Entscheidungsdatum: 01.08.2012
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 062 745
(DE 699 33 654)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter Gutermuth, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Musiol und Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 062 745 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und am 24. Dezember 1999 angemeldeten europäischen Patents 1 062 745 (Streitpatent), das in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung "Radio communication system" trägt. Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 699 33 654 geführte Streitpatent nimmt die Prioritäten der vier britischen Patentanmeldungen GB 99 00 910 vom 16. Januar 1999, GB 99 11 622 vom 20. Mai 1999, GB 99 15 569 vom 2. Juli 1999 und GB 99 22 575 vom 24. September 1999 in Anspruch. Das Streitpatent umfasst 10 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut:
1. A radio communication system comprising a primary station (100) and a plurality of secondary stations (110), the system having a communication channel between the primary station (100) and a secondary station (110), the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and a data channel for the transmission of data, at least one of the primary station (100) and a secondary station (110) comprising power control means (107,118) adapted to adjust, in response to a sequence of received power control commands, the power of the control and data channels in a series of steps of variable size, wherein each step is made in response to the receipt of a corresponding power control command in the sequence, characterised in that the power control means (107, 118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time after the start or resumption of transmission, the occurrence of the reduction being independent of the sign of the received power control commands.
Bezüglich des darauf rückbezogenen Patentanspruchs 2 und der nebengeordneten erteilten Patentansprüche 3, 5 und 9 sowie der darauf rückbezogenen Patentansprüche 4, 6 bis 8, sowie 10 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 062 745 B1 verwiesen.
Die Klägerin macht als Nichtigkeitsgrund mangelnde Patentfähigkeit – insbesondere fehlende Neuheit - des Gegenstands des Streitpatents gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik geltend, wobei sie der Auffassung ist, dass keine der Voranmeldungen zu einem Prioritätsanspruch führen könne.
Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Unterlagen:
NK1 EP 1 062 745 B1 - Streitpatentschrift,
NK2 DE 699 33 654 T2 - Deutsche Übersetzung der Streitpatenschrift,
NK3 GB 9900910.2 (Priorität 1)
NK4 GB 9911622.0 (Priorität 2)
NK5 GB 9915569.9 (Priorität 3)
NK6 GB 9922575.7 (Priorität 4)
NK7 W0 00/41466 A2
NK8 JP H10 – 224293 A
NK9 Englische Übersetzung von JP H10-224293 A
NK10 WO 97/18643 A1
NK12 3GPPTSG RAN, TSGR1#4(99)342, Working group1, meeting #4, Shin-Yokohama (Japan), April, 19-20th 1999 "Improved closed loop power control algorithm in slotted mode"
NK12a 3GPP-Serverliste
„Index of/ftp/tsg_ran/WG1_RL1/TSGR1_04/Docs/Pdfs“
NK13 EP 1 045 528 A1
NK14 Technical Specification 3G TS 25.214 Version 3.0.0, Oktober 1999
NK14a 3GPP-Serverliste „Index of/ftp/Specs/1999-10/25_series“
NK15 US 5,896,411
NK16 ETSI Directives, December 1997 sowie ebenfalls als NK16 bezeichnet (vgl. Schriftsatz vom 4. Juni 2012)
NK17 E-mail von Pascal Agin mit dem Titel „Adhoc 9: corrected version of R199-342“ v. 14.04.1999 NK18 Internetauszug aus www.linkedin.com zu Tim Moulsley und Fabrizio Tomatis
NK19 ETSI „To members of the 3GPP TSGs; Invitation….“ v. 05.11.1998.
NK21 3GPP-Serverliste „Index of/ftp/tsg_ran/WG1_RL1/TSGR1-04/Report“
NK22 3GPP-Serverliste „Index of/ftp/tsg_ran/WG1_RL1/TSGR1- 04/Docs/Zips“ mit R1-99468.zip v. 12.05.1999
NK23 Anlagenkonvolut der Entgegenhaltungen aus dem Verfahren 5 Ni 22/10(EP) zu EP 1 062 743.
NK24 Anlagenkonvolut der Entgegenhaltungen aus dem Verfahren 5 Ni 23/10(EP) zu EP 1 062 744.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 062 745 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent im Umfang der Hilfsanträge I, II, IIa, III, IIIa, IV, IVa, V, Va, VI, VIa, VII, VIIa, VIII und VIIIa (in dieser Reihenfolge), wobei die Hilfsanträge I bis VIII denen entsprechen, die mit Schriftsatz von 11. Juni 2012 vorgelegt wurden. Die Hilfsanträge IIa bis VIIIa ergeben sich daraus, dass jeweils die Worte „wherein each power control command either requests an increase in power or a decrease in power“ nicht enthalten sind.
Wegen der jeweiligen Fassung der Hilfsanträge I bis VIIIa wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. Juni 2012 Bezug genommen.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent mit den beanspruchten Prioritäten für patentfähig. Die von der Klägerin herangezogenen Druckschriften NK12 und NK14 zählten schon deshalb nicht zum berücksichtigungsfähigen Stand der Technik, da sie nach dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt (16. Januar 1999) entstanden seien. Die Beklagte bestreitet, dass NK12 und NK14 an den von der Klägerin behaupteten Tagen der Öffentlichkeit zugänglich waren.
Zur Stützung ihres Vorbringens legt die Beklagte folgende Unterlagen vor:
NB1 Merkmalsanalyse Anspruch 5
NB2 JP 4508427 B
NB3 Zusammenfassung des Erteilungsverfahrens, wie sie von dem Japanischen Patent- und Markenamt veröffentlicht wurde
NB4 Vergleich von Patentanspruch 5 der EP 1 062 745 und
JP 4508427 B.
Die Klägerin hält das Bestreiten der Veröffentlichung der Dokumente NK12 und NK14 für unsubstantiiert und daher für nicht zulässig. Die Behauptung der Beklagten, bezüglich NK12 könnten keine Feststellungen über den Zugang durch Beschäftigte der Beklagten zu entsprechenden Dokumenten im Jahr 1999 getroffen werden, sei ebenso erstaunlich wie ihre Einlassung zum von Anfang an über das Internet frei verfügbaren 3GPP-Server und der öffentlichen Zugänglichkeit von Dokumenten ab dem „last modified“-Datum im Zusammenhang mit NK14.
Die Klägerin ist weiter der Auffassung, die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen seien unzulässig, weil deren Gegenstände den ursprünglichen Unterlagen zum Streitpatent nicht entnehmbar bzw. in ihnen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart seien, wobei sie zum Teil die Patente EP 1 062 743 und EP 1 062 744 beträfen. Im Übrigen hält sie die Gegenstände des Streitpatents im Umfang der hilfsweisen Verteidigung für nicht patentfähig.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 PatG vom 4. Mai 2012 sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt allen Anlagen Bezug genommen.
Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 52 bis Art. 57 EPÜ) geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet. Die verteidigte erteilte Fassung des Streitpatents ist nicht patentfähig. Die verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen I bis VIIIa stellen entweder keine zulässigen Beschränkungen des Patentgegenstandes dar, bei denen eine Prüfung hinsichtlich der Patentfähigkeit daher nicht veranlasst war, oder ihre Gegenstände sind nicht patentfähig.
I.
1. Das Streitpatent betrifft ein Funkkommunikationssystem und primäre und sekundäre Stationen zur Verwendung in einem derartigen System sowie Verfahren zum Betrieb eines derartigen Systems (vgl. Streitpatent, Abs. [0001]).
Nach den Angaben in der Streitpatentschrift gibt es zwei grundlegende Arten von Kommunikation, die in einem Funkkommunikationssystem zwischen einer Basisstation (BS) und einer Mobilstation (MS) benötigt werden. Die erste sei der Benutzerverkehr, zum Beispiel Sprach- oder Paketdaten. Die zweite seien die Steuerinformationen, die erforderlich seien, um verschiedene Parameter des Übertragungskanals einzustellen und zu überwachen, um die Basisstation und die Mobilstation in die Lage zu versetzen, den erforderlichen Benutzerverkehr auszutauschen (vgl. Streitpatent, Abs. [0002]).
Das Streitpatent geht dabei von Kommunikationssystemen aus, bei denen eine der Funktionen der Steuerinformationen darin bestehe, eine Leistungsregelung zu ermöglichen. Die Leistungsregelung der von einer Mobilstation an die Basisstation übertragenen Signale sei erforderlich, damit die Basisstation Signale von unterschiedlichen Mobilstationen mit ungefähr dem gleichen Leistungspegel empfange, während die von jeder Mobilstation aufzubringende Sendeleistung minimiert werde. Die Leistungsregelung der von der Basisstation an eine Mobilstation übertragenen Signale sei erforderlich, damit die Mobilstation Signale von der Basisstation mit einer geringen Fehlerrate empfange, während die Sendeleistung minimiert wird, um Interferenzen mit anderen Zellen und Funksystemen zu reduzieren. Bei einem Zweiwege-Funkkommunikationssystem erfolge die Leistungsregelung daher normalerweise in einem geschlossenen Regelkreis, bei dem die Mobilstation die erforderlichen Änderungen an der Übertragungsleistung von der Basisstation bestimme und der Basisstation diese Änderungen signalisiere, und umgekehrt (vgl. Streitpatent, Abs. [0003]).
Dem Streitpatent liegt das technische Problem zugrunde, dass die Leistungsregelkreise zu Beginn einer Übertragung oder nach einer Unterbrechung der Übertragung etwas Zeit benötigen, um zufriedenstellend zu konvergieren. Bis eine derartige Konvergenz erreicht sei, sei es wahrscheinlich, dass übertragene Daten in einem beschädigten Zustand empfangen würden, wenn der Leistungspegel der Übertragung zu niedrig ist, oder dass zusätzliche Störungen erzeugt werden, wenn der Leistungspegel zu hoch ist (vgl. Streitpatent, Abs. [0005]).
Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent ein Funkkommunikationssystem nach dem erteilten Patentanspruch 1 vor, welches sich in folgende Merkmale gliedern lässt (mit eingefügten Gliederungszeichen, deutsche Übersetzung jeweils kursiv):
1a A radio communication system comprising a primary station (100) and a plurality of secondary stations (110), the system having a communication channel between the primary station (100) and a secondary station (110)
Funkkommunikationssystem, umfassend eine primäre Station (100) und mehrere sekundäre Stationen (110), wobei das System einen Kommunikationskanal zwischen der primären Station (100) und einer sekundären Station (110) aufweist,
1b the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and
der Kanal einen Aufwärtsverbindungs- und einen Abwärtsverbindungs-Steuerkanal für die Übertragung von Steuerinformation und
1c a data channel for the transmission of data,
einen Datenkanal zur Übertragung von Daten umfasst,
1d at least one of the primary station (100) and a secondary station (110) comprising power control means (107,118) are adapted to adjust, in response to a sequence of received power control commands, the power of the control and data channels in a series of steps of variable size,
zumindest eine aus der primären Station (100) und einer sekundären Station (110) ein Leistungssteuerungsmittel (107, 118) umfasst, das dazu geeignet ist, die Leistung der Steuerkanäle und der Datenkanäle als Reaktion auf eine Abfolge von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen in einer Reihe von Schritten mit veränderlicher Größe zu verändern,
1e wherein each step is made in response to the receipt of a corresponding power control command in the sequence,
wobei jeder Schritt als Reaktion auf den Empfang eines entsprechenden Leistungssteuerungsbefehls in der Abfolge vorgenommen wird,
characterised in that
dadurch gekennzeichnet, dass
1f the power control means (107, 118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time after the start or resumption of transmission,
das Leistungssteuerungsmittel (107, 118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern,
1g the occurrence of the reduction being independent of the sign of the received power control commands.
wobei das Auftreten der Verringerung vom Vorzeichen der empfangenen Leistungssteuerungsbefehle unabhängig ist.
2. Als Fachmann, auf dessen Kenntnisse vorliegend abzustellen ist, sieht der Senat übereinstimmend mit der Beklagten einen Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit der Funkkommunikation befasst ist und über besondere Kenntnisse bei der Entwicklung von (Mobil-)Funkgeräten und den bei ihnen zur Anwendung kommenden Leistungsregelungskonzepten verfügt. Bei diesem Fachmann sind Kenntnisse der zum Prioritätszeitpunkt etablierten Normen für Übertragungsverfahren der mobilen Kommunikation sowie der dafür zur Anwendung kommenden Standardgerätschaften als bekannt vorauszusetzen.
3. Ausgehend von dem Fach- und Erfahrungswissen dieses Fachmanns geht der Senat von folgendem, den einzelnen Begriffen zugrunde zu legenden Bedeutungsinhalt aus:
Unter einem „Funkkommunikationssystem“ (radio communication system) ist ein System für die drahtlose Kommunikation zu verstehen, das auf Basis eines Mobilfunkstandards, beispielsweise GSM (Globales System für Mobilkommunikation) oder eines CDMA-Standards (Code Division Multiple Access) arbeitet (vgl. Streitpatent, Abs. [0004]). Gefordert wird gemäß Patentanspruch 1 lediglich, dass das Funkkommunikationssystem einen Kommunikationskanal zwischen einer Funkstation und einer weiteren Station aufweist, wobei der Kommunikationskanal einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal und einen Datenkanal umfasst.
Unter einer primären bzw. sekundären Station (primary, secondary stations) versteht der Fachmann im Sinne des Streitpatents jedwede technische Vorrichtung, die in der Lage ist, elektromagnetische Wellen in Form von Funksignalen zu empfangen und zu senden, sowie die Sendeleistung anzupassen. Bei einer primären Station handelt es sich gemäß der Patentschrift beispielsweise um die Basisstation (BS) und bei einer sekundären Station beispielsweise um die mobilen Geräte (MS) in einem Mobilfunksystem (vgl. Streitpatent, Abs. [0002] und [0016]).
Mit dem Begriff „Kommunikationskanal“ (communication channel) wird im übertragungstechnischen Sinn ein Übertragungsmedium bezeichnet, mit dem Daten, die gemeinhin Nutz- und/oder Steuerinformationen umfassen, über räumliche Distanz übermittelt werden können. Abhängig von der jeweiligen Übertragungsrichtung wird zwischen „Aufwärtskanälen“ (uplink channels), bei denen Datenpakete von einer mobilen Station an eine Basisstation übertragen werden, und „Abwärtskanälen“ (downlink channels), bei denen Datenpakete von einer Basisstation zu einer Mobilstation oder mehreren Mobilstationen übertragen werden, unterschieden.
Während über einen „Datenkanal“ (data channel) Daten jeglicher Art, also sowohl Steuer- wie auch Benutzerdaten, übertragen werden - das Streitpatent subsumiert unter dem Begriff „Daten“ ebenfalls die Steuer- (control information) und die Benutzerdaten (user traffic), beispielsweise Sprache oder Datenpakete (vgl. Streitpatent, Abs. [0002]) -, werden über einen „Steuerkanal“ (control channel) ausschließlich Steuerinformationen (control information) übertragen, die für den Aufbau, die Erhaltung und den Abbau von Kommunikationsverbindungen notwendig sind, damit die Basisstation und eine Mobilstation Nutzsignale austauschen können (vgl. Streitpatent, Abs. [0002]). Zu den Steuersignalen gehören unter anderem auch Leistungssteuerungsbefehle (power control commands, vgl. Streitpatent, Abs. [0003] und [0008]).
Unter einem Leistungssteuerungsbefehl (power control command) versteht der Fachmann ein Signal, das von einer (primären/sekundären) Station empfangen und zur Steuerung der Sendeleistung verwendet wird. Für den Fachmann kann dieses Signal aus einem einzigen Bit (Leistung erhöhen bzw. erniedrigen, 0, 1) oder aber aus mehreren Bits bestehen. Eine Lösung mit mehreren Bits ist dem Fachmann aus dem Stand der Technik gemäß der Norm 3G TS 25 214 V3.0.0 (NK14), wonach ein Leistungssteuerungsbefehl eine Erhöhung (TPC_cmd equals 1), eine Verringerung der Leistung (TPC_cmd equals -1), oder keine Änderung der Leistung (TPC_cmd equals 0) bewirkt, und der Druckschrift NK9 bekannt (vgl. Abs. [0012] und [0029]).
Gemäß Merkmal f) sind Mittel vorhanden, die geeignet sind, „die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern“. Dies bedeutet für den Fachmann, dass nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung ein Zeitpunkt, respektive ein Zeitintervall vorgegeben ist, ab dem die Schrittgröße verändert werden soll. Davon zu unterscheiden ist die Vorgehensweise, die Schrittgröße zu ändern, wenn ein bestimmtes Ereignis zu einer beliebigen Zeit eintritt, wie dies ebenfalls in der Patentschrift in Verbindung mit der Fig. 5 beschrieben ist. Die Schrittgröße wird gemäß Figur 5 solange beibehalten, bis sich das Vorzeichen der Leistungssteuerbefehle ändert. Diese Zeit ist damit nicht vorbestimmt, sondern ist abhängig vom Auftreten eines bestimmten Ereignisses zu einer beliebigen Zeit nach Wiederaufnahme der Verbindung.
Das Merkmal f) ist demzufolge – in Übereinstimmung auch mit der Auffassung der Beklagten - in seiner Allgemeinheit dahingehend zu verstehen, dass zunächst die Übertragung mit einer bestimmten Schrittgröße, im Kontext des Streitpatents als anfängliche Schrittgröße bezeichnet, gestartet wird, wobei aber offen bleibt, ob die zu Beginn der Übertragung anstehende Leistung schrittweise erhöht oder gesenkt wird. Nach Ablauf eines vorgegebenen Zeitintervalls, im Kontext des Streitpatents einer vorbestimmten Zeit, erfolgt das schrittweise Erhöhen oder Erniedrigen der Leistung mit einer Schrittgröße, die betragsmäßig kleiner als die zum Übertragungsbeginn eingestellte Schrittgröße ist. Das Merkmal f) reflektiert aufgrund des enthaltenen kausalen Zusammenhangs allein auf die Auslösung eines Vorgangs nach Eintreten eines bestimmten Ereignisses nach Ablauf eines fest vorgegebenen Zeitintervalls.
II. Zur erteilten Fassung
1. Dem so verstandenen Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 steht der vorveröffentlichte Beitrag gemäß Anlage NK12 (Titel: „Improved closed loop power control algorithm in slotted mode“) neuheitsschädlich entgegen.
a) Dem Streitpatent kommt als Zeitrang lediglich der 24. Dezember 1999 zu und damit der Tag, an dem die dem Streitpatent zugrundeliegenden ursprünglichen Unterlagen als PCT-Anmeldung WO 00/41466 A2 (NK7) eingereicht wurden. Hingegen kann das Streitpatent keine der Prioritäten der vier britischen Voranmeldungen (NK3 - NK6) wirksam beanspruchen.
Eine Priorität kann für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Art. 88 EPÜ nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln. Für die Beurteilung einer identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - X ZR 4/00, „Elektronische Funktionseinheit“). Demnach ist in einem Dokument als offenbart anzusehen, was der Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig den betrachteten Unterlagen entnehmen kann, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (vgl. BGH GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall bezüglich keiner der vier britischen Voranmeldungen (NK3 bis NK6) erfüllt. Die britische Patentanmeldung GB 9900910.2 (früheste Prioritätsschrift NK3) betrifft wie das Streitpatent ein Funkkommunikationssystem bestehend aus einer Primärstation und mehreren Sekundärstationen, mit einem Kommunikationskanal zwischen der Primärstation und den Sekundärstationen, wobei der Kommunikationskanal einen Aufwärts- und einen Abwärts-Steuerkanal zum Übertragen von Steuerungsinformationen und einen Datenkanal zur Übertragung von Datenpaketen („transmission of data packets“) aufweist. Die Primär- und Sekundärstationen weisen Leistungssteuerungsmittel zur Steuerung der Leistung der Steuer- und Datenkanäle in einer Reihe von Schritten auf, wobei die Größe der Schritte variiert werden kann (vgl. NK3, S. 2, Z. 17 bis 20, S. 5, Z. 16 bis 18). Gemäß dem Ausführungsbeispiel nach der Figur 4 wird die Schrittgröße anfangs vorzugsweise auf einen hohen Wert gesetzt und stufenweise (progressively) reduziert, bis sie den Wert für den normalen Betrieb erreicht (vgl. S. 5, Z. 29 bis 31). Als Ausführungsbeispiel für die Reduzierung wird eine Sequenz von Schrittgrößen angegeben („3.0, 2.0, 1.5, 1.0, 0.75, 075, 0.5, 0.5, 0.25, where 0.25 dB is the minimum step.“). Bei Anwendung dieser Sequenz in Verbindung mit dem Auftreten von Leistungssteuerungssignalen (power control signals) jede 1 ms könne ein Anfangsfehler von bis zu 10 dB innerhalb eines halben Rahmens (Frame) gegenüber 2,5 Rahmen unter Verwendung der minimalen Schrittgröße korrigiert werden (vgl. NK3, S. 6, Z. 3 bis 8).
Nach Überzeugung des Senats kann der Fachmann der NK3 unmittelbar und eindeutig nur entnehmen, beim Start der Übertragung eine Folge von Schrittgrößen zu verwenden, denen er keinerlei Gesetzmäßigkeit zuordnen kann, da es zwischen zwei Schritten auch keine Reduktion geben kann. Die Änderung der Schrittgröße gemäß der vorgegebenen Sequenz erfolgt als Reaktion auf empfangene Leistungssteuerungsbefehle alle 1 ms. Auch wenn aus dem Merkmal 1d des erteilten Patentanspruchs 1 hervorgeht, dass das Leistungssteuerungsmittel dazu geeignet ist, die Leistung der Steuerkanäle und der Datenkanäle als Reaktion auf eine Abfolge von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen in einer Reihe von Schritten mit veränderlicher Größe zu verändern, so ist es zur Überzeugung des Senats für den Fachmann nicht erkennbar, dass die vorbestimmte Zeit nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung, zu der die anfängliche Schrittgröße gemäß Merkmal 1f des erteilten Patentanspruchs 1 verringert werden soll, von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen abhängen soll (vgl. oben, Abschnitt I, Punkt 3). Somit mag zwar die vorgeschlagene Sequenzfolge gemäß der NK3 unter den Schutzbereich des erteilten Patentanspruchs 1 fallen, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 geht jedoch wesentlich weiter, denn er umfasst auch Lösungen, die nicht auf abgespeicherte Sequenzen zugreifen und bei denen die vorbestimmte Zeit, nach der eine Verringerung der Schrittgröße nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung erfolgen soll, unabhängig vom Empfang von Leistungssteuersignalen ist.
Soweit die Beklagte zur Offenbarung des Merkmals 1g, wonach „das Auftreten der Verringerung vom Vorzeichen der empfangenen Leistungssteuerungsbefehle unabhängig ist“, auf die Seite 6, Zeilen 9 bis 10 der NK3 verweist, ist dieser Stelle lediglich zu entnehmen, die vorgegebene Sequenzfolge für die Schrittgröße sowohl für eine Erhöhung als auch für eine Verringerung der Leistung zu verwenden („Although as described here the steps are symmetric (i.e. the same steps are applicable to increases or decreases in power)…“). Eine Aussage dazu, dass das Auftreten der Verringerung, mithin der vorgegebene Zeitpunkt für die Verringerung der Schrittgröße, vom Vorzeichen von Leistungssteuerungsbefehlen unabhängig sei (Merkmal 1g), kann dieser Stelle zur Überzeugung des Senats nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden.
Zudem enthält die NK3 konkrete Aussagen bezüglich der Ausgestaltung des Kommunikationskanals, wonach es sich um einen Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal (frequency division duplex communication channel) handelt, wobei über die Steuerkanäle explizit Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation übertragen werden (NK3, S. 2. Z. 13 bis 16 und Z. 23 bis 26; S. 3, Z. 28 bis 30, S. 4 Z. 5 bis 8; Patentansprüche 1 und 5; „…the system having a frequency division duplex communication channel between the primary station and a secondary station…“; “…an uplink and a downlink control channel for transmission of power control and bit rate information…“). Auch wenn zu Beginn der NK3 und am Ende des dort ausgewiesenen Ausführungsbeispiels darauf hingewiesen wird, dass das beschriebene Verfahren nicht auf CDMA-Systeme bzw. UMTS beschränkt sei (vgl. S. 1, Abs. 1; S. 6, Z. 24 bis 25), entnimmt der Fachmann sowohl den Ausführungsbeispielen in der Beschreibung als auch den Patentansprüchen unmittelbar und eindeutig nur Funk-Kommunikationssysteme, welche einen Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal nutzen, worunter für den Fachmann neben UMTS beispielsweise auch GSM zählt, worauf auch in der Prioritätsschrift gezielt hingewiesen wird (vgl. NK3, S. 1, Z. 29 bis S. 2, Z. 2). Soweit die Beklagte argumentiert, der wesentliche Inhalt der Erfindung bestehe darin, dass die Anfangsübertragung auf den Datenkanälen gegenüber der Anfangsübertragung der Steuerkanäle verzögert erfolge, und die Erfindung für einen Fachmann demgemäß weder auf einen Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal noch auf bestimmte, über die Steuerkanäle zu übertragende Information beschränkt sei, kann der Senat dieser Auffassung nicht zustimmen. Die Beklagte verweist hierzu zwar auf verschiedene, sehr kurze Textstellen der Prioritätsschrift (z. B. S. 3, Z. 8 bis 11; S. 4, Z. 15 bis 17; S. 5, Z. 21 bis 22), die jedoch keine Aussagen zum Aufbau des Kommunikationskanals und der Art der über den Steuerkanal zu übertragenden Information enthalten. Aus dem Gesamtzusammenhang erschließt sich dem Fachmann unmittelbar und eindeutig nur, dass ein Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal verwendet wird und Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation über die Steuerkanäle übertragen werden, die er diesen Anforderungen entsprechend ausgestalten muss. Demgegenüber wird er einen Kanal, der lediglich Leistungssteuerungsbefehle übertragen muss (was gemäß der Formulierung im erteilten Anspruch beansprucht ist), diesen reduzierten Anforderungen Rechnung tragend anders gestalten als einen Kanal, über den Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation übertragen werden müssen. Des Weiteren subsumiert der Fachmann unter dem etablierten Begriff “Steuerinformation” (control information) zwar Leistungssteuerungs-, nicht aber Bitrateninformation.
Das Weglassen der Übertragung von Bitrateninformation im verteidigten Patentanspruch 1 führt zur Überzeugung des Senats funktionsnotwendigerweise zu einer andersartigen Kanalkonfiguration und damit zu einem Aliud gegenüber dem Inhalt der NK3.
Der Anmeldetag der NK3 kann folglich nicht als Zeitrang für das vorliegende Patent in Anspruch genommen werden.
Da die nach obigen Ausführungen in der beanspruchten Allgemeinheit nicht offenbarten Merkmale auch aus den in Anspruch genommenen Prioritäten GB 9911622.0 (NK4) und GB 9915569.9 (NK5) für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig hervorgehen, können auch diese Prioritäten im Hinblick auf den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht wirksam beansprucht werden.
Die britische Patentanmeldung GB 9922575.7 (vierte Priorität, NK6) unterscheidet sich von der Lehre der ersten drei Prioritätsschriften dadurch, dass sie nicht mehr auf die Verwendung eines Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanals und die Übertragung von Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation über die Steuerkanäle beschränkt ist, und dass eine anfängliche Schrittgröße für eine vorbestimmte Anzahl von Leistungssteuerungssignalen verwendet werden soll, nach denen die Schrittgröße reduziert werde (vgl. NK6, S. 7, Z. 16 bis 18). Somit fällt dieser Gegenstand zwar ebenfalls unter den Schutzbereich des erteilten Patentanspruchs 1, der jedoch – wie oben dargelegt – nicht darauf beschränkt ist, dass die vorbestimmte Zeit, bei der eine Verringerung der Schrittgröße stattfinden soll, von Leistungssteuerungsbefehlen abhängt, sondern unabhängig von derartigen Signalen ist. Damit kann auch die Priorität GB 9922575.7 (NK6) im Hinblick auf den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht wirksam beansprucht werden.
b) Die von der Klägerin entgegengehaltene Druckschrift nach Anlage NK 12 ist bei der Prüfung der erteilten Fassung des Streitpatents auf Patentfähigkeit zu berücksichtigen, da sie vor dem maßgeblichen Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich war.
Der Beitrag TSGR1#4(99)342 mit dem Titel „Improved closed loop power control algorithm in slotted mode“ ist nach den Feststellungen des Senats über die Adresse „http://www.3gpp.org/ftp/tsg_ran/WG1_RL1/TSGR1_04/Docs/Pdfs“ gemäß der mit Anlage NK12a eingereichten Index-Liste jederzeit abrufbar und von dem im Internet öffentlich zugänglichen 3GPP-Server herunterzuladen. Dieser Beitrag stimmt vollständig mit der als Anlage NK12 vorgelegten Druckschrift überein. Demgemäß fehlen auch in dem auf dem Server hinterlegten Dokument die Zeichnungen gem. Figuren 1 und 4, wobei die NK17 belegt, dass es insoweit bei der als Anhang zur E-Mail bereits am 12. April 1999 (vgl. NK11) an die Mitglieder der TSG RAN Working Group 1 versandten NK12 zu einem Konvertierungsproblem gekommen war. Das auf der Index-Liste mit „last modified“ bezeichnete Datum 15. April 1999 ist als der späteste Zeitpunkt anzusehen, ab dem der Beitrag - in mit der NK 12 identischer Form - auf dem Server eingestellt wurde und seitdem unverändert und vorbehaltlos jedermann zur Verfügung steht. Folglich gehört er zum im Hinblick auf das Streitpatent berücksichtigungsfähigen Stand der Technik. Soweit die Beklagte die Vorveröffentlichung der NK12 bestreitet, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass sie keine konkreten Tatsachen vorgetragen hat, die abweichend von den Ausführungen der Klägerin, etwa im Schriftsatz vom 4. Juni 2012, mit deren Hilfe der Senat den Beitrag auf dem 3GPP-Server ohne Weiteres finden und als identisch mit der am 12. April 1999 den Mitgliedern übersandten NK12 beurteilen konnte, Anlass sein könnten, noch Zweifel am Veröffentlichungstag der NK12 zu erwecken. Abweichungen vom im Standardisierungsgremium 3GPP üblichen Verfahrensablauf jedenfalls hat sie nicht konkret vorgetragen, sondern pauschal darauf hingewiesen, es ließe sich nicht mehr feststellen, ob Personen, die im Jahr 1999 bei der Beklagten beschäftigt waren, Zugang zu diesen Dokumenten hatten.
Soweit die Beklagte wegen eines möglicherweise als Datum 28.05.2010 zu lesenden Vermerks neben der Seitenangabe in der NK12 von einer Nachveröffentlichung der Schrift ausgeht, ist dies wegen der entgegenstehenden Feststellungen des Senats ersichtlich nicht der Fall. Offensichtlich handelt es sich hierbei vielmehr um einen Druckvermerk, also eine Zeitangabe des Ausdruckdatums.
c) Der Standard nach der NK14 lässt sich in gleicher Weise wie bei NK12 über den 3GPP-Server (vgl. Index Index of/ftp/Specs/1999-10/25_series gemäß Anlage 14a) als am 21. Oktober 1999 eingestellt und seitdem unverändert nachweisen. Daher ist er bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents ebenfalls zu berücksichtigen.
d) Die Druckschrift NK12 nimmt alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung neuheitsschädlich vorweg (Art. 54 EPÜ).
NK12 befasst sich mit der Verbesserung der Leistungsregelung mit geschlossener Schleife im sogenannten "slotted mode" eines UMTS-Systems sowohl im Uplink wie auch im Downlink (vgl. Abstract). Dass ein UMTS-System eine Basisstation und mobile Stationen aufweist, mithin primäre und sekundäre Stationen, ist für den Fachmann selbstverständlich und geht auch aus der NK12 hervor (vgl. S.1, letzter Absatz, „user equipment (UE)“, „base transceiver station (BTS)“). Die Druckschrift NK12 offenbart somit ein Funkkommunikationssystem, umfassend eine primäre Station und mehrere sekundäre Stationen, wobei das System einen Kommunikationskanal (Uplink, Downlink) zwischen der primären Station (BTS) und einer sekundären Station (UE) aufweist (Merkmal 1a). Für die Leistungsregelung werden über einen Steuerkanal sowohl im Uplink als auch im Downlink des Kommunikationskanals Leistungssteuerungssignale übertragen (vgl. NK12, Seite 1, Introduktion, 1. Absatz), wobei als Reaktion auf den Empfang eines Leistungssteuerungssignals eine Leistungssteuerung mit einer bestimmten Schrittgröße vorgenommen wird (Seite 2, „Proposed algorithm“, letzter Absatz bis Seite 3, erster Absatz). Während der Zeitdauer des „slotted mode“, die sich aus der Zeitdauer mehrerer Zeitschlitze („slots“) zusammensetzt und als Leerlaufzeit („idle length“ Nidle) bezeichnet wird, wird die Übertragung unterbrochen (vgl. NK12, „Introduction“, 2. Absatz, Satz 2), wobei es für den Fachmann, der den UMTS-Standard kennt, selbstverständlich ist, dass damit auch eine Unterbrechung in der Übertragung von Daten gemeint ist. Mithin weist der Kommunikationskanal einen Aufwärtsverbindungs- und einen Abwärtsverbindungs-Steuerkanal für die Übertragung von Steuerinformationen (Merkmal 1b) und einen Datenkanal zur Übertragung von Daten (Merkmal 1c) auf. Ein Nachteil des „slotted mode“ sei, dass während dieser Leerlaufzeit („idle length“) keine Leistungssteuerungssignale übertragen werden. Deshalb könne der Signal-Geräuschabstand (SIR) an der Basisstation (BTS) stark vom Ziel-Signal-Geräuschabstand (SIRtarget) abweichen (vgl. NK12, Seite 1, letzter Absatz). Es wird deshalb in der NK12 vorgeschlagen, für eine bestimmte Zeitdauer (Nrec) eine höhere Schrittgröße (r’) bei der Leistungsregelung zu verwenden, um den Ziel-Signal-Geräuschabstand nach einer Wiederaufnahme der Übertragung schneller wieder zu erreichen (vgl. NK12, Seite 1, Abstract, „…applying a larger power control step during a certain amount of time when transmission restarts, in order to recover faster a SIR close to SIRtarget. “, Seite 2, 2. Proposed algorithm, 1. Absatz). Diese Schrittgröße kann beispielsweise doppelt so groß sein wie die üblicherweise angewendete Schrittgröße (r’= 2r) und die bestimmte Zeit kann beispielsweise der Leerlaufzeit („idle time“ Nidle) entsprechen, wobei jedoch auch andere Werte verwendet werden können ( vgl. NK12, Seite 2, Absatz unter Fig. 3). Somit offenbart die Druckschrift NK12 Leistungssteuerungsmittel, die dazu geeignet sind, die Leistung der Steuerkanäle und der Datenkanäle als Reaktion auf eine Abfolge von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen in einer Reihe von Schritten mit veränderlicher Größe zu verändern (Merkmal 1d), wobei jeder Schritt als Reaktion auf den Empfang eines entsprechenden Leistungssteuerungsbefehls in der Abfolge vorgenommen wird (Merkmal 1e). Der Fachmann entnimmt der NK12 unmittelbar und eindeutig, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit nach der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern (vgl. Seite 1, Introduction , „…applying a larger power control step during a certain amount of time when transmission restarts…“, Seite 2, „Proposed algorithm“, Hervorhebung hinzugefügt; Merkmal 1f). Bezüglich einer Abhängigkeit des Auftretens der Verringerung, mithin der vorbestimmten Zeit, vom Vorzeichen der empfangenen Leistungssteuerungsbefehle ist der NK12 nichts zu entnehmen, so dass auch Merkmal 1g vorweggenommen ist.
e) Mit dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den nebengeordneten Patentansprüchen 3, 5, und 9 bzw. in den rückbezogenen Unteransprüchen eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfsanträge versucht, zur Patentfähigkeit der dort beanspruchten Gegenstände zu gelangen.
III. Zu den Hilfsanträgen
Patentanspruch 1 des Streitpatents in den Fassungen der Hilfsanträge I, Ia, II, IIa, III, IIIa, IV, IVa, V, Va, VI, VIa, VII, VIIa, VIII und VIIIa ist entweder nicht zulässig oder nicht patentfähig. Soweit die Patentfähigkeit zu verneinen ist, kommt dem Streitpatent in den hilfsweise verteidigten Fassungen aus den oben unter II. 1a genannten Gründen jedenfalls die Priorität der NK3 nicht zu, so dass die NK12 als Stand der Technik zu berücksichtigen ist.
1. Hilfsanträge I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII
a) Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen I, II, III, IV, V, VI, VII und VIII unterscheiden sich von der erteilten Fassung wenigstens durch das neu aufgenommene Merkmal (deutsche Fassung kursiv):
1e HI wherein each power control command either requests an increase in power or a decrease in power, wobei jeder Leistungssteuerungsbefehl entweder eine Erhöhung der Leistung oder eine Verringerung der Leistung verlangt.
b) Dieses Merkmal 1e HI ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen gemäß der WO 00/41466 A1 (NK7) nicht unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörig offenbart.
Soweit die Beklagte zur Offenbarung dieses Merkmals auf das Ausführungsbeispiel nach der Figur 5 in Verbindung mit Seite 9, Zeilen 21 bis 28 der NK7 verweist, entnimmt der Fachmann dieser Stelle eine Reduzierung der Schrittweite nicht nach einer vorbestimmten Zeit, sondern auf Grund eines zeitlich nicht vorhersehbaren Ereignisses (Empfangsleistung übersteigt/unterschreitet die Zielleistung). Zudem ist unmittelbar und eindeutig lediglich offenbart, dass Leistungssteuerbefehle zum Erhöhen der Leistung gesendet werden, falls die Empfangsleistung kleiner als die Zielleistung ist und Leistungssteuerbefehle zum Verringern der Leistung gesendet werden, falls die Empfangsleistung größer als die Zielleistung ist. Zum Verhalten, welche Leistungssteuerungssignale gesendet werden, falls Empfangs- und Zielleistung übereinstimmen, schweigt die NK7. Auch der Hinweis der Beklagten, dass es dem Fachmann aus dem UMTS-Standard bekannt sei, dass Leistungssteuerungssignale grundsätzlich aus einem Bit bestehen und nur eine Erhöhung oder eine Verringerung der Leistung verlangen, kann nicht greifen, da es dem Fachmann durchaus geläufig ist – wie unter Abschnitt I, Punkt 3 bei den Begrifflichkeiten ausgeführt –, dass Leistungssteuerungsbefehle auch aus mehreren Bits bestehen können, was durch die vorveröffentlichten Druckschrift JP 10-224293 A (vgl. NK9, Abs. [0012] und [0029]) und die Norm 3G TS 25 214 V3.0.0 (vgl. NK14, S. 11, erster Absatz) belegt wird. Somit ist den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass jeder Leistungssteuerbefehl eine Erhöhung der Leistung oder eine Verringerung der Leistung verlangt.
Selbst für den Fall, dass ein Fachmann dieses Merkmal den ursprünglichen Unterlagen entnehmen könnte, was aus Sicht des Senats nicht der Fall ist, so wäre der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I nicht patentfähig, denn die Druckschrift NK12 nimmt auch dieses Merkmal neuheitsschädlich vorweg, da sie die analoge Vorgehensweise zur Erzeugung der Leistungssteuerungsbefehle wie im Streitpatent offenbart (vgl. NK12, S. 3, oben).
c) Mit dem Patentanspruch 1 in den mit den Hilfsanträgen I, II, III, IV, V, VI, VII und VIII verteidigten Fassungen kann das Patent somit keinen Bestand haben. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 3, 5, und 9 in der Fassung der Hilfsanträge I, II, III, sowie die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 2, 3 und 4 der Hilfsanträge IV, V, VI und VII verlassen aus den zum Patentanspruch 1 ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.
d) Bei dieser Sachlage muss der Frage, in wieweit die Aufnahme weiterer Merkmale in die jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen II, III, IV, V, VI, VII und VIII zu einer unzulässigen Erweiterung führen, nicht mehr nachgegangen zu werden.
2. Hilfsantrag IIa
a) Von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung unterscheidet sich der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IIa lediglich durch folgenden (markierten) Zusatz zu Merkmal 1a (Änderungen hervorgehoben, deutsche Fassung kursiv):
1a HIIa A radio communication system comprising a primary station (100) and a plurality of secondary stations (110), the system having a frequency division duplex communication channel between the primary station (100) and a secondary station (110)
Funkkommunikationssystem, umfassend eine primäre Station (100) und mehrere sekundäre Stationen (110), wobei das System einen Frequenzaufteilungs-Duplex- Kommunikationskanal zwischen der primären Station (100) und einer sekundären Station (110) aufweist,
b) Es kann nach Ansicht des Senats dahinstehen, ob diese Ergänzung zulässig ist, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag IIa ebenfalls nicht neu ist.
Bezüglich der Merkmale 1b), 1c), 1d), 1e), 1f) und 1g) wird auf die Ausführungen zum erteilten Patentanspruch 1 verwiesen, wonach sich die NK12 auf ein UMTS-Kommunikationssystem bezieht (vgl. NK12, Abstract). Dem Fachmann ist es allgemein geläufig, dass normgemäß Frequenzaufteilungs-Duplex-Kanäle (FDD-Kanäle) bei UMTS-Systemen verwendet werden. Derartige Kanäle liest er daher beim Studium der NK12 zwanglos mit (Merkmal 1a HIIa ).
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag IIa verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den nebengeordneten Patentansprüchen 3, 5 und 9 eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich.
3. Hilfsantrag IIIa
a) Hilfsantrag IIIa ergänzt die Merkmale 1a und 1f der erteilten Fassung wie folgt (Änderungen hervorgehoben, deutsche Fassung kursiv):
1a HIIa A radio communication system comprising a primary station (100) and a plurality of secondary stations (110), the system having a frequency division duplex communication channel between the primary station (100) and a secondary station (110)
Funkkommunikationssystem, umfassend eine primäre Station (100) und mehrere sekundäre Stationen (110), wobei das System einen Frequenzaufteilungs-Duplex- Kommunikationskanal zwischen der primären Station (100) und einer sekundären Station (110) aufweist,
1f HIIIa the power control means (107, 118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time, which is defined by an predetermined number of power control commands , after the start or resumption of transmission,
das Leistungssteuerungsmittel (107,118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit , die durch eine vorbestimmte Zahl von Leistungssteuerungsbefehlen definiert ist , nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern,
b) Es kann nach Ansicht des Senats dahinstehen, ob die vorgenommenen Ergänzungen zulässig sind, da sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag IIIa für den Fachmann in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (Art. 54 EPÜ).
Bezüglich der Merkmale 1b, 1c, 1d, 1e und 1g wird auf die Ausführungen zur Patentierbarkeit des erteilten Patentanspruchs 1 und zum Merkmal 1aHIIa auf die Ausführungen zum erteilten Patentanspruch 1 und zum Hilfsantrag IIa verwiesen. Aus der Druckschrift NK12 geht in einer beispielhaften Ausführungsform hervor, die vorbestimmte Zeitdauer bis zur Verringerung der Schrittgröße („recovery period Nrec“) gleich der vorhergehenden Leerlaufperiode („idle length Nidle“) zu machen, die einer Anzahl von Zeitschlitzen („time slot“ TS) entspricht (vgl. Seite 2, Absatz unter Fig. 3). Wie den Ausführungen in der NK12 weiter zu entnehmen ist, wird im Regelbetrieb bei einem geschlossenen Leistungsregelkreis (CLCP) innerhalb jedes Zeitschlitzes an der Basisstation (BTS) der empfangene Signal-Geräuschabstand mit dem Ziel-Signalgeräuschabstand verglichen und ein entsprechender Leistungssteuerungsbefehl an eine mobile Einheit (UE) übertragen (vgl. Seite 2 unten bis Seite 3 oben, Punkte 1 bis 4). Mithin entnimmt der Fachmann der Druckschrift, dass im Regelbetrieb die Anzahl der Zeitschlitze und die Anzahl der Leistungssteuerungsbefehle stets übereinstimmen und der Zeitabstand zwischen zwei Leistungssteuerungsbefehlen einem Zeitschlitz entspricht. Für den Fachmann ergibt sich daraus zwanglos, dass er die vorbestimmte Zeit gemäß Merkmal 1f alternativ zur Bestimmung über eine vorbestimmten Zahl von Zeitschlitzen auch über eine vorbestimmte Zahl von Leistungssteuerungsbefehlen bestimmen kann (Merkmal 1f HIIIa ). Einer erfinderischen Tätigkeit bedarf es zur Überzeugung des Senats hierzu nicht.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag IIIa verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den nebengeordneten Patentansprüchen 3, 5 und 9 nach Hilfsantrag IIIa eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich.
4. Hilfsantrage IVa
a) Hilfsantrag IVa ergänzt die Merkmale 1a, 1f der erteilten Fassung wie folgt und wird durch das Merkmal 1hHIVa ergänzt (Änderungen hervorgehoben, deutsche Fassung kursiv):
1a HIIa A radio communication system comprising a primary station (100) and a plurality of secondary stations (110), the system having a frequency division duplex communication channel between the primary station (100) and a secondary station (110)
Funkkommunikationssystem, umfassend eine primäre Station (100) und mehrere sekundäre Stationen (110), wobei das System einen Frequenzaufteilungs-Duplex- Kommunikationskanal zwischen der primären Station (100) und einer sekundären Station (110) aufweist,
1f HIIIa the power control means (107, 118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time, which is defined by an predetermined number of power control commands , after the start or resumption of transmission,
das Leistungssteuerungsmittel (107,118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit , die durch eine vorbestimmte Zahl von Leistungssteuerungsbefehlen definiert ist , nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern,
1h HIVa wherein the power control means (107, 118) is adapted to reduce the power control step size in accordance with a predetermined sequence of step sizes.
wobei die Leistungssteuerungsmittel dazu geeignet sind, die Schrittgröße in Übereinstimmung mit einer vorgegeben Sequenz von Schrittgrößen zu verringern.
b) Es kann nach Ansicht des Senats dahingestellt bleiben, ob der Patentanspruch 1 mit diesen Ergänzungen zulässig ist, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IVa gegenüber der Druckschrift NK12 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Bezüglich der Merkmale 1a HIIa, 1b, 1c, 1d, 1e, 1f HIIIa und 1g wird auf die Ausführungen zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IIIa verwiesen. Aus der NK12 ist es zudem bekannt, nach einer Pause zunächst eine große Schrittgröße r’ und nach einer vorgegebenen Zeit eine kleinere Schrittgröße r zu verwenden (vgl. NK12, Fig. 3, Absatz nach Fig. 3, „For the proposed algorithm parameters values, we recommend r' = 2r). Mithin sind die Leistungssteuerungsmittel dazu geeignet, die Schrittgröße in Übereinstimmung mit einer vorgegebenen Sequenz von Schrittgrößen zu verringern (Merkmal 1h HIVa ).
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag IVa verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den nebengeordneten Patentansprüchen 2, 3 und 4 nach Hilfsantrag IVa eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich.
5. Hilfsantrag Va
a) Hilfsantrag Va ergänzt die Merkmale 1a, 1d, 1f der erteilten Fassung wie folgt und wird durch das Merkmal 1hHIVa (entspricht Merkmal 1h aus dem Hilfsantrag IV) ergänzt (Änderungen hervorgehoben, deutsche Fassung kursiv):
1a HVa A radio communication system comprising a primary base station (100) and a plurality of secondary mobile stations (110), the system having a frequency division duplex communication channel between the primary base station (100) and a secondary mobile station (110)
Funkkommunikationssystem, umfassend eine primäre Basis station (100) und mehrere sekundäre mobile Stationen (110), wobei das System einen Frequenzaufteilungs-Duplex- Kommunikationskanal zwischen der primären Basis station (100) und einer sekundären mobilen Station (110) aufweist,
1d HVa at least one of the primary station (100) and a wherein the secondary mobile station (110) comprising power control means (107,118) are adapted to adjust, in response to a sequence of received power control commands, the power of the control and data channels in a series of steps of variable size,
zumindest eine aus der primären Station (100) und einer wobei die sekundären mobile Station (110) ein Leistungssteuerungsmittel (107, 118) umfasst, das dazu geeignet ist, die Leistung der Steuerkanäle und der Datenkanäle als Reaktion auf eine Abfolge von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen in einer Reihe von Schritten mit veränderlicher Größe zu verändern,
1f HIIIa the power control means (107, 118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time, which is defined by an predetermined number of power control commands , after the start or resumption of transmission,
das Leistungssteuerungsmittel (107,118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit , die durch eine vorbestimmte Zahl von Leistungssteuerungsbefehlen definiert ist , nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern,
1h HIVa wherein the power control means (107, 118) is adapted to reduce the power control step size in accordance with a predetermined sequence of step sizes.
wobei die Leistungssteuerungsmittel dazu geeignet sind, die Schrittgröße in Übereinstimmung mit einer vorgegeben Sequenz von Schrittgrößen zu verringern.
b) Auch dieser auf eine Basisstation als Primärstation und Mobilstationen als Sekundärstationen beschränkte Gegenstand (vgl. Merkmale 1a HVa, 1d HVa) beruht gegenüber der Druckschrift NK12 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag Va unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IVa lediglich dadurch, dass das Funkkommunikationssystem eine Basisstation als Primärstation und Mobilstationen als Sekundärstationen aufweist. Dies stellt zum einen für den Fachmann eine Trivialität dar und ist zudem aus der Druckschrift NK12 bekannt (vgl. S. 1, letzter Absatz). Bezüglich der übrigen Merkmale wird auf die Ausführungen zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IVa verwiesen.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag Va verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den nebengeordneten Patentansprüchen 2, 3 und 4 nach Hilfsantrag Va eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich.
6. Hilfsantrag VIa
a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIa sieht ein Funkkommunikationssystem vor, das nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben, deutsche Fassung kursiv):
1a HVI A UMTS radio communication system comprising a primary base station (100) and a plurality of secondary mobile stations (110), the system having a frequency division duplex communication channel between the primary base station (100) and a secondary mobile station (110)
Funkkommunikationssystem, umfassend eine primäre Basis station (100) und mehrere sekundäre mobile Stationen (110), wobei das System einen Frequenzaufteilungs-Duplex- Kommunikationskanal zwischen der primären Basis station (100) und einer sekundären mobilen Station (110) aufweist,
1b the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and
der Kanal einen Aufwärtsverbindungs- und einen Abwärtsverbindungs-Steuerkanal für die Übertragung von Steuerinformationen und
1c a data channel for the transmission of data,
einen Datenkanal zur Übertragung von Daten umfasst,
1c1 HVI wherein the data transmitted on the data channel is user traffic,
wobei die auf dem Datenkanal übertragenen Daten Benutzerverkehr ist
1c2 HVI wherein the uplink and the downlink control channel and the data channel are established after transmission by the mobile station (110) of a request (202) for resources and receipt of an acknowledgement (204) from the base station (100),
wobei der Uplink- und der Downlink Steuerkanal und der Datenkanal eingerichtet werden, nachdem die Mobilstation ( 110) eine Ressourcenanfrage (202) übermittelt und eine Bestätigung von der Basisstation (100) erhalten hat,
1c3 HVI wherein closed loop power control means (118) are provided for adjusting the power of the control and data channels,
wobei geschlossene Leistungsregelkreismittel (118) vorgesehen sind, um die Leistung der Steuer- und der Datenkanäle zu regeln,
1d HVa at least one of the primary station (100) and a wherein the secondary mobile station (110) comprising power control means (107,118) are adapted to adjust, in response to a sequence of received power control commands, the power of the control and data channels in a series of steps of variable size,
zumindest eine aus der primären Station (100) und einer sekundären Station (110) ein Leistungssteuerungsmittel (107, 118) umfasst, das dazu geeignet ist, die Leistung der Steuerkanäle und der Datenkanäle als Reaktion auf eine Abfolge von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen in einer Reihe von Schritten mit veränderlicher Größe zu verändern,
1e wherein each step is made in response to the receipt of a corresponding power control command in the sequence,
wobei jeder Schritt als Reaktion auf den Empfang eines entsprechenden Leistungssteuerungsbefehls in der Abfolge vorgenommen wird,
characterised in that
dadurch gekennzeichnet, dass
1f HIIIa the power control means (107, 118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time, which is defined by an predetermined number of power control commands , after the start or resumption of transmission,
das Leistungssteuerungsmittel (107,118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit , die durch eine vorbestimmte Zahl von Leistungssteuerungsbefehlen definiert ist , nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern,
1g the occurrence of the reduction being independent of the sign of the received power control commands,
wobei das Auftreten der Verringerung vom Vorzeichen der empfangenen Leistungssteuerungsbefehle unabhängig ist,
1h HIVa wherein the power control means (107, 118) is adapted to reduce the power control step size in accordance with a predetermined sequence of step sizes, and
wobei die Leistungssteuerungsmittel dazu geeignet sind, die Schrittgröße in Übereinstimmung mit einer vorgegeben Sequenz von Schrittgrößen zu verringern, und
further characterized in that weiter dadurch gekennzeichnet, dass
1i HVI said mobile station (110) contain means (112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels during which delay the closed loop power control means (118) is operable to adjust the control channel power, wherein the delay in transmission of the data channel is predetermined
die Mobilstation Mittel (112) zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals aufweist, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat, wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel (118) während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren, wobei die Verzögerung in der Übertragung des Datenkanals vorgegeben ist.
b) Der Gegenstand der im Rahmen des Hilfsantrages VIa verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig offenbart. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIa ist daher nicht zulässig.
Der Gegenstand mit den neu aufgenommenen Merkmalen 1c1 HVI 1c2 HVI, 1c3 HVI und 1i HVI betrifft eine Ausführungsform, welche den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnommen werden kann. Zur Offenbarung insbesondere des neuen Merkmals 1i HVI verweist die Beklagte zwar auf das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 3 in den ursprünglichen Unterlagen (NK7, S. 6, Z. 1 bis 11), jedoch entnimmt der zuständige Fachmann bereits aus der Formulierung zu Beginn der Beschreibung des Ausführungsbeispiels nach Figur 4, aus dem nach Ansicht der Beklagten insbesondere die Merkmale 1f HIIIa, 1g und 1h HIVa hervorgehen, dass es sich dabei um zwei komplett unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für das in der Anmeldung genannte Problem handelt (S. 6, Z. 12, „Figure 4 is a flow chart of another solution of the problem…“). Er würde eine Kombination dieser beiden Lösungsmöglichkeiten bei der Durchsicht der Anmeldung auch nicht in Betracht ziehen, da das Verfahren bei der Lösungsmöglichkeiten gemäß Figur 4 in den Anmeldeunterlagen erst dann startet, wenn nach einer Unterbrechung die Datenübertragung auf den Steuerkanälen und den Datenkanälen begonnen hat (vgl. NK7, S. 6, Z. 17 bis 19, „The method starts 402 with the beginning of the transmissions of the control channels 206, 208 and the data channel 210 (or the beginning of their retransmission after an interruption)“, Hervorhebung hinzugefügt). Zu diesem Zeitpunkt würde es für den Fachmann aber keinen Sinn machen, diese Lösungsmöglichkeit anzuwenden, da nach einer Unterbrechung oder Pause in der Übertragung bei der Verwendung der Lösungsmöglichkeit gemäß dem Merkmalen 1i HVI die Leistung bereits eingeregelt wäre, nachdem dort eine Leistungsregelung zunächst nur auf den Steuerkanälen und erst anschließend auf den Datenkanälen stattfindet (vgl. NK7, S. 6, Z. 1 bis 11).
Der mit Hilfsantrag VIa verteidigte Patentanspruch kombiniert damit verschiedene Offenbarungsstellen, die für den Fachmann, der sich um ein sinnvolles Verständnis der Beschreibung bemüht, in keinem erkennbaren kausalen Zusammenhang miteinander stehen. Die Merkmale 1f HIIIa, 1g, 1h HIVa und 1i HVI definieren in ihrer Kombination eine Ausführungsform, die in den Anmeldeunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausgestaltung der Erfindung offenbart ist. Diese stellt sich vielmehr gegenüber den ursprünglichen Unterlagen als nicht offenbartes "Aliud" dar (BGH Urteil vom 14.05.2009 – Xa ZR 148/05 - Heizer).
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag VIa verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Der Gegenstand der nebengeordneten Patentansprüche 2, 3 und 4 in der Fassung des Hilfsantrags VIa verlässt aus den zum Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VIa ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.
7. Hilfsanträge VIIa und VIIIa
a) Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen VIIa und VIIIa enthalten neben weiteren Änderungen die bereits zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIa für nicht zulässig erachtete Ausführungsform, wonach die beanspruchte mobile Station dadurch gekennzeichnet sei, dass
1f HIIIa the power control means (107, 118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time, which is defined by an predetermined number of power control commands, after the start or resumption of transmission,
das Leistungssteuerungsmittel (107, 118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit, die durch eine vorbestimmte Zahl von Leistungssteuerungsbefehlen definiert ist, nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern,
1g the occurrence of the reduction being independent of the sign of the received power control commands,
wobei das Auftreten der Verringerung vom Vorzeichen der empfangenen Leistungssteuerungsbefehle unabhängig ist,
1h HIVa wherein the power control means (107, 118) is adapted to reduce the power control step size in accordance with a predetermined sequence of step sizes, and
wobei die Leistungssteuerungsmittel dazu geeignet sind, die Schrittgröße in Übereinstimmung mit einer vorgegeben Sequenz von Schrittgrößen zu verringern, und
further characterized in that weiter dadurch gekennzeichnet, dass
1i HVI said mobile station (110) contain means (112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels during which delay the closed loop power control means (118) is operable to adjust the control channel power, wherein the delay in transmission of the data channel is predetermined
die Mobilstation Mittel (112) zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals aufweist, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat, wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel (118) während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren, wobei die Verzögerung in der Übertragung des Datenkanals vorgegeben ist.
b) Auch die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge VIIa und VIIIa beanspruchen somit eine Kombination unterschiedlicher Ausführungsbeispiele, die in keinem erkennbaren kausalen Zusammenhang stehen und sind daher aus denselben Gründen wie der Hilfsantrag VIa unzulässig. Es wird hierzu auf die Ausführungen zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIa verwiesen.
Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die zusätzlichen Merkmale der Patentansprüche VIIa und VIIIa gegenüber dem Patentanspruch VIa aus den ursprünglichen Unterlagen hervorgehen.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in den mit den Hilfsanträgen VIIa und VIIIa verteidigten Fassungen kann das Patent somit keinen Bestand haben. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 2, 3 und 4 in der Fassung des Hilfsantrags VIIa verlassen aus den zum Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VIa ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.
IV.
Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.