Entscheidungsdatum: 05.10.2011
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das deutsche Patent 100 43 284
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Gutermuth, der Richterin Martens sowie der Richter Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Kleinschmidt und Dipl.-Ing. Musiol
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 100 43 284 wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 2. September 2000 angemeldeten deutschen Patents 100 43 284 (Streitpatent), das ein "Funkgerät" betrifft. Es umfasst neun Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut hat:
"1. Funkgerät (1) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Nachricht und mit einer Anzeigevorrichtung (16), wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen, dadurch gekennzeichnet, dass das Funkgerät (1) einen Nachrichtenindikator (15) aufweist, wobei der Eingang der Nachricht durch den Nachrichtenindikator (15) mittels einer Signalisierung unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung (16) signalisierbar ist."
Bezüglich der Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Patentschrift DE 100 43 284 C1 Bezug genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie verweist insbesondere auf die vorveröffentlichten Druckschriften JP 10-164664 A (K7) und US 6,018,232 (K10), die sie für neuheitsschädlich hält. Des Weiteren ist sie der Auffassung, dass der Patentgegenstand in dem Gerät "Nokia 9000 Communicator" offenkundig vorbenutzt worden sei.
Sie beruft sich zur Begründung ihrer Klage auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften:
K4 DE 43 32 758 A1
K5 DE 198 57 902 A1
K6 DE 197 24 995 A1
K7 JP 10-164664 A
K8 deutsche Übersetzung der K7
K9 EP 0 494 525 B1
K10 US 6,018,232
K11 DE 198 23 882 A1
K12 NOKIA [Hrsg.]: "User’s Manual" für das Gerät "Nokia 9000i Communicator", 1998
K13 US 5,946,636
K17 ROCKMAN, Simon: Nokia 9000. In: MOBILE and cellphone magazine, Mai 1996, Seiten 42-44
K18 Nokia 9000 Communicator. In: MOBILE and cellphone magazine, November 1996, Seiten 23-28
K19 JOLAOSO, Ronke: inspecting gadgets. In: MOBILE and cellphone magazine, April 1997, Seiten 40-41
K20 mobile communications. In: MOBILE and cellphone magazine, September 1997, Seiten 20-21.
Die Klägerin legt darüber hinaus folgende Anlagen vor:
K1 Auszug aus dem Patent- und Gebrauchsmusterregister des Deutschen Patent- und Markenamts zum Streitpatent
K2 Entscheidung des BPatG v. 27. Oktober 2004 in der Patentnichtigkeitssache 4 Ni 26/03 betreffend das Streitpatent
K3 Streitpatentschrift
K14 Übersicht über die Verkaufszahlen des "Nokia Communicator 9000i"
K15 Fotodokumentation des Mobilfunkgeräts "Nokia Communicator 9000"
K16 Wikipedia-Artikel "Nokia Communicator".
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 100 43 284 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie über die verteidigten Fassungen vom 30. September 2011 hinausgeht.
Die Anspruchsfassungen nach den geltenden Anträgen (Hauptantrag sowie Hilfsanträge I bis III) haben folgenden Wortlaut:
Hauptantrag :
"1. Mobilfunktelefon (1) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Nachricht und mit einer Anzeigevorrichtung (16), wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen, dadurch gekennzeichnet, dass das Mobilfunktelefon (1) einen Nachrichtenindikator (15) aufweist, wobei der Eingang der Nachricht durch den Nachrichtenindikator (15) mittels einer Signalisierung unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung (16) signalisierbar ist, und der Nachrichtenindikator (5) eine Leuchtdiode ist.
2. Mobilfunktelefon (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Nachricht ist wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet, dass das Mobilfunktelefon (1) Mittel zur Auswertung des Nachrichtenparameters aufweist, wobei die Signalisierung in Abhängigkeit der Auswertung des Nachrichtenparameters vorgesehen ist.
3. Mobilfunktelefon (1) nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass als Nachrichtenparameter die Anzahl der wenigstens einen eingegangenen Nachricht und/oder der Typ der wenigstens einen eingegangenen Nachricht und/oder der Absender der wenigstens einen eingegangenen Nachricht vorgesehen ist.
4. Mobilfunktelefon (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Nachrichtenindikator (15) ein Ausgabesignal bereitstellt und dass die Signalisierung durch wenigstens eine vorgegebene Intensität und/oder Intensitätsänderung des Ausgabesignals vorgesehen ist.
5. Mobilfunktelefon (1) nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der wenigstens einen Intensitätsänderung einem Vielfachen der Anzahl der wenigstens einen eingegangenen Nachricht entspricht.
6. Mobilfunktelefon (1) nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Ausgabesignal ein optisches Signal ist und dass die Signalisierung durch eine vorgegebene Farbe und/oder Farbänderung des Ausgabesignals vorgesehen ist.
7. Mobilfunktelefon (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine Betriebsinformation durch den Nachrichtenindikator (15) mittels einer weiteren Signalisierung signalisierbar ist.
8. Mobilfunktelefon (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine Betriebsinformation durch einen weiteren Nachrichtenindikator mittels einer weiteren Signalisierung signalisierbar ist."
Hilfsantrag I :
"1. Mobilfunktelefon (1) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Kurznachricht und mit einer Anzeigevorrichtung (16), wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen, dadurch gekennzeichnet, dass das Mobilfunktelefon (1) einen Nachrichtenindikator (15) aufweist, wobei der Eingang der Kurznachricht durch den Nachrichtenindikator (15) mittels einer Signalisierung unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung (16) signalisierbar ist, der Nachrichtenindikator (15) eine Leuchtdiode ist, der Kurznachricht wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet ist, das Mobilfunktelefon (1) als Mittel zur Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters eine Auswertevorrichtung (20) aufweist, wobei die Signalisierung in Abhängigkeit einer Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters vorgesehen ist, und das Mobilfunktelefon (1) eine Eingabevorrichtung (35) aufweist, die derart ausgestaltet ist, dass Informationen zur Steuerung der Auswertevorrichtung (20) eingebbar sind, wobei die Auswertevorrichtung (20) derart konfigurierbar ist, dass unterschiedliche Kurznachrichten unterschiedlich zur Anzeige kommen."
Hilfsantrag II :
"1. Mobilfunktelefon (1) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Kurznachricht und mit einer Anzeigevorrichtung (16), wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen,
dadurch gekennzeichnet, dass das Mobilfunktelefon (1) einen Nachrichtenindikator (15) aufweist, wobei der Eingang der Kurznachricht durch den Nachrichtenindikator (15) mittels einer Signalisierung unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung (16) signalisierbar ist, der Nachrichtenindikator (15) eine Leuchtdiode ist, der Kurznachricht wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet ist, das Mobilfunktelefon (1) als Mittel zur Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters eine Auswertevorrichtung (20) aufweist, wobei die Signalisierung in Abhängigkeit einer Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters vorgesehen ist, und das Mobilfunktelefon (1) eine Eingabevorrichtung (35) aufweist, die derart ausgestaltet ist, dass Informationen zur Steuerung der Auswertevorrichtung (20) eingebbar sind, wobei die Auswertevorrichtung (20) derart konfigurierbar ist, dass unterschiedliche Kurznachrichten unterschiedlich zur Anzeige kommen, wobei ein Auswahlkriterium für die unterschiedliche Anzeige in der Tatsache besteht, ob die Kurznachricht dem Benutzer bereits zugänglich gemacht wurde."
Hilfsantrag III :
"1. Mobilfunktelefon (1) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Kurznachricht und mit einer Anzeigevorrichtung (16), wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen, dadurch gekennzeichnet, dass das Mobilfunktelefon (1) einen Nachrichtenindikator (15) aufweist, wobei der Eingang der Kurznachricht durch den Nachrichtenindikator (15) mittels einer Signalisierung unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung (16) signalisierbar ist, der Nachrichtenindikator (15) eine Leuchtdiode ist, der Kurznachricht wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet ist, das Mobilfunktelefon (1) als Mittel zur Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters eine Auswerteeinrichtung (20) aufweist, wobei die Signalisierung in Abhängigkeit einer Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters vorgesehen ist, und das Mobilfunktelefon (1) eine Eingabevorrichtung (35) aufweist, die derart ausgestaltet ist, dass Informationen zur Steuerung der Auswertevorrichtung (20) eingebbar sind, wobei die Auswertevorrichtung (20) derart konfigurierbar ist, dass beim Empfang einer Kurznachricht von einem Telekommunikationsendgerät (60), dem eine bestimmte Rufnummer zugeordnet ist, der Nachrichtenindikator (15) mit einer ersten Farbe blinkt, und beim Empfang einer Kurznachricht als Benachrichtigung über den Eingang einer Nachricht von einer Einrichtung (50), welche einen Zusatzdienst zur Verfügung stellt, der Nachrichtenindikator (15) mit einer zweiten Farbe blinkt."
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent in dem verteidigten Umfang für patentfähig. Die von der Klägerin zur Begründung herangezogenen Druckschriften nähmen den Patentgegenstand weder neuheitsschädlich vorweg, noch führten sie den Fachmann ohne das Hinzutreten erfinderischer Tätigkeit zu ihm hin. Auch das Gerät "Nokia 9000 Communicator" stünde dem Streitpatent nicht entgegen.
Die Beklagte hat als Druckschrift B1 eine Übersetzung der japanischen Druckschrift K7 in die deutsche Sprache vorgelegt.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.
I. Die zulässige Klage, mit der der in § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit, und zwar insbesondere fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit, geltend gemacht wird, ist begründet.
Das Streitpatent ist, nachdem es in einer eingeschränkten Fassung verteidigt wird, in dem Umfang, in dem es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 170, 215 Tz. 15 - Carvedilol II m. w. N.; vgl. Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 22 Rn. 50 m. w. N.).
Die weitergehende Klage hat ebenfalls Erfolg, weil der Patentgegenstand weder im Umfang des Hauptantrages, noch im Umfang der Hilfsanträge patentfähig ist.
II. 1. Das Streitpatent betrifft ein Funkgerät mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Nachricht und mit einer Anzeigevorrichtung, wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen.
Das Streitpatent geht davon aus, dass es in Mobilfunksystemen, wie beispielsweise in nach dem GSM-Standard (groupe speciale mobile) funktionierenden Mobilfunksystemen, vorgesehen ist, dass Teilnehmer in Mobilfunknetzen Kurznachrichten senden und empfangen können. Ein Beispiel für einen solchen Kurznachrichtendienst ist gemäß dem Streitpatent der sogenannte SMS-Dienst (Short Message Service). Der Eingang einer solchen Kurznachricht werde bei typischen Mobilfunktelefonen dem Adressaten durch eine entsprechende Anzeige im Display des Telefons mitgeteilt (Absatz [0001] der Patentschrift).
Mit dem Patentgegenstand soll ein Funkgerät bereitgestellt werden, bei dem der Eingang einer Nachricht auch dann signalisierbar ist, wenn die Anzeigevorrichtung sich in einem bestimmten Betriebszustand befindet, also beispielsweise ausgeschaltet ist (Absatz [0004] der Patentschrift).
Damit richtet sich die Lehre des Streitpatents ihrem Inhalt nach allgemein an einen Elektroingenieur mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung im Entwickeln von Funkgeräten, insbesondere Mobilfunkgeräten, wie z. B. Mobilfunktelefonen. Von einem solchen Fachmann kann erwartet werden, dass er über Kenntnisse im Bereich der Entwicklung einer bedienerfreundlichen Mensch-Maschine-Schnittstelle verfügt.
2. a) Zur Lösung der genannten Aufgabe sieht der verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ein Funkgerät vor, das nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist:
(1) Mobilfunktelefon
(2) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Nachricht und
(3) mit einer Anzeigevorrichtung,
(3.1) wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und
(3.2) wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen.
(4) Das Mobilfunktelefon weist einen Nachrichtenindikator auf, wobei
(4.1) der Eingang der Nachricht durch den Nachrichtenindikator mittels einer Signalisierung,
(4.2) unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung signalisierbar ist und
(4.3) der Nachrichtenindikator eine Leuchtdiode ist.
Einige der im Anspruch verwendeten Begriffe bedürfen der näheren Erläuterung bzw. Auslegung. Der Senat legt dem Anspruch folgendes Verständnis zu Grunde:
Der Begriff "Mobilfunktelefon" (Merkmal 1) bezeichnet jedwede technische Vorrichtung, die in der Lage ist, an der Kommunikation in einem Mobilfunksystem (z. B. nach dem GSM-Standard (groupe speciale mobile)) teilzuhaben.
Unter einer "Anzeigevorrichtung" (Merkmale 3, 3.1, 3.2, 4.2) wird eine Vorrichtung verstanden, die eine optisch wahrnehmbare Information wiedergeben kann. Typischerweise handelt es sich um ein sogenanntes Display, wobei es allerdings auf die Größe, Funktionsweise etc. nicht ankommt, sondern lediglich von Belang ist, dass die Vorrichtung einen eingeschalteten (Merkmal 3.1) und einen ausgeschalteten Betriebszustand (Merkmal 3.2) einnehmen kann.
Die Begriffe "eingeschalteter Betriebszustand" (Merkmal 3.1) und "ausgeschalteter Betriebszustand" (Merkmal 3.2) sind weit auszulegen und beschreiben nicht nur die herkömmlichen Zustände "Ein" und "Aus". So wird beispielsweise dem Begriff "ausgeschalteter Betriebszustand" nicht allein die Bedeutung zugeordnet, dass die Anzeigevorrichtung in diesem Zustand vollständig abgeschaltet und deaktiviert ist. Dieses weite Verständnis ergibt sich aus dem Zusatz "wenigstens einen", der vom Fachmann nur so verstanden werden kann, dass es auch mehrere qualitativ unterscheidbare ein- bzw. ausgeschaltete Betriebszustände geben kann, die sich beispielsweise im Grad des "Ausgeschaltetseins" unterscheiden. Das bedeutet, dass auch ein Zustand, in dem die Anzeige auf bestimmte Teile der Anzeigevorrichtung eingeschränkt ist, als ausgeschaltet anzusehen ist.
Der Begriff "Nachricht" (Merkmale 2, 4.1) wird mangels einer einengenden Definition in Beschreibung und Ansprüchen des Streitpatents als sehr umfassend verstanden und bezeichnet jede Art von Information oder Signal, die vom Funkgerät empfangen werden kann.
Unter einem "Nachrichtenindikator" als solchen (Merkmale 4, 4.1) wird jede Einrichtung verstanden, die einen Hinweis auf eine Nachricht oder den Nachrichteneingang (Merkmal 4.1) liefern kann. Nur soweit durch Merkmal 4.3 definiert ist, dass der Nachrichtenindikator eine Leuchtdiode ist, erfährt der Begriff des Nachrichtenindikators eine Einschränkung. Im Übrigen wird der Fachmann verstehen, dass der Nachrichtenindikator nicht Teil der Anzeigevorrichtung selbst, sondern eine davon physisch getrennte Einrichtung ist. Der Senat geht bei dieser Auslegung davon aus, dass die vom Nachrichtenindikator vorgenommene Signalisierung gemäß Merkmal 4.2 unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung erfolgen soll. Wäre der Nachrichtenindikator selbst Teil der Anzeigevorrichtung, wäre er nicht in der Lage, unabhängig von deren Zustand, d. h. in jedem denkbaren Zustand der Anzeigevorrichtung, zu signalisieren.
b) Der so verstandene Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag wird durch die Druckschrift JP 10-164664 A (K7, K8, B1) neuheitsschädlich vorweggenommen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die deutsche Übersetzung (K8) der japanischen Druckschrift (K7).
Aus der Druckschrift K8 ist ein Mobilfunktelefon (Titel der Erfindung; Merkmal 1), als bekannt entnehmbar, das zum Datenempfang und insbesondere zum Nachrichtenempfang eingerichtet ist und demzufolge eine Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Nachricht (Patentanspruch 1, Absatz 0020; Merkmal 2) und eine Displayeinheit 2, mithin eine Anzeigevorrichtung, aufweist (Patentanspruch 1, Absatz 0008, Figur 2; Merkmal 3). Die Anzeigevorrichtung ist - für den Fachmann selbstverständlich - dafür vorgesehen, wenigstens einen eingeschalteten Betriebszustand einzunehmen (Merkmal 3.1).
Die Displayeinheit 2 kann infolge der mit einem Klappscharnier 5A versehenen Gehäusekonstruktion zwei Positionen einnehmen: eine Position, in der das Telefon zusammengeklappt ist, und eine Position, in der das Telefon aufgeklappt ist. Der jeweilige Zustand des Telefons wird - sofern das Telefon überhaupt eingeschaltet ist - mittels eines Schalters 210 detektiert und in einer Schaltung 160 ausgewertet. Es ist zwar in der Druckschrift K8 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Displayeinheit in der Position, in der das Mobiltelefon zusammengeklappt ist, ausgeschaltet wäre, sondern lediglich, dass es von der Eingabeeinheit 3 verdeckt und damit nicht sichtbar ist (Absatz 0013). Es ist aber in Bezug auf ein aus dem Stand der Technik prinzipiell bekanntes Telefon, bei dem die beschriebene Erfindung zum Einsatz kommen soll, beschrieben, dass die Anzeige auf dem Display im zusammengeklappten Zustand mit dem Ziel, den Verbrauch an elektrischer Energie zu vermindern, auf bestimmte Inhalte eingeschränkt ist (Absatz 0003). Insoweit versteht der Fachmann auch ohne ausdrückliche Offenbarung, dass die Displayeinheit in der Lage ist, "wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen" (Merkmal 3.2). Ein weiterer "ausgeschalteter Betriebszustand" ergibt sich zudem, wenn das Telefon als Ganzes vollständig ausgeschaltet ist. Auch insoweit bedarf es für den Fachmann keiner ausdrücklichen Offenbarung in der Druckschrift.
Das aus der Druckschrift K8 als bekannt entnehmbare Mobilfunktelefon weist eine Zustandsanzeigeeinheit (LEDs 4A, 4B) auf, welche in der Lage ist, verschiedene Klassen von Empfangs- und Gerätezuständen in jeweils unterschiedlicher Art durch Aufblinken und/oder Farbwechsel anzuzeigen (Patentanspruch 1, Absatz 0008). Dadurch, dass auch Empfangszustände, wie z. B der Eingang einer E-Mail signalisiert werden können (Absätze 0011, 0020, 0023), handelt es sich bei der Zustandsanzeigeeinheit zugleich um einen Nachrichtenindikator (Merkmale 4, 4.1) der mittels Leuchtdioden realisiert ist (LEDs 4A, 4B; Merkmal 4.3).
Die Druckschrift K8 lehrt weiter, dass auf Grundlage der Detektionssignale aus der Detektorschaltereinrichtung die Darstellungsform zumindest einer der auf der Zustandsanzeigeeinheit angezeigten Zustandsklassen (einschließlich der Nichtanzeige), je nach dem, ob das Gerät zu- oder aufgeklappt ist, verändert wird (vgl. Patentanspruch 1). Der Begriff "Zustandsklassen" steht dabei als Sammelbegriff für Empfangs- und Gerätezustandsklassen. Empfangszustandsklassen kennzeichnen unterschiedliche Empfangszustände, z. B. eingehende Anrufe oder Nachrichten, und Gerätezustandsklassen kennzeichnen unterschiedliche Gerätezustände, wie den Akku-Ladezustand, die Empfangsbereitschaft etc..
Dieser Offenbarungsgehalt lässt offen, welche Zustandsklassen in Abhängigkeit davon, ob das Gerät zu- oder aufgeklappt ist, mit einer veränderten Darstellungsform, d. h. unterschiedlich signalisiert werden. Eine der Möglichkeiten ist in dem - auch hinsichtlich der Offenbarung nicht beschränkend wirkenden - Ausführungsbeispiel beschrieben. Dabei werden die verschiedenen Empfangszustände abhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung signalisiert, insbesondere abhängig davon, ob das Telefon aufgeklappt oder zugeklappt ist (Absatz 0022). Dem Fachmann ist durch die allgemeine Formulierung der Offenbarung mit Patentanspruch 1 aber auch die Alternative mitgeteilt, dass die zumindest eine der auf der Zustandsanzeigeeinheit angezeigten Zustandsklassen, bei der die Darstellungsform in Abhängigkeit vom Betriebszustand des Telefons verändert wird, eine Gerätezustandklasse sein kann und die Darstellungsform bei den anderen Klassen, insbesondere also auch bei den Empfangszustandsklassen, unabhängig vom aufgeklappten bzw. zugeklappten Zustand des Telefons ist. Wegen des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen aufgeklapptem bzw. zugeklapptem Telefon einerseits und Betriebszustand andererseits ist somit in der Druckschrift zugleich als eine offensichtliche Ausgestaltung offenbart, dass die Signalisierung der Empfangszustandsklassen unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung sein kann (Merkmal 4.2).
Der Druckschrift K8 kann somit ein Gerät mit allen Merkmalen des mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs 1 entnommen werden.
Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der beschränkt verteidigte Patentanspruch 1 in zulässiger Weise insbesondere dadurch gebildet werden konnte, dass nur das Merkmal 4.3 des erteilten Patentanspruchs 7 in den erteilten Patentanspruch 1 aufgenommen wurde, oder ob wegen der im erteilten Patentanspruch 7 enthaltenen Rückbeziehung auf die erteilten Patentansprüche 4 bis 6 noch weitere Merkmale hätten berücksichtigt werden müssen.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den rückbezogenen Unteransprüchen eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfsanträge versucht, zur Patentfähigkeit der dort beanspruchten Gegenstände zu gelangen.
3. a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I sieht ein Mobilfunktelefon vor, das nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag kursiv):
(1) Mobilfunktelefon
(2) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Kurznachricht und
(3) mit einer Anzeigevorrichtung,
(3.1) wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und
(3.2) wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen.
(4) Das Mobilfunktelefon weist einen Nachrichtenindikator auf,
(4.1) wobei der Eingang der Kurznachricht durch den Nachrichtenindikator mittels einer Signalisierung,
(4.2) unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung signalisierbar ist, und
(4.3) der Nachrichtenindikator eine Leuchtdiode ist.
(5) Der Kurznachricht ist wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet.
(6) Das Mobilfunktelefon weist als Mittel zur Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters eine Auswertevorrichtung auf.
(7) Die Signalisierung ist in Abhängigkeit einer Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters vorgesehen.
(8) Das Mobilfunktelefon weist eine Eingabevorrichtung auf.
(9) Die Eingabevorrichtung ist derart ausgestaltet, dass Informationen zur Steuerung der Auswertevorrichtung eingebbar sind.
(10) Die Auswertevorrichtung ist derart konfigurierbar, dass unterschiedliche Kurznachrichten unterschiedlich zur Anzeige kommen.
Einige der in dieser Anspruchsfassung verwendeten Begriffe bedürfen der näheren Erläuterung. Der Senat legt dem Anspruch folgendes Verständnis zu Grunde:
Der Begriff "Nachrichtenparameter" (Merkmale 5, 6, 7) bezeichnet eine die Nachricht beschreibende Information, die mit der Nachricht selbst eng verbunden sein kann, aber nicht verbunden sein muss. Der Nachrichtenparameter ist der Nachricht nämlich "zugeordnet", wobei das diesbezügliche Merkmal keine Einschränkung dahingehend definiert, durch welche Mittel und zu welchem Zeitpunkt die Zuordnung erfolgt. Somit ist das Merkmal 5, nach dem der Nachricht wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet ist, kein Merkmal des beanspruchten Mobilfunktelefons als solchen, sondern ein Merkmal der mit dem Funkgerät empfangbaren und auswertbaren (verarbeitbaren) Nachricht. Das Merkmal bestimmt das Mobilfunktelefon lediglich insoweit, dass es die Fähigkeit haben muss, eine Nachricht empfangen zu können und den der Nachricht zugeordneten Nachrichtenparameter auswerten zu können, wozu ausdrücklich in den Merkmalen 2 und 6 entsprechende Mittel vorgesehen sind. Das hat zur Folge, dass das Merkmal 5 als solches für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Patentgegenstandes außer Betracht bleiben kann. Jegliche Implikationen werden von den übrigen Merkmalen aufgefangen.
Den Begriff "Auswertung" (Merkmale 6, 7) legt der Senat dahingehend aus, dass hierunter Berechnungen, Vergleiche, Analysen und sonstige Methoden der Beurteilung des Wertes oder des Bedeutungsgehalts des Nachrichtenparameters verstanden werden. Von dem Begriff nicht umfasst ist allerdings die Bestimmung des Wertes des Nachrichtenparameters. Die Bestimmung des Wertes des Nachrichtenparameters wäre ein der Auswertung desselben vorausgehender Schritt.
Unter einer "Eingabevorrichtung" (Merkmal 8) wird eine Vorrichtung verstanden, mittels derer Daten zur weiteren Verarbeitung durch das Mobilfunktelefon eingegeben werden können. Typischerweise handelt es sich um eine Tastatur.
Der Begriff der "Kurznachricht" grenzt die zu empfangenden Nachrichten jedenfalls gegenüber einem gewöhnlichen Sprach-Telefonanruf ab. Mangels einer einengenden Definition in Beschreibung und Ansprüchen des Streitpatents ist er keinesfalls auf die in der Beschreibung des Streitpatents exemplarische genannten SMS-Nachrichten beschränkt; auch andere vergleichsweise kurze Datensendungen sind unter diesem Begriff zu subsumieren.
Das Merkmal 10, demgemäß unterschiedliche Kurznachrichten unterschiedlich zur Anzeige kommen, legt der Senat weit aus hinsichtlich des Ortes der Anzeige am Endgerät. So ist von diesem Merkmal eine Anzeige an der Anzeigevorrichtung ebenso umfasst wie eine Anzeige, im Sinne einer Signalisierung, mittels des Nachrichtenindikators.
b) Der so verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Neben den unter 2.b zum Hauptantrag erläuterten Merkmalen 1 bis 4.3 sind aus der Druckschrift K8 auch die Merkmale 5, 6, 7 bereits vorbekannt, wobei die in den Merkmalen 2 und 4.1 gegenüber dem Hauptantrag getroffene Einschränkung auf Kurznachrichten zu keiner anderen Beurteilung führt, da auch die Druckschrift K8 infolge der dort gelehrten Empfangbarkeit von "Daten, Service-Nachrichten oder E-Mails" (Absatz 0028) in dem Fachmann offensichtlicher Weise die Empfangbarkeit von Kurznachrichten adressiert.
Das Mobilfunktelefon gemäß der Lehre der Druckschrift K8 ist in der Lage, zwischen eingehenden Anrufen und eingehenden Daten (Nachrichten) zu unterscheiden (Absätze 0002, 0021). Dabei ist den Nachrichten wenigstens ein Nachrichtenparameter, dort z. B. ein Datentransferfähigkeitscode, zugeordnet (Absatz 0021, Figur 5B; Merkmal 5). Weiter weist das Mobilfunktelefon gemäß der Druckschrift K8 als Mittel zur Auswertung des Nachrichtenparameters eine Auswertevorrichtung, nämlich die Einrichtung 131, die der Unterscheidung von Sprache und Daten dient, auf (Absatz 0021; Merkmal 6). Die Signalisierung erfolgt dann auch gemäß der Druckschrift K8 in Abhängigkeit von der Auswertung des Parameters, indem z. B. bei Vorhandensein eines Datentransferfähigkeitscodes, mithin eines Nachrichtenparameters, mit Hilfe der als Nachrichtenindikator dienenden LED 4B der Empfang einer E-Mail (statt eines "gewöhnlichen" Anrufs) signalisiert wird (Absatz 0023; Merkmal 7).
Ausgehend von dem Mobilfunktelefon gemäß der Druckschrift K8 sieht sich der Fachmann mit dem Benutzerwunsch konfrontiert, die Signalisierung eingehender Nachrichten nutzerspezifisch konfigurieren zu können, wie dies z. B. für akustische Rufsignalisierungen bei Mobilfunktelefonen zum Anmeldezeitpunkt üblich war (vgl. etwa die zum Anmeldezeitpunkt verbreitete Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Klingeltones). Lösungsvorschläge zur Bewältigung dieses zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehörenden technischen Problems (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III) bietet der Stand der Technik dem Fachmann in Form der K13, die sich damit beschäftigt, dem Nutzer eines Mobiltelefons die Art der eingehenden Kommunikation durch benutzerkonfigurierbare Farbcodes zu signalisieren (Abstract). Die Druckschrift K13 geht dabei u. a. von dem Problem aus, dass die Anzahl der Kategorien, in die die eingehende Kommunikation zerfällt, immer weiter ansteigt (Sp. 1, Z. 29 bis 35) und schlägt für eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche die Signalisierung jeder Art eingehender Kommunikation mittels Farbcodes auf einem Nachrichtenindikator (dort "indica" genannt) des Mobilfunktelefons vor (Sp. 1, Z. 54 bis 67), welcher unter Verwendung von LEDs gebildet sein kann (Sp. 3, Z. 23 bis 28).
Das Mobilfunktelefon gemäß der Lehre der Druckschrift K13 ist von herkömmlichem Aufbau (Sp. 2, Z. 24 bis 26) und weist - wie auch das Mobilfunktelefon nach der Druckschrift K7 - eine Eingabevorrichtung auf (dort keypad 20, Fig. 2; Merkmal 8). Diese Eingabevorrichtung ist derart ausgestaltet, dass Informationen zur Steuerung der Auswertevorrichtung (dort der Mikroprozessor 25) eingebbar sind (Sp. 3, Z. 5 bis 22; Merkmal 9). Die K13 beschreibt bezüglich eines Ausführungsbeispiels, dass die Auswertevorrichtung derart konfigurierbar ist, dass von unterschiedlichen Rufnummern ankommende Telefonanrufe unterschiedlich zur Anzeige kommen (Sp. 3, Z. 45 bis Sp. 4, Z. 4) und dass ebenso der Eingang einer Nachricht (voice mail message) signalisiert werden kann. Da es ein generelles Ziel der Druckschrift K13 darstellt, jede Art von eingehender Kommunikation signalisieren zu können (vgl. Sp. 1, Z. 23 bis 26 und 64 bis 67), ist dem Fachmann damit jedenfalls nahegelegt, auch Kurznachrichten (z. B. im Rahmen des SMS-Dienstes generierte), die wie ankommende "gewöhnliche" Sprach-Telefonanrufe ebenfalls eine Rufnummer des Senders enthalten, absenderspezifisch und somit bei unterschiedlichen Absendern unterschiedlich anzuzeigen (Merkmal 10).
Der Beklagten ist zuzustimmen, dass der Druckschrift K13 keine Aussagen oder Hinweise auf das Zusammenspiel zwischen einem Display und dem Nachrichtenindikator entnehmbar sind. Dies wird der Fachmann jedoch derart verstehen, dass es eben auf dieses Zusammenspiel für eine Umsetzung der Lehre der K13 nicht ankommt, er vielmehr ohne weitere Bedenken diese Lehre auf ein Mobilfunktelefon nach der Lehre der Druckschrift K8 anwenden kann, ohne das dort beschriebene Zusammenspiel zwischen Display und dem Nachrichtenindikator in Frage stellen zu müssen.
Die Beklagte hat weiter ausgeführt, die Druckschrift K13 sehe nur eine anruferspezifische Signalisierung im Zusammenhang mit Telefonanrufen vor, nicht jedoch in Zusammenhang mit Kurznachrichten. Dies ergebe sich auch aus der Beschreibung in Spalte 5, Zeile 11 ff., gemäß der jeder Art von Ereignis (z. B. Alarme, Memos und Sprachnachrichten-Indikatoren) ein Speicherfeld (field) zugeordnet werde und entsprechend nur jeder dieser Kategorien (eben dem field) ein Farbcode (Spalte 5, Zeile 60 ff.) zugeordnet sei. Diese Auslegung ist in Ansehung der Beschreibung der K13 schon deshalb nicht haltbar, da die Druckschrift K13 über die Aufteilung in Speicherfelder (fields) hinaus die feinere Aufteilung in Unter-Felder (subfields) kennt (Spalte 3, Z. 8 bis 10). Des Weiteren würde es in den Augen des Fachmanns, gerade vor dem in der K13 beschriebenen Vorteil, jede Art eingehender Kommunikation ("the nature of any incoming communication"; Sp. 1, Z. 66) verarbeiten zu können, keinen Sinn haben, Telefonanrufe absenderspezifisch zu signalisieren, nicht jedoch Kurznachrichten.
Ebenso wenig kann der Vortrag der Beklagten überzeugen, der Fachmann wäre bei der Lektüre der Druckschrift K13 von einem mobiltelefon-internen Anrufbeantworter ausgegangen, soweit dort die Behandlung von Sprachnachrichten adressiert ist, denn zum Anmeldezeitpunkt waren netzgestützte Kurznachrichtendienste (z. B. der SMS-Dienst, auf den sich auch die Beschreibung des Streitpatents bezieht) weit verbreitet.
Soweit sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bereit erklärte, ihr Anspruchsbegehren hinsichtlich des Merkmals 10 auf eine Signalisierung mittels des Nachrichtenindikators zu beschränken, hätte diese Änderung eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen können, da gerade diese Ausprägung dem Fachmann - wie vorgehend beschrieben - mit dem Stand der Technik nahegelegt ist.
Folglich erweist sich der Gegenstand des mit Hilfsantrag I verteidigten Patentanspruchs 1 als dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt durch den Stand der Technik nahegelegt.
Unter diesen Umständen kann auch hier dahinstehen, ob der beschränkt verteidigte Patentanspruch 1 in zulässiger Weise gebildet wurde, obwohl die Beschreibung des Streitpatents in Zusammenhang mit Merkmal 10 von "unterschiedlichen Nachrichten" und nicht von "unterschiedlichen Kurznachrichten" spricht (vgl. Absatz 0031). Ebenso kann dahinstehen, ob der Begriff "Kurznachricht" - wie die Klägerin zu bedenken gegeben hat - geeignet ist, den Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag I klar zu fassen.
4. a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II sieht ein Mobilfunktelefon vor, das nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist (Änderungen gegenüber dem Hilfsantrag I kursiv):
(1) Mobilfunktelefon
(2) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Kurznachricht und
(3) mit einer Anzeigevorrichtung,
(3.1) wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und
(3.2) wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen.
(4) Das Mobilfunktelefon weist einen Nachrichtenindikator auf,
(4.1) wobei der Eingang der Kurznachricht durch den Nachrichtenindikator mittels einer Signalisierung,
(4.2) unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung signalisierbar ist, und
(4.3) der Nachrichtenindikator eine Leuchtdiode ist.
(5) Der Kurznachricht ist wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet.
(6) Das Mobilfunktelefon weist als Mittel zur Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters eine Auswertevorrichtung auf.
(7) Die Signalisierung ist in Abhängigkeit einer Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters vorgesehen.
(8) Das Mobilfunktelefon weist eine Eingabevorrichtung auf.
(9) Die Eingabevorrichtung ist derart ausgestaltet, dass Informationen zur Steuerung der Auswertevorrichtung eingebbar sind.
(10) Die Auswertevorrichtung ist derart konfigurierbar, dass unterschiedliche Kurznachrichten unterschiedlich zur Anzeige kommen.
(11) Ein Auswahlkriterium für die unterschiedliche Anzeige besteht in der Tatsache, ob die Kurznachricht dem Benutzer bereits zugänglich gemacht wurde.
b) Der durch Hinzufügung des Merkmals 11 gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I weiter eingeschränkte Gegenstand beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Neben den unter 3.b erläuterten Merkmalen ist dem Fachmann mit der Druckschrift K13 auch das hinzugefügte Merkmal 11 nahegelegt. Denn in der Druckschrift K13 ist gerade offenbart, dass ein Auswahlkriterium für die unterschiedliche Anzeige einer Nachricht in der Tatsache besteht, ob die Nachricht (dort eine Sprachnachricht, voice mail message) dem Benutzer bereits zugänglich gemacht wurde (Sp. 5, Z. 48 bis 51). Dieses Anzeigeregime wird der Fachmann, schon um eine konsistente Bedienoberfläche zu gestalten, auch auf Kurznachrichten anwenden (Merkmal 11).
Folglich war auch der Gegenstand des mit Hilfsantrag II verteidigten Patentanspruchs 1 dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents mit dem Stand der Technik nahegelegt.
Unter diesen Umständen kann die Zulässigkeit des Anspruchs wiederum dahinstehen (vgl. hierzu schon die Ausführungen unter 2.b. und 3.b). Dies gilt in gleicher Weise für die von der Klägerin angezweifelte deutliche Offenbarung.
5. a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III sieht ein Mobilfunktelefon vor, das nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag kursiv):
(1) Mobilfunktelefon
(2) mit einer Schnittstelle zum Empfang wenigstens einer Kurznachricht und
(3) mit einer Anzeigevorrichtung,
(3.1) wobei die Anzeigevorrichtung vorgesehen ist, wenigstens einen eingeschalteten und
(3.2) wenigstens einen ausgeschalteten Betriebszustand einzunehmen.
(4) Das Mobilfunktelefon weist einen Nachrichtenindikator auf,
(4.1) wobei der Eingang der Kurznachricht durch den Nachrichtenindikator mittels einer Signalisierung,
(4.2) unabhängig vom Betriebszustand der Anzeigevorrichtung signalisierbar ist, und
(4.3) der Nachrichtenindikator eine Leuchtdiode ist.
(5) Der Kurznachricht ist wenigstens ein Nachrichtenparameter zugeordnet.
(6) Das Mobilfunktelefon weist als Mittel zur Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters eine Auswerteeinrichtung auf.
(7) Die Signalisierung ist in Abhängigkeit einer Auswertung des wenigstens einen Nachrichtenparameters vorgesehen.
(8) Das Mobilfunktelefon weist eine Eingabevorrichtung auf.
(9) Die Eingabevorrichtung ist derart ausgestaltet, dass Informationen zur Steuerung der Auswertevorrichtung eingebbar sind.
(10) Die Auswertevorrichtung ist derart konfigurierbar, dass
(10.1) beim Empfang einer Kurznachricht von einem Telekommunikationsendgerät, dem eine bestimmte Rufnummer zugeordnet ist, der Nachrichtenindikator mit einer ersten Farbe blinkt, und
(10.2) beim Empfang einer Kurznachricht als Benachrichtigung über den Eingang einer Nachricht von einer Einrichtung, welche einen Zusatzdienst zur Verfügung stellt, der Nachrichtenindikator mit einer zweiten Farbe blinkt.
b) Der so verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Senat geht hierbei davon aus, das die Begriffe "Auswerteeinrichtung" (Merkmal 6) und "Auswertevorrichtung" (Merkmale 9 und 10) technisch identische Vorrichtungen bezeichnen (vgl. auch Hilfsanträge I und II).
Zu den Merkmalen 1 bis 10 wird auf die obigen Ausführungen zu den Hilfsanträgen I und II verwiesen.
Eine Kurznachricht als Benachrichtigung über den Eingang einer Nachricht von einer Einrichtung, welche einen Zusatzdienst zur Verfügung stellt (Merkmal 10.2) ist üblicherweise genauso mit einer Absender-Rufnummer versehen wie eine Kurznachricht von einem Telekommunikationsendgerät, dem eine bestimmte absenderspezifische Rufnummer zugeordnet ist (Merkmal 10.1). Wie zum Hilfsantrag I ausgeführt, ist es dem Fachmann jedoch mit der Druckschrift K13 nahegelegt, Kurznachrichten absenderspezifisch und somit bei unterschiedlichen Absendern unterschiedlich anzuzeigen. Dass dies auch in Form verschiedener Blinkmuster geschehen kann, ist ebenfalls der Druckschrift K13 zu entnehmen (Sp. 4, Z. 1 bis 4 und Z. 58 bis 65).
Damit gelangt der Fachmann ausgehend von einem bekannten Funkgerät gemäß der Druckschrift K8 auf naheliegende Weise zu dem im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III definierten Mobilfunktelefon. Es mangelt infolge dessen an der für die Patentierung notwendigen erfinderischen Tätigkeit.
Unter diesen Umständen kann die Zulässigkeit des Anspruchs wiederum dahinstehen.
III. Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.