Entscheidungsdatum: 17.05.2017
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent 102 52 340
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Voit die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer, Dipl.-Geophys. Univ. Dr. Wollny und Dipl.-Phys. Univ. Bieringer
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 102 52 340 wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 102 52 340 (Streitpatent), das die Priorität der deutschen Anmeldung 102 51 734 vom 5. November 2002 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent, das am 11. November 2002 angemeldet worden ist und dessen Offenlegung am 19. Mai 2004 erfolgte, trägt die Bezeichnung „Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur sowie geeignete Verfahren hierfür“ und umfasst 21 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
Anspruch 1 und 14, auf die die Ansprüche 2 bis 13 bzw. 15 bis 21 rückbezogen sind, lauten nach der Patentschrift DE 102 52 340 B4 wie folgt:
Mit der am 10. September 2015 erhobenen Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 8 und 13 bis 20 des Streitpatents beruhten angesichts des Standes der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Die Gegenstände der Ansprüche 9 bis 12 und 21 seien zudem unzureichend offenbart (§§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).
Ihre Argumentation stützt die Klägerin auf folgende Dokumente:
NK1 DPMA: Registerauszug zum Aktenzeichen 102 52 340.1, Stand 10.09.2015, 5 S.
NK2 DE 102 52 340 B4 (Streitpatent)
NK3 EP 0 619 482 A1 (Druckschrift D1 des Prüfungsverfahrens)
NK4 DE 694 10 684 T2 (Dt. Übersetzung der Druckschrift NK3; zusätzlich als Druckschrift D1a bezeichnet)
NK5 EP 0 715 163 A1 (Druckschrift D3 des Prüfungsverfahrens)
NK6 FR 2 741 438 A1 (Druckschrift D2 des Prüfungsverfahrens)
NK7 Maschinenübersetzung NK6/D2 via EPA Patent Translate (hier zusätzlich als D2a bezeichnet)
NK8 Merkmalsgliederung des PA1 gemäß Streitpatent
NK9 RIBEIRO, A.F.: MACHINE VISION FOR INDUSTRY. In: Euro Conference on Vision and Control Aspects of Mechatronics (VICAM), Guimarães : Universidade do Minho. Escola de Engenharia, 1996. ISBN 972-8063-07-5. S. 19-24
NK9a Deutsche Übersetzung der Druckschrift NK9 9 S.
NK10 US 5 365 084 A (Druckschrift D4 des Prüfungsverfahrens)
NK11 DE 692 23 505 T2 (Dt. Übers. eines EP-Familienmitglieds der Druckschrift NK10, zusätzlich als Druckschrift D4a bezeichnet)
NK12 ASCHENBRENNER, N.: Werkstoffe nach Maß. In: SIEMENS AG: Pictures of the Future, Die Zeitschrift für Forschung und Innovation. Frühjahr 2003; S. 9 – 11; ISSN 1618-548X
NK13 Deutsche beglaubigte Übersetzung der Druckschrift NK6, 19 S.
NK14 SIEMENS AG: Pictures of the Future, Die Zeitschrift für Forschung und Innovation. Frühjahr 2003; 43 S.; ISSN 1618-548X
NK15 DE 100 48 749 A1 (hier zusätzlich als Druckschrift D5 bezeichnet)
NK16 PRATT, W.K.: Digital image processing. Korean student edition, 1978; Exzerpt von Titelseite und 4 S.; ISBN 0-471-01888-0
NK17 GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG ANGEWANDTER INFORMATIK E.V.: TraB Technologietransferzentrum Bildverarbeitung. 2013, 1 S.
NK18 FRANKE, K.-H. & LUCHT, C.: Automatisierung der industriellen Warenschau bei komplex gemusterter Bahnenware - eine Herausforderung an die Bildanalyse. In: 4. Workshop Farbbildverarbeitung, 1998, Koblenzer Schriften zur Informatik, ISBN 3923532-58-X. 7 S.
NK19 LANDGERICHT MANNHEIM: Aktenzeichen 2 O 57/15; Beschluss im Rechtsstreit QuISS Qualitäts-Inspektionssysteme und Service AG gegen ISRA VISION AG et al., beglaubigt 20.09.2016; 3 S.
NK20 LANDGERICHT MANNHEIM: Aktenzeichen 2 O 57/15; Urteil im Rechtsstreit QuISS Qualitäts-Inspektionssysteme und Service AG gegen ISRA VISION AG et al., beglaubigt 20.09.2016; 19 S.
NK21 Ursprüngliche Anmeldeunterlagen des Streitpatents vom 11.11.2002; 19 S.
NK22 ULUPINAR, F. & MEDIONI, G: Refining Edges Detected by a LoG Operator. In: Computer Vision, Graphics and Image Processing, 1990, Vol. 51, S. 275 — 298
NK23 ROCKETT, P.: The Accuracy of Sub-Pixel Localisation in the Canny Edge Detector. In: Electronic Proceedings of the 10th British Machine Vision Conference, The University of Nottingham, 13 – 16 September 1999, S. 392 — 401
NK24 VERNON, D.: Machine Vision, Automated Visual Inspection and Robot Vision, Prentice Hall, 1991, S. vii – xiii, S. 84 – 117 (Kapitel 5 — The Segmentation problem), ISBN 0-13-543398-3
NK25 HUERTAS, A. & MEDIONI, G.: Detection of Intensity Changes with Subpixel Accuracy Using Laplacian-Gaussian Masks. In: IEEE TRANSACTIONS ON PATTERN ANALYSIS AND MACHINE INTELLIGENCE, VOL. PAMI-8, NO. 5, SEPTEMBER 1986; S. 651 – 664
NK26 SEUL, M., O’GORMAN, L. & SAMMON, M.J.: Practical Algorithms for Image Analysis, Description, Examples, and Code. Cambridge University Press, 2000; S. 81 – 84, ISBN 0-521-66065-3
NK27 IONESCU, D. & SASARMAN, M.: Automated Optical Inspection of Geometrical Shapes. In: IMTC/09 Conference Proceedings, IEEE Instrumentation and Measurement Technology Conference, IEEE Catalog No. 98CH36222, St. Paul Minnesota, 18 - 21 May 2009, S. i – xxiv, S. 14 – 17 (zusätzlich als Druckschrift D6 bezeichnet),
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 02 52 340 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 27. März 2017, erhält,
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass der dortige Hilfsantrag 2 zum Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 3 zum Hilfsantrag 2 wird.
Die Klägerin beantragt auch insoweit die Nichtigerklärung.
Der Anspruch 1 in der mit Hauptantrag (entspricht Hilfsantrag 1 vom 27. März 2017) verteidigten Fassung lautet:
Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 12 unterscheidet sich von der erteilten Fassung lediglich durch die geänderten Rückbezüge auf die Vorrichtung nach den Ansprüchen 1 bis 11. Wegen des Wortlauts der auf Anspruch 1 und 12 rückbezogenen Unteransprüche wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 27. März 2017 verwiesen.
Der Anspruch 1 der Fassung nach dem jetzigen Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
Die Ansprüche 2 bis 18 entsprechen der Fassung nach Hauptantrag.
Der Anspruch 1 der Fassung nach dem jetzigen Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 durch die Aufnahme des erteilten Anspruchs 8 und lautet wie folgt:
Dem schließen sich nach Anpassung der Rückbezüge die Ansprüche 2 bis 17 der Fassung nach Hauptantrag an.
Den in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus überreichten Hilfsantrag 3 hat der Senat als verspätet zurückgewiesen. Wegen der Anspruchsfassung wird auf die Anlage zum Protokoll vom 17. Mai 2017 Bezug genommen.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen, insbesondere hält sie das Streitpatent in einer der verteidigten Fassungen für patentfähig.
Sie beruft sich hierbei auf folgende Dokumente:
BK1 Merkmalsgliederung des erteilten Anspruchs 1
BK2 Kommentierte Figur 4 gemäß Streitpatent.
BK3 Beglaubigte dt. Übersetzung der Druckschrift NK6 vom 08.01.2016; 19 S.
BK4 Merkmalsanalyse zu Anspruch 1 des ehemaligen Hilfsantrags 1 vom 27.03.2017 ; 1 S.
BK5 Kommentierte Fotografien „patentgemäßer Vorrichtungen A bis C“ vom 27.04.2017; 2 S.
BK6 N.N.: Beleuchtung, In Lichtgeschwindigkeit gerechnet. – In: INSPEC, 13. Jg. August 2012; Special: Grundlage der Bildverarbeitung + optischen Meßtechnik; S. 20 und 21 sowie Titelseite der Ausgabe
BK7 Beispiel Grauwertverlauf / orthogonaler Schnitt durch eine auf einem Substrat aufgetragene Dichtmittelspur / Klebstoffspur, 2 S.
Der Senat hat den Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 1. Februar 2017 die Gesichtspunkte mitgeteilt, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.
A.
Die zulässige Klage ist begründet.
Soweit das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt wird, war es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr.,vgl. auch: Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 82 Rdn. 101 m. w. Nachw.; Schulte/Voit, Patentgesetz, 10. Aufl., § 81 Rdn. 127).
Mangels Patentfähigkeit kann das Streitpatent aber auch nicht in der Fassung nach dem Hauptantrag oder in einer der Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 und 2 Bestand haben. Den erstmals in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 3 hat der Senat gemäß § 83 Abs. 4 PatG zurückgewiesen.
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur gemäß dem Anspruch 1 sowie ein geeignetes Verfahren hierfür (Streitpatent, Absatz [0001]).
Bislang würden zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur optische Vermessungen durchgeführt, wobei häufig verschiedene Systeme zur vollautomatischen Prüfung der Struktur, u. a. Klebstoff- und Dichtmittelraupen, verwendet würden. Hierzu würden eine oder mehrere Videokameras auf die zu erkennende Struktur gerichtet. Zusätzlich sei ein Beleuchtungsmodul erforderlich, das zur Erzeugung eines kontrastreichen Kamerabildes diene. Die Überprüfung der Struktur erfolge zeitlich versetzt, einige Sekunden nachdem die Struktur auf dem Substrat aufgebracht sei. Häufig erfolge die Überprüfung erst nachdem der komplette Strukturauftrag auf dem Substrat erfolgt sei. Nachteilig hieran sei, dass somit die Überprüfung separat und unabhängig von dem Aufbringvorgang durchgeführt werde, was umständlich und schwierig zu handhaben sei. Bislang wären die Systeme zur Überprüfung zu instabil und umständlich bei der Parametrisierung (Streitpatent, Absatz [0002]).
Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es somit, die bekannte Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur und ein geeignetes Verfahren hierfür derart weiterzubilden, dass einerseits eine unmittelbare Überprüfung der aufgebrachten Struktur möglich und andererseits die Überprüfung mit verbesserter Erfassung und Auswertung der aufgebrachten Struktur zu handhaben sei. Ferner sei es eine Aufgabe, auch bei nachträglicher Überprüfung das bekannte Verfahren zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur derart weiterzubilden, dass eine nachträgliche Überprüfung möglich sei und eine genaue Fehleranalyse der aufzubringenden Struktur bereitgestellt werde (Streitpatent, Absätze [0003] und [0004]).
2. Zur Lösung dieser Aufgabe wird in der erteilten Fassung mit Patentanspruch 1 eine Vorrichtung bzw. mit Patentanspruch 14 ein zugehöriges Verfahren unter Schutz gestellt, die nun nicht mehr verteidigt werden.
Stattdessen verteidigt die Beklagte mit dem nunmehrigen Hauptantrag den Gegenstand eines Anspruchs 1, der sich in folgende Merkmale gliedern lässt (Änderungen im Vergleich zum erteilten Patentanspruch 1 fett hervorgehoben):
Me |
Wortlaut |
1.0 1 |
Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem dreidimensional ausgebildeten Substrat aufzubringenden Struktur in Form einer Kleberaupe oder Dichtmaterialspur bestehend aus |
1.1 |
einem Beleuchtungsmodul und einer Sensoreinheit |
1.1a |
wobei die Sensoreinheit (3) auf der Einrichtung (1) zum Auftragen der Struktur vorgesehen ist, |
1.1a 1 |
und wobei die Einrichtung (1) zum Auftragen der Struktur in x-, y- und z-Richtung verfahrbar ist, |
1.1b |
wobei das Beleuchtungsmodul ein LED-Beleuchtungsmodul ist, welches die Bereiche Rot, Blau, Grün, Infrarot und/oder Ultraviolett ausstrahlt, |
1.c 1 |
wobei die Sensoreinheit (3) und das LED-Beleuchtungsmodul (5) in einem gemeinsamen Gehäuse an der Einrichtung (1) zum Auftragen der Struktur positionierbar sind und |
1.2 |
wobei die Auswerteeinheit einen Satz von Calipern über den mit den Bildelementen ermittelten Datensatz legt, |
1.2a 1 |
wobei die Strukturbestimmung über die Auswertung des Helligkeitsverlaufs der Grauwerte entlang der Caliper ermittelt wird, |
1.3 |
wobei die Caliper orthogonal zu der Substratspur verlaufen, und |
1.4 |
wobei die Auswerteeinheit die Strukturermittelung nach zumindest einem der folgenden Kriterien durchführt: |
1.4a |
a. Kantenstärke |
1.4b |
b. Strukturbreite |
1.4c |
c. Soll-lst-Positions-Differenz |
Gemäß geltendem Hauptantrag, wird nun ein Verfahren in Form des Gegenstandes eines Anspruchs 12 verteidigt, der sich vom erteilten Patentanspruch 14 bis auf die Nummerierung und Rückbezugsangaben nicht unterscheidet; dieser lässt sich in folgende Merkmale gliedern (Änderungen im Vergleich zum erteilten Patentanspruch 14 fett und durchgestrichen):
Me |
Wortlaut |
12.0 |
Verfahren zum Erkennen einer Struktur und insbesondere zur Anwendung bei der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 bis 13 11, welches die Schritte aufweist: |
12.1 |
a) Bereitstellen eines Beleuchtungsmoduls und einer Sensoreinheit, |
12.1a |
die auf der Einrichtung zum Auftragen der Struktur vorgesehen ist. |
12.1b |
b) Bestimmen der Struktur während die Struktur auf das Substrat aufgetragen wird, |
12.2 |
wobei das Beleuchtungsmodul ein LED-Beleuchtungsmodul ist, welches die Bereiche Rot, Blau, Grün, Infrarot und/oder Ultraviolett ausstrahlt, |
12.3 |
wobei die Auswerteeinheit einen Satz von Calipern über den mit den Bildelementen ermittelten Datensatz legt, |
12.4 |
wobei die Caliper orthogonal zu der Substratspur verlaufen, und |
12.5 |
wobei die Auswerteeinheit die Strukturermittelung nach zumindest einem der folgenden Kriterien durchführt: |
12.5a |
a. Kantenstärke |
12.5b |
b. Strukturbreite |
12.5c |
c. Soll-lst-Positions-Differenz |
Die Vorrichtung, die mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 verteidigt wird, unterscheidet sich von der Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nur in der begrifflichen Ergänzung des Merkmals 1.2a 1 (fett hervorgehoben) zu Merkmal
1.2a 2 |
wobei die Strukturbestimmung über die Auswertung des Helligkeitsverlaufs der Grauwerte entlang der Caliper Subpixel genau ermittelt wird, |
Das nebengeordnete, ebenfalls gemäß Hilfsantrag 1 verteidigte, Verfahren des Anspruchs 12 entspricht dem des Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag.
Die Vorrichtung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der gemäß Hilfsantrag 1 indem ein weiteres Merkmal zwischen dem Merkmal 1.2a 2 und dem Merkmal 1.3 eingeschoben wird, das folgendermaßen lautet:
1.2a 3 |
wobei die zweite Ableitung im Verlauf der Grauwerte zur Strukturermittelung herangezogen werden, |
Das nebengeordnete, gemäß Hilfsantrag 2 verteidigte Verfahren des Anspruchs 11 entspricht bis auf die Änderung einer Rückbezugsangabe dem des Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag.
3. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sowie die nun verteidigten Gegenstände des Streitpatents richten sich an einen Diplom-Physiker mit Berufserfahrung bei der Entwicklung optischer Inspektionssysteme für die industrielle Bildverarbeitung zum Einsatz in Fertigungsprozessen. Er verfügt über profunde Kenntnisse der Optik, insbesondere der Beleuchtung und der Abbildungsgeometrie sowie über Bilderfassungssensoren. Zu seinem Basiswissen zählen Auswerteverfahren der digitalen Bildverarbeitung.
4. Zum Verständnis der verteidigten Patentgegenstände
Dieser Fachmann versteht die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche der Antragsfassungen und die dort verwendeten Begrifflichkeiten unter Heranziehen der Beschreibung und der Figuren der Streitpatentschrift wie folgt:
Unter einer Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem dreidimensional ausgebildeten Substrat aufzubringenden Struktur in Form einer Kleberaupe oder Dichtmaterialspur ist eine Vorrichtung zu verstehen, die geeignet ist, auf einer räumlich ausgebildeten Unterlage ein sich von derselben abhebendes, pastöses Material aufzubringen, das als Struktur auf dieser Unterlage anzusprechen und nachzuweisen ist (Merkmal 1.0).
Zum Erkennen bzw. dem Nachweis bedarf es zweier Bestandteile dieser Vorrichtung und zwar eines so genannten Beleuchtungsmoduls und einer im Anspruchswortlaut nicht näher spezifizierten Sensoreinheit, die auf einer Einrichtung zum Auftragen der Struktur angebracht ist; der Fachmann weiß im gegebenen technischen Kontext, dass das Beleuchtungsmodul die Funktionsfähigkeit der Sensoreinheit beeinflusst bzw. bedingt; er wird die Sensoreinheit vor dem gegebenen technischen Hintergrund in günstiger Weise als Zeilen- oder Flächenkamera ausgestalten, auch wenn die Sensorik gemäß Anspruchswortlaut nicht darauf beschränkt ist (Merkmale 1.1, 1.1a). Die Einrichtung zum Auftragen der Struktur selbst ist dabei zum Auftragen in allen drei kartesischen Raumrichtungen (x,y,z) verfahrbar (Merkmal 1.1a 1 ).
Das Beleuchtungsmodul ist als so genanntes LED-Beleuchtungsmodul ausgestaltet, das verschiedenste EM-Spektralbereiche auszusenden vermag, sei es selektiv oder zeitgleich (vgl. hierzu die wortlautgemäß umfassten möglichen und/oder Kombinationen; Merkmal 1.1b).
Baulich sind die Sensoreinheit und das Beleuchtungsmodul an der genannten Einrichtung innerhalb eines gemeinsamen Gehäuses angeordnet, so dass sie auch gemeinsam positionierbar sind (Merkmal 1.c 1 ).
Bei der Auswerteeinheit (Merkmale 1.2 und 1.4) handelt es sich um eine Recheneinheit, die Bildverarbeitungsalgorithmen ausführt. Der Wortlaut des Anspruchs 1 legt aber nicht fest, ob sich die Auswerteeinheit in der Sensoreinheit befindet oder nur mit dieser verbunden ist, also etwa ein externer Computer ist.
Der Begriff Bildelemente und die Formulierung den Bildelementen ermittelten Datensatz finden in der Beschreibung keine konkrete Stütze. Der Fachmann wird aber das Bildelement als Fachbegriff erkennen, als Pixel ansehen, und unter einem Datensatz von Bildelementen zum Beispiel ein digitales Bild verstehen.
Die funktionalen Merkmale aller Antragsfassungen (Merkmale 1.2 teils bis 1.4c) der beanspruchten Vorrichtung versteht der Fachmann vor diesem Hintergrund folgendermaßen:
- Den im Streitpatent nicht definierten Begriff „Caliper“ verortet der Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnis (dokumentiert z. B. durch die Druckschrift RIBEIRO, 1996 (NK9)) im Bereich der digitalen Bildverarbeitung als virtuellen Messschieber, dessen Daten mittels der Auswerteeinrichtung analysiert werden; so werden Strukturdaten entlang einer Linie zwischen zwei virtuellen Schenkeln (Merkmal 1.2 teils ) über die Analyse der Grauwerte einzelner Pixel entlang besagter Linie bestimmt, wobei die Genauigkeit bis auf Subpixel-Niveau heruntergebrochen wird, indem über Rechnerkapazität die zweite Ableitung der Grauwertkurve Eingang in die Analyse findet (Merkmale 1.2a 1 bzw. 1.2a 2 ).
- Den im Streitpatent ebenfalls nicht definierten Begriff „Substratspur“ wird der Fachmann als offensichtliche Unrichtigkeit erkennen, hierunter die Soll-Spur der Struktur auf dem Substrat verstehen (vgl. Streitpatent, Figur 2, Referenzlinie „22“; Abs. [0026]) und folglich Caliper als zur Referenzlinie orthogonale Linien über das Bild der Struktur legen (Merkmal 1.3)
- Die Struktur bzw. die Position oder Breite der Struktur wird im Folgenden mittels der Auswerteeinheit bestimmt, wobei drei Kriterien betrachtet werden, und zwar eine
o Kantenstärke, d. h. in wieweit sich über eine Grauwertbetrachtung ein zu einer Kante der Struktur gehöriges / zu rechnendes Pixel von einem Pixel (ggf. Subpixel), das zum Substrat gerechnet wird, unterscheidet (Merkmal 1.4a);
o eine Strukturbreite, d. h. die geometrische Ausdehnung der aufgebrachten Struktur senkrecht zu ihrer Auftragsrichtung auf das Substrat (Merkmal 1.4b);
o eine Soll-Ist-Positionsdifferenz, d. h. die geometrische Positionsabweichung der tatsächlich aufgebrachten Struktur an bestimmten Punkten der Auftragsstrecke im Vergleich zu der Position, wie sie durch die Einrichtung vorgesehen und/oder eingelernt ist (Merkmal 1.4c).
Da die Merkmale des jeweils nebengeordneten Verfahrensanspruchs aller Antragsfassungen faktisch nur stets das zum Vorrichtungsanspruch 1 zugeordnete Verfahren beschreiben, gelten die obigen Ausführungen für diese entsprechend.
II. Zum Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit
Der Gegenstand des Streitpatents wie er mit dem Hauptantrag verteidigt wird, ergab sich für den Fachmann ausgehend von der Druckschrift FR 2 741 438 A1 (NK6) am Prioritätstag unter Einsatz seines Fachwissens in naheliegender Weise. Dies gilt im Ergebnis in gleicher Weise für die Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 und 2.
1. Zur Fassung gemäß Hauptantrag
Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung und gemäß den Ausführungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung kommt es für den Fachmann im gegebenen technischen Kontext darauf an, dass zur Erkennung der geometrischen Grenzen einer auf ein Substrat aufgebrachten Kleberaupe insbesondere mittels entsprechender Beleuchtung darauf hinzuwirken ist, optische Kontraste zwischen Substrat und Kleberaupe derart zu schaffen, dass sich diese nach der Messwertaufnahme (beispielsweise in Bildform) für eine Auswertung in Form einer Grauwertanalyse als besonders vorteilhaft erweisen.
Der so sensibilisierte Fachmann wird folglich für alle Maßnahmen, die für eine qualitativ hochwertige Messwertaufnahme samt Auswertung nötig sind, auf sein physikalisches Basiswissen zurückgreifen und sich seiner Kenntnisse auf dem Gebiet der Beleuchtungstechnik, der Bildanalysevorrichtungen und der in diesen zur Anwendung kommenden (digitalen) Bildverarbeitungsmechanismen bedienen, die am Prioritätstag vorlagen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten agiert er dabei unabhängig davon, ob im Stand der Technik explizit von pastösen (oder gar durchsichtigen) Materialien die Rede ist, die vor einem speziellen Hintergrund in ihren geometrischen Konturen zu bestimmen sind, oder ob anders geartete Objekte in einer wie auch immer gestalteten Umgebung zu bestimmen oder zu identifizieren sind; letztlich kommt es für ihn in beiden Fällen nur darauf an, die geltenden physikalischen Randbedingungen jeweils über eine an das Objekt angepasste optische Messwertaufnahme mit darauf abgestimmten Datenverarbeitungsmethoden so zu berücksichtigen, dass eine eindeutige Erkennung des Objektes ermöglicht wird.
1.1 Zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag
Aus der Druckschrift NK6 ist eine Vorrichtung zum Erkennen einer auf einem dreidimensionalen Substrat aufzubringenden Struktur in Form einer Kleberaupe oder Dichtmaterialspur bekannt (NK6, Titel: „DISPOSITIF ET PROCEDE DE CONTROLE DIMENSIONNEL D'UN CORDON DE MATIERE DEPOSE SUR UN SUPPORT” i. V. m. Figur 1: „cordon 3“, „support 5“ und S. 1, Z. 1-11, insb.: „ … L'invention va être décrite à titre d'exemple non limitatif en relation avec le depôt d'un cordon de colle sur la surface d'une tôle, … etant entendu que l'invention peut être géneralisée et étendue au contrôle du depôt d'une matière pâteuse ou pulverulente quelconque sur un support de toute nature.“ (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal 1.0 1 ).
Die bekannte Vorrichtung weist hierzu ein Beleuchtungsmodul 6 („moyens d'éclairage 6“ z. B. NK6, S. 5, Z. 16 und Z. 22-25) und eine Sensoreinheit 7 („caméra 7“ z. B. NK6, S. 5, Z. 17 und Z. 26-32) auf (Merkmal 1.1). Die Sensoreinheit 7 ist auf einer Einrichtung zum Auftragen der Struktur vorgesehen („dispositif 1“ mit „buse d'extrusion 2“ zum Auftragen eines „cordon de matière 3“ z. B. NK6, S. 5, Z. 10-21 i. V. m. Figur 1; Merkmal 1.1a) und es wird allgemein die Möglichkeit beschrieben, die pastösen Materialien, die mit dieser Vorrichtung zum Auftrag kommen, über eine dreidimensionale Verfahrbarkeit der Düse aufzubringen (NK6, S. 1, Z. 1-11 i. V. m. S. 1, Z. 16f: „La buse est par exemple fixe, et la tôle est mobile par rapport à la buse selon une trajectoire tridimensionnelle.“ (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal 1.1a 1 ).
Das aus dieser Druckschrift bekannte Beleuchtungsmodul 6 weist keine LEDs auf, die speziell die EM-Bereiche des Rot, Blau, Grün, IR und/oder UV abdecken, vielmehr ist hier von einer Halogenlampe die Rede, die die Beleuchtung des Untersuchungsbereichs vornimmt (z. B. NK6, S. 5, Z. 22-25: „Les moyens d'éclairage 6 sont de préférence constitués par une lampe halogène dont le faisceau est dirigé vers le cordon 3, et de puissance suffisante pour que la zone éclairée ne soit pas perturbée par l'éclairage ambiant dans l'atelier.“ (Unterstreichung hinzugefügt); Merkmal 1.1b ).
Nicht explizit ist es der Druckschrift zu entnehmen, dass das Beleuchtungmodul und die Sensoreinheit (NK6, Figur 1: „moyens d'éclairage 6“, „caméra 7“) in einem gemeinsamen Gehäuse der Einrichtung untergebracht sind; für eine derartige fachmännische Maßnahme sind jedoch vor dem gegebenen technischen Hintergrund keine besonderen Umstände feststellbar, die eine solche aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen und welche der Fachmann folglich bei Bedarf aufgrund seines Fachwissen umsetzt (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem, Leitsatz; Merkmal 1.c 1 ).
Die Existenz einer Auswerteeinheit ist für den Fachmann bei der bekannten Vorrichtung funktionsnotwendig, da ansonsten die dort geschilderten Erkennungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden könnten (NK6, Figur 1 i. V. m. S. 4, Z. 19-26: „- pour déterminer le diamètre du cordon courant, on détermine ses limites transversales à l'aide de niveaux de gris, le passage sur le cordon correspondant à un front montant d'un signal représentatif du niveau de gris, et le passage pour quitter le cordon correspondant à un front descendant du signal représentatif du niveau de gris, le diamètre courant du cordon étant constitué par la distance entre le front montant et le front descendant.” (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal 1.2).
Was die Behandlung und Auswertung der mit der Einrichtung (1) aufgezeichneten Bilder anbelangt, so ist aus dieser Druckschrift gemäß obiger Lesart auch der Einsatz einer Auswerteeinrichtung im Zusammenhang mit Calipern bekannt (NK6, S. 4, Z. 19-26 und S. 8, Z. 26-29 i. V. m. Figur 1 und „cordon de matière 3“) sowie, dass diese für einen Fachmann in der Praxis geschuldeten Fehler-/Toleranzgrenzen orthogonal zu einer dortigen Substratspur verlaufen, d.h. bildverarbeitungstechnisch mit einem Winkel nahe an 90°, um je nach Lichtdesign entlang der genannten Caliper entsprechende/vermutete/angestrebte Übergänge zwischen beleuchtetem Substrat und aufliegender Struktur sensorisch in Form eines möglichst kontrastreichen Helligkeitsverlaufs von Graustufen situationsabbildender Pixel zu ermitteln (NK6, Figur 4 i. V. m. S. 8, Z. 26 bis S. 9, Z. 2: „Considérons l'image traitée numéro n (voir figure 4). Les points An et Bn sont fournis par la phase d'apprentissage comme décrit plus haut, puis les profils Pi successifs orthogonaux au segment [An,Bn] sont positionnés. Selon l'invention, l'algorithme de contrôle permet de déterminer les bords supérieurs B2i et inférieur B2i+1 du cordon 3, malgré la présence possible de reflets sur la tôle et/ou le cordon.” (Unterstreichungen hinzugefügt) i. V. m. S. 4, Z. 13-26, insb.: „ ... pour déterminer le diamètre du cordon courant, on détermine ses limites transversales à I'aide de niveaux de gris. le passage sur le cordon correspondant à un front montant d'un signal représentatif du niveau de gris, et le passage pour quitter le cordon correspondant à un front descendant du signal representatif du niveau de gris, ... .” (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmale 1.2 Rest , 1.2a 1 , 1.3, 1.4).
Die für eine Strukturermittlung relevanten Kriterien sind ebenfalls bereits in dieser Druckschrift verwirklicht, im Einzelnen:
- Kantenstärke: indem die Strukturermittlung mittels einer Schwellwertbestimmung der Grauwerte entlang einer Querlinie zur langgesteckten Struktur und zwar an der jeweils zugehörigen ansteigenden und an der abfallenden Flanke derselben durchgeführt wird (NK6, S. 4, Z. 19-26: „- pour déterminer le diamètre du cordon courant, on détermine ses limites transversales à l'aide de niveaux de gris, le passage sur le cordon correspondant à un front montant d'un signal représentatif du niveau de gris, et le passage pour quitter le cordon correspondant à un front descendant du signal représentatif du niveau de gris, le diamètre courant du cordon étant constitué par la distance entre le front montant et le front descendant.” (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal 1.4a);
- Strukturbreite: vgl. NK6, ebenda, Stichwort: „déterminer le diamètre du cordon courant“ (Unterstreichung hinzugefügt); Merkmal 1.4b);
- Soll-Ist-Positionsdifferenz: indem hier die Position der aufgebrachten Raupe im Verhältnis zu einer Referenzraupe bestimmt wird (NK6, S. 4, Z. 14-18: „- pour déterminer la position du cordon courant par rapport au cordon de référence, on détermine la distance entre la médiane du cordon de référence et la médiane du cordon courant, en une pluralité de plans transversaux successifs du cordon dans le sens de formation de celui-ci;” (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal 1.4c).
Somit sind bis auf das Merkmal 1.1b, das im Beleuchtungsmodul den Einsatz von LEDs mit bestimmtem EM-Spektrum vorsieht, sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aus dieser Druckschrift bekannt.
Zum Prioritätszeitpunkt waren verschiedenfarbige LEDs bereits einige Jahre bekannt – demzufolge auch ihre Vorteile gegenüber anderen gängigen Leuchtmitteln wie etwa breitbandig abstrahlenden Glühlampen. Der Durchschnittsfachmann wird sich entsprechend seiner Inspektionsaufgabe (z. B. semitransparente Kleberaupe vor reflektierendem Metalluntergrund) und den sich ihm bietenden Randbedingungen (z. B. Abschattungen, Streuungen) das am geeignetsten erscheinende Leuchtmittel samt Spektralbereich in der gewünschten Form und Anzahl oder eine Kombination derselben mit jeweils unterschiedlichem Wellenlängenspektrum so auswählen, dass er sein Ziel auf möglichst unmittelbare Weise erreicht. Widerstände, die eine solche Maßnahme aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen, kann der Senat in diesem technischem Kontext nicht erkennen, weshalb diese auch keine erfinderische Tätigkeit begründen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem, Leitsatz).
Dem Fachmann ist der prinzipielle Einsatz von LEDs zur Beleuchtung überdies auch im streitpatentverwandten Umfeld im Rahmen einer Objekterkennung bekannt, wie sie etwa die Druckschrift US 5 365 084 A (NK10) zeigt. Dort wird ein Beleuchtungsmodul („lighting array 16“) explizit mit LEDs realisiert, weil erkannt wurde, dass diese Vorteile gegenüber sonst üblichen Beleuchtungskörpern wie Glühlampen, aufweisen; gleichfalls bedienen die dort benannten LEDs auch ausdrücklich unterschiedliche EM-Bereiche (NK10, Sp. 2, Z. 34-68 i. V. m. Sp. 3, Z. 10-32, insb.. „array of light emitting elements formed of LEDs of multiple spectral characteristics.” (Unterstreichung hinzugefügt)).
Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.
1.2 Zum Anspruch 12 gemäß Hauptantrag
Im Falle des nebengeordneten Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag wird lediglich das zur Vorrichtung zugehörige Verfahren beansprucht. Das beanspruchte Verfahren zum Erkennen einer Struktur nach dem Anspruch 12 lässt keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt erkennen; Gegenteiliges wurde seitens der Beklagten auch nicht vorgetragen, daher teilt Anspruch 12 in Folge das Schicksal des Anspruchs 1.
1.3 Zu den Unteransprüchen gemäß Hauptantrag
Die Unteransprüche 2 bis 11 und 13 bis 18 teilen das Schicksal der unabhängigen Ansprüche, weil sie nicht mehr als handwerkliche Lehren zum technischen Handeln darstellen und damit nichts eigenständig Patentfähiges enthalten. Zudem wurde seitens der Beklagten auch nichts Gegenteiliges geltend gemacht.
2. Zu den Gegenständen nach Hilfsantrag 1 und 2
Soweit die Beklagte das Streitpatent in der Fassung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 bzw. 2 verteidigt, kann dies in beiden Fällen nicht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit beseitigen.
Beide Merkmalsergänzungen (d. h. die Merkmale 1.2a und 1.2a 3 ) stellen im gegebenen Kontext letztlich nur fachmännische Maßnahmen im Rahmen einer digitalen Bildverarbeitung dar, über die ein Fachmann zum Prioritätszeitpunkt als Basiswissen verfügte, und welche er - sofern sie ihm notwendig und sinnvoll erschienen - auch entsprechend für die Aufbereitung seiner optischen Messdaten einzusetzen weiß, ohne dass ihm eine solche Maßnahme aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen würde (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem, Leitsatz). Daher kann das Vorsehen derartiger Auswertefunktionen auch keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Zum Beleg des zum Prioritätszeitpunkt angesetzten einschlägigen Fachwissens sei ergänzend auf die Lehrbuchauszüge HUERTAS & MEDIONI, 1991(NK25), dort insbesondere Abstract, S. 651, „I. Introduction“, linke Spalte, Absatz 1 und Figur 2 i. V. m. S. 652 „A. Detection of Intensity Changes“, linke Spalte, Absatz 1, sowie SEUL et al., 2000 (NK26), dort insbesondere S. 81, „3.4.1 SIMPLE EDGE DETECTION: DIFFERENCE OPERATORS“, Absätze 1 bis 4 i. V. m. S. 82, Figur 3.4.2 mit Figurenunterschrift, verwiesen, die letztlich beide vor dem Hintergrund einer angestrebten „subpixel accuracy“ insbesondere die Auswertung der zweiten Ableitung des Grauwertintensitätsverlaufs von benachbarten Pixeln lehren.
Das nebengeordnete Verfahren des Anspruchs 12 bzw. 11 beider Antragsfassungen entspricht - bis auf die Nummerierung und eine Rückbezugsangabe in letzterem Fall - dem Anspruch 12 gemäß Hauptantrag und leistet keinen eigenen erfinderischen Beitrag. Jedenfalls wurde hierzu von der Beklagten nichts Gegenteiliges vorgetragen. Er teilt somit das Schicksal des jeweiligen Anspruchs 1 der entsprechenden Hilfsanträge. Gleiches gilt auch für die jeweiligen Unteransprüche, zu denen von der Beklagten ebenfalls nichts weiter vorgetragen wurde, was eine Patentfähigkeit begründen würde.
Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen kann daher dahinstehen, ob der Hilfsantrag 1 in vorliegender Form zulässig ist bzw. ob die seitens der Beklagten in allen Antragsfassungen substantiiert angegriffenen Gegenstände einzelner Unteransprüche tatsächlich so deutlich offenbart sind, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 PatG).
III. Zum Hilfsantrag 3
Der Senat hat den in der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Hilfsantrag 3 nach § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG als verspätet zurückgewiesen.
Nach dieser Vorschrift kann das Patentgericht eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung zurückweisen, die nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme auf den qualifizierten Hinweis (§ 83 Abs. 2 PatG) vorgebracht wird, und unter den Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 PatG ohne weitere Ermittlungen entscheiden.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 basiert auf der Fassung nach Hilfsantrag 2 und enthält am Ende zusätzlich das folgende Merkmal:
Zur Offenbarung verweist die Beklage auf die erteilten Ansprüche 9 und 10 sowie auf den vorletzten Satz in Absatz [0030] der Streitpatentschrift in Verbindung mit Figur 8.
Die Klägerin, die die Antragsstellung als verspätet rügt, weist zu Recht darauf hin, dass diese Merkmalskombination bisher nicht Gegenstand der Erörterungen zwischen den Parteien gewesen sei. Aufgrund des bisherigen Vortrags der Beklagten und deren Verteidigung mit dem Haupt- und den Hilfsanträgen war nach Auffassung des Senats auch nicht ansatzweise damit zu rechnen, dass die Beklagte einen solchen Gegenstand beanspruchen werde. Zudem hatte die Klägerin bereits in der Klageschrift gerügt, dass ein Fachmann die Erfindung teilweise nicht ausführen könne und hierzu die erteilten Ansprüche 9 bis 12 und 21 genannt. Eine schriftsätzliche Äußerung der Beklagten hierzu erfolgte nicht, auch nicht, nachdem der Senat im qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG angemerkt hatte, dass hierzu eine Stellungnahme der Beklagten ausstehe und er sich vorläufig insoweit der Ansicht der Klägerin anschließe. Daher mussten unter Berücksichtigung auch dieses weiteren Gesichtspunkts weder der Senat noch die Klägerin damit rechnen, dass die Ansprüche 9 und 10 sowie Absatz [0030] der Streitpatentschrift von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Verteidigung des Streitpatents herangezogen werden würden.
Infolgedessen hätte die Berücksichtigung des neuen Hilfsantrags eine Vertagung der mündlichen Verhandlung (§ 83 Abs. 4 Nr.1 PatG) unter dem Aspekt erforderlich gemacht, dass der Klägerin Gelegenheit gegeben hätte werden müssen, nach einschlägigem Stand der Technik bezüglich dieses neuen Merkmals zu recherchieren. Auch die weiteren Voraussetzungen einer Zurückweisung liegen vor, denn die Beklagte hat die Verspätung nicht genügend entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Nr.2 PatG). Die Belehrung nach § 83 Abs. 4 Nr.3 PatG erfolgte mit dem Hinweis des Senats vom 1. Februar 2017.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.