diese Effekte werden bewirkt durch das Zusammenspiel des Tiefpassfilters („low pass filter 72“) und den Komponenten 50, 52, 54, 58, 60 und 66, wie oben beschrieben.
Somit sind aus „Kleijn“ ‒ ebenso wie bei „Kwon“ ‒ alle Merkmale des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 des Streitpatents bekannt, bis auf
i) die Geeignetheit der Anwendung auf Breitbandsignale (Merkmale 2.3. und 3.1.1.) und
ii) dem gegenüber der erteilten Fassung neu aufgenommenen Merkmal, wonach der Faktorgenerator den Periodizitätsfaktor in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor berechnet (Merkmal 3.1.).
Während die fehlenden Merkmale nach i) entsprechend den obigen Ausführungen zu „Kwon“, auf die verwiesen wird, für den Fachmann noch nahegelegt sein mögen, ist dies für das fehlende Merkmal nach ii) nicht mehr der Fall.
Denn wie zu den Merkmalen 3.1. und 3.1.1. ausgeführt, stellen die Parameter L-d, L-2d, µ 1 und µ 2 , die erfindungsgemäßen Periodizitätsfaktoren dar. Keiner dieser Faktoren wird jedoch in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor berechnet:
‒ d stellt den Tonhöhen-Codebuchindex dar (Tonhöhennacheilung, „pitch delay“ bzw. „pitch lag“ oder in „Kleijn“ „delay value“), der dazu dient, nach dem „Fragmentieren“ mittels des „codeword decoder 12“ in der alternativen Darstellung des adaptiven Codebuchs als LTP 17 (vgl. die Ausführungen zum Merkmal 2.1. und den obigen Abschnitt zur Begriffsauslegung unter I. 3 d)) den adaptiven Codevektor mittel seines Index zu bezeichnen, vgl. Kleijn, Spalte 5, Zeilen 10 bis 12. Der Periodizitätsfaktor d wird nicht als Antwort auf den adaptiven Codevektor berechnet, sondern d erfüllt die folgende Doppelfunktion: zum einen wird der adaptive Codevektor ‒ umgekehrt ‒ „in Antwort“ auf den Faktor d bestimmt und zum anderen geht d ein in die Innovationsfilterfunktion des skalierten innovativen Codevektors (vgl. die Ausführungen zu den Merkmalen 3. bis 3.2.1.).
‒ Die Parameter L-d, L-2d enthalten außer dem nicht vom adaptiven Codevektor abhängigen Faktor d lediglich die globale Verzögerung mit einem festen Wert von 10 ms bis 20 ms, der offensichtlich weder vom adaptiven Codevektor noch vom innovativen Codevektor abhängig ist („Kleijn“ Spalte 5, Zeilen 59 bis 62), und
‒ die Verstärkungsfaktoren µ 1 und µ 2 sind einfache Funktionen von d, d. h. es ist „Kleijn“ nicht zu entnehmen, dass sie noch von weiteren Größen abhängig wären („Kleijn“ Spalte 6, Zeilen 38 bis 67).
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 1. März 2018 unter 3 b) dazu eingewandt hat, „dass die Pitch-Verzögerung d als Periodizitätsfaktor unmittelbar in Beziehung zum adaptiven Codevektor und jedenfalls mittelbar auch zu vorhergehenden innovativen Codevektoren steht.“ (Hervorhebung durch den Senat), geht dies bereits am Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 vorbei, da dort gefordert wird, dass der Periodizitätsfaktor nicht nur in Beziehung zum adaptiven und innovativen Codevektoren steht, sondern der Faktorgenerator geeignet sein muss, den Periodizitätsfaktor in Antwort auf diese Vektoren berechnen zu können (Merkmal 3.1.: „… calculating in response to the pitch codevector and the innovative codevector”), was zusätzlich eine Kausalität und damit auch eine zeitliche Abfolge erfordert.
Der Fachmann hat bei „Kleijn“ weder eine Veranlassung, von den angegebenen Berechnungsvorschriften dieser Periodizitätsfaktoren abzuweichen, noch bekommt er in „Kleijn“ dazu einen Hinweis. Denn obwohl der in „Kleijn“ beschriebene Decodierer die in den Merkmalen 3.1 und 3.2.2 angegebenen Wirkungen zeigt ‒ Verminderung der Energie des innovativen Codevektors und Erhöhung der Periodizität des Erregungssignals ‒, ist der Aufbau und die Funktionsweise grundlegend verschieden.
Der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 einerseits und der aus den insbesondere in der mündlichen Verhandlung diskutierten Entgegenhaltungen „Abboud“, „Kwon“ und Kleijn“ bekannten CELP-Codecs andererseits, mag vor allem wegen des Erzielens der gleichen Wirkung rückschauend betrachtet geringfügig erscheinen, jedoch ist aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht erkennbar, weshalb der Fachmann gerade zur Lösung des technischen Problems nach Hilfsantrag 1 hätte kommen sollen; auch die Nichtigkeitsklägerin konnte dies zu diesem Merkmal nicht darlegen.
2.2.2.4 Weiterer von der Klägerin genannter Stand der Technik
Auch gegenüber dem übrigen von der Klägerin genannten, weiter abliegenden, und bereits im gerichtlichen Hinweis abgehandelten Stand der Technik nach den Druckschriften Salami, McCree thesis, Makhoul und Adoul ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
„Salami“
Der im März 1998 veröffentlichte Artikel „Salami“ befasst sich mit der Codierer- und Decodiererstruktur für ein CELP-Verfahren und verwendet eine Periodizitätsverbesserungsvorrichtung, welche mittels eines Innovationsfilters die erhöhte Periodizität über das ganze Spektrum einführt, so wie es auch bereits in Absatz 0010 der Streitpatentschrift beschrieben wird.
„McCree thesis”
Diese Dissertation von Allen V. McCree, Georgia Institute of Technology aus dem Jahre 1992, beschäftigt sich mit verschiedenen Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachqualität von sog. LPC-Vocodern und nicht von CELP-Codecs.
„Makhoul”
Der Artikel von Makhoul et al., veröffentlicht 1978, beschäftigt sich mit einem verbesserten System zur Erzeugung eines Erregungssignals aus gemischten Quellen, d. h. einer Mischung aus periodischen und rauschartigen Anteilen, zur Codierung und Decodierung eines Sprachsignals, insbesondere für einen Vocoder.
„Adoul”
Die Entgegenhaltung „Adoul“ wurde am 22. August 1995 veröffentlicht und betrifft ein dynamisches Codebuch sowie ein dynamisches Suchverfahren, um die Codierung und Decodierung im Rahmen des CELP-Verfahrens effizienter zu gestalten. Das dynamische Codebuch besteht dabei aus einem algebraischen, mithin stochastischen innovativen Codebuch und einem Filter mit einer Übertragungsfunktion, die zeitvariabel ist.
An keiner Stelle der Druckschriften „Salami“, „McCree thesis”, „Makhoul” und „Adoul” ist entnehmbar, dass der Faktorgenerator geeignet ist, den Periodizitätsfaktor in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor zu berechnen (Merkmal 3.1.), noch dass die jeweilige Vorrichtung für die Verarbeitung von Breitbandsignale geeignet ist (Merkmale 2.3. und 3.1.1.). Eine entsprechende Ausgestaltung des Faktorgenerators wird durch diese Schriften auch nicht nahe gelegt.
Zu den im Hinblick auf die Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents noch weiter abliegenden und auch im gerichtlichen Hinweis nicht aufgeführten, von der Klägerin aber benannten Druckschriften kann der Vollständigkeit halber noch Folgendes ausgeführt werden:
„McCree Proc“
Diese Veröffentlichung aus dem Jahre 1991 befasst sich ebenfalls mit einem Vocoder wie die oben in Abschnitt 2.2.4 erwähnte Dissertation desselben Autors A. V. McCree und enthält nur einen Teil der Offenbarung der Dissertation „McCree thesis”.
„McCree Pat“ (EP 0 814 458 A2)
Auch die die US-Priorität vom 19. September 1996 in Anspruch nehmende und am 29. Dezember 1997 veröffentlichte europäische Offenlegungsschrift von A. V. McCree beansprucht u. a. einen sogenannten MELP-Vocoder (vgl. insbesondere die Figur 3 mit zugehöriger Beschreibung) wie die oben abgehandelte Dissertation „McCree thesis” und enthält einen Teil der Offenbarung der Dissertation. Daher kann auch hier auf eine wiederholte Beschreibung des Anmeldungsgegenstandes verzichtet werden.
„Ritter“ (DE 44 01 329 A1)
Die deutsche Offenlegungsschrift „Ritter“ wurde ursprünglich in das Verfahren eingeführt, um den Nachweis zu erbringen, dass der Fachmann zum Gegenstand des nebengeordneten erteilten Anspruchs 41 gelangen kann, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Denn Ritter beschreibt ein Mobilfunksystem, das in mehrere Zellen aufgeteilt ist, d. h. ein zellulares Kommunikationssystem zum Bedienen eines großen geographischen Gebiets (vgl. die Figur 1 und Spalte 2, Zeilen 47 bis 52). Außerdem sind dieser Druckschrift auch ein zellulares Kommunikationssystem („a cellular communication system“; Anspruch 41), eine mobile zellulare Sender/Empfänger-Einheit („cellular mobile transmitter/receiver unit“; Anspruch 51), ein zellulares Netzelement („cellular network element“; Anspruch 61) und ein bidirektionales drahtloses Kommunikationsuntersystem („bidirectional wireless communication sub-system“; Anspruch 71) zu entnehmen. Eine Vorrichtung zur Verbesserung der Periodizität eines Erregungssignals, insbesondere ein Innovationsfilter, ist in „Ritter“ jedoch nicht offenbart oder nahe gelegt.
„Chen“
Noch weiter ab vom Gegenstand des Streitpatents liegt der Gegenstand der Entgegenhaltung „Chen“, da es sich dabei nicht wie bei den bisher behandelten Codecs um einen CELP-Codec oder um einen mit diesem verwandten Vocoder handelt, sondern um einen adaptiven „Postfilter“, der sich somit im Signalweg nach dem Signalsynthetisierungsfilter befindet. Dementsprechend sind der Druckschrift weder innovative noch adaptive Codevektoren zu entnehmen, und somit kann auch kein Innovationsfilter existieren, welches den innovativen Codevektor selektiv filtern könnte, bevor dieser mit dem Tonhöhen-Codevektor kombiniert wird und das Erregungssignal für das Signalsynthetisierungsfilter bildet. Der Fachmann hat keinerlei Veranlassung, das Postfilter entgegen seiner Bestimmung, sozusagen als Vorfilter vor dem Signalsynthetisierungsfilter eines CELP-Decoders, anzuwenden und dort außerdem nicht im Zweig des Tonhöhen-Codevektors, sondern in dem des innovativen Codevektors anzuordnen.
„Masahiro“ (EP 0 788 091 A2)
Die Entgegenhaltung „Masahiro“ beschreibt einen bekannten CELP-Codierer/CELP-Decodierer und wird im Streitpatent zusätzlich zu den allgemeinen Ausführungen zu dem vor dem Anmeldetag bekannten CELP-Verfahren gewürdigt. Der Verweis auf diese Veröffentlichung wurde im Erteilungsverfahren in die dem Streitpatent zugrundeliegende Beschreibung aufgenommen (Absatz 0007). Im Hinblick auf die Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitgegenstandes hat sie jedoch keine Bedeutung.
„Tadashi“ (EP 0 926 660 A2)
Es kann dahinstehen, ob „Tadashi“ ‒ die wirksame Inanspruchnahme der von ihr beanspruchten Priorität vorausgesetzt ‒ nachveröffentlichter Stand der Technik nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ und daher nur in Bezug auf Neuheit in Betracht zu ziehen wäre, falls das Streitpatent die Priorität bezüglich der nebengeordneten Ansprüche 1, 10, 19 und 28 wirksam in Anspruch genommen hätte. Denn da der Offenbarung von Tadashi bereits ein Breitbandsignal nicht zu entnehmen ist, ist diese Druckschrift nicht weiter zu berücksichtigen.
2.2.2.5 Auch gegenüber einer Zusammenschau des gesamten im Verfahren genannten Standes der Technik beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Da keine der Druckschriften des gesamten im Verfahren genannten Standes der Technik das Merkmal nahelegen kann, wonach der Faktorgenerator den Periodizitätsfaktor in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor berechnet (Merkmal 3.1.), kann auch eine Zusammenschau des Standes der Technik dies nicht leisten.
2.2.3 Nebengeordnete Ansprüche und Unteransprüche nach Hilfsantrag 1
Zur Patentfähigkeit der nebengeordneten Ansprüche nach Hilfsantrag 1 gelten die vorstehend genannten Überlegungen sinngemäß.
Die vorstehenden Ausführungen gelten insbesondere entsprechend auch für den einzigen weiteren, gegenüber der Fassung nach Hauptantrag geänderten nebengeordneten Anspruch 10 gemäß Hilfsantrag 1, der ein zur Vorrichtung nach Anspruch 1 korrespondierendes Verfahren beansprucht, das inhaltlich die gleichen im Anspruch 1 genannten Merkmale enthält.
Entgegen dem Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist auch der Gegenstand nach Anspruch 28 patentfähig. Nach Ansicht der Klägerin enthalte dessen Wortlaut zwar einen Rückbezug auf den beschränkten Anspruch 1, jedoch werde in dem auf den Rückbezug folgenden Teilsatz („comprising a factor generator for calculating a periodicity factor related to the wideband signal, and said innovation filter for filtering the innovative codevector.“) diese Einschränkung durch das neu aufgenommenen Merkmal, wonach der Faktorgenerator den Periodizitätsfaktor nur in Antwort auf den adaptiven Codevektor und den innovativen Codevektor berechnet, wieder rückgängig gemacht, da jener diese Einschränkung nicht ebenfalls enthalte. Dieser Ansicht kann sich der Senat nicht anschließen. Denn zum einen stehen diese beiden Aussagen nicht zueinander im Widerspruch, weil die eine nur eine Konkretisierung der anderen darstellt. Und zum anderen besteht hier, bei Ansprüchen der gleichen Kategorie, keine Unklarheit darüber, ob und wie die durch den Rückbezug adressierten Merkmale in den bezugnehmenden Anspruch aufzunehmen sind.
Die übrigen nebengeordneten Ansprüche 19, 37, 46, 55 und 64 betreffen einen Decodierer („a decoder“), ein zellulares Kommunikationssystem („a cellular communication system“), eine mobile zellulare Sender/Empfänger-Einheit („a cellular mobile transmitter/receiver unit“), ein zellulares Netzelement („a cellular network element“) sowie ein bidirektionales drahtloses Kommunikationssystem („a bidirectional wireless communication sub-system“), welche jeweils die im Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung oder den im Anspruch 19 beanspruchten Decodierer umfassen. Auch hinsichtlich dieser Ansprüche gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß.
Weiterhin begegnen auch den Unteransprüchen nach Hilfsantrag 1, welche vorteilhafte Ausgestaltungen des Erfindungsgegenstands betreffen, keine Bedenken. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.
2.3 Sonstige Nichtigkeitsgründe
Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Schutzfähigkeit des Streitpatents in der Fassung nach Hilfsantrag 1 sonstige Nichtigkeitsgründe entgegenstehen könnten. Solche hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
II.
Da somit der mit Hilfsantrag 1 vorgelegte Anspruchssatz zulässig ist und ihm keine Nichtigkeitsgründe entgegenstehen, war das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland nur insoweit teilweise für nichtig zu erklären, als es über die Fassung laut Hilfsantrag 1 hinausgeht, und die weitergehende Klage abzuweisen.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 1 ZPO.
Beim Kostenausspruch ist der Senat dabei von Folgendem ausgegangen:
a) Der Klägerin zu 1, welche ihre Klage zurückgenommen hat, sind die aufgrund ihrer Klage angefallenen Gerichtskosten – das sind ein Drittel der Gerichtskosten, auf welche sich infolge der Klagerücknahme die bei Klageerhebung einzuzahlenden Gebühren normalerweise reduzieren – sowie der hierdurch veranlasste Teil der außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen, wobei sie hinsichtlich der von ihr zu tragenden Gerichtskosten mit der Klägerin zu 2 gesamtschuldnerisch zu einem Drittel und hinsichtlich der durch ihre Klage veranlassten außergerichtlichen Kosten der Beklagten nach Kopfteilen anteilig, mithin zu einem Sechstel neben der Klägerin zu 2 haftet.
b) Die übrigen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten sind zwischen der Klägerin zu 2 und der Beklagten entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen aufzuteilen. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass sich der wirtschaftliche Wert des Streitpatents infolge der nach Hilfsantrag 1 beschränkten Fassung um die Hälfte reduzierte.
c) Bei der gebotenen einheitlichen Kostenentscheidung waren somit die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der im Rubrum genannten Parteien wie im Tenor ausgeführt aufzuteilen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.