Entscheidungsdatum: 22.04.2010
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. April 2008 - 9 Sa 475/07 E - aufgehoben.
2. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 9. August 2007 - 6 Ca 944/07 E - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beschäftigungszeit als Arzt im Praktikum(AiP) bei der Stufenzuordnung nach § 16 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) vom 30. Oktober 2006 zu berücksichtigen und der Kläger deshalb in den Monaten Juli 2006 bis Mai 2007 nach der Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 5, TV-Ärzte/TdL zu vergüten war.
Der Kläger war vom 1. Dezember 2001 bis 31. Mai 2003 als AiP für das beklagte Land tätig. Er war dabei am Klinikum der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg eingesetzt. Seit dem 1. Juni 2003 ist er bei dem beklagten Land als Assistenzarzt beschäftigt.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2006 errichtete das beklagte Land das Universitätsklinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die an die Stelle des bisherigen Universitätsklinikums getreten ist. Entsprechend den Vorschriften des Hochschulmedizingesetzes des Landes Sachsen-Anhalt(HMG LSA) vom 12. August 2005 (GVBl. LSA S. 508) verblieb der Kläger aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Medizinischen Fakultät der Universität im Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land. Soweit zu seinen Aufgaben auch Tätigkeiten in der Krankenversorgung gehören, ist er gemäß § 6 Abs. 4 HMG LSA verpflichtet, seine Dienste beim Universitätsklinikum zu erbringen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Zuordnung des Klägers zutreffend ist.
Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit seit dem 1. November 2006 nach dem TV-Ärzte/TdL. Das beklagte Land wendet entsprechend einem Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL vom 8. Juni 2006 die neue Entgelttabelle bereits seit dem 1. Juli 2006 an. § 5 des Tarifvertrags zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte/TdL) vom 30. Oktober 2006 lautet:
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„Stufenzuordnung der Ärzte. |
1Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. 2Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. 3Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Absatz 2 TV-Ärzte.“ |
In § 16 TV-Ärzte/TdL heißt es:
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„Stufen der Entgelttabelle |
(1) 1Die Entgeltgruppe Ä 1 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä 2 bis Ä 4 umfassen drei Stufen. 2Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen (Anlagen A und B) angegeben sind. |
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(2) 1Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt. 2Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden. |
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…“ |
Das beklagte Land ordnete den Kläger ab dem 1. Juli 2006 der Stufe 4 der Entgeltgruppe Ä 1 zu. Die Zeit als AiP erkannte es nicht als Zeit einschlägiger Berufserfahrung an.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der AiP sei nach seinen Rechten und Pflichten einem vollapprobierten Arzt gleichgestellt gewesen. Die Begriffe „ärztliche Tätigkeit“ und „einschlägige Berufserfahrung“ könnten nicht gleichgesetzt werden. Die Rechtsprechung zum BAT könne auf den TV-Ärzte/TdL angesichts der veränderten gesetzlichen Bedeutungszusammenhänge und der veränderten tariflichen Begrifflichkeiten nicht übertragen werden. Die Tarifvertragsparteien seien bereits unmittelbar nach der Vereinbarung des Tarifergebnisses am 16. Juni 2006 uneinig über die Anerkennung von AiP-Zeiten als Zeiten einschlägiger Berufserfahrung gewesen.
Der Kläger hat außerdem die Auffassung vertreten, er werde im Vergleich zu den Ärzten, die nach Abschaffung des AiP ab dem 1. Oktober 2004 sofort nach Beendigung des Studiums approbiert hätten werden können und die deshalb unmittelbar nach Beendigung des Studiums Zeiten einschlägiger Berufserfahrung hätten erwerben können, ungleich behandelt. Zudem liege eine Ungleichbehandlung mit den im Universitätsklinikum Magdeburg Anstalt öffentlichen Rechts beschäftigten Ärzten vor. Für diese Ärzte gilt der Vergütungstarifvertrag für Ärzte des Universitätsklinikums Magdeburg AöR(VTV-Ä UK MD). § 2 Ziff. 6 VTV-Ä UK MD sieht die Anrechnung der Zeiten ärztlicher Tätigkeit für Ärzte ohne Facharztanerkennung bei der Stufenzuordnung vor. Eine Tätigkeit als AiP gilt danach ausdrücklich als ärztliche Tätigkeit. Der Kläger hat darauf abgestellt, dass er mit den Ärzten des Klinikums Hand in Hand zusammenarbeite. Schließlich hat es der Kläger für treuwidrig gehalten, dass die zuständigen Ministerien, die im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums vertreten seien, dem VTV-Ä UK MD zugestimmt hätten, als Rechtsaufsicht der Medizinischen Fakultät jedoch dem Kläger die Anerkennung der AiP-Zeiten versagten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass der Kläger ab 1. Juli 2006 nach der Vergütungsgruppe Ä 1, Stufe 5, des TV-Ärzte/TdL zu vergüten ist. |
Dabei ergibt sich aus einem zwischen den Parteien am 9. August 2007 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Teilvergleich, dass die Feststellung nur für die Zeit bis 31. Mai 2007 begehrt wird.
Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die Bezeichnung „ärztliche Tätigkeiten“ für Tätigkeiten eines Arztes im Sinne des inländischen Medizinalrechts verwendet hätten. Ein AiP sei jedoch nicht vollapprobiert, übe nicht den Beruf des Arztes aus und könne deshalb keine einschlägige Berufserfahrung sammeln. Er sei vielmehr Auszubildender zum Arztberuf. Ein abweichender Wille der Tarifvertragsparteien habe keinen Niederschlag im Tarifvertrag gefunden.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren auf Klageabweisung weiter.
Die Revision ist begründet. Die Zeiten der Tätigkeit des Klägers als AiP sind bei der Stufenzuordnung nicht gemäß § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL zu berücksichtigen.
I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz des Vergangenheitsbezugs der Feststellungsklage liegt das nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann vom beklagten Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass es einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird(vgl. Senat 21. Januar 2010 - 6 AZR 449/09 - Rn. 14 mwN).
II. Die Klage ist unbegründet. Das beklagte Land ist nicht nach § 5 TVÜ-Ärzte/TdL iVm. § 16 TV-Ärzte/TdL verpflichtet, dem Kläger für die Monate Juli 2006 bis Mai 2007 Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 5(Arzt ab dem 5. Jahr), TV-Ärzte/TdL zu zahlen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Zeit seiner Tätigkeit als AiP nicht als Zeit mit einschlägiger Berufserfahrung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/TdL bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen.
1. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Urteil vom 23. September 2009(- 4 AZR 382/08 - ZTR 2010, 142) unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der ärztlichen Tätigkeit im Tarifsinne (25. September 1996 - 4 AZR 200/95 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 218) eingehend ausgeführt, aus welchen Gründen die Zeit einer Tätigkeit als AiP keine Vorzeit ärztlicher Tätigkeit iSv. § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/TdL ist. Er hat angenommen, die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/TdL hätten mit dem Begriff der ärztlichen Tätigkeit an das einschlägige Medizinalrecht angeknüpft. Danach sei die Approbation als Arzt Voraussetzung der Ausübung des ärztlichen Berufes. Dem entspreche die frühere Tätigkeit als AiP nicht. An dieser Rechtsprechung hält der nunmehr nach der Geschäftsverteilung für das Bundesarbeitsgericht für die Zuordnung zu den Stufen einer Vergütungsgruppe zuständige Sechste Senat fest. Das Vorbringen des Klägers und die rechtlichen Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten in der Revisionsverhandlung rechtfertigen nicht die Annahme, die Zeit einer Tätigkeit als AiP sei nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien ärztliche Tätigkeit.
a) Die Argumente des Klägers, der AiP sei nach seinen Rechten und Pflichten einem vollapprobierten Arzt gleichgestellt gewesen und der Kläger sei mit der Erledigung ärztlicher Aufgaben betraut gewesen, bei denen er wie die Assistenzärzte oberärztlicher Anleitung und Aufsicht unterstanden habe, verhelfen der Klage nicht zum Erfolg. Der Kläger übersieht dabei, dass nach § 34b der Approbationsordnung für Ärzte(ÄAppO) idF vom 21. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2549) der AiP nach Beendigung der Tätigkeit als Arzt im Praktikum in der Lage sein sollte, den ärztlichen Beruf eigenverantwortlich und selbständig auszuüben. Art und Umfang der Aufsicht sollten dem entsprechen. Die Zeit als AiP war also als praxis- und patientenbezogene Ausbildung für den Beruf des Arztes ausgestaltet, ohne bereits eine Ausübung dieses Berufes, die die Vollapprobation voraussetzt, darzustellen.
b) Der ersatzlose Wegfall der Regelungen zur Tätigkeit als AiP zum 30. September 2004 gibt entgegen der Auffassung des Klägers kein anderes Auslegungsergebnis vor. Der Umstand, dass die Berufsausbildung zum Arzt geändert wurde und eine Ausbildungszeit als AiP vor der Erteilung der Vollapprobation nicht mehr vorgesehen ist, zwang die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/TdL nicht dazu, bei der Stufenzuordnung die Tätigkeit als AiP der Tätigkeit einer vollapprobierten Ärztin oder eines vollapprobierten Arztes gleichzustellen oder diese Ausbildungszeit im Wege der Fiktion als Zeit der Berufserfahrung zu bewerten.
III. Entgegen der Auffassung des Klägers wird er auch nicht gegenüber anderen Ärzten ungleich behandelt.
1. Der Kläger wird gegenüber den Ärzten, die nach Abschaffung des AiP unmittelbar nach Beendigung ihres Studiums seit dem 1. Oktober 2004 approbiert werden konnten und damit Zeiten einschlägiger Berufserfahrung erwerben konnten, nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Die Ausbildungsordnung für den ärztlichen Beruf wurde ohne Übergangsregelung geändert. Die Tarifvertragsparteien durften an diesen Stichtag anknüpfen. Die damit unvermeidlich einhergehenden Härten sind hinzunehmen.
2. Der Kläger wird auch nicht gegenüber den Ärzten, die im Universitätsklinikum Magdeburg AöR beschäftigt sind und bei denen aufgrund der Regelung in § 2 Ziff. 6 Satz 2 VTV-Ä UK MD die Anrechnung der Zeiten als AiP bei der Stufenzuordnung erfolgt, rechtswidrig benachteiligt. Der TV-Ärzte/TdL und der VTV-Ä UK MD sind von unterschiedlichen Tarifvertragsparteien geschlossen. Zudem handelt es sich bei dem TV-Ärzte/TdL um einen Flächentarifvertrag, der eine Vielzahl von Universitätskliniken erfasst, während der VTV-Ä UK MD ein auf die Besonderheiten des Universitätsklinikums zugeschnittener Haustarifvertrag ist. Der Umstand, dass im TV-Ärzte/TdL anders als im VTV-Ä UK MD die Zeit als AiP nicht im Wege der Fiktion auf die Stufenlaufzeit angerechnet wird, begründet deshalb keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG(vgl. BAG 16. Dezember 2003 - 3 AZR 668/02 - BAGE 109, 129, 135).
3. Das beklagte Land handelt auch nicht treuwidrig, wenn es die Zeit als AiP auf die Stufenlaufzeit des Klägers nicht anrechnet. Es hat als öffentlicher Arbeitgeber das geltende Recht zu vollziehen. Dass einzelne Minister des beklagten Landes im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums Magdeburg AöR den VTV-Ä UK MD genehmigt haben, ändert daran nichts.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Fischermeier |
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Brühler |
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Spelge |
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D. Knauß |
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Matiaske |